Ein kaltes Bett
Am nächsten Morgen, sie folgten beide schweigend ihrem gewohnten Ablauf, um aufzubrechen, hörten sie plötzlich Hufgetrappel, das schnell näher kam.
Sandor nahm sofort eine wachsame Haltung ein.
„Bleib im Haus. Ich rede.", wies er Sansa knapp an.
„Vielleicht reiten sie weiter.", hoffte sie.
Aber das taten sie nicht. Kurz darauf hielten drei Männer vor der Kate und sahen sich um.
„Hey, da drin. Der Schornstein raucht, wir wissen dass du dich da versteckst.", rief ein in Leder gerüsteter Mann von mittlerer Größe halb scherzhaft, nachdem sie von ihren Pferden gestiegen waren.
Offenbar gingen sie nur von einem Mann im Haus aus, da nur ein Pferd im Unterstand angepflockt war.
Sandor ging hinaus, und achtete dabei darauf, die Tür nicht zu weit zu öffnen, damit die Ankömmlinge nicht zufällig einen Blick auf Sansa erhaschen konnten.
Er schob sich durch den Türrahmen und baute sich vor den drei Gestalten auf.
„Na sieh mal einer an. Du bist der Hund.", rief der größte der drei, der Sandor bis fast ans Kinn reichte. Die Stimmung gerann sofort zu Eis und die beiden Männer, die gerade nicht gesprochen hatten, legten ihre Hände gewohnheitsmäßig auf die Griffe ihrer Schwerter, bereit, schnell zu ziehen.
„Aye.", schnarrte Sandor, zeigte aber keine Anzeichen von Nervosität.
„Was versteckst Du da drin?", verlangte der Größte und offenbar ihr Anführer zu wissen.
„Nichts. Ich bin allein.", war die ruhige Antwort.
Die Männer sahen sich an. „Ich hab' gehört, den Boltons ist ein Hund entlaufen. Ein großer hässlicher.", fügte der Rädelsführer herausfordernd hinzu. Er fühlte sich offenbar stark genug mit seinen Begleitern an der Seite, den Kampf zu seinen Gunsten zu entscheiden.
Sansa hatte Sandor kämpfen sehen. Aber dies war kein Turnier und es stand drei gegen einen. Selbst wenn er gewann, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er sich eine schwere Wunde zuzog. Das Letzte was sie wollte, war, mit einem verstümmelten Sandor hier festsitzen, wo sie ohnehin schon entdeckt worden waren, und gegen Wundbrand kämpfen.
Sie entschloss sich, seine Anweisung in den Wind zu schlagen und trat ebenfalls nach draußen.
Sandor ließ nicht erkennen, was er davon hielt, streckte aber, während er scheinbar sein Gewicht verlagerte einen Ellenbogen ein wenig aus. Sie verstand die Geste und blieb hinter ihm stehen.
Die Augen der Männer weiteten sich ein wenig, offenbar hatten sie sie erkannt. Sie fragte sich, ob das ein gutes Zeichen war. Ehe sie den Mut verlor, machte sie den ersten Schritt: „Welchem Haus gehört ihr an? Ich sehe kein Banner!", forderte Sansa zu wissen.
Zum ersten mal in ihrem Leben, wirkte sie wie die Lady von Winterfell, die sie später werden würde.
Die Männer reagierten instinktiv auf ihre herrische Haltung und der, der bisher nicht gesprochen hatte erwiderte: „Haus Hornwood."
„Haus Hornwood ist seit Urzeiten dem Haus Stark verpflichtet. Ich bin Sansa Stark..."
„Haus Hornwood dient jetzt den Boltons.", fiel ihr der Anführer ins Wort. „Und Lord Bolton sagt, ihm sei nicht nur ein Hund, sondern auch eine Braut entlaufen." Er grinste dreckig und machte einen Schritt auf Sansa zu.
Die Schultern des Hundes strafften sich und Sansa hörte das leise Klicken, als er sein Schwert in der Scheide lockerte.
„Ich denke, Lord Bolton wird sehr dankbar sein, beides zurückzubekommen.", fügte der Mann gedehnt hinzu.
Im nächsten Augenblick flogen die Schwerter in die Hände der Männer.
