Dianthus




———————— ❀✿❀ ———————

Ich sitze mitten auf einer grünen Wiese und schaue in den blauen, wolkenlosen Himmel. Das Zwitschern der in der Luft tanzenden Vögel erfüllt die Gegend. Ich kann sehen! Die Farben, das Gras, die Bäume, Blumen und Schmetterlinge. Da fliegt sogar der kleine schwarz-mintgrüne, der neulich auf meiner Nase gelandet ist. Er setzt sich auf meine Hand und ich kann ihn bewundern. Und weiter vorne... Ist das Jimin? Was macht er hier?

„Yoongi!"

Nein... mein kleiner Freund fliegt weg und Jimin verschwindet langsam, wie eine Rauchwolke... Er streckt mir seine Hand entgegen... Ich muss danach greifen... ihn festhalten... ihn nicht gehenlassen...

„Yoongi!"

Alles wird grau und düster. Warum ist Jungkook eine dicke, dunkle und fluffige Gewitterwolke?

„Yoongi!"

Jungkook's Stimme reißt mich ruckartig aus meinem wunderschönen Traum, der regelrecht vor meinem inneren Auge zerplatzt. Ich sitze aufrecht und habe meine Augen weit geöffnet, während nur langsam die Erkenntnis in mein Bewusstsein sickert, dass ich in meiner Mittagspause eingeschlafen bin – wie so oft.

Ich zucke erneut leicht zusammen, als ich eine Hand auf meiner linken Schulter spüre, die mich sanft beginnt zu streicheln. Es muss Jungkook's Hand sein, die versucht mich zu beruhigen, oder auf sich aufmerksam zu machen, weswegen ich mich in seine Richtung wende.

„Hyung tut mir leid, aber ich hole kurz ein paar Nelken aus dem Lager, für den nächsten Auftrag. Ich komme gleich wieder."

Ich nicke zur Antwort, spüre zeitgleich, wie seine Hand von meiner Schulter gleitet und höre ihn anschließend weggehen. Tief atme ich durch, schließe wieder meine Augen und versuche mich wieder zu entspannen. Ehrlich gesagt ärgert es mich, dass er mich wegen solch einer Banalität geweckt hat, aber andererseits bin ich darauf angewiesen zu wissen wo er ist, damit ich weiß, dass ich jetzt auf den Laden und mich aufpassen muss.

Nach nicht einmal fünf Minuten, kann ich Schritte hören. Sie sind lauter als sonst, aber vielleicht hat Jungkook seine Schuhe angezogen, damit er keine nassen Füße im Keller bekommt. Ich horche auf, als das Geräusch immer unangenehmer in meinen Ohren nachklingt und verziehe das Gesicht. Er weiß doch, dass ich so etwas nicht leiden kann.

„Mensch Kookie! Zieh doch bitte deine Schuhe wieder aus, dass nervt ja tierisch!", fluche ich, wobei die Schritte sofort verhallen, und ich hören kann, wie es raschelt. Dann ein Plopp... und noch eins. Er muss die Schuhe ausgezogen und auf dem Boden abgestellt haben.

Die Schritte kommen näher in meine Richtung, doch dieses Mal deutlich leiser und sanfter. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass mich Jungkook heute ärgern will, weil er nicht mit mir spricht.

„Du schnaufst wie ein verschnupfter Elefant mit Asthma, der gerade ein Triathlon absolviert hat! Ich dachte du wärst sportlich!"

Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Das ungute Gefühl in meiner Magengegend wird noch größer, als ein lautes Schmatzen und Knatschen neben meinem linken Ohr ertönt. Dabei kriecht mir ein zuckersüßer Geruch in die Nase, der mich diese rümpfen lässt. Das ist nicht Jungkook's Geruch. Zusätzlich mischt sich noch ein abstoßender Geruch von Käsefüßen hinzu, der mich zurückweichen und blind nach ihm schlagen lässt.

„Ich muss schon sagen...- YAH! Wieso schlägst du mich!", schreit die mir unbekannte Stimme, während ich ein zweites Mal mit der Hand aushole und ihn erneut an seinem Bein treffe, vielleicht sein Oberschenkel oder so. Jedenfalls weicht er von mir, was ich durch die polternden Bewegungen hören kann.

