Was hatte ich übersehen?

Jayden schaute mich immer wieder so merkwürdig an, als ich nach Hause kam.

Doch ich schwieg.

Eigentlich wollte ich reden, doch es hatte mir die Sprache verschlagen.

Ahnte er etwas?

Sah er es mir an?

Wusste er, dass ich es wusste?

Oder war er einfach nur besorgt wegen unseres Jobs?

Schnell flüchtete ich nach oben und warf mich auf mein Bett.

Ich tat so, als wollte ich noch ein bisschen schlafen.

Ich schloss meine Augen.

Doch in Wahrheit sortierte ich das Chaos in meinem Kopf.

Ich stand in der Mitte.

Was hatte ich übersehen?

Und um mich herum lief dieser Film ab.

Jayden, wie er verschmutz, dreckig und mager auf der Straße vor unserem Haus steht.

Höchstens elf Jahre alt.

Meine Mutter, wie sie meinem Vater einen kurzen Blick zuwirft und Jayden mit ins Haus nimmt.

Vielleicht betrog mich meine Erinnerung auch ein bisschen, aber so ungefähr war es.

Wie er sein eigenes Zimmer bekommt.

Wir zusammen zur Schule gehen.

Gemeinsam leben.

Was hatte ich verpasst?

Die Zeit springt.

Wir unser Vogel Tattoo machen.

Nachts Sprüche an Wände malen.

Was hatte ich nicht mitbekommen?

Die Zeit springt.

Das Militär auftaucht.

Wir in die Wälder fliehen.

Wir nach zwei Tagen gefunden werden.

Sie kommen und dann passierte das unfass...

„Raven, wir müssen los." Jayden schüttelt mich sanft.

Ich schlug die Augen auf.

Ich war zwei Stunden weg gewesen.

„Ja natürlich" murmelte ich.

Schnell sprang ich auf und zog mir im Bad die schwarzen Klamotten an.

Als ich runterkam, waren Frühling und Jayden schon fertig.

Schweigend zog ich mir meine Jacke und Schuhe an.

Anspannung lag im Raum.

Wir nickten uns zu und verließen unser Loft.


Unser Weg führte uns durch die Dunkelheit.

„Wer ist Aiden?" flüsterte ich leise zu Jayden.

Frühling lief vor uns.

Ich sah, wie Jayden erstarrte.

Trotz der Dunkelheit.

„Ich verspreche dir, dass ich es dir erzählen werde, wenn wir wieder zurück sind. Aber bitte, du musst dich jetzt konzentrieren."

Seine Stimme klang düster. Nicht so wie sonst.

Nicht mehr sanft, sondern abgebrüht und befehlend.

Ich schwieg.

„Bitte Raven."

„Natürlich werde ich mich konzentrieren" antwortete ich bissig.

Jayden lief schneller und holte Frühling ein.

Nach einer halben Stunde standen wir an dem Fenster.

Jayden holte ein Messer aus seiner Tasche und drückte es in den Schlitz. Vorsichtig führte er es nach unten und das Fenster sprang auf.

Wir stiegen ein und standen in der Männertoilette.

Soweit klappte alles.

Schnell verließen wir sie und schlichen durch den Flur zur Treppe.

Es war einfach, den Kameras auszuweichen, wir hatten den Weg extra geprobt.

Ohne Zwischenfälle kamen wir zur Treppe und liefen sie hinunter.

Unsere Schritte hallten nur leise auf dem Marmorboden wieder.

Unser Weg endete vor der Türe, die Frühling knackte, nachdem wir den Kasten aufgeschraubt hatten. Die Kabel anzuschließen war eine Kleinigkeit für den Hacker gewesen.

Ab jetzt hatten wir fünf Minuten.

Jayden und ich liefen den Gang entlang.

Dritte Türe von rechts.

Die schwarze Türe war unser Ziel.

Die Information ist es wert.

Ich tippte den Code ein und die Türe sprang summend auf.

Wir traten in den Raum.

Ein weißes Licht ging an.

Es war ein Büro.

Ein Schreibtisch.

Ein Schrank.

Und in dem Schrank lag dieser Stick.

Gut erkennbar.

Jayden blieb in der Türe stehen und ich ging nach hinten durch zum Schrank.

Schnell gab ich den letzten Code ein und die Türe ließ sich aufziehen.

Ohne zu Zögern griff ich den Stick, steckte ihn ein und lief zu Jayden zurück.

Er nickte mir kurz zu und wir liefen gemeinsam zu Frühling zurück.

Ich gab ihm den Stick und er steckte ihn in seine Brusttasche.

Ein Lächeln lag auf seinen Lippen.

