5. Das krieg ich schon hin

°○ Leon ○°

Das Geräusch der Kaffeemaschine weckte mich, dazu noch dieser herrliche Geruch, der von der Küche aus zu mir herüberwehte. Ich nahm einen tiefen Atemzug und ließ die Augen geschlossen, als ich mich noch mal auf der Schlafcouch umdrehte und -
"Jetzt tu mal nicht so! Ich weiß, dass du wach bist."
Ich knurrte und zog die Decke bis ans Kinn.
"Warum lässt du mich nicht weiterschlafen?"
Etwas Weiches traf mich am Kopf. Ich öffnete die Augen.
"Was sollte das?", sagte ich, nahm das Kissen und warf es zurück in Mehmets Richtung - natürlich, ohne zu treffen. Dafür war er zu schnell. Er grinste.
"Willst du heute nicht zur Schule?"
"Ums Wollen geht's da ja wohl weniger", meinte ich, seufzte, schlug die Decke zur Seite und setzte mich auf. Mehmet stellte mir eine Tasse Kaffee auf den Tisch.
"Wir dürfen heute nicht zu spät kommen."
"Ach nein?" Ich gähnte.
"Ja, heute ist die Bioarbeit, schon vergessen?"
"Und wenn schon!"
Dann würde ich mich eben neben Eddie setzen. Der hatte bestimmt für die Arbeit gelernt und wenn ich ihn lieb darum bat, dann ließ er seinen guten Kumpel bestimmt gerne von sich abschreiben.
Mehmet schüttelte den Kopf. "Du hast es also wirklich vergessen."
"Bist du jetzt ein Streber, oder was?"
"Du kannst mich mal!"
Ich grinste und warf einen Blick auf mein Handy. Zwei neue Nachrichten von Julia.

JULIA
wie wars noch beim fußball?
Schlaf schön.😘

JULIA
hey guten Morgen 😍
sehen wir uns vor der schule??😘🤗

"Hat sie wieder geschrieben?", wollte Mehmet wissen.
"Ja, sie will mich vor der Schule treffen", sagte ich und tippte eine Antwort.

LEON
hi, guten morgen🙂
ja, können wir gerne.😉 das spiel war gut. haben gewonnen. 😎

"Vielleicht wird da ja was draus, mit euch beiden", sagte Mehmet und nahm sich eine Banane aus der Obstschale auf dem Couchtisch.
"Ja, mal sehen."
"Das klingt jetzt ja nicht gerade begeistert."
Ich zuckte die Achseln. "Man muss sich ja erst mal kennen lernen."
"Ja, wenn du meinst", sagte Mehmet und verdrehte die Augen.
"Ja, was denn?" Mein Handy vibrierte. Wieder Julia.

JULIA
das ist ja super!😃 muss euch unbedingt mal zugucken beim spielen.😍🤗 dann bis gleich, freu mich schon.😉😘

"Julia ist ein guter Fang. So eine musst du dir warm halten", meinte Mehmet und warf mir einen Apfel zu. "Hier, Frühstück!"
Ich fing den Apfel und biss gleich hinein, als mein Handy sich wieder zu Wort meldete. War wohl Zeit, den Ton abzustellen.

°○°

"Hey Leon!" Julia fiel mir gleich um den Hals, als sie zu unserem Treffpunkt kam - ins Joe Pepper -, fünf Minuten früher, als ausgemacht. Das lobte ich mir. Wäre ja auch noch schöner gewesen, hätte sie mich warten lassen. Dann hätte sie auch gar nicht mehr kommen brauchen.
"Hi." Ich lächelte und musterte sie dabei von oben bis unten. Wow! "Hübsch siehst du aus." Wie aus dem Katalog mit einer Skinny-Jeans, hohen schwarzen Stiefeln und einer dazu passenden Lederjacke. Eine Handtasche hatte sie natürlich auch dabei. Typisch Frauen! Wozu gab es Hosentaschen?
"Danke", sagte Julia und strich sich dabei eine Strähne ihres schulterlangen blonden Haares hinter die Ohren. Wir setzten uns an einem Tisch, nahe des Eingangs.
"Welchen Film wollen wir denn gleich gucken?", wollte sie wissen.
"Wie wäre es mit Final Destination 6?", schlug ich vor, während ich schon mal die Getränkekarte las - machte eigentlich auch keinen Sinn. Ich bestellte hier sowieso immer das Gleiche.
"Ja, gerne." Julia lächelte. "Der Film ist bestimmt super."
Ich erwiderte ihr Lächeln. So ganz kaufte ich ihr das jetzt ja nicht ab. Immerhin hatte Manuel sich immer darüber beschwert, dass Julia nur auf Schnulzen-Filme stand. Aber egal, mir würde der Film zumindest gefallen.
Die Kellnerin kam an unseren Tisch. Julia bestellte sich einen Milchkaffee, ohne Zucker, ich einen ohne alles.
"Was hast du denn Morgen so vor?", wollte Julia wissen.
"Nicht viel. Wir haben ein Spiel und sonst hängen wir halt ein bisschen ab."
"Cool, dann kann ich ja zugucken kommen zu eurem Spiel." Sie sah mich erwartungsvoll an.
"Ja, klar", sagte ich. Hatte Manuel nicht mal erwähnt, dass Julia Fußball gar nicht mochte?
"Und anschließend können wir dann ja noch einen trinken gehen."
"Können wir gerne machen."
Wie auch immer...

