Kapitel 3.10

Bereits als ich die Haustür meines Elternhauses hinter mir schloss, hörte ich das laute Kreischen meiner kleinen Schwester Madison.

In einem rasenden Tempo rannte sie die Treppen hinunter, um vom obigen Geschoss in den unteren Flur zu gelangen. Noch immer besaß die 13-jährige so viel Energie wie früher.
Sodass sie die letzten zwei Stufen hinuntersprang und mich danach in eine flüchtige Umarmung zog. Mittlerweile war Madi schon fast so groß wie ich.

"Hast du es schon gesehen?", löste sie sich breit grinsend von mir und schwenkte mit ihrem Smartphone vor meinem Gesicht umher. "Das Video ist überall auf Twitter und Instagram."

Etwas überfordert starrte ich meine Schwester an. Ich hatte keinen blassen Schimmer von welchem Video sie sprach. Geschweige denn, was das mit Twitter und Instagram zu tun hätte. Aufgeregt wischte Madi auf dem Display ihres Handys hin und her. Bis sie plötzlich ihr Handy wieder unter meine Nase hielt.

Verwirrt nahm ich ihr Smartphone entgegen und schaute auf den Bildschirm. Aufgerufen war ein Video auf Twitter, welches von einer von Shawns Fanseiten gepostet wurde. Quietschend tippte Madison in die Mitte und schon hörte ich die Stimme des Moderators, der neben Shawn auf einem Sofa saß, durch den Lautsprecher des Handys. Auch wenn man den ersten Teil des Satzes nicht hörte.

"... aktuell eine Freundin hast?" Gerade als ich ansetzen wollte, um Mads zu fragen, warum sie mir das Video zeigen würde, weil Shawn schon hunderte Male diese Frage gestellt wurde, erklang Shawns Stimme. "Ich... ehm", druckste mein Freund unsicher vor sich hin. Ich kniff meine Augen zusammen, um Shawns Gesichtsausdruck besser erkennen zu können. Mit gesenktem Kopf und geröteten Wangen starrte er auf seine Hände, die auf seinem Schoß lagen. Nach einigen Sekunden hob er jedoch breit grinsend seinen Kopf und schaute geradewegs in die Kamera. "Ja. Es gibt da ein Mädchen an meiner Seite..."

* * *

Meine Augen hefteten an der weißen Decke meines ehemaligen Kinder Zimmers. Nicht nur mein Handy, welches neben mir lag und ununterbrochen irgendwelche Töne von sich gab drohte vor Nachrichten zu explodieren, sondern auch mein Kopf.

Wie in Dauerschleife spielte sich der kurze Dialog zwischen dem Moderator und Shawn in meinem Kopf ab.

Shawns Antwort kam total unerwartet. Nicht nur für mich, sondern auch für das Internet und seine Fans. Jeder wusste nun, dass der 25- jährige kanadische Popsänger eine Freundin hat.

Den Sekunden Zeiger meines Weckers lauschend, drehte ich mich auf die Seite.

Auch wenn ich mich mit dem Braunhaarigen darauf geeinigt hatte, unsere Beziehung irgendwann öffentlich zu machen, fühlte sich die Situation gerade surreal an. Denn nun war dieses irgendwann eingetreten.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. "Bevor du jetzt irgendetwas sagst, möchte ich, dass du weißt, dass ich dich liebe June. Ich weiß, dass die Sache für dich total überraschend kam und ich es mit dir nochmal besprechen hätte sollen.", meldete sich Shawn und ratterte die Worte in rekordverdächtiger Geschwindigkeit herunter. "Aber ich konnte nicht anders. Ich wollte unsere Beziehung nicht noch länger verstecken.

June, ich hatte es satt in der Öffentlichkeit nicht deine Hand halten dürfen oder dich küssen zu können. Immer in allen Interviews zu behaupten, ich würde alleine wohnen und keine Freundin haben", fuhr er fort. Seine Stimme klang hektisch und so wie ich ihn kannte, fuhr er sich gerade nervös durch seine lockigen Haare.

"Du hast jedes Recht auf mich sauer zu sein. Du kannst mich meinetwegen anschreien oder mich minutenlang als Idioten betiteln. Ich würde sogar zwei Wochen lang, jeden einzelnen Abend für dich kochen und versprechen, dir nie wieder deine Bettdecke zu klauen, wenn du jetzt nur irgendetwas zu mir sagst.", seufzte der Braunhaarige außer Atem.