Wir hatten es fast geschafft.

Schnell erreichten wir wieder die Treppe und liefen den dunklen Flur entlang.

Noch hundert Meter bis zur Toilette.

Plan B lag an der Treppe. Dafür war es jetzt zu spät, aber den brauchten wir eh nicht mehr.

Noch 50 Meter.

Auf einmal hörte ich hinter uns ein Klatschen.

Das Klatschen verstummte.

Das Licht ging an.

Fünfzig Meter vor uns stand ein junger Mann.

Braune Haare, hohe Wangenknochen. Hervorstechende Nase.

Zehn schwer bewaffnete Männer in Militärkleidung zielten mit tödlichen Waffen auf uns.

„Herbst" stammelte ich und schnappte entsetzt nach Luft.

Wie erstarrt blieb ich stehen.

Mir wurde vor Angst fast schwarz vor Augen.

Er lachte höhnisch.

„Mein Glückwunsch, ihr habt es fast geschafft. Fast."

Er runzelte die Stirn.

„Wo ist denn mein Bruderherz?"

Verachtung lag in seiner Stimme.

Ich drehte meinen Kopf nach hinten.

Frühling war hinter uns gewesen.

Vielleicht fünfzig Meter.

Ein Lächeln entfuhr mir.

Er hatte rechtzeitig umkehren können und Plan B nutzen können.

„Ihr zwei" er deutete auf zwei der Männer „findet ihn!"

Die Männer liefen an uns vorbei und Hebst wandte sich wieder zu uns.

„Hände hoch" knurrte er.

Ich hob meine Hände. Mein Blick fiel auf Jayden. Er schaute Herbst grimmig an.

„Sofort" knurrte er.

Jayden hatte seine linke Hand in seiner Jackentasche.

Er zog mit einem Ruck eine Pistole aus seiner Jackentasche und schoss.

Schoss auf die Männer, doch die schossen nicht zurück.

Ich hatte nicht gewusst, dass er eine Waffe hatte!

Ein Mann ging zu Boden.

„Stopp!" rief Herbst.

Jayden schoss weiter.

„Oder ich bringe deine kleine Freundin um!"

Jayden hielt inne und blickte zu mir.

„Sie werden mir nichts tun. Erstmal nicht" sagte er schnell zu mir.

Herbst lachte.

Es klang unnatürlich.

„Jayden, Jayden. Ach wie lange ich doch auf diesen Moment gewartet habe. Dich kleinen Bastard endlich zu fangen."

„Woher wusstest du, dass hier sein werde?" fragte Jayden verbissen.

Kelu trat hinter Herbst hervor.

Ich starrte sie an.

Sie wich meinem Blick aus.

„Sie hat ihren Job gut gemacht. Wie sie Jayden gegen sich selbst ausgespielt hat. Seine Schwachstelle war Raven und die haben wir genutzt."

„Wie?" stammelte ich.

Herbst lachte und Kelu antwortete. „Ich habe so getan, als wollte ich etwas von dir, dabei habe ich nur Jayden Angst machen wollen, damit er das Angebot annimmt. Ich habe gespielt Raven und gewonnen. Das Spiel ist aus."

„Das Spiel ist niemals aus" entgegnete ich mit Tränen in den Augen.

„Für dich schon" sagte Herbst achselzuckend und neutral. „Wir brauchten nur Jayden, das war alles und Kelu hat ihre Arbeit hervorragend erledigt. Doch, doch, wie sie dafür gesorgt hat, dass Jayden diesen Auftrag annimmt und nicht irgendein Rebell. Es war gar nicht so leicht für sie, dich zu finden.

Ich blickte zu Jayden rüber und sah die Angst in seinen Augen.

Und er sah meine.

Hebst zog in aller Ruhe seine Pistole und richtete sie auf mich.

„Du hast noch eine Chance kleines Mädchen. Wenn Jayden sich für dich opfert, darfst du weiterleben."

Ich schaute Panisch zu Jayden doch der schüttelte nur den Kopf und flüsterte „Sorry. Es gibt ein höheres Ziel für mich und das werde ich um jeden Preis erreichen."

Um jeden Preis

„Oh" höhnte Herbst, „Wusste ich es doch, er hat dich verraten. Tut mir nicht leid für dich."

Er reichte die Pistole an Kelu. „Also bitte. Wie du es wolltest."

Kelu nickte und zielte auf mich.

Meine Panikgeweiteten Augen ließen die Pistole nicht los.

Eine unnatürliche Ruhe breitete sich in mir aus.

Kelus Finger krümmte sich am Abzug.

Ich schloss die Augen.

Dann ertönte der Schuss.

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