So still, dass jeder von uns ahnte, hierfür gibt's kein Wort


Die Kontrollen waren erfolgreich gewesen.

Zwei Wochen später erlebte ich meine erste Hinrichtung.

Die Kontrollen waren zeitgleich in der ganzen Stadt gewesen und die Guardians hatten zahlreiche Menschen festgenommen.

Darunter auch einige Rebellen.

May.

Kairo.

Mic.

Anna.

Ich kannte keine von ihnen.

Und trauerte um alle.

Die Hinrichtung war an einem Samstagmorgen.

Am Abend hatten wir über die vier aus den Bezirken eins, fünf und sechs gesprochen.

Sommer und Winter hatten zwei von ihnen gekannt und ich hörte die Bestürzung ihn ihren Stimmen, als sie darüber sprachen, dass die Kontrollen immer stärker wurden und sie immer mehr Freunde im Laufe der Zeit verloren hatten.

Nein, Freunde war das falsche Wort.

Familie.

Wir verloren Familie.

Es hätte sogar ein schöner Samstag werden können, bis Jayden mich weckte.

Die Sonne schien durch die Fenster und warf ein helles Licht in das einfache Loft.

Ich wollte nicht aufstehen.

Nicht sehen, wie Menschen starben.

Wie Rebellen starben.

Wie Vögel starben.

Wie einige von uns starben.

„Du musst es dir ansehen Raven. Es ist wichtig."

Ich drehte mich auf die Seite.

Mir war schlecht.

„Bitte. Für sie."

„Was bringt ihnen das?"

Darauf hatte er keine Antwort.

Unter mir stand Lino auf und schlurfte ins Badezimmer.

Nach zehn Minuten kam er frisch geduscht wieder.

„Raven, versuch es wenigstens Mal. Wenn es nicht geht, musst du nicht mitschauen. Aber auch ich finde es wichtig, dass du mal siehst, wie es ist."

„Ich habe schon genug grausame Dinge gesehen, noch bevor ich in diese Stadt gekommen bin." entgegnete ich, schlug aber dennoch die Bettdecke beiseite.

Im Schlafanzug schlurfte ich mit Lino nach unten und setzte mich auf das Sofa. Sommer, Winter, Flo und Jayden saßen schon und blickten auf das Bild vom Fernseher.

Lino und ich setzten uns schweigend dazu.

Noch liefen die Nachrichten und die Wetterfrau berichtete, dass der Herbst ungewöhnlich früh gekommen war und die Temperaturen wohl bis zum Frühjahr nicht mehr ansteigen würden.

Schnell war sie fertig und die Kamera zeigte nach einem kurzen Standbild den Vorplatz des Palastes.

Geschockt bemerkte ich, wie ich jeden Morgen über ihn zu meiner langweiligen Arbeit ging.

In ihrer Mitte war eine Art Plattform ausgefahren worden und ragte vielleicht fünf Meter aus dem Boden auf.

Ich hatte nicht gewusst, dass das möglich war. Der Platz hatte immer sehr normal ausgesehen.

Die Fahnen unseres Landes waren an allen vier Ecken aufgestellt worden und flattern fröhlich im Wind. Um die Hausgroße Plattform hatten sich zahlreiche Menschen versammelt und beobachteten die auf dem großen Podest stehenden Menschen.

Neben den vier Verurteilten standen Wachen, das Militär und ein Mann mit hervorstechendem dunkelblauem Mantel, auf der Erhöhung. Der Mann hatte braune Haare und hervorstechende Wangenknochen. Er strahlte förmlich seine Macht aus. Seine Schultern waren zurückgesteckt und sein Kinn hoch erhöben. Ich meinte sogar ein Lächeln auf seinem Gesicht erkennen zu können. Ein hämisches Lächeln.

Ich musste schlucken und ich spürte mein Herz in der Brust pochen.

Ja, ich hatte Angst.

Doch wovor?

Ich wusste doch, was kommen würde.

