80. Solange wir uns kennen
°○ Maria ○°
Drei Tage später...
"Maria?" Lautes Klopfen an der Tür.
"Maria? Bist du wach?"
"Nein!", rief ich, vergrub mich noch tiefer unter die Decke und gähnte. "Geh weg!"
"Du hast Besuch!"
"Hallo Maria!"
"Scheiße, hau ab!" Schnell zog ich mir die Decke über den Kopf. Was zum Teufel wollte Mehmet hier? Und warum ließ Stella ihn einfach so rein?
"Freut mich auch dich zu sehen." Ein Grinsen in Mehmets Stimme. "Nett hast du es hier."
Ich hörte ihn durchs Zimmer laufen, dann das kurze Rollgeräusch meines Schreibtischstuhls über den Boden, als er sich setzte. "Alles gut bei dir?"
"Wieso bist du gekommen?"
"Ich hab dich jetzt schon länger nicht mehr gesehen. Da wollt ich einfach mal gucken, wie's so läuft."
"Und in Wirklichkeit hat Leon dich geschickt."
"Der hat wohl gerade ganz andere Probleme."
"Macht er Schluss mit mir?"
"Hä?" Mehmet lachte. "Wieso?"
"Also stimmt es?", fragte ich weiter.
"Wie kommst du darauf?"
Ich zögerte. "Ist nicht so einfach... mit mir zusammen zu sein... vor allem im Moment."
Schweigen. Dann erneut das Geräusch von den Rädern des Schreibtischstuhls. "Ihr macht gerade beide was durch." Die Matratze neben mir gab nach. "Aber das allein wäre sicher kein Grund für Leon, um Schluss zu machen."
"Gibt nochenug andere Gründafür."
"Willst du mal die Decke runternehmen?"
"Nein!"
"Okay..."
Mir entfuhr ein Schluchzen. Verdammt!
"Maria, hör mal... ich bin tatsächlich wegen Leon hier", meinte Mehmet. "Aber nicht, um jetzt stellvertretend für ihn Schluss zu machen, oder so. In solche Sachen misch ich mich nicht ein."
"Dann will er also Sch-Sch-Sch-Schluss machen."
"Nein!", sagte Mehmet wieder. "Ihm geht's im Moment nur nicht so gut."
"Ja... kann ich-i-i-ir vor-stelln."
"Und dir geht's scheinbar auch nicht viel besser... also-"
"Ja... tutir l-leid!"
"Alles gut!"
Ich schniefte und wischte mir mit den Händen durchs Gesicht; im gleichen Augenblick zog Mehmet mir die Decke weg.
"Ist gerad für niemanden von euch leicht", meinte er. "Auch für Manuel nicht."
"Manuel istir e-e-e-egal!", weinte ich. "Und... für ihn i-i-ises einfach! Ihm hat nie jemand-a-a-asetan!"
"Weißt du das sicher?"
"Ja!", rief ich, wohl noch deutlich lauter, als es nötig gewesen wäre. Ich schniefte wieder. "Vater hat i-i-immer nur mitir geschimpft. Manuel hat er ignoiert, als ob er... gaanicha wär."
"Das war doch bestimmt auch nicht-"
"Undichard l-l-liebt ihn! Der l-l-lässt ihn für immer bei sichoohn... sch-sch-schön in einem Zimmer! Uneon bricht er die Knochen!"
"Ich weiß. Da nimm!" Mehmet nahm ein angebrochenes Paket mit Taschentüchern vom Nachttisch und reichte es mir. "Putz dir die Nase, dann versteh ich dich besser."
Ich nahm mir ein Tuch und schnäuzte mich. "Das ist allesur wegenir passiert."
"Was meinst du?"
"Dass sie Leon mitenommen ham", antwortete ich. "Uneine Schwester."
"Erzähl mir davon!"
Ich zögerte, wies dann auf das Päckchen in meinem Schoß.
"Dürfte ichersoch eins?"
"Klar, lass dir ruhig Zeit."
"Danke", meinte ich, nahm mir ein frisches Tuch und schnaubte nochmal aus. "Tut mir leid!"
"Alles gut!"
"Ich bin immer so nervig!"
"Das finde ich nicht."
"Sonst aber alle", beharrte ich, wischte mir die Nase ab und warf das Tuch dann zu den anderen auf den Boden. "Darum ist das auch alles passiert letzte Woche. Und Leon ist jetzt richtig..."
°○ Leon ○°
"...sauer auf mich. Stimmt doch, oder?", fragte Maria und vermied es dabei immer noch, mich anzusehen. "Darum willst du nun auch Schluss machen mit mir! Du kannst es ruhig sagen." Maria sprach ganz leise, krächzte schon fast.
"Süße, komm mal her!" Ich winkte sie rüber zu mir.
Meine Freundin zögerte, dann erst rückte sie näher.
"Wir müssen das jetzt-"
"Hör mir zu!" Ich legte meinen Arm um sie. "Maria... es tut mir leid, okay?" An dieser Stelle gab ich ihr einen sanften Kuss. "Dass das jetzt alles so rüberkam. Ich wollte nie mit dir Schluss machen. Komm, schau mich mal an!"
