Heute

Heute - oder auch 5 Monate und ein paar morgendliche Flüche von Jonathan später

Für manche mag eine solche Alltagsbeschreibung langweilig sein. Alle diejenigen, die Lust haben weiterzulesen, lade ich herzlich ein den Tag mit mir gemeinsam Revue passieren zu lassen. Macht es euch gemütlich und genießt den Tag.

Oh happy day- oh happy day

„Lotteeeee, mach ihn aus! ... Lotte? - Was war das?"

„Der Wecker."

„Das meine ich nicht, was hat da so gescheppert?"

„Habe ich doch gesagt, der Wecker! Er ist runtergefallen. Tut mir leid - habe den Knopf so schnell nicht gefunden. Wir müssen uns unbedingt mal einen mit größeren Tasten besorgen. Jedes Mal das Gleiche mit diesem Ding."

„Ja! Und einen anderen Sender suchen. 3:30 Uhr. Was bitte, soll daran happy sein?"

„Ach Jonathan - ich gehe Kaffee kochen."

„Mh, ich stehe auch auf."

Etwas verschlafen und eher mundfaul haben wir unseren Kaffee genossen und versucht unsere Lebensgeister davon zu überzeugen, dass auch sie endlich die kuschelige Wärme unserer Schlafstätte verlassen und sich mit unseren Körpern vereinen müssen.

Eine kleine Weile später war alles beieinander was zusammengehört und wir im Auto unterwegs in eine grandiose Morgenstimmung.

Es gibt sie, diese warmen, weichen Zeiten am frühen Morgen, wenn der Mensch erahnen kann, dass die Sonne am Himmel aufgeht, die Nacht sich verflüchtigt und eine Milde den Morgen begleitet, die verspricht, dass dies ein guter Tag wird.

Es ist schon ein guter Morgen. Entgegen seiner sonstigen Wortkargheit um diese Tageszeit, die für Jonathan eigentlich mitten in der Nacht ist, mutierte er zu einer kleinen Quasselstrippe.

„Guck mal Lotte, das hat doch schon mal gut geklappt. Jetzt sind wir schon im Auto und werden pünktlich bei Erwin sein. Ihr bekommt bestimmt noch eine Hütte ab. Das ist ja auch ganz gut so. Der Tag soll heute heiß werden. Zum Angeln ja nicht so toll, aber für einen ganzen Tag am See auch wieder nicht schlecht - oder?"

„Da hast du Recht Jonathan. Ich freue mich, dass das Wetter so gut vorhergesagt ist. Aber du weißt ja, dass ihr uns heute Nachmittag nicht unbedingt dort antreffen müsst, wo du uns heute Morgen mit hinbringst."

„Nein Lotte, das weiß ich nicht, wieso meinst du, dass das so sein wird?"

„Weil das immer so ist. Papa will am Liebsten eine Hütte haben, weil er seine Sachen schön schützen kann, wenn es Regen gibt. Als erstes stellt er die Stühle auf. Ganz ordentlich, damit sie einen festen Stand haben und ihm einen guten Blick über seine Angelruten geben. Danach rüstet er seine Angeln und beguckt sich dabei den See schon einmal ganz genau. Währenddessen richte ich alles in der Hütte her. Schaue, dass unsere Picknicksachen so verstaut sind, dass keine Spinne den Weg zu ihnen findet und die Ameisen auch nicht bemerken, dass Futter in der Nähe ist. Danach sortiere ich seine Kistchen, Kästchen und Gläser mit den Würmern und den Maden. Eigentlich gebe ich ihm nur eine Stunde und wir wechseln den Standort, weil wir uns mit Abstand den schlechtesten Platz am See ausgesucht haben. Mit Glück machen wir das nur einmal. Auf die Art und Weise haben wie es aber auch schon geschafft im Laufe eines Tages den See zu umrunden."

„Ernsthaft?"

„Ernsthaft!"

„Oh Mann, dann hoffe ich mal, dass das heute anders ist."

Nachdem wir nach dieser kurzweiligen Autofahrt meinen Papa und seine Angelsachen verstaut hatten, sind wir durch die morgenleeren Straßen zum Angel-See gefahren. Unterwegs haben Jonathan und ich bereits einen Kurs über die Wahrscheinlichkeit einer schlechten Ausbeute des heutigen Tages erhalten.

Das war nicht gerade ein Beispiel für die Kunst des positiven Denkens. Allerdings haben Angler - genauso wie die Bauern ihre Regeln und die Jäger ihr Latein - eben auch zu bestimmten Abhängigkeiten zwischen Naturereignissen und Fangquote, ihre eigenen Ansichten.

