Mein Herz bleibt stehen
Ich spürte, wie die Kugel in meiner Magengegend einschlug.
Ich torkelte rückwärts und fiel nach hinten um,
schlug hart auf dem Boden auf
und blieb liegen.
Ich schrie.
Nahm den Schmerz wahr.
Mit offenen Augen starrte ich in den verschwimmenden Flur über mir.
Jayden schrie nicht auf, schaute nicht einmal hin.
Feige
Jayden war in diesem Moment nicht mehr der Jayden, der er einmal war.
Vielleicht war er es nie gewesen.
Ich komme wieder für dich
Ich schrie.
Er war nie für mich wiedergekommen.
Er war für sein Ziel wiedergekommen.
Er wollte dieses Ziel mit mir erreichen.
Mittel zum Zweck.
Er hatte ein Ziel, wie er mir damals in der Bahn gesagt hatte.
Für dieses Ziel schien er jeden Preis zu bezahlen.
Er bezahlte mit mir.
Ich schrie.
Ich liebte Jayden.
Jayden, meinen Bruder. Meinen Adoptivbruder.
Ich hatte ihn so vermisst, weil ich ihn nicht auch noch hatte verlieren wollen. Dabei hatte ich ihn schon längst verloren, verloren, als er wieder aufgetaucht war.
Ich schrie. Salzige Tränen gaben meinen ungeheuren Schmerzen Ausdruck.
Undeutlich nahm ich war, wie sie meinen Bruder fesselten und mitnahmen. Jayden wehrte sich heftig. Er tobte und kämpfte. Sie hatten ihn abgelenkt, ich war einfach nur eine kurze Ablenkung gewesen, damit sie ihn schnell und einfach packen können.
Rasend vor Schmerz schrie ich, schrie um die Schmerzen zu übertönen, um meine inneren schmerzen ignorieren zu können.
Meine Schreie hallten unnatürlich von den hohen Decken aus teurem Marmor wieder.
„Kümmere dich um sie" sagte Herbst zu Kelu, doch ich nahm es nur undeutlich wahr.
Unklar hörte ich, wie die Pistole ein weiteres Mal geladen wurde.
Die anderen verschwanden.
„Du hast es nicht gesagt oder?" fragte ich Kelu mit zitternder Stimme.
Das Spiel geht weiter
„Was?"
„Das du uns die Information mit dem Stick verkauft hast. Dass wir den Stick haben und damit die Revolution starten können."
Sie hielt inne.
Ich hatte Recht.
Die Schmerzen machten mich wahnsinnig.
„Du stehst nicht hinter ihnen. Du hast mich nicht erschossen, nur angeschossen."
Kelu ließ die Pistole sinken.
„Du" ich hustete Blut. „Du hasst sie genauso wie ich, sonst hättest du ihnen gesagt, dass es einen Stick gibt. Nein, du hättest uns diese Information niemals gegeben. Ich habe recht!"
Kelu kniete sich zu mir runter.
„Du bist gut Raven."
„Du hast von einer Rede gesprochen, welche Rede?"
Kelu lachte leise „Du hast es dir also gemerkt Hm?"
Ich hustete mehr Blut.
„Du sollst eine Freiheitsrede halten, die die Menschen bewegt, sie motiviert, zu kämpfen und diesen Kampf zu gewinnen."
„Wie kann ich das, wenn du mich tötest?"
„Du bist so klug Raven."
„Du hättest unser Quartier auch verraten können nicht wahr. Aber du hast es nicht getan. Warum? Es hätte alles so viel einfacher gemacht nicht wahr? Du hättest dich nicht gefangen nehmen lassen müssen und eingesperrt sein. Du hast es nicht getan. Du hast auch Werte und eine Moral Kelu."
Ich lachte Blut.
„Es fällt mir schwer das zu sagen, aber du bist nicht böse Kelu. Du bist nicht Böse!"
„Quatsch, ich war mir nichts sicher, ob es das richtige war. Deshalb musste ich rein."
