30. Kapitel
Am Samstag fuhren wir 4 mit dem Bus in die Stadt. Freya sah die ganze Zeit aus dem Fenster und Grayson unterhielt sich mit Leif über ein Spiel, welches sie im Fernsehen gesehen haben. Dementsprechend war ich nicht besonderst gut gelaunt. Dazu hatte ich die Nacht kaum geschlafen, weil ich mir Sorgen wegen der Prüfungen machte, die schon in zwei Wochen stattfinden würden.
„Erde an Elsa!", riss mich Grayson aus den Gedanken und lächelte mich an. „Was?", fragte ich verwirrt. „Ich habe dich gefragt, warum du so erschöpft aussiehst", wiederholte er seine Frage. „Ach so, entschuldige. Ich bin einfach gerade fix und fertig von so ziemlich Allem. Volleyball, Schule, Menschen".„Menschen?", hakte Freya nach und runzelte die Stirn. „Wohl eher von einem.Jayden", antworte ich und verdrehte die Augen. Schon wenn ich an ihn dachte,war ich mit den Nerven am Ende. „Du musst ihm nur mehr Zeit geben. Jayden tut nur immer so auf unnahbar, ist aber eigentlich ein totaler Softie", versuchte Freya ihn zu verteidigen. „Es reicht nur ein Wort und ich rede mit ihm", bot mir mein Bruder an und ich schüttelte schnell den Kopf. „Lieber nicht. Ich muss das alleine irgendwie hinbekommen", wehrte ich ab. Den Rest der Fahrt diskutierten die anderen 3 über einen Jungen aus unserer Schule, der jetzt geflogen ist, weil er Training geschwänzt hat und seine Tests angezündet hat.Da ich ihn nicht kannte, hielt ich mich im Hintergrund. Wir stiegen an der richtigen Haltestelle aus, direkt in die Kälte. Ich zog meine Daunenfederjacke noch enger um mich und kontrollierte ob mein Schal noch richtig saß. Auch Freya, die die letzten Monate meisten in Top herumgelaufen ist, hatte sich dick eingemurmelt, da sie ja erst vor kurzem krank gewesen war. Nur Leif und Grayson schien das Wetter nichts auszumachen. Während Leif wenigstens eine Jacke anhatte, lief Grayson nur in einem dünnen Pullover herum. Erst am Donnerstag hatte ich einen Jungen sogar mit kurzer Hose herumlaufen sehen. Die Engländer waren schon ein komisches Volk.
„Möchtest du Popcorn?", fragte mich Leif und fügte hinzu, „Ich bezahle". „Hast du das Geld von Mom und Dad?". „Na klar. Als ob ich mein eigenes Geld für dich ausgeben würde", meinte er und grinste dümmlich. Irgendwann, ja irgendwann, würde meine Faust in seinem Gesicht landen. Letztendlich entschied ich mich für eine große Popcorn und Limonade.„Welchen Film schauen wir uns eigentlich an?", fragte ich. „Wow, es fällt dir aber früh ein zu fragen", sagte Leif sarkastisch und ich zeigte ihm den Mittelfinger. Es war schön zu wissen, dass ich keine Entscheidungsmöglichkeit gehabt hatte und die restlichen 3 sich für ein britisches Drama entschieden hatten, welches todlangweilig war. Ich saß zwischen Freya und Grayson eingeklemmt, die beide die Angewohnheit hatten, den Film zu kommentieren. Definitiv Geschwister. Trotzdem sich beide fast gar nicht vom Aussehen oder Charakter ähnelten, hatten sie doch beide dieselben Gesichtsausdrücke und Angewohnheiten.Zum Beispiel wippten beide mit dem rechten Fuß und zogen genau im selben Moment die Augenbrauen zusammen. Auf lange Sicht sehr unterhaltsam. Irgendwann war ich eingeschlafen, wachte jedoch rechtzeitig vor Ende des Films auf, sodass es niemand bemerkte. Als der Abspann lief, streckte ich mich. „Vorsicht Tiger,sonst stichst du mir noch die Augen aus", sagte Grayson, der meine Hand festhielt, die kurz davor gewesen war in seinem Gesicht zu landen.
