44. Kapitel
Nach dem Mathetest am Montag erzählte ich Charlie auf dem Schulflur von dem bevorstehenden Treffen mit Grayson. Gerade packten wir unsere Schulbücher in den Spind. Charlie machte mit einem lauten Knall ihre Spindtür zu und meinte: „Ich bin der gleichen Meinung wie Lynn. Er steht doch auf dich. Ansonsten würde er dir nicht immer Nachhilfe geben". Bei dem Wort Nachhilfe malte sie Anführungszeichen in die Luft. „Aber hätte er dann nicht schon was versucht? Einen Kuss oder so?", hakte ich nach. Langsam wankte meine Sicherheit. „Wenn er anständig ist, nicht. Oder er möchte, dass du den ersten Schritt machst? Jayden, was denkst du?", fragte sie und ich drehte mich erschrocken um. Jayden stand hinter uns und räumte seine Bücher in den Spind. Ihn hatte ich gar nicht bemerkt. „Keine Ahnung", murrte er nur, zuckte mit den Schultern und ging davon. Charlie rollte mit den Augen. „Ich nehme das jetzt als eine Zustimmung meinerseits auf". Die ganze restliche Woche versuchte ich mich nicht darauf zu konzentrieren und tat es als ganz normales Treffen ab. Beim Mittagessen am Samstag war ich jedoch doch relativ nervös. Ich konnte einfach nicht stillsitzen. Cole neben mir war schon ganz genervt davon. Doch meine Gedanken kreisten immer um die Frage, ob Grayson vielleicht wirklich mehr von mir wollte...und ob ich überhaupt etwas von ihm wollte. Er war schon äußerst attraktiv und charmant war er auch. Und ich mochte es, wenn er mich umarmte und wir uns nah waren. Aber es war nicht das gleiche wie bei Joshua, keine Schmetterlinge im Bauch. Aber lief es denn überhaupt immer gleich ab, wenn man sich verliebte? Bis jetzt war Joshua der einzige gewesen, den ich wirklich geliebt hatte, doch geschwärmt hatte ich schon für mehrere. Mal mehr mal weniger. Doch darüber konnte ich mir jetzt keine Gedanken machen, denn ich musste mich beeilen. Ich schlüpfte in eine enge, hellblaue Jeans und ein lockeres Rüschentop. Im Bad überlegte ich, ob ich mich schminken sollte. Ich hatte mich schon seit fast einem Jahr nicht geschminkt, hoffentlich hatte ich es nicht verlernt. Hier in der Schule war striktes Make Up Verbot. Genauso waren Hot Pants, bauchfreie Shirts, Flip Flops, Piercings im Gesicht, Tattoos, Gelnägel und gefärbte Haare verboten, die keine natürliche Haarfarbe hatten. Auch öffentliche Religionsbekenntnisse, wie Kopftuch oder Kreuzkette, waren nicht erlaubt. Diese Verbote galten teilweise zum Glück nicht im Internatsgebäude und auf dem Gelände. Außerhalb des Schulgeländes waren all diese Regelungen eh nicht mehr vorhanden, jedoch wurden wir angehalten, uns sittsam zu benehmen, da wir auch dort unsere Schule repräsentierten. Letztendlich entschied ich mich für dezentes Make Up. Ich kämmte noch einmal meine Haare durch und ließ sie offen über die Schultern fallen. Dann zog ich mir meine Sneakers an und schnappte mir meine Handtasche. Da es draußen doch relativ warm schien, zog ich mir noch eine Jeansjacke drüber. Ein paar Minuten später stand Grayson schon vor meiner Tür, seine Hände in den Hosentaschen versenkt. „Wow, du siehst echt hübsch aus", begrüßte er mich und umarmte mich. „Du auch", erwiderte ich und meinte es so, wie ich es gesagt hatte. Er trug ein hellblaues Poloshirt, eine lockere dunkelblaue Jeans und eine schwarze Lederjacke. Gemeinsam gingen wir zur Bushaltestelle und warteten auf den Bus. Unsere Schule war etwas abseits der Stadt, fast wie in einer eigenen Welt lebten wir. Und das dachten