Guardians
So voller Energie ich abends in Jaydens Armen gewesen war, so ernüchtert war ich eine Woche später wieder.
Es war immer noch nichts passiert.
Keine Revolution.
Kein Aufstand.
Jayden hatte mich immer noch nicht mit zum Wiederstand genommen. Zu den anderen.
Ich war zu ungeduldig!
Wenn man etwas richtig machen wollte, dann musste es gründlich gemacht werden.
Ich brauchte mehr Geduld und das wusste ich. Nur so hatte das Mädchen eine Chance wirklich gerettet zu werden.
Mit dem Bild des Mädchens im Kopf blickte ich aus dem Fenster des Busses in die Stadt, die lange keine Unbekannte mehr war.
Hier lebte und arbeitete ich jetzt.
Doch von meiner ersten Fahrt im Spätsommer war nicht mehr viel übrig geblieben.
Kein bezaubernder Glanz mehr.
Ich wünschte ihn mir zurück.
Stattdessen wich dem Sommer nun langsam der Herbst und dichter Nebel hatte sich in die Straßenschluchten gedrängt. Er versperrte einem die Sicht auf die hohen Häuser und man hatte Glück, wenn man mal mehr als nur wenige Meter weit gucken konnte.
Ich nahm einen Schluck des warmen Tees, den ich von Zuhause mitgenommen hatte.
Eigentlich mochte ich den Herbst.
Mit seinen warmen Farben und den goldenen Blättern an den Bäumen.
Wie gerne läge ich jetzt unter unserem Kirschbaum.
Der Bus fuhr über die recht leeren Straßen und ich genoss es, einen Sitzplatz zu haben. Um mich herum im Bus standen dicht gedrängt Menschen und blickten mit müden Blicken nach draußen.
Plötzlich hielt der Bus mit einem Ruck an.
Erstaunt blickten sich die Menschen um und wachten aus ihrer Monotonie auf.
Hier war keine Bushaltestelle, dennoch öffneten sich die Türen.
Vier Männer und zwei Frauen betraten den Bus. Sie trugen schwarze Uniformen.
Ich bekam Angst.
Das waren Guardians!
„Dies ist eine Kontrolle! Halten sie ihre Ausweißpapiere bereit!" rief einer der Männer durch den Bus.
Sie hatten noch nie die Busse kontrolliert – warum jetzt?
Sie Leute begannen nervös zu tuscheln und eine ängstliche Atmosphäre lag auf einmal im Bus.
Mit klopfendem Herzen blickte ich auf die Männer, die anfingen, die vorderen Fahrgäste aus dem Bus zu befehlen.
Sah man die Angst in meinen Augen?
Mein pochendes Herz?
Meine schnelle Atmung?
Den kalten Schweiz unter meiner Jacke?
Meine zitternden Finger?
Ich schluckte.
Nicht. Nervös. Machen. Lassen!
„Willst du frei wie ein Vogel sein?
dann musst du lernen zu fliegen,
sei nicht wie die Masse - winzig klein,
aber vielleicht werden sie dich kriegen.
Vielleicht aber auch nicht!
Ich setzte wieder meine verschlafene Miene auf und nahm einen Schluck des Tees.
Denn das konnte ich gut. Das Lügen.
Jetzt war ich dran.
Ungeduldig wurden mein Sitznachbar und ich rausgewunken.
Ich atmete nochmal aus und trat in die kühle Morgenluft.
„Ihre Papiere bitte!" forderte mich eine der beiden Frauen auf.
Die andere stand mit gezogener Waffe hinter ihr.
„Guten Morgen" lächelte ich die beiden Frauen freundlich an.
Sie nickte knapp.
Ich reichte ihr die von Matt besorgten Papiere.
„Name?"
„Julie Smith"
„Geburtstag?"
„12.Julie. Wie mein Name" antwortete ich lächelnd.
Ein erstes Mal huschte ein winziges Lächeln über das Gesicht der Frau, aber es verschwand sogleich wieder.
„Jetzt müssen wir uns noch Ihren Arm ansehen!"
Adrenalin und Panik schossen gleichzeitig durch meinen Körper.
Mein Herz raste.
Ich hatte panische Angst.
War jetzt alles vorbei? Jetzt schon?
Bevor die Revolution für mich überhaupt begonnen hatte?
Ich lächelte und antwortete gut gelaunt „Klar doch. Aber warum eigentlich?" meine Stimme klang neugierig.
Ich krempelte meinen linken Arm hoch und zeigte ihr mein leeres Handgelenk.
„Ach, das müssen wir tun. Wir suchen nach Vögeln. Diesen Rebellen."
„Von denen habe ich schon mal gehört. Gefährliche Leute. Gut, dass sie nach ihnen suchen."
Die Frau nickte „Als würden die mit dem Bus fahren." Sie verdrehte ein bisschen ihre Augen, bevor ihr Gesicht wieder ausdruckslos wurde.
„Und Sie armen müssen die Busse dann kontrollieren!" ich schüttelte leicht den Kopf.
„Ja, den ganzen Tag über" erklärte diese neutral.
„Na dann wünsche ich ihnen Erfolg!"
Ich drehte mich um und ging zum Bus zurück.
„Warte" befahl die andere.
Ich schluckte und drehte mich wieder um.
„Ihre Papiere!"
Ich lachte. „Ach ja richtig. Danke. Sonst komme ich nicht mal zu meinem Arbeitsplatz." Ich nahm ihr mit einem Lächeln meine Papiere ab und steckte sie wieder zurück in meine Tasche.
Gespielt entspannt ging ich zum Bus zurück und nahm wieder Platz.
Wenn ich nicht Rebellin geworden wäre, hätte ich Schauspielerin werden können.
Mit immer noch pochendem Herzen schaute ich zu, wie die anderen Menschen kontrolliert wurden und nach und nach wieder in den Bus einstiegen. Ihre Gesichter wirkten erleichtert, als sie wieder drinnen waren.
Ich wagte mich immer noch nicht zu entspannen, als der Bus bald wieder losfuhr.
Kein Triumpf breitete sich in mir aus.
Ich hatte gelernt.
Gelernt, wie grausam diese Regierung sein konnte und wie knapp ich dem Tod entkommen war.
Doch ich hatte es geschafft, ich war nicht aufgeflogen.
Sie hatte nicht verlangt, meinen rechten Arm zu sehen. Wie bei den anderen.
Den Arm mit dem Symbol der Rebellen.
Zwar verbarg eine Rose den Falken an meinem rechten Handgelenk, aber die Stelle war auffällig und sie hätten sicherlich probiert, sie abzuwaschen.
Ich atmete zitternd aus und schloss für einen Moment die Augen.
Das war verdammt knapp gewesen!
Ich verschwieg den anderen, dass ich fast erwischt worden war, um sie nicht weiter zu beunruhigen.
Zwei Wochen später wurde mir aber auf tragische Weise bewusst, dass ich unbeschreibliches Glück gehabt hatte.
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