„KOOKIE!!!", brülle ich damit er sich um den Eindringling kümmert. Ich mag es überhaupt nicht, wenn sich jemand mir versucht unbemerkt zu nähern. Noch schlimmer ist es, wenn sie mir zu nah kommen.

Schnelle Schritte sind zu hören, dann ein Poltern, gefolgt von wildem Geschrei, während ich extra noch einige Meter mit meinem Stuhl nach hinten rutsche.

„Lassen Sie Herrn Min in Ruhe!", höre ich Kookie brüllen.

„Hör auf mich mit einem Besen zu verprügeln, du Pabo! Ich bin es Taehyung!"

Kennen sich die Beiden? Ich dachte Kookie hätte keine Freunde und würde entweder nur Sport machen oder sich mit seinem Auto beschäftigen? Aber immerhin weiß ich jetzt wie die Person heißt, die sich so dreist an mich geschlichen hat.

„TaeTae! Das ist aber langer her!" In seiner Stimme hört man deutlich sein Erstaunen raus.

Nachdem klar ist, dass sich die Beiden kennen, entspanne ich mich wieder und lasse mich zurücksinken, schließe meine Augen und lasse die Worte an mir abprallen. Sie gehen mich nichts an. Trotzdem merke ich, wie angeregt sie sich unterhalten und wie Jungkook regelrecht aufblüht. Er redet so viel, was untypisch für ihn ist, aber es zaubert ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Ich freue mich für ihn.

Jungkook's Geruch harmoniert mit Taehyung's und dennoch werde ich das dumpfe Gefühl nicht los, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Dieses wird noch schlimmer, als er mir auf einmal wieder so nah ist.

„Aber ich muss sagen. Dein Boss ist schon cute. Er sieht aus wie ein hübsches Porzellanpüppchen!", säuselt Tae an meinem Ohr, während ich seine Hand auf meinem Rücken spüre. Sofort springe ich auf, schlage nach ihm und lasse dabei einen kurzen Schrei los. Das schmerzhafte Aufstöhnen ist eine Genugtuung, doch mein schnell schlagendes Herz beruhigt es nicht. Was fällt diesem Scheißkerl eigentlich ein?

„Mensch Tae! Yoongi Hyung ist blind, der Arme stirbt noch an einem Herzinfarkt wegen dir", schimpft Jungkook mit Taehyung, während sich meine Finger haltsuchend in die Stuhllehne krallen und ich ein kurzes „oh" höre. Meine Beine zittern und meine Atmung geht etwas flach. Wie ich es hasse, dass ich durch meine Blindheit so schreckhaft geworden bin. Nur langsam beruhige ich mich wieder und lasse mich zurück auf meinen Stuhl sinken.

„Kookie erklär mir mal, wie der Pabo hier reingekommen ist?", stelle ich die Frage aller Fragen, denn normalerweise ist die Eingangstür in der Pause immer abgeschlossen. Ich höre neben mir wie jemand scharf die Luft einzieht.

„Ich habe die Tür vorhin aufgemacht, um zu lüften und habe wohl vergessen sie wieder zu schließen. Tut mir leid, Hyung." Seine Worte klingen reumütig und ich kann hören, wie einer dem anderen auf die Schulter klopft. Ob Taehyung ihm gerade versucht Trost zu spenden?

„Schon gut. Nur bitte denke das nächste Mal daran sie wieder zu schließen, bevor du mich hier alleinlässt, damit ich wenigstens die Glocke hören kann, wenn jemand fremdes den Laden betritt", sage ich so ruhig, wie es mir gerade möglich ist, denn die Situation gefällt mir überhaupt nicht. Ich habe lieber meine Ruhe in meiner Mittagspause, doch dieser Taehyung ist tierisch aufdringlich und ich bringe es nicht übers Herz Jungkook ihn rausschmeißen zu lassen.

„Entschuldige, Hyung. Das wird nie wieder vorkommen. Versprochen."

Ich lächle gezwungen, bevor ich es mir so gemütlich wie möglich mache und versuche noch ein wenig zu entspannen, während Jungkook und Taehyung sich in eine andere Ecke des Ladens verzogen haben, um mich nicht zu stören. Immerhin etwas, aber gut fühle ich mich dabei nicht. Ich sollte darüber unbedingt noch einmal in Ruhe mit Jungkook reden.