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Das Bild  oben zeigt Julia.
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°○ Maria ○°

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Das Bild oben zeigt Adrian.
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Es könnte mir auf jeden Fall besser gehen. Ich hatte Bauchschmerzen - keine Ahnung, warum - und dazu noch den unstillbaren Drang, mich in irgendein Loch zu verkriechen und dort erst mal nicht mehr herauszukommen - so ungefähr für immer. Also, nur, falls jemand danach fragte, wie es mir ging. Aber wer tat das schon?
Eddie war gestern noch zum Abendessen geblieben. Vater hatte darauf bestanden. Er schien ihn zu mögen. Aber das war auch nicht schwer.
Eddie war einer der nettesten Menschen, die ich kannte. Und dass er mir wegen der Schule half, dafür waren zehn Euro pro Stunde noch viel zu wenig, fand ich. Aber Vater würde ihm auf keinen Fall mehr bezahlen. Der hielt das Ganze wahrscheinlich ohnehin nur für eine vorübergehende Sache, bis zur nächsten Klassenarbeit, wo ich dann natürlich zu den Besten gehören würde... Wer es glaubt!
Ich stand in der Mädchentoilette am Waschbecken und blickte in den Spiegel.
Alles klar, dann sah ich wohl genauso aus, wie ich mich fühlte mit blutunterlaufenden Augen, käsigem Gesicht und strähnigen Haaren.
Ich bückte mich, füllte mehrmals etwas kaltes Wasser in meine Hände und klatschte es mir ins Gesicht. Gut, jetzt war ich wenigstens nicht mehr ganz so blass. Damit müsste ich mich jetzt wohl erst mal zufriedengeben. Nur heute Nachmittag, da sollte ich besser noch etwas nachhelfen. Zumindest Wimperntusche wäre nicht schlecht und ein bisschen Rouge auf den Wangen.
Ich stellte mich heute Nachmittag bei Frau Merker vor, wegen einer Arbeitsstelle. Das war keine große Sache, sie suchte nur jemanden, der ihr ein bisschen im Haus und im Garten half und ab und an mal Besorgungen für sie machte. So hatte es wenigstens am Samstag in der Zeitungsannonce gestanden.
Ich lief durch den Korridor in Richtung der Cafeteria.
Vielleicht würde ein Tee ein bisschen was gegen die Bauchschmerzen helfen.
Die Pause hatte gerade mal vor fünf Minuten begonnen und trotzdem waren die Gänge wie ausgestorben. Die meisten Schüler waren wohl gerade draußen - ob sie wollten, oder nicht. Da diskutierte die Aufsicht nicht lange.
Ich kam gerade am Krankenzimmer vorbei - vielleicht könnte ich mich da später auch noch kurz hinlegen, falls es nicht besser werden sollte - da sprang Adrian um die Ecke, gefolgt von Jochen und Dennis, und schmiss mich zu Boden.
Alles ging sehr schnell, da hatte ich keine Chance.
"Na Vogelscheuche, haben wir dich erschreckt?", fragte Adrian und versetzte mir einen Tritt, als ich aufzustehen versuchte.
"Bitte, lasst mich in Ruhe!", stieß ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Die Stelle am rechten Knie, womit ich auf dem Steinboden aufgeschlagen war, schmerzte höllisch, ganz zu Schweigen von meinen Bauchschmerzen, wozu durch Adrians Tritt nun auch noch Übelkeit hinzukam.
"Wo bleibt unser Geld?", fragte Adrian. "Wir hatten eine Abmachung!" Als ich nicht antwortete, stellte er seinen Fuß auf meine Hand und drückte zu.
"Ich habe kein Geld!" Ich begann leise zu weinen.
"Das wollen wir doch erst mal sehen", meinte Adrian.
Ich wurde wieder auf die Beine gestellt. Im nächsten Moment lag der Inhalt meiner Schultasche auf dem Boden verstreut, danach durchsuchten mehrere Hände die Taschen meiner Regenjacke und Hose.
"Willst du uns verarschen?", fragte Jochen, schloss seine Finger fest um mein Gesicht und hob meinen Kopf an, so dass ich ihn ansehen musste.
"Nein, bitte! Ich habe wirklich-"
Eine Ohrfeige traf mich und raubte mir für einen Augenblick die Sinne.
"Lügnerin!", fuhr Dennis mich an. "Du willst uns nur nichts mehr geben."
"Genau, irgendwo hast du bestimmt noch was."
"Und selbst, wenn du nichts mehr hast. Dann besorgst du halt was", sagte Adrian.
"Dein Vater hat doch bestimmt Kohle genug", meinte Jochen. "Was sind da schon Fünfzig Euro weniger?"
"Genauso sehe ich das nämlich auch", sagte Adrian, zog meinen Kopf an den Haaren nach hinten, so dass ich zu ihm aufsehen musste. "Besser du hast das Geld Morgen dabei. Sagen wir, siebzig - mit Zinsen."
"Bitte! Das kann ich nicht!", sagte ich "Nicht so viel."
"Ach ja?" Adrians Hand schloss sich um mein Handgelenk und begann es zu drehen. Ich schrie auf. "Dann lässt du dir mal besser was einfallen." Er sah mich an, durch seine kalten blauen Augen. Ich antworte nicht.
"Das nehme ich mal als ein Ja." Er ließ mein Handgelenk wieder los und nickte seinen Kumpels zu. "Gehen wir."