„Beeilt euch Jungs. Ich habe Hunger auf Pizza", jammerte Freya, die mit mir vor der Jungentoilette wartete. „Ich habe das Gefühl, dass in der heutigen Gesellschaft die Jungs immer mädchenhafter werden und die Mädchen immer jungenhafter", sagte Freya.„Vielleicht werden die Jungs weiblicher, aber bei den Mädchen kann ich das nicht behaupten. Da gibt es immer noch genug Bitches", stimmte ich ihr teilweise zu. Nachdem die Jungs endlich fertig waren, verließen wir das Kinogebäude und gingen in das Pizzahaus gegenüber. Ich bestellte mir eine Salami Pizza mit extra viel Käse. „Gibt es hier auch eigentlich Dönerpizza?", fragte ich die anderen. „Ich glaube nicht. Jedenfalls habe ich noch nichts davon gehört",meinte Leif. „Dönerpizza? Was ist das?", fragte Freya und auch Grayson sah verwirrt aus. „Das ist Pizza mit Dönerbelag und in Schweden essen wir auch noch Salat mit drauf", erklärte ich ihnen. „ Ihr seit Schweden, oder?", fragte Freya. „ Wir haben auch schwedische Pässe, sind aber in Deutschland geboren und aufwachsen. Unsere Großeltern mütterlicherseits wohnen dort jedoch noch und wir besuchen sie immer in den Sommerferien", sagte Leif. „Könnt ihr denn schwedisch?"„Verstehen ja, sprechen nur teilweise. Wir haben als Kleinkinder bei unseren Großeltern in ihrer Heimatstadt Västerås gewohnt, doch das ist mittlerweile über 10 Jahre her", erklärte ich.Da unsere Eltern als Sportler immer unterwegs gewesen sind, mussten sie uns notgedrungen bei unseren Großeltern abliefern. Dadurch ist Leif auch zum Fußball gekommen, denn die Schweden liebten diesen Sport. Auch Eishockey,jedoch konnte ich mich dafür noch nie wirklich begeistern. Freya und Grayson wollten, dass wir ihnen Sätze auf Schwedisch sagten, wobei wir nicht immer wahrheitsgemäß übersetzten. Freya fragte uns, was „Ich liebe dich" heißt und wir sagten auf Schwedisch „Ich stinke nach Fisch". Hoffentlich traf sie nie auf echte Schweden. Als unsere Pizzen endlich fertig waren, waren wir alle zu sehr mit Essen beschäftigt, als das wir uns wirklich unterhalten hätten können.
Am Montag waren die meisten Mädels wieder gesund, sodass wir normal weitertrainieren konnten. Ich übte vor allem mit dem Mittelblockern Aufsteiger.„Gut sieht das aber nicht aus", bemerkte Jayden. Vor Schreck blieb mir fast das Herz stehen. „Habt ihr nicht Training?", fragte ich ihn genervt. „Mathilda ist immer noch krank und wir haben keinen Co-Trainer im Gegensatz zu euch",erklärte er knapp. „Und was willst du hier? Hast du keine Hobbys?", fragte ich und spielte erneut einen Ball zu. Jayden verzog das Gesicht und sagte: „Das sieht ja grauenvoll aus. Lass mich das machen". Er schob mich zur Seite und ich brachte nur ein wütendes „Hey!" heraus. Er spielte einen Aufsteiger, den Freya perfekt bekam und in den 3 Meterraum hämmerte. „Perfekt", rief sie überglücklich und klatschte ihn ab. „Was soll der Scheiß! Hau ab und lass mich weiter meinen Job machen", rief ich genervt. „Du lässt dir auch gar nicht helfen oder?", zischte Jayden. Maxe wurde auf uns aufmerksam und kam zu uns. „Gut,dass du da bist. Genau richtig", sagte er und klopfte Jayden auf den Rücken.„Und wieso bist du froh, dass er hier ist?", fragte ich. „Er soll dir bei den Aufsteigern helfen. Vertraue ihm. Er spielt die besten Aufsteiger, die ich je gesehen habe". Ich sah beide nur geschockt an. Jetzt soll ich mich von Jayden etwa berichtigen lassen?! „Maxe, ich bin ja sonst nicht so, aber das finde ich geht echt zu weit. Jayden meckert nur an mir herum und beleidigt mich. Das lasse ich mir echt nicht gefallen", sagte ich erbost. Sein Lächeln konnte ersich echt woanders hin schieben. „Versuche es doch wenigstens. Du kannst echtwas von ihm lernen", versuchte Maxe mich zu beschwichtigen. „Lieber nicht. Ichhabe keine Lust mich herunter machen zu lassen. Das habe ich echt nichtnötig!". Ich drehte mich wütend um, ging zur Bank, schnappte meine Sporttascheund verließ die Turnhalle. „Was soll der Scheiß?", brüllte mir Jaydenhinterher, der nach mir aus der Turnhalle gestürmt kam. Ich blieb stehen unddrehte mich zu ihm. Durch den Wind standen seine Haare in alle Richtungen abund Schnee blieb in seinen Haaren zurück. Ich musste mich anstrengen ihn zusehen, da es schon dunkel war und es in der Nähe nur eine Straßenlaterne gab.„Was soll der Scheiß!? Das sollte ich wohl eher dich fragen. Du bist der, der immer an mir herummeckert und mich nicht ansehen kann ohne genervt das Gesicht zu verziehen". „Wenn du nicht mit Kritik umgehen kannst, bist du hier definitiv falsch. Ich versuche dir nur zu helfen", sagte er. „Ach ja? Hört sich jedenfalls nicht so an. Du behandelst mich wie ein kleines Kind, dabei spiele ich auch schon seit fast 10 Jahren Volleyball und habe auch ein klein wenig Ahnung". „Das stimmt doch nicht. Vielleicht bin ich nicht der freundlichste Typ, aber ich versuche dir wirklich immer nur zu helfen. Es tut mir leid, wenn es so rüberkommt, als ob ich dich ärgere. Mir liegt es wirklich am Herzen, dass du eine sehr gute Zuspielerin wirst", erklärte Jayden. „Wer's glaubt", rief ich und drehte mich wieder um, um weiter zu gehen. „Warte!", rief er und war in einpaar Schritten bei mir angelangt. In dem Moment ging die Tür erneut auf und Maxe kam nach draußen. „Habt ihr sie noch alle! Kommt sofort wieder rein!Beide. Ihr holt euch noch den Tod in dieser Kälte". Seine Stimme ließ keine Widerworte zu. Wieder in der Turnhalle musste ich mir meinen Trainingsanzug über ziehen und Jayden seine Jacke. Maxe brachte uns zurück ins Internatsgebäude zu unserer Betreuerin, die uns beiden einen heißen Kakao machte.
