Die Nacht der drei Monde

Es war eine stürmische Nacht.

Der Regen peitschte ihr ins Gesicht und das Pferd stolperte querfeldein über das Gestrüpp. Assana hatte schon lange die Kontrolle verloren. Nachdem sie überfallen worden waren, war die Flucht das Einzige gewesen, dass ihr gelungen war.

Ihre Eskorte, vermutlich tot. Die heiligen Artefakte, die sie mitgeführt hatten, vermutlich geplündert. Ihr Stolz, gebrochen.

Nun lief ihr Pferd schon seit Stunden durch fremdes Land und Assana wusste gar nicht mehr, wie sie überhaupt in diesen dunklen, allesverschluckenden Eichenwald geraten waren. Verzweifelt klammerte sich die Klerikerin mit der letzten Kraft an den Vorderzwiesel des Sattels, als ihr Pferd abermals auf dem matschigen und unebenen Boden ausrutschte. Doch dieses Mal, ging das Tier mit einem schmerzlichen Ächzen in die Knie. Assana stürzte herab, doch der Fall wurde von dem Gestrüpp um sie herum gedämpft. Es zerriss ihre weiße Roben und zerkratzte ihre Haut. Als die Stute verzweifelt versuchte, sich wieder aufzuraffen, rissen auf die Zügel und Assana fiel durch das Dickicht hindurch. Unter Schmerzen kämpfte die Klerikerin durch aus dem Dornengestrüpp und versuchte dann, das panische Pferd zu beruhigen. Doch die Schimmelstute war außer sich, versuchte immer und immer wieder aufzustehen und bekam auf dem glitschigen Boden keinen Halt. Assana strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht und versuchte durch den dichten Regen irgendetwas zu sehen, dass sie retten konnte. Doch es war nichts um sie herum, nichts außer das bedrohliche Blätterdach der Bäume um sie herum, die kaum das Licht der Sterne hindurch ließ.

Schließlich sackte die Stute stöhnend und am Ende ihrer Kräfte zusammen. Schwer atmend legte sie ihren Kopf zur Seite und ergab sich ihrem Schicksal. Assana erkannte ihre Chance. Als eine Klerikerin Paladins war sie der Heilung fähig. Vorsichtig streckte sie sich über den Hals des Tieres, sie Stute wieherte schwach und Assana legte die Hand auf den offenen Bruch des Vorderbeines. Dann schloss sie die Augen und begann zu beten. Betete zu dem Platindrachen, zum tapferen Krieger, dem obersten Gott des Guten in Krynn. Doch die Geräusche um sie herum, lenkten die Klerikerin von ihrem Vorhaben ab. Einen kurzen Moment blinzelte Assana durch ihre dichten, beinahe schwarzen Wimpern hindurch und erschrak, als sie die Augen öffnete. Dort vor ihr, nur wenige Meter von ihr entfernt, standen schemenhaften Gestalten zwischen den hohen Baumstämmen. Das leise Wispern, das von ihnen ausging, ließ ihr Herz erzittern. Ein Wispern der Toten.

Assana schauderte, obwohl die Kälte sie schon lange in ihren Fängen hatte. Der permanent anhaltende Regen hatte ihre Roben bis auf die Haut durchnässt. Ihr Körper war ausgekühlt und allmählich breitete sich ein Taubheitsgefühl in ihr aus. Doch diese Kälte war nicht zu vergleichen mit der Kälte des Todes. Ein eisiger Windhauch schlug ihr zwischen den Stämmen hindurch entgegen und sie schickte ein Stoßgebet an ihren Gott, dass er ihr beistehen möge. Mit klopfendem Herzen erhob sie sich und sah zu den Schatten hinüber.

„Ich bin Assana von Fürstenbruck! Tochter des Fürsten Prejaher und Klerikerin Paladins", sprach sie fest. „Und ich fordere Euch dazu auf, mich aus diesem Wald zu geleiten!"

