Kapitel 4.3


Ich beobachtete wie meine Mom die rote dünne Flüssigkeit langsam in das bauchige Rotweinglas goss und erst die Flasche absetzte, als beide bis zur Hälfte gefüllt waren.

"Und du bist dir wirklich sicher, dass du keine selbstgemachten Plätzchen haben möchtest?", fragte meine Mutter und kam mit den beiden Gläsern in den Händen zurück zu mir auf die Couch. Ich nahm ihr eins der Rotweingläser ab und lehnte mich zurück in die weichen Kissen der Couch. "Nein Mom", seufzte ich, "du versuchst uns schon seit wir klein sind die Kekse, als selbstgebacken zu verkaufen, dabei wissen Finn, Madi und ich schon lange, dass sie nur gekauft sind." Verdutzt sah meine Mom mich an. "Ihr wusstest die ganze Zeit über?"

"Natürlich", grinste ich, "du kannst überhaupt nicht backen. Du hattest einmal einen Kuchen zu Finns 10. Geburtstag gemacht und der hatte einfach nur scheußlich geschmeckt."

"Das ist ja schon ewig her", winkte sie lachend ab und lehnte sich entspannt zurück. Lächelnd betrachtete mich meine Mutter. "Du siehst müde aus June", stellte sie fest, nachdem sie mich eingehend betrachtet hatte, "schläfst du schlecht?"

Kopfschüttelnd nahm ich einen Schluck von dem Wein. "Nein, ich schlafe in letzter Zeit erstaunlich gut, auch wenn es manchmal am Abend etwas später wird." Dass das natürlich eine Lüge war, ich schlecht schlief und die Nächte alleine im Gästezimmer unserer Wohnung verbrachte, ließ ich natürlich aus. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte. "Ich schätze, ich bin lediglich etwas erschöpft heute. Ich habe viel zu tun." Schon wieder eine Lüge schon die zweite an diesem Abend.

Anstatt zu arbeiten hatte ich den Tag damit verbracht mit Charlotte eine Hochzeit zu planen, von der bis jetzt noch fast keiner wusste. Unsere Familien hatten es noch nicht erfahren, dass Shawn mir vor seiner Überdosis einen Antrag gemacht hatte.

"Es ist bald Weihnachten, Schätzchen", stopfte sie sich ein Plätzchen in den Mund. Auch wenn sie wirklich lecker aussahen, brachte ich keinen einzigen hinunter. "Du solltest nicht so viel Arbeiten. Dein Vater und ich machen dieses Jahr genau dasselbe. Wir haben uns mal wieder einige Tage freigenommen, um die Weihnachtszeit zu genießen."

Argwöhnisch rümpfte ich die Nase
"Genießen? Ich glaube, daraus wird nichts. Kaum gibt es einen Notfall, den eigentlich auch ein anderer Arzt übernehmen könnte, fahrt ihr ins Krankenhaus. So war das doch schon immer gewesen. Egal ob an den Feiertagen oder an euren Ferientagen."

Mom schluckte schwer und nahm dann einen großen Schluck von ihrem Rotwein. Sie wollte mir widersprechen und öffnete ihren Mund, schloss ihn aber wieder, weil ihr kein stichhaltiges Gegenargument einfiel. Sie sah verletzt aus, als sich unsere Augen trafen, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte, um es wieder gutzumachen. Es gab keine Worte um die Sache zu beschönigen, denn es war die Wahrheit gewesen. Meine Eltern waren nie besonders oft für meine Geschwister und mich dagewesen.

Um der Situation zu entfliehen, stand ich auf und teilte ihr kurz und knapp mit, dass ich nun nach oben in mein altes Zimmer gehen würde, um noch ein paar Sachen zu holen. Schließlich war ja auch das der eigentliche Grund für mein Kommen gewesen. Also verschwand ich zusammen mit meinem Weinglas eilig nach oben.

Nachdem ich einen kurzen Abstecher in das Zimmer meiner kleinen Schwester gemacht hatte, betrat ich meinen alten Raum. Noch alles stand genauso wie als ich vor einigen Jahren ausgezogen war. Und, obwohl ich seit dem hin und wieder mal hier in meinem alten Kinderzimmer gewesen war, fühlte es sich komisch an wieder hier zu sein. Es steckten einfach so viele Erinnerungen hier drin.

Zwei Stunden und ein Weinglas später stand ich noch immer in meinem alten Zimmer und sortierte Sachen aus oder packte sie in Kartons. Ich war gerade dabei meinen Kleiderschrank auszusortieren als mir eine kleine Kiste in die Hände fiel. Aber nicht irgendeine Kiste, nein, es war eine bestimmte Kiste. Denn die kleine Schachtel war damals Shawn's Geburtstagsgeschenk an mich gewesen.

Vorsichtig hob ich den Deckel an und zum Vorschein kam eine DVD, zwei Bilder von uns und mehrere Blätter. Lächelnd betrachtete ich den Inhalt und danach nahm die beiden Bilder heraus. Grinsend schüttelte ich meinen Kopf, weil mir bewusst wurde wie jung Shawn und ich damals noch aussahen. Je länger ich sie mir jedoch anschaute, desto trauriger wurde ich.

Auf den Fotos sahen wir beide so unheimlich glücklich aus, aber die Tatsache, dass wir uns ein Tag, nach dem er mir das Geschenk gegeben hatte, uns getrennt haben trübte meine Stimmung. Ich war damals so unglaublich traurig gewesen und hatte mir nicht einmal angesehen was auf der DVD drauf war.

Aber genau das wollte ich heute noch nachholen. Zu gespannt war ich darauf, was sich auf den DVDs wohl befinden würde.

. . .

a picture is worth a
thousand words but
the memories are
priceless.
by unknown

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