Das scharfe Scharren von Stahl zerschnitt die Luft neben Sansa, als auch Sandor seine Waffe zog. Gleichzeitig stieß er sie bestimmt, aber nicht fester als nötig, weiter hinter sich. Sie nutzte die Gelegenheit und zog sich ins Haus zurück.
Der Anführer und Clegane belauerten sich, abschätzend, wer zuerst zuschlagen würde. Dabei schoben sich die beiden anderen langsam von ihrem Kumpan weg, jeder auf eine Seite des Hundes. Der Linke wagte zuerst einen Ausfall, der prompt pariert und mit einem harten Faustschlag ins Gesicht des Angreifers erwidert wurde.
Jetzt sahen die beiden anderen ihren Moment gekommen und stürmten auf Sandor ein.
Der trat den einen so kraftvoll gegen das Knie, dass Sansa noch in der Hütte das Bersten der Knochen hören konnte. Dann schwang er sein Schwert in einem flachen Bogen von unten nach oben gegen den letzten stehenden Angreifer.
Dieser hatte dem Hieb nichts entgegenzusetzen und taumelte getroffen nach hinten. Sandor holte aus und durchbohrte ihn ohne große Umstände.
Während der Anführer wimmernd wieder auf die Beine zu kommen versuchte, hatte es der Mann, dem Sandor den Faustschlag verpasst hatte, schon bis zu den Pferden geschafft und machte Anstalten zu fliehen.
Diesen nahm der Hund nun ins Visier und mähte im Vorbeigehen den Mann mit dem zersplitterten Knie nieder.
Sandor bekam gerade noch die Beinkleider des anderen zu fassen und zerrte ihn von seinem Pferd, dass in einiger Entfernung stehenblieb.
„Bitte, ich hab' Frau und Kinder! Ich verrate niemandem was! Ich schwöre es bei den Sie...", doch da schnitt ihm Sandors Schwert das Wort ab.
„Tote Ratten quieken nicht.", knurrte der, während er seine Waffe an der Kleidung des anderen abwischte und zurück in die Scheide steckte.
Sansa, die das Geschehen durch ein Fenster beobachtet hatte, atmete erleichtert auf. Ihm war nichts geschehen. Sie wich von der Front zurück, als sie sein Gesicht sah, während er auf das Haus zuging. Die Tür flog auf und er blaffte sie an: „Habe ich nicht gesagt, Du sollst im Haus bleiben?"
„Ich hatte gehofft, ich könnte sie überreden uns kampflos gehen zu lassen. Was wäre gewesen, wenn Ihr verletzt worden wärt?", rechtfertigte sie sich. Er schnaubte, aber die Wut war offenbar verraucht.
„Tu das nächste Mal, was ich Dir sage. Und jetzt lass uns weiter. Wir müssen hier weg. Das braune Pferd wird's tun.", wies er sie milde an.
„Pferd?". Sansa war verwirrt. „Ja, Pferd. Mylady. Draußen stehen drei und das braune ist das Beste von denen." Jetzt begriff sie. Sie würde nicht mehr die ganze Zeit einen unbequemen Sattel mit ihm teilen. Seltsamerweise wurde ihre Freude darüber von einem Bedauern gedämpft, das sie sich selbst nicht erklären konnte.
Sie beeilten sich fortzukommen, aber Sandor nahm sich die Zeit, die Toten nachlässig zu verstecken und Sansa schob Schnee über die Blutspuren. Von den übrigen Pferden nahmen sie, was sie brauchten und trieben sie anschließend davon.
Dann brachen sie auf. Die Weiterreise verbrachten sie wieder in Schweigen und jeder von ihnen hing seinen eigenen, schweren Gedanken nach.
Rasteten sie, folgten sie ihrem gewohnten Ablauf. Es waren nur wenige Worte notwendig und nur wenige wurden gesprochen.
Sansa half der Abstand von Sandor, die Ereignisse der letzen Zeit zu ordnen.
Da war die Nacht gewesen, in der sie ihm gehört hatte. Zuerst hatte das Gefühl, betrogen worden zu sein, die Oberhand gehabt. Sie hatte ihm vertraut und er hatte sie verletzt. Nachdem sie ein wenig Zeit gehabt hatte, war ihr klar geworden, dass er schlicht nicht gewußt hatte, dass er vorsichtiger hätte sein sollen. Sie hatte die Zeichen in ihrer Verwirrung und Unerfahrenheit nicht erkannt und ihn nicht aufgehalten.