auch die Bewohner der Stadt. Als Grayson und ich in den Bus stiegen, wurde angefangen zu tuscheln. Ein paar Jugendliche saßen im hinteren Teil des Busses und tuschelten über uns. Es fielen Wörter wie „reiche Schlampe" oder „Möchtegern Elitekids". Ich versuchte sie zu ignorieren, doch das war bei ihrer Lautstärke echt schwer. Als wir beim Kino ausstiegen, riefen sie uns „Ja, verschwindet endlich. Ihr seid hier nicht willkommen" hinterher. „Solche Vollspasten", flüsterte mir Grayson zu und ich nickte zustimmend. Doch jetzt konzentrierte ich mich wieder auf ihn. Und darauf, dass wir ins Kino gehen wollten. An der Kinokasse bezahlten wir unsere Tickets und dann holten wir uns Popcorn und Nachos. Im Kinosaal saßen wir ganz hinten in der letzten Reihe. Wir sahen uns eine englische Komödie an. Doch durch Graysons Nähe konnte ich mich kaum auf den Film konzentrieren. Im Laufe des Films legte er sogar seinen Arm hinter mich ab. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Wollte er kuscheln? Ich rückte etwas näher zu ihm. Irgendwann rutsche sein Arm auf meine Schulter, er zog mich leicht zu sich. Ich lehnte mich an ihn und legte meinen Kopf auf seine Schulter ab. Er streichelte mein Schulterblatt. Ich fühlte mich richtig wohl in seiner Gegenwart. Als der Film zu Ende war entschlossen wir uns noch etwas zu Essen zu holen und dieses dann Zuhause zu essen. Unsere Entscheidung fiel auf Sushi. Gemeinsam schlenderten wir durch die Stadt, unterhielten uns und schäkerten. Im Bus saßen wir eng beieinander, unsere Knie berührten sich. Gerade stritten wir darüber, was der beste Film aller Zeiten war. Grayson war für Harry Potter. Ich dagegen mochte „10 Things I hate about you". „Der Film kann gar nicht so gut sein, wenn ich ihn nicht kenne", argumentierte er. „Du kennst ihn nicht?", ich war schockiert, „Der ist mit Heath Ledger!Der ist echt heiß". „Und tot soweit ich weiß. Aber gut zu wissen, auf was für einen Typ du stehst". Grayson sah mich intensiv an, doch ich wandte den Blick ab. „Ich habe keinen bestimmten Typ. Der Charakter macht's". Tatsächlich hatte ich keinen bestimmten Typ. Joshua war blond gewesen und groß. Dazu dünn wie ein Stock. Wie Volleyballer halt waren. Grayson war zwar auch blond, aber etwas stämmiger und nicht all zu groß. Ich schätzte ihn auf ca. 1,85 m. „Habe ich denn einen Charakter, den du magst?", hakte er nach. Mittlerweile waren wir an der Bushaltestelle angekommen und betraten das Schulgelände. „Mhhh, lass mich überlegen...dein Charakter ist ganz okay". „Ganz okay? Na warte", beschwerte sich Grayson und jagte mir hinterher. Schon bald hatte er mich eingeholt und hielt mich von hinten fest. Dann versuchte er mich auszukitzeln. „Jetzt sag die Wahrheit" verlangte er. „Ist ja gut. Du bist super". Er ließ von mir ab und wir gingen wieder normal nebeneinander her. Bei mir setzten wir uns ins Wohnzimmer an den quadratischen Tisch. Grayson packte das Sushi aus und richtete es an. Durch das ganze Popcorn und die Nachos war ich gar nicht so hungrig und aß nicht viel. Dafür verputzte Grayson umso mehr, sodass am Ende nichts mehr übrig blieb. „Wenn du noch Zeit hast, könnten wir eigentlich meinen Film schauen, oder? Damit ich dich überzeugen kann, dass er der beste Film aller Zeiten ist", schlug ich vor und er stimmte zu. Wir setzten uns aufs Sofa und ich machte den Fernseher an. Gemütlich lungerten wir uns auf die Couch, einen beigen Zweisitzer. Wir saßen eng zusammen, Ich lehnte