"Nicht so schnell!", sagte Leon, der gerade aus der Richtung des Hintereingangs angelaufen kam. Er deutete auf mich. "Was läuft hier?"
"Nichts, was dich angeht", antwortete Adrian, offensichtlich mit nur halb so viel Mut in der Stimme, als er dort hatte hineinlegen wollen. Er wusste wohl zu gut, wen er da vor sich hatte.
"Genau, kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!", blaffte Dennis Leon entgegen und wollte gerade ein paar Schritte auf ihn zumachen, als Jochen seinen Arm griff, um ihn davon abzuhalten.
"Wir sind hier sowieso gerade fertig."
"Ja? Und womit?", fragte Leon weiter.
"Wir mussten hier eben nur was klären."
"Klären nennt ihr so etwas?", fragte Leon und sah wieder in meine Richtung.
"Ja und? Ist doch nicht deine Sache!", entgegnete Adrian, sah Leon einen Moment lang an und redete dann hastig weiter, als der nicht reagierte. "Und außerdem haben wir ja auch nur ein bisschen Spaß gemacht. Und sie hat sich das halt alles gleich zu Herzen genommen."
"Genau, da können wir ja auch nichts für, wenn die wegen jeder kleinen Sache immer gleich losheult", meinte Jochen.
"Ja, klar!" Leons Miene verdüsterte sich. Er machte mehrere Schritte auf die Jungen zu, während seine Hand sich zur Faust ballte, öffnete, und dann wieder ballte. "Sollen meine Kumpels und ich auch mal ein bisschen Spaß mit euch machen?" Kurz vor Adrian blieb er stehen. "Na, was meinst du?"
"Ja, also..." Adrian lachte nervös auf. "Wir wollten ja eh gerade gehen, wie gesagt."
"Gute Idee", sagte Leon und deutete dann auf meine Sachen auf dem Boden. "Aber erst macht ihr hier noch ein bisschen Ordnung!"
Er sah Adrian, Jochen und Dennis dabei zu, wie sie schnell meine Schulsachen zusammensuchten und wieder in die Tasche packten, bevor sie sich schließlich mit eiligen Schritten auf dem Weg Richtung Hinterausgang machten.
Ich stand langsam auf.
"Alles klar?" Leon kam auf mich zu, und legte mir einen Arm um die Schultern.
Ich schniefte und rieb mir mein schmerzendes Handgelenk. Nur gut, dass es eben nicht gebrochen war. "Sehe ich vielleicht so aus?"
"Was wollten die von dir?"
"Nichts", sagte ich nur.
Leon führte mich zur Fensterbank und bedeutete mir, mich da hinzusetzen. Er selber blieb erst mal stehen, musterte mich eine Weile, bevor er fragte: "Willst du vielleicht zum Krankenzimmer?"
"Nein, geht schon. Danke." Das würde mir noch fehlen! Da bekäme Vater gleich Wind von der Sache und ich wäre mal wieder die Dumme.
"Na gut, wenn du meinst." Leon setzte sich neben mich und legte mir wieder den Arm um die Schultern.
Ich lehnte mich an ihn, als neue Tränen in meine Augen stiegen und dann heiß an meinen Wangen hinunterliefen.
Eine Weile saßen wir so da. Leon ließ mich weinen, umarmte mich und strich mir dabei immer wieder mit der Hand über den Rücken. Erst als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, durchbrach er das Schweigen.
"Jetzt sag mal, was wollten die drei von dir?"
"Nichts", sagte ich wieder nur. Was für eine Frage! Was sollten die schon wollen?
Leon löste seine Umarmung und sah mich an. "Ging es um Geld?"
Ich senkte den Blick.
"War ja klar. Machen die sowas öfter mit dir?"
Ich nickte. "Manchmal."
"Seit wann?", fragte Leon weiter und gab mir ein Taschentuch.
Ich nahm es und wischte mir damit das Gesicht ab. "Keine Ahnung... vielleicht ein paar Wochen."
"Und wie viel Geld hast du ihnen schon abgedrückt?"
"Ich weiß nicht... schon etwas mehr", sagte ich und putzte mir die Nase.
"Ich kann es dir zurückholen, wenn du willst."
Ich schüttelte den Kopf. "Lieber nicht. Das gibt dann nur noch mehr Ärger."
"Gut, dann überlasse ich das Manuel und er entscheidet, wie es weitergeht."
"Nein!" Ich sah Leon bestürzt an. "Bitte erzähl ihm davon nichts!"
"Warum?", fragte er und zog die Augenbrauen zusammen. "Er ist dein Bruder! Da muss er sowas doch wissen."
"Nein!", protestierte ich. "Dann bekomme ich nur Ärger. Und wenn er erst meinem Vater davon erzählt, dann brauche ich mich auch nirgends mehr sehen lassen."
"Das ist doch Schwachsinn!", meinte Leon und seufzte. "Wenn schon, dann darfst du dich jetzt nirgends sehen lassen. Auf jeden Fall nicht, wenn du alleine unterwegs bist. Wer weiß, wie weit diese Arschlöcher gehen, wenn sie dich das nächste Mal drannehmen?"
"Das krieg ich schon hin", sagte ich.
"So wie gerade eben, meinst du? Ganz toll!"
Darauf sagte ich nichts mehr.
Leon hatte ja recht. Wenn ich das so weiterlaufen lassen würde, ließen die mich nie in Ruhe. Und wer weiß, wie viel Geld die mir noch abpumpen würden.
Nur, so einfach, wie Leon sich das vorstellte, war das nun mal nicht. Aber wie sollte so jemand wie er das auch verstehen?

