Rast

#fluff


Sie hielten auch in den folgenden Stunden kaum an.
Der kurze Tag verging und erst als es bereits wieder dunkel geworden war, rasteten sie länger.
Das große Schlachtroß mochte nicht besonders schnell sein, aber es ermüdete nur langsam, auch weil Sandor darauf achtete, es zu schonen.
Während des endlosen Rittes sprachen sie kaum. Er brütete vor sich hin und Sansa hatte den Versuch schnell aufgegeben, ein Gespräch mit ihm zu führen, nachdem er sie angeraunzt hatte, sie solle ihm ihr Getschilpe ersparen. Wenigstens, bis sie über den Fluss wären.
Sie nahmen wieder Käse und Brot zu sich und ließen Schnee auf der Zunge zergehen, um ihren Durst zu stillen.
Sansa wußte seit der Nacht der Schlacht am Blackwater, dass Sandor sich vor Feuer fürchtete.
In der Nähe gab es ein kleines Gehölz, aus dem sie vielleicht ein paar Scheiter hätte sammeln können, um selbst eines zu entfachen. Sie hatte sich zwar nie für den Aufenthalt im Freien, oder das Reisen interessiert, aber etwas beherrschte im Norden tatsächlich jedes Kind: Feuermachen.
„Wenn Ihr so freundlich wärt, ein wenig Holz zu besorgen, könnte ich sicher...", begann sie.
„Kein Feuer!", schnitt er ihr heftiger, als es nötig gewesen wäre, das Wort ab.
„Wir reiten gleich weiter, die Nacht verbringst Du noch mit mir im Sattel. Wenn der Fluß hinter uns liegt, rasten wir. Dann kannst Du meinetwegen Dein verdammtes Feuer machen."
Sansa musterte ihn zweifelnd. Sie war jetzt schon steif und ihre Glieder begannen zu schmerzen. Besonders ihr Hinterteil war von der Aussicht, eine weitere Nacht auf einem Pferd verbringen zu müssen, alles andere als begeistert.
Allerdings glaubte sie nicht, dass es Sinn ergab, diesen Teil der Reise mit ihm zu diskutieren. Darüberhinaus hatte er offenbar auch keinerlei Ausrüstung dabei, die ihnen das Schlafen auf dem Boden ermöglicht hätte.
Die Ebene lag eintönig weiß glitzernd da und reflektierte das Licht der schmalen Sichel am Himmel. Da sehr bald Neumond sein würde, war kaum etwas zu erkennen.
Besser die Nacht an Sandor Cleganes Brust gelehnt, in einem trockenen Sattel, während sie sich immer weiter von Ramsey Bolton und seinen Hunden entfernten, verbringen, als zusammengekauert, in ihrem klammen Umhang auf dem verschneiten Boden.
Sie klopfte sich die letzen Krümel ihrer Mahlzeit von den Handschuhen und stand auf. „Dann lasst uns weiterreiten.", forderte sie ihn auf. „Wird er das schaffen?", fragte sie ihn noch, mit einem Blick auf Fremder.
„Er wird.", war die kurze Antwort.
Sansa seufzte resigniert. Seine knappe, manchmal ins Unfreundliche, oder Grobe abgleitende Art war ein kleines Ärgernis, verglichen mit denen, denen sie damit entkam und denen, denen sie entgegenritten. Dennoch wünschte sie, er wäre zugänglicher und sei es nur, weil er der einzige Mensch weit und breit war. Es war schwer genug das Gefühl der Verlorenheit im Zaum zu halten und sie wäre für ein Gespräch, selbst mit dem Hund, dankbar gewesen.
Aber natürlich war er dafür der falsche Mann.
Sie ritten weiter. Sandor schlief im Sattel und Sansa dämmerte, wie schon in der vergangenen Nacht, vor sich hin.
Der Tag verlief wie der vorige, irgendwann in den Morgenstunden überquerten sie fast ohne es zu merken die King's Road.
Sansa entdeckte den schneebedeckten Meilenstein erst, als sie geradewegs daran vorbeiritten.
Am frühen Nachmittag erreichten sie endlich den Fluss und nach kurzer Suche fand Sandor eine kleine Furt, durch die er Fremder mit Sansa auf dem Rücken hindurchführte. Er schien zu wissen, wo sie sich befanden und auch, wo er nach dem Übergang Ausschau halten musste.