mich an ihn. Den Film kannte ich mittlerweile so gut, dass ich fast alle Zeilen mitsprechen konnte. Grayson zog mich damit auf. Trotzdem mochte er den Film, auch wenn er seiner Ansicht nach ein bisschen zu „kitschig" war. Diese Ansicht teilte ich überhaupt nicht. Auch wenn ich gerne auch Actionfilme mochte, war dieser Film ein Klassiker. Wie „Clueless" oder „Natürlich blond". Gegen Ende des Films meinte Grayson: „Nach dem Film muss ich dann gehen. Ich habe morgen ein Fußballspiel". „Oh Schade. Kannst du nicht noch länger bleiben?", bettelte ich, denn ich wollte seine Nähe noch etwas länger spüren. Er schüttelte den Kopf. „Leider nicht, auch wenn ich gerne noch bleiben würde". Er sah mir in die Augen. Ich wagte es nicht meinen Blick abzuwenden. Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Du bist wunderschön", flüsterte Grayson. Wir kamen uns näher. Mein Herz flatterte. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und küsste ihn. Unsere Lippen berührten sich. Der Kuss intensivierte sich. Plötzlich rückte er von mir ab. Er räusperte sich. „ Sorry, aber ich kann das nicht. Du bist genauso alt wie Freya. Eher wie eine kleine Schwester". Ich sah ihn schockiert an. Damit hatte ich nicht gerechnet. „Was?", krächzte ich, immer noch fassungslos. Wie konnte es von super romantisch zu super peinlich innerhalb weniger Sekunden wechseln? „Es tut mir leid, Elsa. Du bist ein tolles Mädchen, aber...", fing er an, doch ich unterbrach ihn. „Ich glaube, du solltest lieber gehen. Es ist schon spät". Ich wollte nur noch, dass er ging. Und das tat er dann auch. Zum Abschied wollte er mich noch umarmen, doch ich blockte ihn ab. Hinter ihm schloss ich schnell die Tür. Mir kamen die Tränen. Doch was hatte ich erwartet? Dass wir uns küssen würden und ich dann plötzlich mit dem 2 Jahre älteren und echt attraktiven Grayson zusammen war? Mit jemanden, der fast jede haben konnte. Total fertig ging ich zu Coles Wohnung. Er konnte mich hoffentlich ablenken. Ich klopfte an die Tür und wartete. Wenig später wurde sie von Cole geöffnet. „Hey du", begrüßte er mich, doch brach dann ab als er mein verweintes Gesicht sah. „Was ist denn los?", fragte er mich besorgt. Ich trat ein und erblickte Jayden, der in der Tür zum Schlafzimmer stand. „Ich war ja heute mit Grayson aus. Und es lief alles super. Wir haben uns gut verstanden, gequatscht und sind uns nahe gekommen. Dann haben wir noch bei mir einen Film geschaut und uns geküsst", erzählte ich stockend, da ich wieder anfing zu weinen. „Ihr habt euch geküsst? Das klingt doch gut!", versuchte Cole mich aufzuheitern. Doch dann erzählte ich weiter. Wie wir uns geküsst haben und er mich plötzlich abgewiesen hatte. „Er meinte, ich sei wie eine kleine Schwester für ihn. Eine kleine Schwester!", jammerte ich. Cole gab mir ein Taschentuch mit dem ich mir meine Augen abtupfte. „Da wurdest du wohl gesisterzoned", überlegte Jayden laut und grinste. Cole und ich funkelten ihn böse an. „Grayson hat dich eh nicht verdient, Elsa", meinte Cole. „Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt weiß ich gar nichts mehr. Zuerst wollte ich ja gar nichts von ihm, aber dann war er so nett immer, hat mir Nachhilfe gegeben, mich umarmt und mich sogar hübsch genannt!", sagte ich verzweifelt. „Wenn du mich fragst, hat er dich echt an dich rangemacht. So wie er dich immer berührt hat und mit dir geredet hat. Kein Wunder, dass du dachtest, dass er etwas von dir will", erklärte