°○ Leon ○°


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Das Bild oben zeigt Jasmin.
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Im Laden war wieder mal viel los, eben Feierabendverkehr.
Da bräuchte ich die Kasse auch gar nicht erst zu machen.
Ich half öfter in der Tankstelle aus, immer dann, wenn Richard viel in der Werkstatt zu tun hatte. Also schon ziemlich oft.
Da könnte Richard auch genauso gut jemanden für die Arbeit im Shop einstellen. Für die Arbeit in der Werkstatt hatte er ja schon Leute, da machte einer mehr oder weniger auch nichts aus, fand ich.
Am besten wäre ja eine Frau, so eine, die richtig was hermachte, mit großen Brüsten. Dann hätten die Kunden auch mal was zu gucken.
Gleich war es sieben Uhr. Dann gab es Abendessen.
Vielleicht ging ich später mit Minchen noch kurz zum Spielplatz, bevor ich sie ins Bett brachte. Dann könnte sie noch ein bisschen rumtoben und schlief besser ein. Damit hatte sie in letzter Zeit Probleme.
Richard betrat den Shop, da kassierte ich gerade den letzten Kunden ab - einen Mann mit einem Bauch wie ein Fass, der ihm schon über die Hose hing. Er hatte getankt und sich dann noch die letzten drei Dougnuts gekauft, die mit Nougatfüllung. Dazu noch eine Packung Kondome.
"Einen schönen Feierabend!", rief ich ihm nach. Und immer schön den Bauch einziehen, dachte ich, was für eine Frau ging mit so einem Fetten bloß ins Bett?
"Wisch du schon mal den Laden durch und dann füllst du noch das Getränkeregal auf", wies Richard mich an, da kam Minchen in den Laden gerannt.
"Mama sagt, Essen fertig."
Ich grinste, breitete die Arme aus und ließ sie hineinspringen. "Was gibt's denn heute?"
"Kartoffelbrei, Würstchen... Spinat." Sie zog eine Grimasse.
Ich lachte und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Wir sind hier noch nicht fertig", sagte Richard und wies zur Wohnungstür. Ich setzte meine kleine Schwester wieder ab und strich ihr die blonden Haare aus dem Gesicht.
Vom Aussehen war sie eine kleinere Version ihrer Mutter mit ihren feinen Gesichtszügen, den grünen Augen und der kleinen spitzen Nase.
"Geh doch schon mal vor und helfe Mama beim Tischdecken", sagte ich ihr.
"Du vorlesen?"
"Klar. Später."
"Schneewittchen."
"Wenn du willst."
"Ja!" Sie strahlte, umarmte mich noch einmal und ging dann ins Haus.
"Nun steh nicht rum! Sieh zu, dass du an die Arbeit kommst!", bellte Richard, der war schon beim Abrechnen.