Sansa seufzte leise.Viel mehr beunruhigte sie, dass sie sich ihre Reaktionen selbst nicht erklären konnte.
Ihr Pferd lief ein wenig versetzt hinter seinem und sie beobachtete den breiten Rücken, der sich unter einem Mantel gegen den Schnee, der unablässig vom Himmel fiel, zusammengekauert hatte und nicht zu wissen schien, dass sie da war.
In ihrer Vorstellung hätten sie sich einfach ein Lager geteilt, dann hätte er sich, den Erzählungen ihrer Septa folgend, auf sie gelegt und kurze Zeit später, wäre alles vorbei gewesen. Shae hatte angedeutet, dass es beiden eine besondere Art von Vergnügen bereiten könne, weshalb alle Welt so ein Theater darum zu machen schien. Diesen Punkt verstand Sansa noch immer nicht, aber da war mehr gewesen als, sie erwartet hatte.
Es hatte sich gut angefühlt, ihm so nahe zu sein. Es hatte sich gut angefühlt, seine Haut auf ihrer zu spüren; und nachdem der Schmerz abgeebbt war, hatte es sich gut angefühlt, ihn in sich zu spüren. Es half nichts, sich einzureden, dass all das nicht stattgefunden hätte.
Und seine Berührungen waren sanft gewesen, überraschend, wie sie es schon immer gewesen waren, selbst in King's Landing, als er ihr das Blut von der Lippe getupft hatte.
Nachdem sie sich das eingestanden hatte, musst sie ebenfalls zugeben, dass sie fasziniert gewesen war. Eine Andeutung davon, hatte sie schon viel eher wahrgenommen, als sie ihn beim Essen zugesehen hatte. Es war ihr damals nicht möglich gewesen, die seltsame Aufregung, die es in ihr hervorrief, wenn er selbstvergessen eine Mahlzeit hinunterschlang, einzuordnen. Die selbe Erregung aber, hundertfach verstärkt, war in dieser Nacht über sie gekommen, als sie seine Bewegungen beobachtet und gespürt hatte. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich wünschte, nicht so verzagt gewesen zu sein.
Ihr Pferd blieb plötzlich stehen und erst jetzt bemerkte Sansa, dass es bereits dunkel wurde und sie einen guten Unterschlupf für die Nacht gefunden hatten.
Bald würde das Land dichter besiedelt sein, wenn sie sich White Harbor weiter näherten, aber hier, an den letzten Ausläufern der Schafskopfberge, war es Glück ein leerstehendes Haus zu finden. Es war das erste, seit sie die Kate verlassen hatten. Sie waren noch vorsichtiger gewesen, um nicht einer weiteren Patrouille über den Weg zu laufen und es war ihr manchmal unmöglich gewesen, Schlaf zu finden, weil ihr sehr kalt gewesen war.
„Bleib auf dem Pferd. Mir gefällt der Anblick nicht.", wurde sie rau angewiesen. Er stieg ab, hängte seine Handschuhe an den Sattel, damit er im Fall eines Falles schnell sein Schwert greifen konnte und ging auf die Hütte zu.
Sansa sah genau hin, weil sie nicht verstand, was ihn vorsichtig sein ließ. Für sie sah die Hütte aus, wie jede andere. Es kam kein Rauch aus dem Schornstein und innen brannte kein Licht. Die Umgebung war von Schnee bedeckt und es gab keine frischen Fußspuren.
Sie nahm die Eindrücke auf und dann bemerkte sie es. An der Hauswand lehnte eingeschneites Arbeitsgerät. Eine Axt steckte auf einem Hackklotz, auf dem man gewöhnlich Holz spaltete.
Kein Mensch, noch dazu hier draußen, würde sein Arbeitsgerät der Witterung aussetzen.
Die anderen Häuser, die sie genutzt hatten, waren leergeräumt und alle Dinge, die die Menschen nicht mitgenommen hatten, waren ordentlich verstaut gewesen, um den Winter zu überstehen.
Niemand würde in die Städte oder Burgmauern ziehen und seine Axt einfach vor dem Haus auf dem Block stecken lassen.
Ihr Pferd tänzelte nervös.
Sandor war inzwischen einmal um das Haus gegangen und hatte einen Blick in das Innere geworfen.