„Ich komme nach der Trainingseinheit wieder und bis dahin habt ihr eine vernünftige Begründung parat, weshalb ihr euch so aufführt", sagte Maxe und sah uns beiden nacheinander in die Augen. „Ich habe doch gar nichts gemacht!", versuchte Jayden zu sagen, doch Maxes Blick ließ ihn verstummen. „Bis nachher", sagte er nur noch und verließ den Raum. Die Schwester gab uns beide zwei Wolldecken und den Kakao, den wir beide schweigend tranken. Ab und zu blickte ich zu ihm, doch dann schnell wieder weg. „Deine Haare sind total nass", sagte ich zu ihm und sah ihn an. „Deine aber auch", erwiderte er, stand auf und schüttelte seine schwarzen Haare wie ein nasser Hund. „Ihh, ich habe Tropfen abbekommen", sagte ich und schüttelte mich. „Denkst du Maxe ist sehr sauer?", fragte ich Jayden.„Auf mich? Sicher. Bei dir weiß ich es nicht. Ich bin schon länger hier und hätte verantwortungsbewusster handeln müssen. Leider kann ich Streitereien eher nicht so gut schlichten und hetzte irgendwie alle gegen mich auf. Keine Ahnung woran das liegt", antwortete er. „Zufällig nicht an deinem ignoranten und arroganten Charakter?", sagte ich sarkastisch. „Siehst du. Auch du denkst, dass ich ein Arschloch bin, dabei verhalte ich mich nur ganz normal. Ich kann nichts dafür,dass ich so gut Volleyball spielen kann und so gut aussehe". „Nein gar nicht arrogant. Weiß echt nicht wie manche das von dir denken können", sagte ich mit Spott in der Stimme. Dass er wirklich gut Volleyball spielen konnte und dazunicht schlecht aussah verschwieg ich dabei lieber. Eine geschlagene Stunde später kam Maxe zurück. Er zog einen Stuhl zu uns heran und setzte sich rücklings drauf, sodass er sich auf die Lehne stützen konnte. „Will mir jetzt jemand von euch beiden erklären was vorgefallen ist? Ich weiß, dass ihr euch nicht auf dem besten Fuß kennen gelernt habt, doch dachte ich, dass das längst geklärt sei. Schließlich liegt es schon Monate zurück". „Wir haben uns, und gerade ich, wie Kleinkindern benommen. Ich glaube ich komme einfach nicht damit klar, dass ich wen ebenbürtigen plötzlich im Team habe. Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen", sagte Jayden leise, und ich dachte mich schon verhört zuhaben. Hatte er gerade indirekt zugegeben, dass ich gut war? Jayden entschuldigte sich doch sonst nie! „Und was hast du dazu zu sagen, Elsa?",fragte Maxe mich. „Ich habe überreagiert. Ich war früher immer die Beste gewesen und war Kritik nicht gewöhnt. Es tut mir Leid", sagte ich und senkte die Augen. „Wenn das geklärt ist, könnt ihr euch die Hand geben und ich kann ins Bett". Jayden streckte mir seine Hand entgegen und ich schüttelte sie.„Dann euch beiden noch einen schönen Abend und beim Training unterbleibt so was ab sofort. Wenn ihr euch noch einmal streitet seid ihr schneller aus der Halle geflogen, als ihr Ball sagen könnt". Als er weg war fragte ich Jayden: „Warum bist du eigentlich nicht Kapitän, wenn du doch so gut bist. Besser als Alex".„Es ist nicht immer der beste Volleyballspieler Kapitän, sondern der mit der besten Führungskraft und die habe ich nicht. Mir fehlt einfach das Einfühlungsvermögen. Bis dann.Ich muss jetzt mich auch aufs Ohr hauen", sagte er und winkte mir zum Abschied.
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