Niemand antwortete, doch plötzlich kamen die Schemen näher und da erst erkannte Assana, dass es keine menschlichen Geschöpfe waren. Ihre roten Augen leuchteten, als sie näher kamen und ihnen folgte erneut der Windhauch des Todes.

Die Klerikerin konnte nicht erkennen, ob es Wölfe waren oder ähnliches Untier, doch ihr war sofort klar, dass sie mit Worten keine Macht über diese Kreaturen hatte. Widerwillig wich sie zurück und die Stute gab einen kläglichen Laut von sich, als das erste Wesen seine sie erreicht hatte. Wie hungrige Wölfe fielen sie über die Stute her und Assana nutzte die Ablenkung, um zu flüchten. Orientierungslos lief sie durch den Blickdichten Wald und blieb nur ab und an stehen, um zu lauschen.

Der endlose Regen hatte nachgelassen und der Himmel klärte sich auf. Das rote Licht von Lunitari färbte das Blätterdach des Waldes blutrot.

Außer Atem blieb Assana auf einer kleinen Lichtung stehen. Zitternd vor Kälte und am Ende ihrer Kräfte, bat sie Paladin erneut um Hilfe und endlich schien dieser sie zu erhören.

Die silbernen Strahlen von Solinari fielen auf die Lichtung herab und zogen Assanas Aufmerksamkeit auf einen hellen Schein. Am Rande des Waldes war ein Wesen erschienen, in reinem Weiß und einer göttlichen Anmut. Die Klerikerin hielt abrupt den Atmen vor Staunen an, als sie einen Hirsch aus weißem Licht erkannte. Eine innere Wärme erfüllt ihr Herz plötzlich und die Dankbarkeit, die sie für ihren Gott empfand war nicht in Worte zu fassen. Mit eiligen Schritten überquerte sie die kleine Lichtung und folgte dem weißen Hirsch, nicht wissend, dass Paladin sie zu einem der dunkelsten Orte Abanasinia bringen würde.

Eine Uhr im Turm schlug elf.

Der Magier sah von seinen Labortisch auf und war zufrieden. Alles war ihm wie geplant gelungen. In jener seltenen Nacht, an der die drei Monde zur gleicher Zeit am Himmel standen, galt es einige Vorkehrungen für seine magischen Utensilien zu treffen. Nun war er sogar eine Stunde früher als gedacht fertig geworden.

Zufrieden ließ er den Blick schweifen und beschloss schließlich noch hinauf in sein Studierzimmer zu gehen, wo er die letzten Rezepturen noch einmal nachschlagen wollte. Der Magier versiegelte das Laboratorium sorgfältig, denn er wusste, dass die Neugierde seiner Novizen manches Mal größer waren als ihre Furcht vor ihm und in seinen privaten Räumen, hatte keiner von ihnen etwas zu suchen.

Er ging einige Stufen hinab, denn das Laboratorium lag in der Spitze des Turmes. Als er das Studierzimmer erreichte, war er dankbar um das Feuer, das noch im Kamin brannte und den Raum erwärmte. Er entzündete eine Kerze auf dem ausladenden Schreibtisch und ging hinüber zum Fenster um sich das seltene Schauspiel wenigstens einmal anzusehen und er hatte Glück. Ein Loch in den Wolken trieb vorbei und erlaubte einen kurzen Blick auf die Himmelsgestirne.

Lunitari stand beinahe am Höhepunkt und leuchtete in ihrem kräftigen Rot, während das kalte silberne Licht von Solinari den Wald am Fuße des Turmes beschien. Der dritten, der schwarzen Mond Nuitari, der nur von seinen Anhängern sichtbar war, stand wie ein Loch unscheinbar zwischen ihnen. Er war das Symbol des Gottes Nuitari, dem Gott der bösen Magie, dessen Loyalität der Magier hielt. Ihm und natürlich seiner Mutter, der Königin der Finsternis Takhisis. Sie war der Gegenpol von Paladin und nur Gilean, der Gott der Neutralität, konnte die beiden in Waage halten. In der Vergangenheit, hatte Takhisis immer wieder versucht, die Herrschaft über Krynn zu erlangen. Doch bisher hatte Paladin ihr immer Einhalt geboten.