Oder war es gerade das, was mir Angst machte?

Mir fiel auf, dass überhaupt überall Militär stand.

„Warum retten wir sie nicht?" fragte ich mit heiserer Stimme. Ich hustete.

„Haben wir versucht Raven. So Leute wie Matt, die in den hohen Positionen, konnten für einige etwas tun, aber wir können nicht alle retten. Niemand will auffliegen. Jeder kennt sein Risiko, wenn er Rebell wird. Verstehst du?"

Ich nickte und betrachtete schweigend den Bildschirm.

„Dass Dagon dabei ist..." warf Flo ein.

Der Satz blieb im Raum hängen.

Ich konnte meinen Blick einfach nicht von den vier Rebellen abwenden.

Als Dagon vortrat, zwang ich mich, meinen Blick auf den Mann mit dem blauen Mantel zu richten.

Sofort verstummte die Menge.

„Meine lieben Bürger"

Kein einziger Buhruf.

Die Nation schwieg.

„Hier hinter mir seht ihr nicht irgendwelche Verräter.

Nein!

Hier. Seht. Ihr. Mörder!"

Flo schnaubte verächtlich.

„Sie sind diejenigen, die eine Gefahr für uns – für euch bedeuten!"

Die Kamera Zoomte an ihn heran.

„Wollt ihr das? Wollt ihr in Angst und Gefahr leben? Eure Kinder so aufziehen?"

Dagon wandte seinen stechenden Grünen Augen direkt in die Kamera. Eine Gänsehaut fuhr meinen Rücken hinunter.

Warum konnte er so gut reden?

So gut Manipulieren?

„Aber das ist jetzt vorbei! Wieder einmal werde ich euch retten. Aber das bringt Bedingungen mit sich. Alles im Leben hat seine Bedingungen! ... Ab heute wird jeder Bestraft, der auch nur einen Rebellen kennt!"

Seine Stimme donnerte kraftvoll und wütend über den Stillen Platzt. Über die schweigende Nation.

Etwas an seiner Mimik kam mir bekannt vor. Aber ich wusste nicht was.

„Für unser aller Sicherheit werden wir zusammen kämpfen!

Für unsere Nation

- Danke!"

Die Nationalhymne ertönte und die Kamera Zoomte wieder weg.

Klatschende Menschen waren zu sehen.

Ob sie bezahlt wurden, oder nur aus Angst klatschten?

Oder glaubten sie das wirklich?

Die Kameraeinstellung wechselte und die vier Verurteilten waren zu sehen.

Eines der Mädchen fiel in sich zusammen, doch sie wurde von zwei Wachmännern sofort wieder hochgezogen. Unsicher blieb sie stehen.

Alle Gefangenen trugen Augenbinden.

Mein Herz pochte.

Die vier Schützen machten sich in der letzten Stopfe der Hymne bereit und stellten sich auf.

Ich spürte den Schlag in meiner Brust immer stärker.

Die Gewehre wurden angelegt.

Mein Hals war ganz trocken.

Der letzte Ton erstarb.

Laut und schnell schlug es.

Es herrschte Totenstille.

Meine Finger waren eiskalt.

Die Schützen entsicherten ihre Waffen.

Ich schloss die Augen.

Und öffnete sie wieder.

Dagon gab das Zeichen.

Mein Kopf dröhnte.

Sie zielten.

Diese Stille und Angst. Unerträglich.

Alles in mir zog sich zusammen.

Stille. Keuchen. Angst. Bestürzung. Endgültige Stille.

Anna. Mic. Kairo. May

Bum

Anna. Mic. Kairo

Bum

Anna. Mic

Bum.

Anna

Bum

...

..

.


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Hallo ihr ;-)

ein frohes neues Jahr zusammen! :-)

Bei diesem Kapitel interessiert mich besonders, wie es euch gefallen hat... wenn ihr wollt, schreibt es mir.

Liebe Grüße

-eulenfeder-

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