Seine Haltung, als er zurückkehrte, bedeutete: keine Gefahr. Er half ihr aus dem Sattel, ohne ihr näher zu kommen, als nötig.
„Es ist verlassen. Die Leute sind tot." Sansa warf ihm einen Blick zu. „Ich kümmere mich drum, wenn ich mit den Pferden fertig bin. 'S gibt Holz." Als er schon ein paar Schritte gegangen war, drehte er sich noch einmal um. „Und lass' die Finger von den Bechern."
Sie nickte leicht und ging zur Hütte.
An der Tür drang ihr ein unangenehmer Geruch entgegen. Nach alten Exkrementen und verdorbenem Fleisch. Er war nicht sehr stark, aber doch genug, um sie vorsichtig sein zu lassen.
Sie fragte sich, woher er gewußt hatte, dass die Leute tot waren.
Als sie das Haus betrat, erkannte sie es sofort.
An der gegenüberliegenden Wand stand die Bettstatt. Das Haus war nicht leergeräumt, es sah aus, als würden die Eigentümer jeden Moment zurückkehren. Sogar ein Krug und zwei Becher standen noch auf dem Tisch.
Die ehemaligen Bewohner lagen auf dem Bett. Sie waren schon ins Stadium der Verwesung übergegangen, aber durch die Kälte, die das Fortschreiten der Fäulnis aufhielt, waren sie noch gut erkennbar.
Sansa zwang sich hinzusehen und kämpfte die Übelkeit nieder.
Sie sah graues Haar und beide schienen sich zu umarmen.
In einer Truhe unter einem der Fenster, die so aussah, als würden darin die größeren Wäschestücke aufbewahrt, suchte sie eine Decke oder etwas Vergleichbares. Sie fand ein sauber gefaltetes Laken, welches sie über die Beiden ausbreitete, bevor sie sich daran machte, Holz in den Kamin zu stapeln und ein Feuer zu entzünden.
Sandor kehrte gerade zurück, als sie damit fertig war und einen der Becher in die Hand genommen hatte, um daran zu riechen.
Er erfasste die Szene mit einem Blick. „Sie haben sich zum Sterben hingelegt. Wahrscheinlich Gift."
Dann ging er daran, die Toten in das Laken zu wickeln. Sansa gab ihm noch weitere aus der Truhe.
„Was denkt Ihr, warum haben sie das getan?", fragte sie mit einem Blick auf das Bett.
Er unterbrach seine Tätigkeit, überrascht, dass sie mit ihm sprach. Als sie nichts weiter sagte, fuhr er fort mit seinem Versuch, die Toten so zu verschnüren, dass er sie nach draußen schaffen konnte.
Sandor zuckte mit den Schultern. „Vielleicht war einer krank und der andere hätte nicht allein weitermachen können. Das Leben hier ist hart, wenn man nicht in einer warmen Burg hockt. Vielleicht Angst vor dem Winter. Wer weiß, ist egal. Tot ist tot."
Sansa fand nicht, dass es egal war.
Ihm war es endlich gelungen, die Überreste anzuheben. Er brachte sie nach draußen und legte sie einfach hinter dem Haus ab. Dann schaffte er auch noch das Bettzeug, in dem sich der Gestank sammelte hinaus, in einen kleinen Verschlag, der einmal ein Schuppen für das Arbeitsgerät gewesen war, um Wölfe nicht unnötig anzulocken.
Sie bereitete inzwischen alles wie gewohnt vor.
Seit der Nacht hatte sie ihre Mahlzeiten allein vor dem Feuer, oder in einiger Entfernung von ihm eingenommen. Jetzt setzte sie sich zu ihm an den Tisch. Er gab vor es nicht zu bemerken.
„Könntet Ihr sie nicht vergraben? Und sie brauchen ein Gebet, meint Ihr nicht?", begann sie vorsichtig aber ohne Umschweife.
„Nein.", war die knappe Antwort.
Sansa holte tief Luft und wappnete sich schon für einen weiteren Streit, denn sie war nicht bereit, seine Erwiderung einfach hinzunehmen.
Er schien es zu bemerken, seufzte und setzte schließlich hinzu: „Der Boden ist gefroren, das wäre eine ziemliche Plackerei, noch dazu bei dem Wetter. Der Verschlag reicht."
Das verstand Sansa, auch wenn es sie traurig stimmte.