Doch es waren seltsame Zeiten, das wusste der Magier. Er war sich der dieser Dinge durchaus bewusst und er kannte die drohende Gefahr, die vom Königspriester in Istar ausging.

Er spürte den Zorn der Götter schon seit langem und ihre auch Unruhe, doch er durchschaute noch nicht ihren Plan.

Es klopfte an der Tür und der Magier bat um Einlass, ohne sich umzuwenden.

„Meister", sprach einer der Novizen demütig, „eine Frau kam zu uns und ... sie bat um Asyl!"

Der Magier wandte seinen Kopf kaum merklich in Richtung des Sprechers, doch er sah weiterhin hinaus in den Himmel. Der Wald ließ üblicherweise niemanden ungebetenen hindurch. Grübelnd zog der die Brauen zusammen, als der Junge weiter sprach: „Meister ... sie ... sie ist eine Klerikerin Paladins ... Sie scheint verletzt zu sein, Meister."

Nun wandte er sich um und sah den Novizen an, um eine Lüge in seinem Gesicht zu erkennen. Dieser senkte demütig den Blick.

„Dann bringt sie ins Gästezimmer und kümmert euch um ihr Wohlergehen!", sprach er barsch und sah wie der Junge eifrig nickte.

„Ja, Meister! Noch etwas Meister?"

„Nein."

Die Tür schloss sich hinter dem Novizen und der Magier war wieder allein. Mit fragendem Blick wandte er sich wieder zum Fenster um und sah mit nachdenklichem Blick hinauf zu Nuitari. Die Wege der Götter waren unergründlich – wahrlich waren sie das!

Assana wurde in ein übersichtliches Gemach gebracht. Dort hatte man zwar ein Feuer entzündet, doch die Luft im Raum war noch immer kalt und klamm. Die Jungen hatten ihr sowohl ein etwas zu essen, wie auch eine Karaffe Wein gebracht. Begierig trank sie einen Schluck von dem gegorenen Traubensaft in der Hoffnung, es würde die Kälte aus ihren Gliedern vertreiben. Die Klerikerin legte ihren mitgenommenen Umhang ab und legte ihn über einen Stuhl vor das Feuer. Doch auch ihre restliche Kleidung war vollkommen durchnässt und sie freute sich bereits auf den Augenblick, sich in den gemütlich aussehenden Decken des Bettes zu kuscheln. Sie musste zugeben, in dem Moment, da sie erkannt hatte an einem der fünf magischen Türme angekommen zu sein, hatte ein flaues Gefühl sie ergriffen. Doch Paladin selbst hatte sie hergeleitet und das musste bedeuten, dass ihr hier keine Gefahr drohte.

Sie trat näher an das Feuer heran und streckte die tauben Finger in Richtung der Flammen und genoss die Wärme, während sie sich fragte, wo genau sie sich befand. Doch ihre Gedanken wurden unterbrochen, als es klopfte.

Assana wandte sich um, und bat um Eintritt und als sich die Tür öffnete, war ihr sofort klar, dass der Magier in schwarzen Roben, der Herr des Turmes sein musste.

„Guten Abend", sprach er mit eine angenehm dunklen Stimme und Assana erwiderte seinen Gruß höflich und bedankte sich für die Aufnahme.

„Ich werde Euch nicht zur Last fallen", sprach sie sogleich, „und bereits morgen wieder abreisen."

„Ihr könnt bleiben", sprach er der Höflichkeit wegen, „solange ihr wollte."

Assana, die sich an die grämliche Begrüßung durch drei junge Männer erinnerte, unterdrückte ein Schnauben. Für keinen Preis der Welt, würde sie sich länger hier aufhalten wollen, als nötig. Es war, als hätte ihr Gegenüber ihre Gedanken gelesen.

„Verzeiht den groben Empfang durch meinen Novizen", sprach der Magier und kam näher. „Wir erfahren hier nicht oft Frauenbesuch."

