[25] Der Abschied fällt schwer

Ihr Gesicht zierte schon am nächsten Tag die Titelseite jedes Tagespropheten. "Die Mörderin in Hogwarts", stand da in grossen schwarzen Grossbuchstaben. Ihr Geheimnis war nun keines mehr. Jeder einzelne würde schon in wenigen Stunden wissen was sie getan hatte. Und dann würde der Horror beginnen. Jeder würde von nun an wissen, was sie getan hatte. Selbstverteidigung hin oder her. 

In dieser Nacht des Balles war Evangeline nicht in ihren Schlafsaal zurückgekehrt. Sie hatte sich verkrochen, fort von den brennenden Blicken eben jener Menschen, die sie gerne ihre Freunde genannt hatte. Doch nun stand sie wieder alleine. Am Anfang. Nur mit dem unterschied, dass es nun keine Hoffnung mehr gab. Das Ministerium würde auf sie jagt machen, daran gab es keine Zweifel. Dumbledore hatte genug getan. Sein Schutz würde ihr nicht mehr lange Unterschlupf bieten können. Doch seltsamer weise war es nicht das, was ihr am meisten Sorgen bereitete. Es war das Unwissen, was Sirius nun wohl über sie denken musste. Bestimmt fühlte er sich nun von ihr betrogen und hinters Licht geführt. Schliesslich hatte er ihr mehr oder weniger vertraut und doch hatte sie sich als ein genauso schlimmes Monster erwiesen, wie seine Eltern es waren. 

Mit schwachen Fingern fuhr das Mädchen sich über die trocknen Lippen, die bebend vor kälte und angst aller Feuchtigkeit fremd erschien. Noch immer spürte sie das schwache Kribbeln des Kusses. Er hatte ihn nicht erwidert. Dazu hatte ich ihm keine Gelegenheit gelassen. Es hätte alles nur noch schlimmer gemacht. In diesem Moment stand sie auf, den Entschluss gefasst. Sie hatte es satt zu rennen. Das hatte sie schon viel zu lange getan. An den Rest des Weges zurück in den Gryffindor Gemeinschaftsraum erinnerte sie sich kaum. Das einzige wofür sie noch Augen hatte waren die Sterne, die den Himmel wie kleine Lichter erhellten. Askaban hatte keine Fenster, das wusste sie. Askaban hatte nichts ausser verderben.

*****


Sie betrat den Raum so leise wie nur möglich war. Das Ticken der Wanduhr drang leise und gedämpft an ihr Ohr, ansonsten war alles still und die Luft schien rein zu sein. Ein Blick auf die Zeiger verrieten ihr, das es bereits fünf Uhr morgens war. Erleichtert atmete sie aus und schritt zielstrebig auf die Wendeltreppe zu, die bereits seit Jahrhunderten zu den Schlafsälen der Gryffindors hinauf führten. Doch sie hätte es besser wissen müssen. Die Rumtreiber waren dafür bekannt neugierig zu sein und stets nach neuen Abenteuern zu suchen. Sie hätte wissen müssen das Lily, James, Remus, Peter und vor allem Sirius sie nicht würden gehen lassen. Zumindest nicht nach alledem was geschehen war. Andererseits waren sie zeugen. Sie hatten ihre Mutter gesehen und zu was sie im Stande war. Dennoch, als das Licht plötzlich anging und ihre Haut in ein dunkles Gelb tauchte, sprang Evangeline vor schreck einige Schritte zurück und wäre deshalb beinahe über einen der Sessel gestolpert. Das Gesicht zu Boden geneigt drehte sie sich um. Sie sollten nicht sehen wie sehr sie ihr Gewissen plagte. Wie sehr sie es hasste, das die Mauer die sie bei ihrer Ankunft aufgebaut hatte mit einem Ruck in sich zusammengefallen war.

"Wenn du denkst wir lassen dich gehen, dann hast du dich gewaltig getäuscht, Evangeline Merryweather." Sirius war der erste der sprach. Seine Stimme zu hören versetzte dem Mädchen einen schmerzhaften Stich ins Herz. "Keine Angst, ihr braucht mich nicht ans Ministerium ausliefern. Das übernehme ich selbst.", zischte sie und sah nun das erste mal auf. Da standen sie wirklich alle. Unbewaffnet und Fassungslos. "Tut mir Leid, aber das werden wir nicht zulassen.", mischte sich nun auch Lily ein, ihre Karottenfarbigen Haare waren zerzaust, ihre Hände spielten nervös mit dem Saum eines Pullovers, der höchstwahrscheinlich aus James Kleiderschrank entstammte. "Heisst das ihr wollt mich nicht nach Askaban schicken?", harkte Eve unsicher nach, als könnte sie nicht glauben was hier gerade vor sich ging.

