11. Kapitel
Als ich die nächste Woche in einer Freistunde meine Hausaufgaben im Internat machte, hielt mir plötzlich jemand die Augen zu. „ Lynn? Charlotte?", fragte ich und versuchte die Hände von meinem Gesicht weg zuschieben. „Erkennst du deinen eigenen Bruder nicht mehr? Autsch, dass tut aber weh", sagte Leif und setzte sich neben mir an den Tisch. Wir hatten im Internat einige Aufenthaltsräume in denen wir unsere Hausaufgaben machen konnten und bei Problemen, jemanden um Hilfe fragen konnten. „Du weißt aber noch, dass ich ziemlich sauer auf dich bin. Sei froh, dass ich Mama und Papa nicht gesagt habe, dass du einfach abgehauen bist und mich die ganze letzte Woche ignorierst hast!", sagte ich und wandte mich demonstrativ wieder meinen Hausaufgaben zu. „ Es ja nicht so, dass du ohne mich nicht überlebst hast! Und vielleicht habe ich nicht mit dir geredet, aber ich habe mich bei den anderen über dich am Laufenden gehalten", versuchte er sich zu entschuldigen. Ich kannte meinen Bruder, und damit auch seine Maschen, andere Leute um den Finger zu wickeln, doch dass funktionierte bei mir nicht. „ Du hättest auch einfach mal zu mir kommen können! Ich mein, hallo, wir wohnen im selben Gebäude. Ich wette, du hattest einfach keine Lust dich mit mir abzugeben, ich bin ja nur deine kleine nervige Schwester", fauchte ich. Eigentlich war ich ein sehr ruhiger und ausgeglichener Mensch, doch Leif brachte mich einfach auf die Palme. „Ich bin doch jetzt da. Und ich dachte, dass wir vielleicht was miteinander machen könnten. Vielleicht Tischtennis oder so", sagte er. „Ach, wie kommt jetzt der Sinneswandel?" „Du bist meine Schwester, da nimmt man sich eben die Zeit." „Haben Mama und Papa dich gezwungen?", fragte ich ihn und er nickte schuldbewusst. Ich verdrehte die Augen, seufzte und fing an meine Sachen zusammenzuräumen. „Na schön, lass uns Tischtennis spielen. Ich bringe nur kurz meine Sachen auf mein Zimmer", meinte ich und stand auf. Leif folgte mir.
Als ich das Zimmer betrat, saß Lynn gerade auf der Couch und schaute Fernsehen. Jetzt fiel mir auch erst auf, dass Lynn fast immer vor dem Fernseher saß. Tessa und Jessy hatten dagegen fast immer Fußball, weshalb wir uns kaum sahen. „Hey, Lynn. Ich bringe kurz meine Tasche in unser Zimmer und gehe dann mit Leif Tischtennis spielen. Nur damit du dich nicht wunderst", erklärte ich ihr. Sie nickte abwesend und sagte: „Ist in Ordnung. Warte! Was?". Sie drehte sich zu mir um und entdeckte Leif neben mir. Lynn kreischte und versteckte sich hinter dem Sofa: „Mensch, Elsa." Leif lachte belustigt und nahm mir meine Tasche ab. „Du bist also Lynn. Handball, stimmt's?", fragte er und stellte meine Tasche in meinem Zimmer ab. Lynn nickte und ich ging zu ihr. „Das hat Konsequenzen. Heute Abend hab ich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen!", sagte Lynn und funkelte mich böse an. „Woher hätte ich denn wissen sollen, dass du so ausflippst, wenn du ihn siehst? Aber darüber reden wir ja dann noch", sagte ich und verabschiedete mich von ihr.
Als ich die Tür schloss, hielt ich es nicht mehr aus und boxte Leif gegen die Schulter: „Warum stehen alle Mädchen so auf dich. Freya war auch ganz aus dem Häuschen, als ich meinte, dass du mein Bruder bist". „Freya, so so. Weißt du, ich bin einfach heiß, da kann man einfach nichts dagegen machen. Die Mädchen stehen einfach auf so etwas", sagte er und hob sein T-Shirt hoch. Darunter war ein Sixpack zu sehen. Ich verdrehte nur die Augen, mein Bruder war echt selbstverliebt. Und mit so was habe ich Jahre lang in einem Haus gelebt. Die Tischtennisplatte lag in einem der Aufenthaltsräume im 2. Stockwerk. Große Fenster ließen viel Licht rein. Hier im Internat waren fast alle Räume bunt gestaltet. Auf den meisten Wänden waren Sportarten zu sehen, hier war es Fußball. Ein paar andere Schüler saßen hier und unterhielten sich. Ein paar spielten auch Tischkicker oder Darts. Leif und ich nahmen uns jeweils einen Schläger und er fing mit dem Aufschlag an. Schon als Kinder haben wir gegeneinander Tischtennis gespielt und uns heiße Kopf an Kopf Rennen geliefert. Der erste Punkt ging an Leif, da ich Einbisschen zu weit ausgeholt hatte und der Balle gegen die Wand flog. Mein Bruder grinste selbstgefällig und holte den Ball. Im Augenwinkel bemerkte ich ein paar ältere Mädchen, die Leif Unverholen musterten. Da ich die letzten Jahre in Berlin war und Leif hier in England, war mir dass nie aufgefallen, doch hier schien jedes Mädchen auf ihn zu stehen.