Sansa kämpfte inszwischen mit sich selbst. Sie glaubte nicht, dass sie noch bis weit in die Nacht im Sattel bleiben konnte. Sie würde bald, steif wie sie war, einfach vom Rücken des Pferdes kippen und liegenbleiben. Liegen. Endlich liegen. Sie wollte nur noch schlafen und ihren schmerzenden Köper nicht mehr spüren.
Sandor glitt wieder hinter sie und sie gab unwillkürlich einen kleinen Schmerzenslaut von sich, als sie durch ihn ein wenig verrutschte.
„Wir sind bald da, kleiner Vogel." knurrte er milde. Zumindest verzichtete er auf Bemerkungen zu ihrem schmerzenden Gesäß.
Als die Dämmerung schon fast wieder Nacht geworden war, es musste also später Nachmittag sein, erreichten sie ein kleines Wäldchen, an dessen Rand ein verlassenes Haus stand.
Viele Bewohner des Nordens waren in die Nähe der Städte oder größeren Burgen umgesiedelt, als sich die lange Nacht ankündigte. Ihre Häuser konnte man nun verlassen überall finden. Leergeräumt in den meisten Fällen, bereit wieder bezogen zu werden, wenn der Sommer zurückkehrte.
Dieses Haus war ebenfalls verlassen. Es gab kein Licht und kein Anzeichen für ein warmes Feuer. Dafür besaß es einen kleinen Verschlag, der ein Stall gewesen sein mochte, in dem sich aber keine Tiere mehr befanden.
Sandor stieg ab und hob sie ebenfalls aus dem Sattel. Sie verzog ihr Gesicht vor Pein, als ihr Gewicht endlich von ihre Hinterteil genommen wurde.
Als er sie auf den Boden stellen wollte, gaben ihre Beine unvermittelt nach. Er fasste sie fest am Arm, zog sie an sich und blickte auf sie herab. Sansa mochte inzwischen groß gewachsen sein, aber sie reichte ihm noch immer kaum bis zu den Schultern.
„Bist Du in Ordnung, Mädchen?", fragte er sie abschätzend.
Sansa versuchte sich von ihm zu lösen und ihr Gewicht auf ihre eigenen Füße zu verlagern. Es gelang zwar, aber er schien nicht davon überzeugt zu sein, dass sie es ohne zu stürzen ins Haus schaffen würde. Sie fühlte sich kurzerhand hochgehoben und dann trug er sie wie einen Sack Mehl zum Haus und über die Schwelle.
„Ruh Dich aus, ich kümmer mich um das Pferd." Mit einem Nicken in Richtung der Feuerstelle sagte er: „Da kannst Du Dein verdammtes Feuer machen." Dann stapfte er wieder hinaus, um Fremder zu versorgen und ihr Gepäck zu holen.
Sansa war so müde, wie noch nie zuvor. Sie hatte seit zwei Nächten nicht richtig geschlafen und davor auch nur wenig.
Alles an ihr schmerzte und sie wußte, dass es am Morgen noch schlimmer sein würde.
Dennoch zwang sie sich, den Kamin tastend zu erkunden und stellte erfreut fest, dass genug trockenes Holz und Zunder vorhanden waren, um ein wärmendes Feuer zu entfachen.
Es gelang ihr und Licht und Wärme breiteten sich wie eine Decke über ihr aus.
Im Haus gab es nichts Besonderes. Eine nackte Bettstatt, einen Tisch, sowie ein paar Stühle und einen leeren Schrank.
Auf dem Tisch lagen vier größere Bündel und ein paar kleinere Päckchen. Zwei davon waren Schlafrollen und zwei weitere waren aus grobem Stoff und noch verschnürrt.
Offenbar hatte Sandor doch alles gut vorbereitet. Er musste zuvor hiergewesen sein und auch die Ausrüstung besorgt und hergeschafft haben.
Erleichterung überkam sie und sie nahm die beiden größten Packen an sich, um sie vor dem Feuer auszubreiten. Gerade als sie damit fertig war, knarrte die Tür und Sandor kehrte zurück.
Er ließ den Sattel und die Taschen auf das leere Holzgestell des Bettes fallen und streckte sich. Dann nahm er eines der kleineren Pakete, die noch verschnürrt waren und gab es ihr.
„Das sind Kleider." Dann legte er ein weiteres, kleineres Päckchen obenauf. „Und das ein paar Kerzen, sei sparsam damit." Er nickte ihr kurz zu und ging wieder hinaus.
Sansa entzündete eine der Kerzen und stellte sie auf den Tisch. Dann öffnete sie das Bündel, das für sie bestimmt war und fand darin einfache, aber saubere und warme Kleidung, die sie eher wie ein Bauernmädchen aussehen lassen würden, als die Lady von Winterfell.
