Kapitel 4
Die Zweige und Äste biegen sich auseinander. Martina starrt in die Richtung. Ein Junge stolpert aus dem Gestrüpp. Martina starrt ihn mit großen Augen an. Der Junge ist ungefähr so alt wie sie und ist einen guten Kopf größer als sie selbst. Seine blaugrauen Augen funkeln.
Als er sie ansieht, fällt ihr auf, dass seine Augen grasgrüne Flecken haben. Es sieht aus, als ob es eine Explosion gegeben hätte. Sein Haar ist braun-blond und hoch gegellt. Er grinst sie an. "Mund zu sonst kommen Fliegen rein.", sagt er, lacht und fährt sich mit der linken Hand durchs Haar.
Schnell schließt Martina den Mund. Erst jetzt merkt sie, wie sie zittert. "Ist die kalt?", fragt der Junge verwirrt. „Nee, du hast mich nur zu Tode erschreckt ...Mist. Wo ging's noch mal nach Zuhause ?", denkt sie und beißt sich auf die Unterlippe. Der Junge hat sie erst angestarrt und lächelt jetzt.
"Soll ich dir helfen? Ach ja...", er lacht und fährt sich wieder durch das Haar. "Ich bin übrigens Chris und wohne in der Stadt." Mit diesen Worten deutet er hinter sich. „Ähm...", Martina fühlt sich leicht überrumpelt. Dann lächelt sie ein bisschen. "Äh...ich bin Martina. ", stotterte sie. Chris lächelt wieder." Also soll ich dir jetzt helfen?", fragt er nochmals. Martina nickt. "Wer bist du eigentlich? Ich habe dich in der Stadt noch nie gesehen."
"Äh...", Martina spürt wieder, dass sie rot wird. "Ich war schon öfter in der Stadt, aber ich glaube nicht, dass das jemanden sonderlich interessiert. Ich meine, ich bin, war, ja ein Waisenkind, und... ", sie bricht ab und starrt ihre Schuhe an. „Warum sage ich das überhaupt? Ihn interessiert das doch eh nicht. Oder?", denkt Martina. "Moment, du warst im Waisenhaus? ", fragt Chris. Er starrt sie an.
Sie schließt die Augen und denkt traurig: „Bestimmt macht er sich jetzt über mich lustig oder will nichts mit mir zu tun haben." Martina seufzt leise. „Oh, das tut mir leid. Ich meine, dass du im Waisenheim warst.", sagt Chris. Überrascht hebt Martina den Kopf, sie hätte alles erwartet, nur das nicht. Er lächelt und Martina erwischt sich dabei, dass sie ihn die ganze Zeit über anschaut. Deshalb guckt sie schnell zu Seite. "Also, ich helfe dir jetzt nach Hause. Ich kenne mich hier gut aus. Und ich weiß, wer hier im Wald versteckt lebt. Wie heißt du den jetzt mit Nachnamen?", fragt er und schaut sie von der Seite an.
"Jensen.", sagt Martina schnell. Auf einmal wird Chris nervös oder war das nur Einbildung. "Okay komm.", sagt er schließlich. Martina sieht ihn unsicher an. Er verdreht die Augen und nimmt ihre Hand. "Hier geht's lang."
Sie sind schon eine Weile schweigend nebeneinander gelaufen. Schließlich fragt Martina das, was sie die ganze Zeit interessiert. "Woher kennst du dich eigentlich so gut hier im Wald aus?" Chris blickt nach oben. Durch die Bäume sieht man etwas unscharf den Vollmond. " Na, ja", beginnt Chris: „Mein Vater ist mit mir jeden Tag, als ich noch ein kleines Kind war, in den Wald gegangen. Er hat mir alles gezeigt.", er lächelt traurig.
"Wo ist dein Vater denn jetzt?", fragt Martina. Chris scheint kurz mit sich zu ringen, dann seufzt er traurig. "Er ist vor 5 Jahren, kurz nach meinem 11. Geburtstag, gestorben. Er hatte einen Autounfall und ... ", seine Stimme knickt weg. Martina weiß nicht, was sie sagen soll, und schweigt betreten. Dann sagt sie leise. "Das tut mir leid." Sie weiß nicht, ob er sie gehört hat, denn er scheint in seine Gedanken versunken zu sein.
Kurz ist wieder alles still. Nur das Rascheln der Blätter an den Bäumen, durch die der Wind leise streicht, ist zu hören. In der Ferne ist ein Vogel zu hören. Plötzlich erscheint über ihnen ein kleiner Schatten. Ein Vogel. Etwas Weiches fällt hinunter und streift kurz Martinas Hand. Eine Feder. Sie hebt sie hoch und betrachtet sie.
"Wow!", entfährt es ihr leise. Die Feder ist klein und schwarz. Sie schimmert leicht bläulich. "Hier geht es lang.", sagt Chris auf einmal und kurz darauf sieht sie auch schon die hell erleuchteten Fenster. „Wie vor zwei Jahren", denkt Martina und sie spürt einen kleinen Stich in ihrem Herzen. Sie dreht sich um. „Danke...", sagt sie verwirrt. Chris ist verschwunden. Als sie ihr neues Haus endlich ganz sieht, stürmt sie los und klingelt. Die Tür öffnet sich. Nora erscheint im Licht. "Martina !", schreit sie überglücklich und schließt sie in ihre Arme.
Als Martina zum zweiten Mal an diesem Tag im Bett liegt, ist sie frisch geduscht und hat diesmal Nachtsachen an. Eine kurze Hose und ein Top. Sie kuschelt sich ins Kissen. Sie schaut aus dem Fenster. Es war auf Kipp, und der Wind, der durch den Spalt weht, spielt mit den gelben Vorgängen und der kleinen Feder, die sie an dem Fenstergriff befestigt hat. Das fahle Licht des Mondes wirft lustige Kringel auf den Boden. Martina denkt an Chris. Warum war er plötzlich verschwunden und warum ist er nervös geworden, als sie Jensen gesagt hat. Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Traumlos schläft Martina ein.
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