Kein König befehle uns unsere Wege...
Es fühlte sich unwirklich an, als wir zu unserem Haus zurückgingen.
So etwas passierte nicht einfach so schnell!
Ich hatte mich doch gerade erst mit diesem Leben abgefunden.
Aber Jayden änderte alles wieder.
Wie damals.
Er hielt den ganzen Weg über meine Hand.
Und ich hielt seine.
Aber wir sprachen kein Wort. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ich fühlte mich nicht wohl.
War es die richtige Entscheidung, mitten in der Nacht einfach so weg zu gehen. Abzuhauen?
War das nicht feige gegenüber meiner Familie?
Oder war es feige, zu bleiben und nicht für unsere Freiheit zu kämpfen?
Ich wusste es nicht.
Außerdem hatte Jayden ein Geheimnis.
Ja, ich hatte nachgedacht, warum sie ausgerechnet ihn hatten kriegen wollten.
Damals, letzten Winter.
Niemand interessiert sich für ein paar Kinder, die Wände mit Sprüchen beschmierten.
Es sei denn, es waren nicht irgendwelche Kinder.
Jayden war nicht irgendwer.
Aber wer war er dann?
Jayden war doch nur der kleine Junge gewesen, der einer Tages da gewesen war. Klein, mager und verschmutzt.
Ein niemand.
Aber niemand jagt einen unwichtigen Jungen mit Autos.
Wo es doch kaum Autos gibt.
Niemand jagt einen unwichtigen Jungen mit Waffen und Militär.
Wo die Leute auf dem Land doch eh nicht ernst genommen wurden.
Nicht umsonst hieß unser Teil des Landes „Das vergessene Land" Hier kamen nur Leute hin, die ein altes Leben aus irgendwelchen Gründen hinter sich hatten lassen wollen.
Das Militär hatte versehentlich meine Mutter erschossen.
Ich schluckte.
Niemand hängt das einem unwichtigen Jungen an. Aber sie hatten es Jayden angehängt.
Also was verbarg Jayden?
„Hey. Was ist los?" fragte er mich auf einmal.
Ich zuckte mit den Schultern. Das konnte ich gut. Das Lügen.
Hatte ich es doch schon zu oft getan.
„Traust du dich nicht?" seine Frage war ernst gemeint, doch ich musste leise lachen.
„Ich mich nicht trauen? Da müsstest du mich doch besser kennen!"
Jayden erwiderten das Lachen „Stimmt"
Wir schwiegen wieder.
Wir beide hatten uns einiges getraut.
Damals, vor dem letzten Winter.
Es war verboten, ein Vogel zu sein und Parolen an Wände zu malen.
Wir hatten hunderte Nachrichten hinterlassen.
Einmal waren wir erwischt worden und Jayden sagte, er sei es gewesen. Sie hatten ihm geglaubt und er hatte eine Anzeige bekommen.
Vielleicht hatte die Regierung ihn deshalb gefunden.
Damals, letzten Winter.
Wir erreichten unser Haus und ich kletterte an der Regenrinne hoch, um ungesehen in mein Zimmer zu gelangen.
Jayden wartete im Dunkeln auf mich.
Leise schlich ich durch mein Zimmer und stopfte einige wenige Dinge in meinen Rucksack.
„Was machst du?" fragte mich auf einmal eine verschlafene Stimme.
Ich erstarrte.
Und drehte mich um.
„Psst" ich legte meinen Finger auf meine Lippen und schlich zu dem Bett meiner Schwester.
„Ich gehe mit Jayden in die Stadt" flüsterte ich.
„Aber wer singt mir dann meine Gutenachtlieder?" raunte sie erschrocken zurück.
„Du bist doch groß..."
„Ich will nicht groß sein!"
„Warte kurz"
Ich ging zu meinem Bett und zog die Kirschblüte unter meinem Kopfkissen hervor. Ich hatte sie vorhin ganz vergessen. Schnell ging ich wieder zu Mias Bett zurück und legte sie ihn ihre Hand.
„Diese Blüte verbindet uns beide. Wenn du sie unter dein Kopfkissen legst, brauchst du kein Lied mehr, um einschlafen zu können. Die Blüte kann das ganz alleine. Verstehst du?"
„Ich glaube schon."
„Ich habe dich so lieb Mia. Und Papa auch. Für euch gehe ich in die Stadt."
Ich überlegte einen Moment.
„Sag Papa nichts von Jayden. Das würde ihn nur traurig machen. Sag ihm, dass ich in die Stadt gegangen bin, um mehr Geld zu verdienen."
Mia nickte. „Ich habe auch noch etwas für dich. Weil ich doch wusste, dass du irgendwann gehen wirst." Sie zog unter ihrem Kopfkissen ein zusammengefaltetes Blatt hervor und reichte es mir.
„Öffne es erst, wenn du nicht mehr weiterweist"
Ich nickte. Sie war so klug, meine kleine Schwester.
Ich verstaute es im Rucksack und verschloss das Fach gut.
Mia beobachtete es und sah zufrieden aus, als ich es gut verschlossen hatte.
„Danke. So habe ich immer etwas von dir dabei! Aber jetzt schlaf weiter." Sagte ich leise und fuhr ihr durch ihre schwarzen Haare. Sie waren genauso Schwarz wie meine.
Ich küsste meine kleine Schwester auf die Stirn und deckte sie nochmal gut zu.
Schnell packte ich meinen Rucksack fertig, schulterte ihn und stieg wieder aus dem Fenster.
Unten wartete Jayden auf mich und wir gingen los, Richtung Dunkelheit.
Ich blickte mich nicht einmal mehr um.
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