„Du hättest nachts einsteigen können, ohne dass es jemand merkt. Du hast es nicht getan. Du hast uns nicht einfach so alle verraten. Du bist nicht Böse Kelu!"
Mein Blut färbte den weißen Marmorboden rot.
„Hör auf, dass zu sagen!"
„Nein"
„Jayden hat mich gehen lassen."
„Du Lügst."
„Nein."
Ich weinte.
„Und warum?"
„Weil ich ihn in der Hand hatte. Raven, deshalb musste er mich gehen lassen. Es war von Anfang an alles geplant."
„Du Lügst"
„Oh Raven, sehe ich so aus?"
Ich schluchzte.
„Womit hast du ihn erpresst?"
„Das spielt keine Rolle mehr Raven."
„Du könntest jetzt gehen." presste ich mühsam hervor.
Sie schwieg.
„Du bist wie ein Buch Kelu. Ich habe schon beim ersten Mal gelesen, dass du hinter deiner Fassade anders bist. Wir sind uns nicht mal so unähnlich."
„Du hast mich wirklich gelesen? Dann bist du die erste, die hinter meine Fassade hat blicken können" sagte sie und lächelte traurig.
Die Schmerzen ließen meine Wahrnehmung verschwimmen.
Kelu kämpfte mit sich.
„Du bist nicht böse Kelu, du nicht. Auch, wenn du es von dir selber denkst" flüsterte ich, dann verlor ich das Bewusstsein.
Ich träumte von Jayden und von unserer gemeinsamen Kindheit.
Von glücklichen Tagen.
Dann lachte ich.
Und immer wieder sah ich meine Mutter und hörte den Schuss. Dann verblasste die.
Immer und immer wieder passierte es.
Ich sah den bösen Jayden vor mir, der im entscheidenden Moment seine richtige Seite gezeigt hatte und mich verraten hatte.
Dann schrie ich.
Auch sah ich den Jayden, der mein Bruder war und von einer dunklen Vergangenheit verfolgt wurde.
Dann weinte ich.
Weil ich diesen Teil für immer verloren hatte.
Wegen ihm hatte ich meine Mutter verloren.
Wegen eines Menschen, der mich verkauft hatte.
Ich konnte ihm niemals verzeihen!
Dann schwieg ich.
Ich schlug meine Augen auf und meine Umgebung nahm langsam Form an.
Ich lag in einem weichen Bett, umhüllt von einer warmen Decke.
Mein Kopf schmerzte.
Ich schloss meine Augen wieder.
Als ich sie erneut aufschlug, waren meine Kopfschmerzen weg.
Ich fühlte überhaupt keine Schmerzen.
Ich fühlte mich ganz leicht.
Ich seufzte.
„Das ist das Morphium" erklärte mir jemand.
Ich zuckte zusammen und drehte meinen Kopf zu Seite.
Frühling saß an meinem Bett und hielt meine Hand.
„Hey" sagte ich mit rauer Stimme. Es klang eher wie ein krächzten.
„Schön, dass du wieder bei uns bist, du hast über zwei Tage geschlafen"
Es war nicht so wichtig für mich.
„Was ist passiert?" krächzte ich.
„Wir haben dich an unserem Quartier gefunden. Trotz des Blutverlustes hast du es irgendwie geschafft, ihnen zu entkommen und dich bis dorthin zu schleppen. Du hattest einen Zettel dabei, auf dem stand, dass wir das Quartier sofort räumen sollen, kurz darauf war das Militär da. Raven, du hast uns gerettet!"
Ich schloss die Augen.
Meine Mutter hatte Recht gehabt, man sollte niemanden verurteilen.
Kelu war nicht böse.
Zumindest nicht in diesem Moment.
„Ja, das habe ich wohl" erschöpft schloss ich wieder die Augen und schlief erneut ein.
Ich hatte uns gerettet, weil ich nicht auf ein Vorurteil vertraut hatte, sondern den Menschen dahinter erkannt hatte.
„Du bist jetzt in der U-Bahn Station. Hier bist du sicher und kannst wieder gesund werden" sagte Frühling, doch ich nahm es nur noch undeutlich wahr.
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