Maria tat es nicht, da küsste ich sie erneut, erst wieder nur auf die Wange, dann noch auf den Mund: "Ich liebe dich!"
"Ich liebe dich auch." Maria begann zu weinen. "Und es tut mir so leid, diese ganze Scheiße hier! Das wäre alles nie passiert, wenn-"
"Es ist aber passiert", fiel ich ihr ins Wort. "Und früher oder später wäre es sowieso passiert... das weiß ich jetzt", fügte ich noch hinzu und tauschte einen Blick mit Mehmet, der saß Maria und mir gegenüber auf dem Schreibtischstuhl und beschäftigte sich mit seinem Handy, während Minchen immer noch hinter uns an der Wandseite lag und fest schlief.
"Ich hab das viel zu lange zugelassen, was dieses Arschloch mit uns gemacht hat." Ich strich meiner Schwester eine Haarsträhne zurück. "Ich hätte sie besser beschützen sollen."
"Du hast sie doch immer beschützt!"
"Aber falsch!"
"Falsch wäre es gewesen, gar nichts zu tun", mischte Mehmet sich ein.
"Du bist ein toller Bruder für sie." Maria schniefte. "Ohne dich wäre ihr schon viel schlimmeres passiert."
Und wegen mir war sie schon fast gestorben, dachte ich, nur Eddie hatte sie davor bewahrt.
"Sie hat echt Glück, dass sie dich hat."
Ich sah meine Freundin an, die immer noch weinte, schob ihren Kopf hoch und küsste ihr die Tränen weg. "Lieb von dir, dass du das sagst."
Es klopfte an der Tür.
"Ja, herein?"
"Ich möchte euch gar nicht stören." Paloma betrat den Raum, ein Tablet in ihrer Hand, darauf standen vier Tassen und ein Teller mit Keksen. "Dachte nur, ihr braucht vielleicht ne kleine Stärkung."
"Das wäre doch nicht-"
"Leon!", unterbrach die Betreuerin mich. "Ich mach das gerne für euch! Nimm's einfach an, ja?"
"Ja... okay..."
Paloma stellte das Tablet zu Mehmet auf dem Schreibtisch.
"Ich wünsche euch noch viel Spaß!"
Ich schaute verlegen zu Boden. "Vielen Dank!"
"Bei dir alles okay? Maria, richtig?"
"Ja..." Marias Stimme klang belegt. Sie räusperte sich. "Mir geht's gut. Tut mir leid."
"Ist doch gut! Meldet euch, wenn ihr was braucht!"
"Das machen wir", sagte ich. "Danke!"
Die Tür fiel ins Schloss.
"Maria?", fragte Mehmet.
"Ja?"
"Hau deinem Freund mal ein Kissen an den Kopf!"
"Was? Warum-"
"Tu es einfach, bitte!"
"Nein!" Maria lachte, auch wenn sie dabei noch etwas weinte. "Sowas mache ich nicht!"
Ich legte meinen gesunden Arm um sie: "Dafür hast du dir noch einen Kuss verdient."
"Hat das Jugendamt sich schon gemeldet?" Mehmet verteilte die Tassen vom Tablet.
"Ja, gestern", antwortete ich, führte meine an den Mund und trank einen kleinen Schluck Tee, während ich mir dabei nun ein Grinsen verkniff. "Die haben inzwischen alles besprochen."
"Was besprochen?"
"Wie es jetzt weitergeht für ihn", antwortete Mehmet Maria. "Hierbleiben kann ich ja nicht auf Dauer", sagte ich.
"Warum nicht?"
"Weil das eine Clearing-Gruppe ist", kam Mehmet mir wieder zuvor. "Da klärt sich nur immer alles. Und dann wird man weitergeschickt."
"In eine andere Wohngruppe?", hakte Maria nach, ihre Tasse fest in beiden Händen haltend, die geröteten Augen groß auf mich gerichtet. "Heißt das also, du musst vielleicht weg? In eine ganz andere Stadt, irgendwo Stunden entfernt von-"
"Nein, alles gut!" Ihre Sorge rührte mich. "Ich komm in keine Wohngruppe mehr, Süße. Dafür bin ich denen schon zu alt. Stattdessen krieg ich einen Platz in der MOB."
"Das heißt mobile Betreuung", übersetzte Mehmet.
"Hast du sowas nicht auch?"
"Genau. Deswegen besucht Niko mich auch regelmäßig."
"Bald uns beide", ergänzte ich. "Aber natürlich nur, wenn du willst."
Überrascht blickte Mehmet mich an. "Jetzt echt?"
Ich nickte. "Wir könnten ab nächster Woche Mitbewohner sein. So richtig offiziell mit Postanschrift und allem."
"Alter, Junge! Verarsch mich nicht!"
"Ich verarsch dich nicht!", beteuerte ich, nun mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Entweder zieh ich zu dir, oder in die Alexander-Ludwig-Allee. Da wäre-"
"Laber nicht, Leon! Du kommst zu mir!"
"Ich will dir nicht auf die Nerven fallen."
"Das tust du doch schon längst", meinte Mehmet, auch er grinste jetzt. "Solange wir uns kennen."
°°○ENDE○°°
Oder mal abwarten, vielleicht kommt ja bald noch was...
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