Epilog
Es war eine dunkle Nacht. Die Stille lag schwer über den Kirchenbänken, und ein kalter Lufthauch zog beständig durch die Reihen, ließ die Anwesenden frösteln und die Altartücher schwingen. Seiner Bemühungen zum Trotz weigerte sich die Atemluft, zu kleinen Wolken zu kondensieren und einen feinen Nebel im Gewölbe zu verteilen, der wie ein Schleier stumm zwischen den Säulen den erloschenen Kerzen als einziger hätte Gesellschaft geleistet. Der Hauch gehörte nicht in diese Jahreszeit, er war ein Überbleibsel aus dem letzten Winter und musste nun, da die Sonne mit all ihrer Kraft zurückgekehrt war, ständig um seine Existenz fürchten.
Die Stille hingegen war so allumfassend, dass sie sich beinahe tatsächlich im Raum zu manifestieren schien, durch die Bänke schreitend und den Menschen in den Ohren dröhnend. Niemand wagte sie zu stören, sie schien alle Macht inne zu haben und der Frieden ihrer Herrschaft war beispiellos in seiner Vollkommenheit. Nur die leisen Atemzüge der Alten und das gelegentliche Rascheln von Kinderkleidung waren zu hören. Es war eine jener Nächte, in denen die Geister der Vergangenheit wie alte Freunde begrüßt werden und die Welt des Alltags für einige Stunden in unendliche Ferne rückt.
Die alten Eichenholztüren waren zu stolz, mehr als nur ein leises Knarren von sich zu geben, als sie nun aufschwangen, jedem Beobachter ihre kunstvollen Schnitzereien darbietend, um den Weg freizugeben für den alten Pastor, dem nach vielen Jahren voller Mühe und Last jene Osterkerze, die er trug, langsam zu schwer geworden war. Eine Bewegung ging durch die Reihen, begleitet von einem leisen Raunen, das von dem Gewölbe selbst zu stammen schien. Der Docht der Osterkerze brannte. Das Ewige Licht war zurückgekehrt, und mit ihm etwas Anderes, etwas Größeres, das konnte die junge Frau spüren.
Sie war nach mehreren Monaten der Selbstfindung, des Reisens und des Änderns ihres Lebens nun endlich zurück gekommen in die Kirche, in der mit dem Flackern einer Kerzenflamme ihr neues Leben begonnen hatte. In ihren Armen lag das Kind, welches sie behalten hatte, nachdem sie erkannt hatte, dass es doch noch Gutes in der Welt gab. Denn die Welt war erfüllt von ihrem Glauben, den sie an ihr Kind weitergeben wollte, damit er auch seine Welt erhelle und in einsamen Zeiten Wärme spende.
Und während die junge Mutter voller Faszination und Vorfreude das Geschehen am Altar verfolgte, hatte das Kind mit dem feuerroten Haarflaum einen sehr lebendigen Traum, an den es sich noch Jahre später erinnern würde, ohne ihn jemals ganz zu verstehen.
Der Traum selbst war dabei sehr einfach: Mitten in einer endlosen, eiskalten Schwärze erblühte ein neuer Stern, eine neue Sonne, als hätte man eine einzelne Kerze in einem dunklen Raum entzündet, und eine Frage hallte durch das Nichts, gesprochen voller Unsicherheit und Demut.
»Bist du Gott?«
Es war ein Flüstern, mehr wie ein kalter Hauch an einem warmen Ort, dessen Worte versteckt lagen im Frösteln der Welt.
Die Stimme, die antwortete, war weich und schwer wie edelster Samt.
»Bist du es nicht?«
Die Wärme und Zuversicht, die von diesen Worten ausgingen, waren überwältigend, und ebenso wie jenes Kleinkind in einer unbedeutenden Kirche auf der Erde schienen die Stimme und sogar das Nichts selbst zu lächeln.
Und der Stern brannte.
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