ich. Jayden fügte hinzu: „Ich mochte ihn eh nie. Grayson ist ein totales Arschloch. Sich so an dich ranmachen und dann plötzlich korben? Dem war doch nur langweilig und er brauchte ein Spielzeug. Und das warst eben du". So drastisch wie er sah ich es zwar nicht, doch ein Fünkchen Wahrheit steckte schon in seinen Worten. Cole umarmte mich und streichelte sanft meinen Rücken. „Und was mache ich jetzt? Soll ich ganz normal mit ihm reden?", fragte ich die beiden. „Pff, ganz sicher nicht! Ignoriere den Scheißkerl", riet Jayden stürmisch. „Keine Schimpfwörter, Jay! Aber ja, tue nicht auf Sonnenschein. Zeig ihm, dass du das ernst nimmst und niemand bist, den man herumschupsen kann", formulierte Cole es nicht ganz so drastisch. "Ja, aber ich will das nicht so an die große Glocke hängen, schließlich ist es ja sein gutes Recht mich abzulehnen. Und wenn er mich nicht mag, kann ich es ja auch nicht erzwingen. Ich stand ja eh nie wirklich auf ihn", überlegte ich stattdessen. „Redest du es dir jetzt ein, dass du nicht auf ihn stehst? Oder stehst du wirklich nicht auf ihn?". „Vielleicht ein bisschen von beidem. Aber ehrlich gesagt, habe ich erst über eine Beziehung nachgedacht, als Lynn und Charlie es angedeutet haben. Na klar, er ist attraktiv, charmant und ein echter Hingucker, aber außer ein paar Mal treffen haben wir nie was miteinander gemacht. Außerdem ist er Leifs Kumpel und Freyas Bruder! Das war mir ehrlich gesagt schon genug", antwortete ich, und das entsprach der Wahrheit. Cole schien damit zufrieden genug zu sein. Er ging kurz in sein Zimmer und kam dann mit einer Tüte Chips wieder zurück. „Nervennahrung", erklärte er. Plötzlich kam mir eine Idee. „Weißt du was, Cole? Wir sollten mal zusammen ausgehen. Ich reiße dir ein Mädchen auf, und du mir einen Jungen!" Jayden lachte laut auf. Schnell hielt er sich den Mund zu. Ich sah zuerst fragend zu ihm und dann zu Cole. „Ich glaube da könnte es ein Problem geben", fing Cole an. Jayden führte es zu Ende: „Cole ist nämlich schwul". Ich sah beide fassungslos an. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. „Waaasss?", rief ich, immer noch schockiert. „Aber du hast nie was gesagt. Und du hast mit Mädchen geflirtet." „Das stimmt schon. Ich habe mich nicht geoutet. Das finde ich nämlich unnötig, ist ja egal auf wen ich stehe. Außerdem würde ich mich eher auf Bi einigen, aber ja ich finde Jungs sexy. Und ich bin einfach ein netter Typ, auch bei Mädels". Er zwinkerte mir zu. „Und du hast kein Problem damit?", fragte ich Jayden. Ich konnte mir vorstellen, dass sich das Zusammenleben schwierig gestalten könnte in einem Internat. Nicht alle waren bei diesem Thema so locker. „Nö, ich wüsste nicht, was daran problematisch sein sollte. Er steht schließlich nicht auf mich. Auch wenn ich das nicht ganz verstehen kann, schließlich bin auch ich äußerst sexy und bildhübsch", antwortete er. Um seine Aussage zu unterstreichen, spielte er mit einer Strähne und machte absichtlich einen Kussmund und klimperte mit den Wimpern. Ich hielt mir die Augen zu, da ich mir dieses Schauspiel nicht länger ansehen konnte. Cole schmiss ein Kissen von der Couch auf ihn. „Wir kennen uns schon seit der 5. Klasse und teilen uns seitdem auch ein Zimmer. Du bist nicht nur mein bester Freund, sondern auch wie ein Bruder für mich. Es wäre eklig, wenn ich auf dich stehen würde", meinte Cole. „Siehst du Elsa, jetzt wurde ich gebrotherzoned! Zwei an einem Abend". Jayden spielte verletzt. Doch