Die beiden hatten offenbar ihr Leben hier verbracht und schließlich beschlossen, dass es für sie Zeit wäre, zu gehen.
Aber sie hatten es zusammen tun wollen. Eines Abends hatten sie, wie schon Jahrzehnte zuvor, gemeinsam an dem schweren Holztisch Platz genommen und jeder einen Becher Wein mit einem besonderen Gewürz getrunken. Dann waren sie schlafen gegangen und hatten sich ein letztes Mal umarmt.
„Gute Nacht." Sansa stand abrupt auf, und begab sich in ihre Schlafrolle.
Sandor tat es ihr kurz darauf gleich und bald war sie eingeschlafen.
In der Nacht erwachte sie von einem merkwürdigen Scharren und Schlagen. Das Feuer glühte noch heiß. Sandor war nicht da. Sie schlüpfte in ihre warme Kleidung und schlang sich den Mantel um die Schultern.
Leise ging sie nach draußen, von wo das Geräusch hereindrang. Es hatte aufgehört zu schneien und der Mond beschien fahl den silbrigen Boden.
Sie folgte den großen Fußspuren bis hinter das Haus.
Dort fand sie Sandor, der schwitzend und schnaufend eine flache Grube in den Boden getrieben hatte.
Er bemerkte ihr Kommen, sagte aber nichts.
Ein paar Schaufeln Erde später, schien er mit der Größe des Loches zufrieden. Er nahm das Laken, in das die Überreste der beiden Toten eingeknotet waren und legte es hinein.
Noch immer schweigend wuchtete er den Aushub zurück, über die beiden Leichen.
Sansa sah sich um. Für sie gab es keine weitere Schaufel, also wartete sei einfach, bis er fertig war.
Schließlich hielt er inne und trat die Erde noch ein wenig fest. Sie standen beide da, betrachteten das Grab und diesmal verband sie die Stille, die über der nächtlichen Welt lag, statt sie unüberbrückbar zu entzweien.
Überraschend begann Sandor stockend zu sprechen: „Wir bitten den Vater mit Gnade über uns zu richten. Wir bitten die Mutter..." Er brach ab und versuchte sich der Worte zu erinnern. Seine Finger krampften sich um den Stiel der Schaufel, die er noch immer in der Hand hielt.
„Wir bitten die Mutter, die Ernte zu segnen, damit sie uns Nahrung beschere...", nahm Sansa das Gebet leise auf und setzte fort: „... und jedem, der an unsere Tür kommen möge. Wir bitten den Krieger, uns Mut zu schenken, in diesen Zeiten von Zwietracht und Aufruhr. Wir bitten die Jungfrau, die Tugend zu schützen und uns vor den Fängen der Verderbnis zu bewahren. Wir bitten den Schmied, uns Hände und Rücken zu stärken, damit wir die uns gebotene Arbeit verrichten können. Wir bitten das alte Weib, uns auf unserer Reise von Dunkelheit zu Dunkelheit zu führen. Und wir bitten den Fremden, uns heute Nacht und am kommenden Tag zu verschonen."*
Die letzten Worte murmelte Sandor kaum hörbar mit.
Dann ließ er die Schaufel achtlos neben der frischen Erde fallen und stapfte an Sansa vorbei ins Haus.
Das geflüsterte „Sandor", dass ihr auf den Lippen hing, wie eine frische Schneeflocke bevor sie schmolz, hörte er nicht.
Sie blieb noch einen Augenblick stehen und als sie ins Haus zurückkehrte, lag er schon in seine Schlafrolle gewickelt da und schien zu schlafen.
Zurück auf ihrem Platz und zog sie die Decken um sich und starrte in die Glut.
Es dauerte lange, bis Sansa in den Schlaf zurückfand. Sie dachte an die alten Leute, die jetzt unter der Erde ruhten und an Sandor, der nachts aufgestanden war, um im eisigen Boden ein Grab für sie auszuheben. An Sandor, der sogar versucht hatte, ein Gebet zu sprechen und an Sandor, der in der Nacht geweint hatte.
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*Das Gebet entstammt der Serie und wird eigentlich von dem Bauern gesprochen, bei dem der Hund und Arya unterkommen, und den Sandor um sein Silber erleichtert. Ich habe es nur ganz leicht abgewandelt, damit es passt.
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