„Ich danke, für Eure Gastfreundschaft", sprach die Klerikerin nüchtern und hielt die Hände wieder ans Feuer und hoffte darauf, dass ihr Gastgeber begriff, dass sie nun lieber alleine sein wollte.

Sie fror noch immer fürchterlich und wünschte sich nichts sehnlicher, als sich der durchnässten Roben und der Lederstiefel entledigen zu können.

Der Magier hingegen, kam weiter auf sie zu und nahm sich einen samtenen Stoff vom Arm und sagte: „Hier habt ihr einen trockenen Umhang." In seinem Gesicht erschien ein spöttisches Lächeln. „Sofern Ihr schwarz tragt ..."

„Danke", antwortete Assana emotionslos.

Er legte die Robe über einen hohen Lehnstuhl ab. Und aus irgendeinem ihr unergründlichem Grund, blieb der Herr des Turmes dort einfach stehen. Nach einer Weile wandte sich die Klerikerin um, damit sie ihm wieder in sein Gesicht sehen konnte.

Sein Blick ruhte auf ihrem zerrissenen Ärmel. Die weiße Robe hatte sich an den Stellen, an der ihr der Wald die Haut aufgeschlitzt hatte blutrot gefärbt.

„Wo ist das passiert?", fragte er ruhig, ohne den Blick von ihr zu nehmen.

„Vor den Toren des Turmes", antwortete sie schlicht, „als ich vom Pferd stürzte."

„Das muss behandelt werden!"

Dieses Mal, war es Assana, die höhnisch lachte. Ihr Blick richtete sich wieder gen Feuer.

„Ich bin eine Klerikerin Paladins ‑ sorgt euch nicht um Verletzungen!", antwortete sie arrogant.

Doch der Magier überwand energisch die letzten Schritte die sie trennten, griff sie fest am Arm und zog den Stoff aus der Wunde. Assana unterdrückte einen Schmerzenslaut und riss sich aus dem Griff des Fremden frei.

„Was fällt Euch ein!", herrschte sie ihn an.

„Es gibt Mächte, im Wald von Shoikan, vor denen Euch selbst Paladin nicht retten kann", sagte er und sein Blick ging von der Wunde zu ihren blauen Augen. „Ihr solltet tunlichst der Vergiftung Einhalt gebieten. Ansonsten werdet ihr noch vor Sonnenaufgang Euren Gott persönlich begegnen."

Assana warf einen flüchtigen Blick auf ihre Verletzung und erschrak augenblicklich. Die Haut darunter hatte schwarze Flecken und ihre Adern bildeten sich um den Schnitt violett ab. Doch zunächst wandte sie sich von dem Magier ab, nahm auf dem Hocker vor dem Feuer Platz, legte ihre Hand behutsam auf die Wunde und rief Paladin an.

Doch die Klerikerin spürte gleich, dass etwas anders war. Ob es an diesem düsteren Ort, den magischem Schutz des Turmes oder der Anwesenheit des Erzmagiers lag mochte sie nicht zu beurteilen. Doch Paladin erhörte sie nicht ‑ zum ersten Mal in ihrem Leben.

Panik ergriff ihr Herz und nun wurde sie sich dem Schmerz bewusst, der klopfend von der Wunde ausging. Kribbelnd pulsierte die Haut darum. Hilfesuchend sah sie sich um und der Magier hatte bereits einen gläsernen Tiegel aus den Tiefen seiner Roben gezogen.

„Was ist das?", fragte sie ihn, als dieser den Deckel des Gefäßes löste und ihn gut sichtbar für Assana hochhob.

„Diptam, versetzt mit einer Note Kamille und Eisenkraut, um die wesentlichen Bestandteile zu nennen", antwortete er schlicht.

Einen Moment starten sie einander nur an. Einen kleinen Moment, in dem die Klerikerin begriff, dass es an ihr war, den ersten Schritt zu tun. Ihr Arm wurde allmählich taub und schließlich erhob sie sich so anmutig, wie es mit ihrem durchfrorenen Körper möglich war.