sein Grinsen verriet ihn. Ich war leicht neidisch auf diese enge Freundschaft. Ich war zwar schon fast ein ganzes Schuljahr hier, aber eine richtig enge Freundin hatte ich nicht. Mit Charlie verstand ich mich zwar sehr gut, aber sie hatte noch andere, bessere Freunde. Auch mit Lynn verstand ich mich gut, aber über unsere Wohngemeinschaft ging es nur selten hinaus. Cole würde ich als meinen besten Freund bezeichnen, aber ein Mädchen ersetzte er nicht. Außerdem waren er und Jayden viel enger miteinander. „Hattest du denn schon einmal einen Freund?", fragte ich Cole interessiert. „Nein, mehr als ein Kuss war nie drin. Aber ich werde den richtigen schon irgendwann finden. Und bis dahin können wir ja beide zusammen auf Männerjagd gehen". „Ich weiß nicht, im Moment erst mal nicht, da habe ich echt genug von Jungs. Die sind unberechenbar und am Ende werde ich eh nur wieder gekorbt. Und ich habe beschlossen, dass ich nie wieder von mir aus einen anderen Junge küsse! Wenn, muss der schon ankommen." Meine Stimme war bestimmend und meine Aussage schlussendlich. „So ist es richtig, beste Zuspielerin der Welt!", bejubelte mich Cole. Jayden schüttelte nur den Kopf. Schien aber etwas verkrampft. „Darf ich bei dir schlafen, Cole? Bitte, bitte, bitte. Nach diesem ereignisreichen Tag brauche ich deine Gesellschaft", bettelte ich und Cole sah Jayden fragend an. Dieser musste schließlich auch mit entscheiden. „Meinetwegen. Sie kann ja auf der Luftmatratze schlafen. Ein Kissen und eine Decke finden wir bestimmt auch noch." Ich fiel Cole freudestrahlend um den Hals. Dann suchten wir alles heraus. Die Luftmatratze stellte sich als Badeluftmatratze heraus. Und diese war nicht so groß wie eine übliche. Trotzdem war ich zufrieden damit. Cole spendierte noch ein kleines Kissen und eine Decke. Jayden sponserte ebenfalls eine Decke, die ich zum darunterlegen nahm. Cole gab mir außerdem ein langes Shirt, welches ich als Nachthemd benutzen konnte. Im Bad putzte ich mir mit dem Finger und Zahnpasta die Finger. Im Zimmer hatten sich Jayden und Cole schon für die Nacht zurecht gemacht. Cole hatte einen karierten Pyjama an, Jayden ein Tshirt und seine Boxershorts. Als wir im Bett lagen, erzählten wir noch eine Weile. Kurz vor dem Einschlafen bat mich Cole, es nicht heraus zu posaunen, dass er schwul war. Nur wenige wussten es. Natürlich versprach ich es nicht weiter zu erzählen. Das beruhigte Cole und schon bald hörte ich seine ruhigen Atemgeräusche. Auch Jayden schien zu schlafen. Ich drehte mich auf der Luftmatratze um, was zu einem leisen Quietschen führte. Trotzdem schlief auch ich bald ein, eingehüllt in eine warme Kuscheldecke. Als es zu hell wurde, wachte ich auf. Coles Wecker zeigte 7:43 Uhr an. Zuerst wollte ich wieder einschlafen, aber meine Blase meldete sich. Ich stöhnte genervt, doch stand auf. Leise schlich ich aus dem Zimmer, Cole und Jayden schienen noch zu schlafen. Im Bad ging ich auf die Toilette, dann wusch ich mir die Hände. Meine Haare waren total zerzaust, weshalb ich sie erst Mal mit meinen Händen glatt strich. Eine Bürste könnte ich in dieser Unordnung nicht finden. Aber ehrlich? Bei uns Mädels sah es noch viel schlimmer aus. Als ich wieder ins Zimmer zurückkam, lief ich fast in Jayden hinein. Anscheinend wollte er gerade aus der Tür heraus. „Hast du mich erschreckt", flüsterte ich. Auch Jayden hatte mich nicht erwartet. „Sorry, aber ich konnte ja nicht ahnen das du mit so einem Schwung