„Auf Widersehen Herr Min", werde ich irgendwann aus meinen sich kreisenden Gedanken gerissen. Ich presse meine Hand gegen meine Brust und sehe in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist. Ich hebe jedoch lediglich die Hand zum Abschied und atme erleichtert aus, als ich höre, wie er endlich den Laden verlässt und Jungkook zu mir gehüpft kommt. Ich kann förmlich spüren wie glücklich er ist und wie er strahlt, doch als ich gerade ansetzen will zu sprechen, werden wir von der engelsgleichen Stimme meines Bruders unterbrochen.

„Mir ist gerade ein ganz schnuckeliger Kerl entgegengekommen kurz bevor ich den Laden betreten habe. Schade, dass du ihn nicht sehen könntest, Yoongels. Er ist groß, hat dunkle Haare und ein so breites Grinsen..."

Ich höre neben mir ein schweres Schlucken und ein leises „hm". Hobi wird es vermutlich nicht gehört haben, da er so über den Mann am Schwärmen ist, der ihm über den Weg gelaufen ist. Es ist schnell klar, dass es sich um diesen Taehyung handeln muss, da er ihm ja regelrecht vor die Füße gelaufen sein soll, als er zu uns rein wollte.

Mit jedem weiteren Wort spüre ich, wie Kookie, neben mir, immer geknickter wird. Seine Aura wird düsterer um ihn herum. Ich bin verdammt schlecht, wenn es ums Aufmuntern geht, trotzdem taste ich mit meiner Hand nach Kookies. Als ich seinen Arm spüre, fahre ich diesen herunter um seine Hand zu halten. Der Arme zittert leicht und ich drücke seine Hand etwas, um ihm etwas Sicherheit zu geben. Hobi ist manchmal noch blinder als ich. Er merkt so gar nicht wie es Kookie geht und scheint sich nicht dafür zu interessieren, was er mit seiner unbedachten Schwärmerei auslöst. Der arme Keks neben hört einfach nicht auf zu zittern, also stehe ich auf und ziehe ihn in eine Umarmung.

„Hyung... Ich gehe eben raus frische Luft schnappen...", Kookie entschuldigt sich und verlässt den Laden.

„Was ist mit dem Kleinen denn los, dass er so plötzlich den Laden verlässt?" Mein Bruder ist gerade völlig irritiert. Er hat nicht mal mitbekommen, dass ich Kookie etwas Halt gegeben habe, während er unbekümmert von Taehyung geschwärmt hat.

„Ihm geht es gerade einfach nicht gut", seufze ich etwas.

Nachdem ich den Arbeitstag geschafft habe, räumen Kookie, Hobi und ich den Laden auf. Die ganze Zeit hängt eine komische Spannung in der Luft, mich macht dies ziemlich nervös und angespannt. Es klingt eventuell etwas kitschig, aber ich brauche Harmonie. Die Blindheit meines Bruders und die Schüchternheit Kookies legen den beiden einige große Steine, nein, eher Felsen in den Weg. Die beiden hätten seit Monaten schon ein Paar sein können.

„Wir können los, Brüderchen!" Mein Bruder tippt mir auf die Schulter und reißt mich somit aus meinen Gedanken. Kookie verabschiedet sich schnell, während Hobi lautstark seiner Irritation Luft macht. Er begreift einfach gar nichts.

Wir verlassen den Laden, wobei ich es meinem Bruder überlasse sich um den Rest zu kümmern, der dabei das Titellied von Chihiros Reise ins Zauberland summt.

In der Luft hängt wieder dieser mir vertraute Duft, der mir nicht einfallen will woher ich ihn kenne. Süßlich, aber dennoch etwas herb, auch ein Hauch von Erdbeeren und Zigarettengeruch ist in der Luft. Ich höre keine anderen Menschen in der Nähe, also müsste dieser Geruch ausschließlich von dieser Person stammen. Eine wohltuende Wärme breitet sich in meinem Herzen aus.

'But strawberries and cigarettes always taste like you... You always leave me wanting more...'

Der Song von Troye Sivan kommt mir in den Kopf und beginnt in sich in Dauerschleife abzuspielen.

'I can't shake my hunger for... Strawberries and cigarettes always taste like you...'