Kurz vor dem Magier blieb sie stehen und legte sich ihr langes, ebenholzfarbene Haar auf die andere Seite des Halses. Ihre makellose und reinweiße Haut glänzte von der Feuchtigkeit und sie sah die schwarze Robe nicht an, als sie ihn um Hilfe bat und so musste sie auch seinen genugtuenden Blick nicht sehen.

Assana zuckte zusammen, als die Spitze seiner filigranen Finger über die Wunde glitt und die karamellfarbene Paste darauf verteilte. Diese linderte sofort ihren Schmerz und ihre verkrampften Muskeln entspannten sich ein wenig.

Sie war ihm nun so nah, dass ihr ein würziger Duft von Kräutern in die Nase stieg. Einige davon erkannte sie wieder. Patschuli, Myrre und Melisse. Ihre Nackenhaare stellten sich unweigerlich auf, als seine Berührungen ihre Schulter hinaufwanderte, den Schnitt zwischen ihren Schulterblätter behandelte und schließlich schloss Asanna für einige Atemzüge die Augen und genoss das angenehme Kribbeln, das die Paste auf ihrer Haut verursachte. Sie konnte förmlich spüren, wie das Gift aus ihrem Körper gesogen wurde, konnte mit jedem Atemzug fühlen, dass sie genesen würde.

Der Magier stellte den Tiegel auf den Balken über den Kamin und sah sich die restlichen Verletzungen an. Die meisten von ihnen kamen vom Sturz und waren nicht mehr als Kratzer vom Dornengestrüpp. Unschön, brennend vielleicht, jedoch nicht gefährlich. Die Schürfungen leuchteten fleischig Rosa auf der ebenmäßig weißen Porzellanhaut der Klerikerin und war so durchscheinend, dass er an manchen Stellen ihre Adern darunter erkennen wurde. An der freigelegten Stelle ihres Halses, konnte er ihren Puls sehen. Wie er mit jedem ihrer Herzschläge die Lebenssäfte durch ihren Körper drückte. Sein Finger glitt von der Verletzung zwischen ihren Schulterblättern ihre Wirbelsäule hinauf und dann konnte er der süßen Versuchung nicht länger widerstehen. Es war einfach viel zu lange her gewesen, dass er eine Frau gehabt hatte.

Assana zuckte zusammen, als sie die heißen Lippen des Magiers auf ihrem Hals spürte und öffnete protestierend den Mund. Doch es sollte ihr kein Laut über die Lippen kommen, denn die Wellen der Erregung, die seine Berührungen in ihr auslösten raubten, Assana schier den Verstand. Einen Augenaufschlag später fand sie sich in seiner festen Umarmung wieder. Sein Atem an ihrem Ohr, ließ sie erschaudern und ihr Brustkorb hob und senkte sich mit dem eiligen Schlägen ihres Herzens. Schuldbewusst erinnerte sie sich an ihr Gelübde. Erinnerte sich an ihre Ausbildung, doch Paladin war hier nicht allgegenwärtig. Das musste zweifellos an der Magie im Turm liegen.

Noch bevor sie weiter hätte nachdenken können, spürte sie seine Hand an ihrem Kinn, als er ihren Kopf zu sich zog. Seine schmalen Lippen legten sich fordernd und gierig auf ihren Mund, den sie bereitwillig öffnete. Bei den Göttern, was hatte er in so kurzer Zeit mit ihr gemacht?

War sie einem Zauber verfallen?

War ihre ganze Reise, die ganze Tortur die hinter ihr lag eine Glaubensprüfung?

Sollte sie nicht standhaft bleiben, wo sie ihrem Gott doch die Treue geschworen hatte.

Asanna wandte sich zu dem Fremden um und floh in seine Arme. Seine Lippen senkten sich abermals auf ihre und ihr ausgefrorener klammer Körper erzitterte, während sie die Wärme genoss, die von ihm ausging. Die Hitze der Magie, die seinen Körper zum Glühen brachte, war wie die ersten warmen Sonnenstrahlen der Frühlingssonne, auf ihrer Haut.