°○°

"Kein Spinat!", protestierte Minchen, als Sabine ihr wenig später den Teller mit Essen befüllte.
"Du isst, was auf den Tisch kommt!", wies Richard sie zurecht, der kam gerade in die Küche, nachdem er seinen blauen Overall gegen eine alte Jeans und einen schwarzen Pullover eingetauscht hatte
"Du kannst es wenigstens probieren", sagte Sabine und stellte den Teller vor ihr auf den Tisch, woraufhin Minchen die Zunge rausstreckte.
"Nicht!", flüsterte ich ihr zu und stupste sie schnell in die Seite, bevor Richard es bemerkte.
"Sie wird es aufessen, ob sie will oder nicht!", sagte Richard und setzte sich an den Tisch. "Da musst du strenger mit ihr sein! Das hatten wir besprochen."
Sabine nickte nur, nahm Richards Teller und begann ihm das Essen aufzuladen.
"Du arbeitest Morgen Nachmittag im Laden", sagte Richard an mich gewandt, trank einen großen Schluck Bier aus der Flasche und rülpste.
"Das geht nicht, dann hab ich ein Spiel", sagte ich.
Richard zog die Augenbrauen hoch. "Das wirst du dann wohl absagen müssen."
Ich musterte meinen Vater einen Moment, dann seufzte ich. "Na gut." Als ob ich da eine Wahl hätte!
Richard nickte, schnitt sich ein Stück von dem Würstchen ab, führte sie mit der Gabel zum Mund, kaute.
"Kalt!" Er verzog das Gesicht, legte das Besteck hin und stand auf. "Das Essen ist kalt!"
Er stellte sich hinter Sabine, die war gerade dabei, mir Saft ins Glas zu gießen, packte sie am Arm und riss sie grob zu sich herum, so dass das Glas umkippte und sich der Saft sowohl über mein Essen als auch über meine Hose ergoss.
"Wie erklärst du dir das?"
"Na ja...", begann Sabine, versuchte sich dabei von Richard loszumachen, woraufhin dessen Griff sich nur noch fester um ihren Arm schloss. "Das Essen steht jetzt schon etwas länger auf -" Eine Ohrfeige brachte sie zum Schweigen.
"Und darum soll ich es kalt essen?"
"Nein, das - ich kann es dir in der Mikrowelle warm machen."
Tränen traten in Sabines Augen. Mit der freien Hand nahm sie Richards Teller vom Tisch.
"Bitte, es tut mir leid", sagte sie leise.
Richard nickte. "Das sollte es auch."
Er ließ sie gehen und setzte sich wieder. Minchen warf ihm einen finsteren Blick zu.
"Guck auf deinen Teller!", schnauzte Richard sie an.
Minchen gehorchte nicht, sah ihn weiter an.
"Na komm, Minchen, soll ich dir die Würstchen mal klein schneiden?", fragte ich sie und nahm schon ihr Besteck, aber auch davon ließ sie sich nicht ablenken. Sie starrte Richard weiter an, wandte ihren Blick auch dann nicht ab, als ihr die Tränen an den Wangen herunterliefen.
"Was gibt's da zu Heulen?" Richard nahm noch einen Schluck Bier. "Reiß dich gefälligst zusammen!"
"Schon okay, Minchen! Jetzt iss mal", sagte ich und tupfte ihr mit der Serviette das Gesicht trocken. "Dann gehen wir gleich auch noch zum Spielplatz."
Sabine stellte Richard seinen Teller hin, holte ihm dann noch eine zweite Flasche Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich wieder an den Tisch. Auf ihrer Wange zeichnete sich schon die erste Spur eines blauen Flecks ab. Ich musterte sie, sie erwiderte kurz meinen Blick und wandte sich dann wieder dem Essen zu.
Richard griff nach der Fernbedienung.
Die Nachrichten fingen an.

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