Stumm lächelnd schüttelte ich meinen Kopf. Shawn hatte mir nicht einmal eine Chance gegeben irgendetwas zu sagen.

"June, bitte. Sag etwas", drang die verzweifelte Stimme meines Freundes an mein Ohr, nach dem ich immer noch nichts geantwortet hatte.

"Ich liebe dich, Shawn", flüsterte ich und drückte mein Handy näher an mein Ohr. "So sehr."

Ein erleichtertes Seufzen war am anderen Ende der Leitung zu hören.
"Du bist nicht sauer?" Lächelnd schüttelte ich meinen Kopf. "Nein, nur etwas überfordert mit der Situation. Der Ausschnitt des Interviews wird in allen sozialen Netzwerken rauf und runter geklickt, und mein Handy blinkt auch ununterbrochen."

"Tut mir leid", entschuldigte er sich erneut. "Ich hätte vielleicht zwei Mal nachdenken sollen, bevor ich in die Welt hinausposaune, dass ich eine Freundin habe. Aber ich wollte, dass es alle wissen bevor ich dir-" Mitten im Satz brach er ab und schwieg. Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch. "Bevor du mir...was?", fragte ich.

"Nicht so wichtig. Woher weißt du eigentlich von dem Video?", wechselte der Junge schnell das Thema. "Madison hat mich damit überfallen, noch bevor ich meine Jacke ausziehen konnte", lachte ich und richtete mich auf. Ich stand von meinem Bett auf und ging auf das große Fenster zu. "Und daher ich mein Handy ausgeschaltet hatte als ich bei Blake und April war, wusste ich noch überhaupt nichts von dem Video."

Ich öffnete das Fenster zu meinem Balkon und trat hinaus in die Dunkelheit. "Du hast dich mit April und Blake getroffen?" räusperte sich Shawn verhalten. "Nein, ich war bei den beiden zu Hause. Hier in Pickering", biss ich mir auf meine Unterlippe. "Die drei wohnen seit etwa 4 Monaten wieder in Kanada."

"Wieso drei?", murmelte Shawn verwirrt. "Na, weil die Zwei vergangenen Sommer Eltern eines kleinen Jungen geworden sind.", lächelte ich und ließ meine Augen über den dunklen Garten schweifen.

"Shawn, bist du noch dran?", fragte ich nachdem nichts mehr von ihm kam. "Ja ja", flüsterte er leise. Vorsichtig ließ ich mich auf den Boden sinken und lehnte meinen Kopf gegen die kalte Hauswand. "Hey, ist alles okay?", blinzelte ich. "Nein", hauchte er. "Blake, mein ehemals bester Freund, ist Vater geworden und ich wusste nichts davon."

"Ihr hattet Streit. Und danach keinen Kontakt. Es ist völlig normal, dass sich einige Sachen seitdem geändert haben."

"Ja aber...", Shawn stoppte sich selbst und atmete hörbar aus. "Wie heißt denn der kleine?", versuchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Ahren", sagte ich und dachte an den kleinen schwarzhaarigen Jungen zurück, den ich vorhin noch auf dem Arm hielt. "Ahren", wiederholte er langsam.

"Glaubst du, du könntest es irgendwie organisieren, dass ich mal wieder mit Blake sprechen könnte, wenn ich zurück in Kanada bin? Ich denke, du schaffst das besser als ich."

Gähnend zog ich etwas später meine Beine enger an meinen Körper heran. "Wie spät ist es bei dir?", drang Shawns sanfte Stimme an mein Ohr, "Du klingst müde."

Ich nahm mein Handy für einen Augenblick von meinem Ohr Und schaute auf die kleine Zeitanzeige. "23:05 Uhr. Bei dir in New York doch auch", lächelte ich müde. "Oh... ehm klar.", nickte er zustimmend. Kopfschüttelnd schloss ich meine Augen und lauschte dem Wind, der durch unseren Garten fegte.

"Ich vermisse dich", murmelte ich schließlich. "Ich wünschte, du könntest schon morgen nach Hause kommen und nicht erst in 5 Tagen."

. . .

i miss you the most
at night. when
everything is quiet
and the silence
reminds me that
i'm not sleeping
next to you. 
by unknown 

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