Tatsächlich hatten die Rumtreiber und Lily Das nicht vorgehabt. Am Abend nach dem Ball hatten sie sich alle zusammen in den Schlafsaal der Jungs gesetzt und sich darüber den Kopf zerbrochen, was nun mit Evangeline geschehen würde. Zu jedermanns Überraschung war sogar Peter damit einverstanden, dem Mädchen ihre Hilfe anzubieten. Sirius hatte den anderen erzählt, das er wisse wie es ihr gegangen sein musste. Er hätte vermutlich genauso gehandelt würde er noch immer bei seiner gehässigen Familie Leben. "Es war Selbstverteidigung. Sie wäre sonst gestorben und hätte damit noch mehr schaden angerichtet. Jeder Anhänger weniger bedeutet ein Muggel leben mehr.", hatte Lily ihm beigepflichtet, etwas was nur äusserst selten geschah. Es dauerte nicht lange, da hatte der Schülertrupp ihre Entscheidung gefasst und sich in den Gemeinschaftsraum geschlichen.

Remus nickte. "Ich bin genauso ein Monster. Wir können dir helfen, so wie meine Freunde mir geholfen haben.", erwiderte Remus und trat vor. "Askaban ist ein furchtbarer Ort. Ich werde bestimmt nicht zulassen das sie dich dorthin bringen. Niemals.", sagte Sirius und legte seine Hand auf die ihre. Ihr Körper fühlte sich surreal kalt an. Ohne zu zögern zog er sich seinen Pullover über und stülpte ihn dem Mädchen über den Kopf. Dankbar drückte sie seine Hand. Doch als James sich räusperte kamen sie beide wieder in die Realität zurück. "Aber was wollt ihr dagegen tun? Gegen Auroren habt ihr keine Chance.", hinterfragte Evangeline den Plan der Rumtreiber und wandte sich zum Fenster. Die Sonne schaute bereits zwischen den Bäumen hervor, bereit aufzugehen. "Sie hätten doch bereits hier sein müssen.", stellte sie dann verwundert fest. "Dumbledore hat sie aufgehalten. Ich denke er konnte dir ein wenig Zeit verschaffen.", erklärte Lily was vor sich ging und bückte sich kurz darauf, um einen dunkelbraunen Rucksack hinter einem der Sessel hervorzuziehen. "Hier, deine Sachen und genügend zu Essen. Wir können nicht mitkommen, aber Sirius gibt dir seinen Besen."

Stille legte sich über den Raum. Jeder wusste das es nun hiess abschied zu nehmen. Doch niemand sagte ein Wort. Schweigend trat Evangeline auf Lily zu. Das Mädchen das sie zu beginn um jeden Preis hatte vermeiden wollen. Doch sie war gescheitert. Lily hatte sich bereits einen grossen Platz in ihrem Herzen reserviert. Ohne zu zögernd schloss sie das Mädchen in die Arme. Danach James, Peter und dann Remus. Vor Sirius jedoch blieb sie unschlüssig stehen. "Auf wiedersehen Eve.", sagten die anderen bedrückt, dann verliessen sie den Raum. Evangeline vermutet das es das letzte mal war, das sie diese Gryffindors jemals sehen würde. Nur schwer konnte sie die eine oder andere Träne unterdrücken. Doch als sie sich dann erneut zu Sirius umdrehte, da konnte sie nicht mehr. Die Tränen flossen erneut über ihre Wangen. Sirius zwang sich ein schiefes Lächeln auf, doch er hatte nicht die Kraft zu verbergen was er dahinter wirklich alles fühlte. Die letzten Tage waren die reinste Gefühlsachterbahn gewesen. Doch nun ging alles nur noch bergab. 

"Wie kann ich dir nur danken?", flüsterte Evangeline mit brechender Stimme. "Einen Abschiedskuss?", schlug Sirius vor und trat näher. Evangeline lächelte schwach. Dann legte sie ihre Arme um seinen Nacken und zog den Jungen so näher an sich heran. Ein weiteres und vermutlich letztes mal verbanden sich ihre Lippen miteinander. Evangeline schmeckte den salzigen Geschmack von Tränen auf ihrer Zunge. Das war er also, der Abschied. Selbst als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten, liessen die beiden nicht voneinander ab. Behutsam legte der Black seine Stirn an ihre. "Evangeline, ich kann dich nicht gehen lassen ohne es dir gesagt zu haben...?", hauchte er und sie verlor sich beinahe in seinen Sturmgrauen Augen. "Was nicht gesagt zu haben?", wisperte sie zurück. "Ich habe mich....", setzte er an, doch wurde von ihr unterbrochen, als sie sanft aber bestimmt ihren Finger auf seine Lippen legte. "Sag es nicht. Es würde alles nur noch komplizierter machen.", sagte sie leise. Doch er hörte sie. Und er sah wie sie ging ohne noch einmal zurück zu blicken. Und auch wenn der Black noch nicht bereit dazu war sie gehen zu lassen, er musste. Noch im selben Moment verfluchte er die Welt für ihre Ungerechtigkeit. Dafür das man sie in sein Leben gelassen hatte, auch wenn ihre Liebesgeschichte von Anfang an verdammt gewesen war. 



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