Im Moment waren modische Erwägungen jedoch nicht ihre vorrangige Sorge und wahrscheinlich wäre es ohnehin besser für sie, nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden.
In ein Unterhemd waren einige längliche Stoffstreifen eingewickelt, die herausfielen, sobald sie es auseinander faltete.
Als sie erkannte was es war, war sie zugleich peinlich berührt, erstaunt und dankbar, dass er daran gedacht hatte.
Sie würden eine Weile unterwegs sein und über ihre Mondtage hatte sie keine Gewalt.
Als sie seine Schritte an der Tür hörte, räumte sie schnell alles zusammen. Er kam herein und stellte zwei Eimer mit Schnee neben die Feuerstelle, damit sie Wasser hätten, um sich zu waschen oder etwas zu trinken.
„Danke.", sagte Sansa schlicht, während sie ihre Hand auf das Bündel legte.
„Du solltest sie anziehen.", legte er ihr nahe.
„Das werde ich, meine Kleider sind klamm.", antwortete sie, machte aber keine Anstalten ihren Worten Taten folgen zu lassen. Sandor bewegte sich ebenfalls nicht.
Er schien auf etwas zu warten.
Sansa schluckte. „Wenn Ihr so freundlich wärt..." Wieder unterbrach er ihren Satz, bevor sie ihn ganz aussprechen konnte.
Er stieß sein bellendes Lachen aus und kam auf sie zu. Mit seiner behandschuhten Hand ergriff er fest, aber ohne ihr weh zu tun, das Haar an ihrem Hinterkopf und beugte sein Gesicht über ihres.
„Sieh mich an!" forderte er sie schnarrend auf und wartete, bis sie es tat.
„Ich werd' Dich ohnehin bald sehen."
Sansa hielt ihren Blick auf seine grauen Augen gerichtet. Ihr Herz schlug bis zum Hals. „Bitte.", flüsterte sie. Er musterte sie noch einen Augenblick, schnaubte dann leise, als hätte er genau das in ihrem Gesicht gefunden, was er erwartet hatte und gab schließlich ihr Haar frei.
Dann ging er zum Bett, wo die Satteltaschen lagen. Während er darin herumwühlte, drehte er ihr den Rücken zu.
Offenbar würde sie keine bessere Gelegnheit bekommen.
Sie legte eilig ihren Mantel ab und öffnette die Bänder an ihrer Kleidung so schnell es ihr gelingen wollte.
Als sie gerade das alte Unterkleid ablegen wollte, drehte er sich um und trug Käse und Brot zum Tisch.
Er musterte sie, während er das tat und sie darauf wartete, dass er sich wieder wegdrehen möge.
Es kam ihr vor, als ließe er sich besonders viel Zeit, um die Sachen auf dem Tisch zu platzieren. Dann wendete er sich wieder ab und schien irgendetwas im Schrank auf der anderen Seite des Raumes zu suchen, wobei er ihr ebenfalls seinen Rücken zukehrte.
Sie schlüpfte aus ihrem letzten Kleidungsstück und zog sich die frische Kleidung über.
Nach dem Schlafen würde sie eine Möglichkeit finden, sich zu waschen, ohne dass er sie beobachtete. Und wenn sie sich dafür nackt im Schnee hinter dem Haus wälzen musste, während er noch schlief.
Er kam zurück, füllte einen Becher mit dem Schmelzwasser aus einem der Eimer und stellte ihn auf den Tisch. Daneben legte er noch ein paar geräucherte Schweinefüße, setzte sich und begann zu essen.
Sansa kleidete sich fertig an. Sie hatte sich wund gescheuert und es tat gut, die alten Sachen ablegen zu können.
Nachdem sie fertig war, aß sie etwas Brot und nahm einige Schlucke aus dem Becher, den sie sich teilten. Sie achtete darauf, nicht von derselben Stelle zu trinken, wie er.
Sandor schmatzte geräuschvoll und selbstvergessen wie immer. Als er seine Mahlzeit beendet hatte, stand er auf und machte Anstalten, seine lederne Rüstung abzulegen. Sansa erkannte, was er vorhatte und zog es vor, sich zügig in ihre Schlafrolle zurückzuziehen.
Die Wärme des nahen Feuers ließ sie schnell davondriften und sie nahm nur noch am Rande wahr, wie der Hund sich einen der Eimer aus der Nähe des Feuers holte. Den Geräuschen nach, schien er sich zu waschen.
Mit der Vorstellung eines nassen Sandor schlief sie ein.

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