Paladin war nicht hier.

Es gab nur sie und ihn.

Als ihre nassen Kleider zu Boden fielen, hielt er zum ersten Mal inne, um sie zu betrachten und es war fast so, als würde er Takhisis' selbst ins Antlitz blicken. Allein die Vorstellung fachte seine Leidenschaft noch weiter an und ein seltsames Kribbeln breitete sich von seinem Nacken über seinen ganzen Körper aus. Er hob die Klerikerin vom Boden und trug sie zum Bett hinüber. Noch immer war ihr Körper kalt und ausgekühlt, doch ihre Unnahbarkeit war lange dahingeschmolzen.

Er entledigte sich seiner eigenen Roben, bevor er zu ihr ins Bett stieg und ihren kühlen Laib mit seiner eigenen Hitze bedeckte.

Draußen tat sich derweil der Himmel auf und der silberne Schein von Solinari beschien den Turm von Palanthas und schwächte das karmesinrote Licht von Lunitari ab. Diese Buhlerei, ließ Nuitari kalt, denn der dritte – der schwarze Mond – konnte sowieso nur von seinen Anhängern gesehen werden. Und in jener Nacht, schien er dunkler denn je und wirkte wie ein schwarzes Loch am sternenreichen Firmament.

Als Asanna am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war es, als würde sie aus einem Rausch erwachen. Zaghaft schien das Sonnenlicht durch den wolkenverhangenen Himmel und fiel durch das hohe Turmfenster hinein. In ein Laken gehüllt kämpfte sie sich so leise wie möglich aus dem Bett und schritt zu dem Fenster hinüber. Doch an der Atmung des Magiers hatte sie erkannt, das er erwacht sein musste. Beschämt umklammerte Asanna das Laken noch ein wenig fester, als der Magier sich hinter ihr ganz ungeniert aus dem Bett erhob und seine Robe anlegte. Mit der freien Hand zog sie den Vorhang auf und sah hinaus. Dort draußen, am Rande des Waldes durch den sie vergangene Nacht getaumelt war, konnte sie hunderter von kleiner, reinweißer Häuser erkennen. Und die Erkenntnis traf sie, wie ein Blitzschlag: Sie waren unverkennbar die marmornen Häuser der Stadt Palanthas.

Die Klerikerin schluckte beflissen und ihr Körper begann zu zittern, als sie eine ungute Vorahnung beschlich.

Als der Mann hinter ihr wieder angekleidet war, drehte Asanna sich um und ging zu ihrer eigenen Robe hinüber. Das Kaminfeuer hatte den Stoff über Nacht trocknen lassen. Doch er war zerschlissen, schmutzig und unansehnlich. Aber das war es nicht, was Assana angst bereitete.

Sie fühlte sich plötzlich selbst schmutzig und unansehnlich. Sie hatte ihr Gelübde verraten! Wie sollte sie Paladin so jemals wieder in die Augen blicken.

„Ich werde euch ein Pferd geben!", sprach der Magier hinter ihr plötzlich und sie zuckte etwas zusammen.

„Nicht nötig!", lehnte Assana hochmütig ab.

„Es ist eine Notwendigkeit!", korrigierte er. „Der Wald von Shoikan, birgt viele Gefahren. Und üblicherweise lässt er keinen ungebetenen Gast hindurch."

Assana wandte sich um und sah ihn in die seltsamen Augen. In die seltsamen Augen, die sie am Abend noch so anziehend und nun so furchteinflößend fand. Die Härchen an ihrem Körper stellten sich unweigerlich auf und ihr Herzschlag erhöhte sich um einen Takt.

Sie war in Palanthas angekommen. Sie war in einem von Wald umgebenen Turm eines Erzmagiers am Rande der Stadt Palanthas.

„Wie ist euer Name?", fragte sie ehrerbietend und versuchte die Angst aus ihrer Stimme zur verbannen.

Die Lippen des Magiers verzogen sich zu einem Lächeln, bevor er antwortete: „Fistandantilus."