ins Zimmer kommst", erwiderte er leise. „Ich gehe jetzt laufen. Willst du mit?". Ich überlegte. Jetzt könnte ich wahrscheinlich eh nicht mehr weiterschlafen. Anderseits hatte ich auf die Gesellschaft von Jayden nicht unbedingt Lust. Trotzdem stimmte ich zu. Beim Laufen mussten wir ja nicht viel reden. Ich ging zurück in mein Zimmer um mich umzuziehen. Lynn schlief noch, weshalb ich extra leise war. Meine dunklen Haare Band ich zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann war ich fertig zum Laufen. Jayden wartete schon vor meiner Tür in Laufklamotten. Gemeinsam gingen wir mach unten und nach draußen an die frische Luft. Zuerst dehnten wir uns etwas um dann los zu Laufen. Jayden schlug unsere übliche Route an den Fußballfeldern und durch den Wald ein. So früh am Morgen war es noch nebelig, das Sichtfeld war stark eingeschränkt. Danach würde ich erst einmal eine warme Dusche brauchen. Auch weil ich ziemlich ins Schwitzen kam. Jayden war ziemlich schnell und ich hatte Schwierigkeiten Schritt zu halten. Als wir an der Mensa ankamen, stützte ich erst einmal meine Hände auf die Knie und holte Luft. Jayden dagegen schien kaum aus der Puste zu sein. „Deine Ausdauer wird immer besser", meinte er, es sollte wohl ein Lob sein. „danke", keuchte ich, immer noch Luft holend. Als ich wieder genug Kraft getankt hatte, betraten wir das Gebäude. Das Frühstück verlief relativ ruhig, wir beide waren mit Essen beschäftigt. „Hast du mittlerweile einen neuen Beachpartner gefunden?", fragte ich ihn interessiert nachdem ich mein Brötchen gegessen hatte. Mittlerweile war ich beim Obst angelangt. „Ne, und werde ich auch nicht. Entweder du oder gar keine". Er sah mich an. Ich senkte den Blick. „Ich dachte, du magst mich nicht?". „Das habe ich nie gesagt. Ich finde dich eigentlich ziemlich OK. Und gut Volleyball spielst du auch", antworte er und zwinkerte mir zu. So ein Lob kam selten von ihm. Ich stocherte in meinen Blaubeeren Rum und erwiderte: „ Dieser Meinung warst du vorher nicht. Und ich werde nicht wieder mit dir beachten. Vergiss es. Wie gestern Abend schon gesagt wurde : Ich bin kein Spielzeug, welches man herumschubsen kann". „Vergleichst du mich ernsthaft mit Grayson? Mit diesem Arsch? Ich schubste dich nicht herum. Ich habe einen Fehler gemacht, mich aber auch dafür entschuldigt. Sag mir was ich machen soll und ich tue es". Er klang aufrichtig, doch ich konnte ihm nicht wirklich glauben. Dafür hatte er mich zu oft verletzt. „Soll ich ehrlich sein?", fragte ich ihn, „Grayson hat mich nie schlecht behandelt. Hat mich nie angeschrien. Und am Ende war er wenigstens ehrlich, auch wenn er mir vorher vielleicht etwas vorgespielt hat. Das alles kann ich von dir nicht behaupten". Langsam wurde ich wütend. „ Ja, ich war vielleicht nicht immer nett zu dir, aber dich angelogen habe ich nie! Wie wäre es mit einem Spiel? Übernächstes Wochenende findet ein Beachturnier statt. Nur das eine Spiel und wenn du dann immer noch nicht willst, werde ich dich für immer in Ruhe lassen", bettelte er und sah mich hoffnungsvoll an. Er hielt mir eine Hand zum Einschlagen hin. Eigentlich wollte ich ablehnen, ihm nicht die Genugtuung geben, zu gewinnen. Doch die Sehnsucht wieder richtig zu beachen war groß. So groß, dass ich letztendlich einschlug. „Ein Spiel, mehr nicht. Und danach lässt du mich hoffentlich in Ruhe". Jayden grinste selbstzufrieden, er hatte gewonnen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top