Als ich gerade führte, fing Leif den Ball und ich rief: „Hey! Das kannst du doch nicht machen!"Leif reagierte aber nicht darauf und verließ den Tisch. Ich sah hinter mich und entdeckte Grayson.
Leif und er umarmten sich und danach ging Grayson auf mich zu. „Na, du? Wie geht's dir?", fragte er und umarmte mich. „Sehr gut. Das Internat ist klasse, " antwortete ich und legte meinen Schläger auf die Platte. „Und wie läuft es mit meiner Schwester? Ich hoffe sie macht keine Probleme?" „Nein, Freya ist echt nett und hilft mir mich einzugliedern." „Willst du mitspielen, Campbell?", unterbrach uns Leif. „Na klar, aber zu dritt ist es etwas doof. Wartet, ich rufe Freya an. Dann spielen wir Geschwister gegen Geschwister", sagte er und zückte sein Handy. Freya hatte er auf der Kurzwahl und sie ging auch sofort dran. Grayson fragte sie gleich und sie stimmte zu.
Nur ein paar Minuten später tauchte Freya nach Atem ringend auf: „Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte". Sie gesellte sich zu uns und klatschte uns ab. Ihrem Bruder gab sie einen Kuss auf die Wange. Bei ihnen hatte ich das Gefühl, dass sie sich viel näher standen, als Leif und ich. Einbisschen eifersüchtig war ich ja, aber ich schluckte es schnell herunter. Freya und Grayson stellten sich uns gegenüber an der Tischtennisplatte auf.
Das Spiel konnte beginnen und wir gönnten uns nichts. Wenn Freya und Grayson einen Punkt machten, sprangen sie sich gegen die Brust und jubelten laut. Leif und ich klatschten uns dagegen einfach ab. Wir spielten bis 15 Punkte und Leif und ich gewannen knapp.
„Lasst uns mal Schwestern tauschen. Ich spiele jetzt mit Elsa und du mit Freya", schlug Grayson vor und lächelte mich an. Ich wusste nicht,warum er das vorgeschlagen hatte. Hoffentlich hatte er keine Hintergedanken,aber ich dachte wohl einfach zu viel nach. Grayson drückte mich kurz an sich und sagte dann: „Los, die machen wir platt!"
Und das machten wir auch. Leif undFreya kamen immer wieder aneinander. Beide hatten ihren Stolz und niemandwollte seine Fehler einsehen. Das kam wieder rum Grayson und mir zu Gute. Die beiden waren so abgelenkt, dass wir einen Punkt nach dem anderen machten.
„Ich habe noch niemanden gesehen, der sich so blöd anstellt wie du!", rief Freya aufgebraust, als wir wieder ein Punkt machten. Grayson wirbelte mich herum und Freya warf mir einen giftigen Blick zu. „Den Ball hättest du bekommen müssen!Das letzte Spiel habe ich auch gewonnen, also kann es nur an dir liegen!", rief nun Leif. „Hast du dich schon einmal reden gehört?! Da kommt nur Blödsinn heraus. Das letzte Spiel hast du nur wegen Elsa gewonnen, dein Ego muss mal wieder einen Dämpfer kriegen", sagte Freya und rollte mit den Augen. „ Freya ist ja echt super. Aber sobald es um irgendein Spiel geht, wird sie zur Furie.Glaub mir, als Kind konnten wir kein Brettspiel richtig spielen, weil Freya es immer zu ernst genommen hatte und dann natürlich mit allen Mitteln gekämpft hat", flüsterte mir Grayson zu und beobachte die beiden Streithähne. Freya schien sich schon fast ihre Haare auszureißen. Leif dagegen versuchte sie mit seinem Charme zu beeinflussen, doch auch Freya ignorierte dies. „Los, kommt.Wir wollen weiterspielen. Ihr beide wart Schuld", ging Grayson dazwischen.„Halt die Klappe", riefen Freya und Leif gleichzeitig und Grayson hob entschuldigend die Arme.
„Ich wette, wenn wir abhauen würden, würden es beide noch nicht mal mitbekommen", raunte ich ihm zu und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Ich wusste, dass dieses Lächeln nichts Gutes zu bedeuten hatte. Er nahm meine Hand und gab mir ein Zeichen, dass ich leise ihm folgen sollte.
Schaut doch mal bei meinen anderen Geschichten vorbei ;)
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