Bis zur Mittagszeit haben Papa und ich in stiller Zweisamkeit den Tag genossen. Vorher mussten wir allerdings erst mit dem Pächter klären, dass ich nicht angle und ja, die drei Angeln ausschließlich für meinen Papa sind und nein, ich nicht die jugendliche Ehefrau, sondern die Tochter bin.

Träge plätscherte der Vormittag so vor sich hin. Die kleinen Frikadellen und die Tomaten, die Mama uns in unserem Picknickkorb versteckte, mussten schon zum Frühstück dran glauben. Wie früher! Wir wussten nie, was Mama sich Schönes für uns und unser Picknick überlegte, wenn wir dann den Deckel der Box öffneten ...Tatatatataaa, fanden wir alles, was wir gerne essen mochten. Papa und ich sind so die Typen, die auf dem Wochenmarkt auch schon zur Frühstückszeit die Currywurst verdrücken. Schon alleine das Zurückdenken lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen - aber, ich schweife ab.

In die träge Mittagsstimmung des Tages schmetterte es plötzlich lustig, laut und fröhlich:

Glück ist wie ein Schmetterling, es kommt zu dir und fliegt davon

so wie ein bunter Luftballon, den man nicht halten kann.

Es ist mein allerliebster Gast, der leider fortgeht ab und zu.

Glück ist wie ein Schmetterling und mein Glück bist nur du.

„Lotte? - Hörst du auch die Musik?"

„Ja Papa, das Lied ist von Nana Mouskouri."

„Kann ja sein Lotte, die Musik kommt aber aus deinem Handy."

„Oh Schiet, stimmt ja, ich habe gestern noch den Klingelton geändert - habe ich gar nicht mehr dran gedacht. Das ist Jonathan!"

Ich spür in deiner Nähe, wie gut ich dich verstehe

„Der will bestimmt wissen, ob wir schon einen Fisch gefangen haben - ich gehe mal ran."

„Okay, ich gehe mal zum Nachbarn und schaue, womit der so ködert und ob er schon etwas gefangen hat."

und wär' so gern' für iiimmer und alle Zeit bei dir.

„Ist gut ja guuut, ich gehe ja schon ran ... Hallo Jonathan!"

„Hallo Lotte! Habe gar nicht damit gerechnet, dass du noch rangehst, wusste auch gar nicht, ob du überhaupt ein Netz mit deinem Handy am See hast."

„Oh doch Jonathan, das ist ganz gut, habe nur ein bisschen gebraucht um meinen neuen Klingelton zu erkennen."

„Ich bin gerade mit Heidelinde im Center und sie dödelt durch ein Geschäft - „Damenmode" - gleich gehen wir etwas essen. Habt ihr schon einen Fisch gefangen?"

„Nein, einen Fisch haben wir noch nicht gefangen, die anderen aber auch nicht. Das liegt aber nicht daran, dass keine drin wären. Der Pächter hat vorhin über die Fischrutsche drei Schubkarren voll Fisch reingesetzt. Heute Morgen beim Abkassieren hatte er erzählt, dass vorne zwei Angler je einen Fisch auf gelber Paste gefangen haben. Daraufhin hat Papa erst einmal seine Sachen durchgesehen. Weiße und blaue Paste hatte er, keine Gelbe. Tja, was soll ich sagen, beim Käffchen kaufen an der Bude vom Pächter, Wunder über Wunder, strahlte mich ein ganzes Regal gelber Paste an. Ein Schlingel, der was Böses denkt - ich habe ihm trotzdem ein Glas mitgenommen. Das Strahlen in seinen Augen war es auf jeden Fall wert. Hat aber auch noch nichts gebracht."

„Das ist ja schade, dann kann Erwin den Tag ja gar nicht richtig genießen."

„Doch Jonathan, das tut er trotzdem. Heute Morgen um 08:00 Uhr hatten wir hier so eine schöne, fast schon romantische Stimmung am See. Der See war spiegelglatt. Die Bäume haben ihre Schatten auf die Fläche geworfen. In der Mitte vom See haben sich die Schäfchenwolken des Himmels gespiegelt. Dabei waren es schon achtzehn Grad und die Sonne hat gerade eben über die Baumwipfel gelugt und „Guten Morgen" gesagt. Fast ein bisschen so, als ob die Zeit still steht. Das war so schön. Papa hat gesagt, dass alleine dieser schöne Moment es wert gewesen wäre hier zu sein, selbst - wenn die Fische heute nicht beißen."