Wieso fühlt sich der Geruch so vertraut an und warum fühle ich mich von ihm so angezogen?

'Yeah, they always taste like you... Long nights, daydreams...With that sugar and smoke rings...'

Wie hypnotisiert greife ich an meine kleine Tasche, die am Gürtel hängt und ziehe meinen Blindenstock heraus, den ich mit einer geübten Handbewegung auseinanderklappen lasse und dem Geruch folge.

'Always taste like you...'

Meine Beine bewegen sich automatisch, werden angezogen, wie eine Motte vom Licht. Hobi's Rufe nehme ich nur gedämpft wahr, da ich alles um mich herum ausblende. Es gibt nur ihn und mich.

'Headlights, on me (and even if I run away)

Racing to 60, I've been a fool (and give my heart a holiday)

Still, strawberries and cigarettes always taste like'

Der süßlich-rauchige Duft wird immer intensiver und ich spüre, wie sich meine Härchen aufstellen, nicht weil ich mich unwohl fühle. Im Gegenteil. Es fühlt sich immer mehr nach Geborgenheit und Vertrautheit an.

'Blue eyes, black jeans (you always leave me wanting more)

Lighters and candy, I've been a fool (I can't shake my hunger for)

Strawberries and cigarettes always taste like you'

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und pumpt mein Blut viel zu schnell durch meinen Körper. Mir ist fürchterlich heiß und meine Hände sind schwitzig, während mein Körper angespannt ist. Ich komme der Quelle meiner Begierde immer näher. Ich kann sie schon fast greifen, nur noch ein St-

„HEY!" Ich lasse einen kurzen Schrei los, da mich wer einfach wegzieht und somit aus meiner Welt reißt.

„Hör auf zu schreien! Ich rette dich gerade vor einer sehr zwielichtigen Person und ich möchte nach Hause!", nörgelt mein Bruder, während ich den Drang unterdrücke ihn mit meinem Stock zu vermöbeln.

„Der Typ ist richtig gruselig. Der trägt einen Mundschutz und hat so schmuddelige Sachen an. Der verkauft sicherlich Drogen oder er hätte dich vergewaltigt oder noch schlimmere Dinge getan! Ich will nicht, dass dir was passiert! Bleib in meiner Nähe und renn nicht einfach los! HEY!"

Doch letztendlich verlor ich den Kampf und unterbrach seine Moralpredigt mit einem kräftigen Hieb gegen sein Schienbein, welches bestimmt schon einige Macken diverser Ausbrüche meinerseits aufzuweisen hatte.

„Ja Mami, ich gehe nie wieder zu fremden Leuten und steige auch nicht einfach in Autos von Unbekannten." Meine Tonlage trieft vor Ironie und ich fange mir dafür ein Boxer am Oberarm ein.

„Ich meine das Ernst Yoongi! Ich kann dich nicht immer beschützen und ich möchte dich nicht verlieren." Die Besorgnis in der Stimme meiner Sonnenblume lässt mich weicher werden. Ich ziehe ihn in einer Umarmung und drücke etwas fester zu. Hobi löst sich aber schnell aus der Berührung und zieht mich schnell mit sich mit, während ich meinen Blindenstock wieder in seiner Tasche verschwinden lasse. Mit einem schnelleren Schritt, gehen wir weiter. Das komische ist jedoch, dass dieser betörende Geruch nicht verschwindet. Verfolgt er uns etwa?

„Lass uns schnell nach Hause! Der Kriminelle verfolgt uns!", bestätigt Hobi mir meine Vermutung, wobei ich die Panik in seiner Stimme nicht überhören kann. Sie schwappt sofort auf mich über und ich bekomme es mit der Angst zu tun. Was will dieser Typ von uns? Hobi zieht mich fester an sich und wir erhöhen unser Tempo. Mein Herz rast wie verrückt und trotzdem kann ich hören, wie auch unser Verfolger schneller wird. Mist.

Ich schreie auf, als Hobi einfach stehenbleibt und ich ihn vor mir spüren kann.

„Komm auf meinen Rücken, schnell!", fordert er mich auf und ich folge, wobei ich meine Beine fest um seine Hüften schlinge und meine Arme um seinen Hals, während er bereits wieder losgerannt ist – vermutlich um unser Leben.

———————— ❀✿❀ ———————

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top