Als der Wald sich lichtete und der schwarze Hengst den ersten Huf auf freies Land setzte, atmete Assana erleichter auf. Nur wiederwillig warf sie einen Blick zurück über die Schulter auf den Turm des Erzmagiers, der sich wie ein schwarzer Dorn in den Himmel bohrte und schauderte unwillkürlich.

Warum hatte Paladin sie vor den Kreaturen der Nacht im Wald von Shoikan geschützt und nicht vor jenen, allseits bekannten bösartigen Magier?

Welcher Dämon war in sie gefahren, einen Fremden zu vertrauen und sich diesem sogar hinzugeben.

Sie hatte ihre Reinheit geopfert, sie hatte ihren Kodex geopfert und doch spürte sie nichts außer Selbstzweifel auf ihren Schultern. Doch Paladin war an ihrer Seite, noch immer und diesen Widerspruch würde Assana nie begreifen können.

Entschlossen schickte sie den Rappen los. Bis zum Tempel Paladins war es noch ein weiter Weg und dieses Geheimnis würde sie schließlich mit niemanden teilen müssen.

Wie sehr sie sich irrte.

Schon nach einigen Monaten konnte man Asanna ihr Geheimnis körperlich ansehen. Es kostete sie ihr Ansehen, ihren Stand als Nachfolgerin des Königspriesters. Schließlich schaffte man sie fort in ein kleines Haus am Stadtrand und erzählte dem Hofstaat, sie sei auf einer Glaubensreise. Zusammen mit einer taubstummen Amme, brachte sie weit abseits von der Zivilisation ihr Kind zur Welt und da es ihr nicht gestatte war es zu behalten, gab Asanna ihre Tochter bereits nach wenigen Stunden im Glauben daran ab, sie würde von einer adeligen Familie in Palanthas aufgezogen werden.

In Wirklichkeit jedoch, wartete bereits ein Reiter in schwarz am Wegesrand vor dem Haus darauf, dass die Amme den Säugling hinausbrachte. Die Tür öffnete sich bei Anbruch der Nacht und der Reiter nahm das schlafende Bündel mit der Absicht es zum Sterben auszusetzen. Er kannte einen Ort von dem Niemand zurückkehrte. Einen Ort, an dem dunkle Schatten lauern und das wehrlose Kind mit sich ziehen würden. Selbst fähige Krieger hatten es nicht aus den Fängen des Waldes geschafft. Der Wald von Shoikan war dunkel und gefährlich, wie der Magier in dessen Turm dahinter. Der Wald von Shoikan bedeutete Tod für jedermann.

Wie sehr er sich täuschte.

Der gierige Wald schien förmlich auf ihn zuzukommen, als der Reiter das Kind auf den Boden legte. Er hörte die uralten Bäume knarzen. Er hörte die Blätter wispern und er hörte auch das Stöhnen der verblichenen Seelen darin. Eilig stieg er wieder auf und beobachtete im gebührenden Abstand, wie der Wald das Neugeborene verschluckte.

Nicht wissend, dass es überleben sollte.

Nicht wissend, dass die Götter selbst es schützend.

Paladins hütende Hand lag wie eine Glocke über dem Bündel und schützte es vor den Ungeheuern des Waldes, denn er brauchte das Mädchen für kommende Schlachten gegen seinen größten Feind.

Takhisis leises Flüstern lockte unterdessen den Erzmagier aus seinem Turm und führte ihn durch die verschlungenen Pfade des Waldes, denn sie brauchte das Mädchen, um sich den Magier fern zu halten.

Gilean ließ sie beide gewähren und vergoss eine silberne Träne um das Kind.

Auch die drei Götter der Magie fanden Frevel an dem Bündnis, wenngleich ein jeder von ihnen um die Gunst des Mädchens buhlen würde, sobald ihnen klar war, dass es magisch sein würde.

Eines jedoch hatten sie alle gemein und so vereinte sich die Liebe der Götter in einem irdischen Wesen, wie sie seit Anbeginn der Zeit in Krynn nicht vorgekommen war.

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