„Oh, dann ist es ja gut. Stimmt schon, so schön, wie es heute ist. Angelwetter ist das aber nicht. Jetzt brennt die Sonne auch schon ganz ordentlich. Ihr habt ja zum Glück die Hütte, in die ihr euch ein bisschen zurückziehen könnt."

„Nein, die Hütte haben wir nicht mehr, da steht jetzt ein anderer drin."

„Aber wieso? - Ich habe euch doch die Sachen mit zur Hütte gebracht."

„Habe ich dir doch heute Morgen im Auto erzählt. Es war wie immer - oder - eigentlich auch nicht ganz wie immer. Früher hätte Papa immer das Kommando zum Umzug gegeben. Heute hatte er einfach eine unglaubliche Unruhe ausgestrahlt, einen Trampelpfad zwischen seinen Ruten angelegt, weil er immer wieder von jedem Standort über den See schauen musste. Gemurmelt hat er dabei immer etwas von „gegen die Sonne“, „zu flaches Wasser“ und Ähnliches. Alles habe ich nicht verstanden aber genug um zu erkennen, dass diese Bucht ihm nicht das Glück des Tages bietet. Also habe ich ihm kurzerhand angeboten, dass wir auch umziehen können, wenn ihm der Platz nicht gefällt. Dabei habe ich in Kinderaugen gesehen - so viel Unglaube und Glück über das Angebot. Jetzt sitzen wir in der Nachbarbucht. Bisher sind wir aber nur einmal umgezogen."

„Aber das ist doch verrückt Lotte! Wie habt ihr das denn mit dem ganzen Zeug gemacht?"

„Och, ging schon. Ich glaube für die anderen Angler war es ganz amüsant. Papa hat Angel für Angel genommen und sie umgesiedelt und ich habe die Kisten alle wieder zusammengepackt und nacheinander zu der neuen Stelle gebracht um sie dort wieder auszupacken."

„Oh Mensch Lotte, wenn das so ist, hätten wir euch doch noch einen Sonnenschirm mitnehmen müssen, die Bucht hat doch keine Hütte, deshalb hattet ihr ja die andere Bucht gewählt."

„Lass mal Jonathan, ist schon ganz gut so. Mein Stuhl steht jetzt in einer kleinen Sandbucht und wird von einem großen Baum beschattet. Außerdem muss ich zu Papa seiner Ehre sagen, dass er auch in der anderen Bucht geblieben wäre. Ich wollte aber, dass wir am Ende des Tages nicht sagen, hätten wir mal oder wären wir mal."

„Na dann ist ja gut Lotte! - So, wir müssen jetzt Schluss machen, Heidelinde kommt."

„Ist gut Jonathan, ich lehne mich jetzt auf meinem Stuhl zurück und genieße die Ruhe und den warmen Schatten. Papa klönt mit dem Angler nebenan. Das ist eine gute Gelegenheit ein bisschen die Augen zu schließen und zu genießen."

„Mach das Lotte, viel Spaß beim Genießen."

„Danke Jonathan, euch auch weiterhin viel Spaß und Küsschen für meine Mama - bis später - Küsschen."

„Küsschen."

„Tschüss."

„Tschüss Lotte - jetzt wirklich!"

„Okay!"

Nachdem das Telefonat zwischen Jonathan und mir beendet war, habe ich noch einmal geschaut, ob Papa noch nebenan ist. Ja, da standen sie, zwei nicht mehr junge Männer und fachsimpelten über alles Mögliche bezüglich Angeln und gestikulierten dabei mit Händen und Füßen. Mein Papa hatte seine Unterhaltung und beide sahen aus, als ob sie in ihrem Element wären. Da die Buchten an diesem See dicht beieinanderliegen, flogen immer wieder Wortfetzen zu mir herüber. Nach kurzer Zeit war klar, dass ich gerade für nichts erforderlich bin. Die Angeln sind bestückt, Papa geht es gut und über jeden Fisch, der nicht auf die Köder hereinfällt bin ich glücklich.

Ein Buch hatte ich mir zwar mitgenommen - aber - mit Halbschatten, im Sand, unter dem großen Baum, in meinem Stuhl und mit Blick auf den See. Mal ehrlich, so langweilig kann mir gar nicht sein, dass ich dann anfange zu lesen. Wegen des Hin- und Herlaufens auf den Wegen zu den Angeln war ich immer noch in meinen Schuhen unterwegs. Also beschloss ich Pause von allem zu machen. Schuhe aus, ab in meinen Klappstuhl, mit den Zehen im warmen Sand spielen und den Blick auf den inzwischen von der Mittagssonne flirrenden See gerichtet. Das Gemurmel von nebenan und die träge Mittagsluft, einfach nur schön.

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