Fünf Tage, unzählige Leben
Ich kam mir so unnütz und leer vor, als ich am Montag darauf zur Arbeit ging.
Alles in mir drängte auf Revolution.
Ich wollte dieses grenzenlose Unrecht beenden.
Jayden hatte mir gesagt, dass wir die Vögel dennoch retteten.
Nicht Anna ,May, Kairo und Mic.
Die waren Tod.
Aber die anderen. Die, die noch kämpften.
Indem wir das System infiltrierten und verhinderten, dass die Vögel überhaupt in diese Situation kamen.
In diese Situation.
Situation.
Ich erreichte den Platz.
Situation.
Anna, Kairo, May und Mic waren Tod!
Diese Situation.
Deutlich erkannte ich jetzt die Umrisse, aus denen die Plattform aus dem Boden gefahren werden konnte.
Ich mied sie.
Im Palast, wie ich ihn nannte, war es im Gegensatz zu draußen warm und angenehm.
Die verschwenderische Pracht konnte ich ignorieren.
Wahrscheinlich hatte ich mich auch dran gewöhnt.
Wie selbstverständlich nahm ich den Aufzug und fuhr in eine der oberen Etagen.
An meinem Schreibtisch hängte ich meine Jacke an den dafür vorgesehenen Harken und begann die Papiere des Wochenendes zu sortieren. Am Anfang hatte ich viele Fehler gemacht, doch mittlerweile war ich so routiniert, dass ich es automatisch erledigte.
Stück für Stück sortierte ich die ganzen Unterlagen und organisierte sie in verschiedene Stapel.
Post, Dokumente und Sonstiges.
Ich Telefonierte und schrieb.
Lochte und heftete.
Wie jeden Tag.
Wie jeden verdammten Tag.
Gegen Mittag hatte ich alles fertig sortiert.
Summend betrachtete ich die drei Stapel.
Schnappte mir den ersten, ging zur Türe des Arbeitszimmers meines Chefs und klopfte an.
„Herein." Seine Stimme, arrogant und überheblich. Wie immer.
Ich öffnete die Türe, schlüpfte durch den Spalt und schloss sie wieder.
Mein Chef stand an der zweiten Türe und sprach mit einem jungen Mann.
„Ein für alle Mal" sagte der etwa 18 oder 19 Jährige.
„Ich hasse diese Vögel" sagte mein Chef.
„Deshalb werden wir sie alle einzeln vom Himmel holen." Die Stimme des jüngeren klang gehässig.
Ich schaute ihn interessiert an.
Er hatte braune Haare und....
„Bis dann." Er verschwand durch die Türe.
Jayden?
Ich hatte sein Gesicht nicht sehen können.
Schnell verwarf ich diesen Gedanken wieder.
Der Junge hatte ein kleines bisschen größer gewirkt.
Lächerlich!
Es gab hunderte von Jungen mit braunen Haaren.
Jeder würde Jayden hier sofort erkennen.
Mein Chef ging zum Schreibtisch und ließ sich schwerfällig auf den breiten Stuhl fallen.
Ich trat näher.
„Leg die Sachen dorthin." Er deutete auf die Ablage direkt neben dem Schreibtisch.
Mein Blick fiel unwillkürlich auf eine darunterliegende Mappe.
Dagon hatte sie unterzeichnet.
„V-Guard" stand klar erkennbar auf dem schwarzen Ledereinband.
Ich spürte, wie Adrenalin durch meinen Körper schoss.
Informationen.
Ich legte meinen Stapel oben drauf und zog die letzten beiden Dokumente mitsamt der Mappe unten raus.
Mein Chef arbeitete am Laptop, doch auf einmal blickte er auf.
Er hatte mich erwischt!
„Einen Kaffe noch!" befahl er.
Sein Blick glitt über mich hinweg, ohne mich wirklich wahrzunehmen.
„Ich habe noch etwas vergessen und werde sofort den Kaffe besorgen" sagte ich und verließ auf sein Kopfnicken hin das Büro.
Draußen steckte ich mir die Mappe in meine Tasche und machte mich auf den Weg zur Toilette.
Mein Herz raste immer noch.
Kaum hatte ich die Türe geschlossen, schlug ich das Dokument auf.
Ein einziges Blatt lag in ihm.
„Nach dem Erfolg der ersten Stichkontrolle der Busse, wünsche ich eine Verstärkung dieser.
Hierzu habe ich folgende Termine gewählt:
-12.10.
-19.10
-26.10.
-02.11.
-07.11.
Ich fordere absolute Verschwiegenheit und ein Briefing der Guardians erst am selben Tag der Kontrolle, damit diese Informationen nicht durchsickern.
Hierzu fordere ich absolute Diskretion!
Die Termine stehen fest und sind nicht mehr veränderbar, es sei denn, oben aufgelistete Informationen geraten an die Öffentlichkeit.
Gezeichnet Dagon"
Ich hielt den Atem an.
Das wie vor zwei Tagen würde erstmal nicht mehr passieren!
Die Geduld hatte sich ausgezahlt.
Schnell schrieb ich mir die Daten auf den Arm und zog wieder den Ärmel drüber.
Anschließend beeilte ich mich, zurück zum Büro zu kommen.
Wie immer klopfte ich an, huschte in den Raum, legte die Mappe genau dahin, wo ich sie her hatte und legte eine weitere Mappe oben drauf.
Die hatte ich ja schließlich vergessen.
„Ihr Kaffe." Ich stellte die Tasse an den dafür vorgesehenen Platz.
Ich lächelte nochmal kurz und verließ schnell wieder den Raum.
Er schien nichts bemerkt zu haben!
Der Nachmittag zog sich ewig hin und als ich endlich Schluss machen konnte, rannte ich fast schon aus dem Gebäude raus. Der Bus fuhr mir viel zu langsam und die 40 Minuten kamen mir vor, wie Jahre.
Zwischendrin stieg sogar noch ein Guardian ein und ich war mir sicher, dass er zu mir wollte und mein Chef es doch noch bemerkt hatte.
Der Mann setzte sich allerdings nur auf einen der vorderen Plätze und holte ein Handy raus.
Überall sah ich Gefahren!
Ich machte mich während der restlichen Weges verrückt mit potentiellen Verfolgern und guckte mich fast ständig um.
In unseren Viertel lief ich noch einen extra Umweg um den Block, bevor ich schließlich an unsere Türe anklopfte.
Völlig überdreht stürmte ich hinein und Lino schloss etwas irritiert die Türe hinter mir.
„Was ist los? Wurdest du verfolgt?"
„Ich habe sie"
„Wen?" er legte den Kopf schief.
„Die Infos"
Lino seufzte. „Jetzt zieh doch bitte erstmal die dicken Sachen aus und rege dich ab."
Ich schüttelte den Kopf, entledigte mich in Windeseile der Winterjacke und den nassen Schuhen.
Danach stürmte ich zum Konferenztisch, schnappte mir einen Stift und Papier und zog meinen Ärmel hoch.
Hochkonzentriert schrieb ich die Daten auf den Zettel und bemerkte gar nicht, wie Lino mir neugierig über die Schulter guckte.
„Was ist das?" fragte er, als ich fertig war.
„Das" eröffnete ich „sind die Daten, an denen die nächsten Kontrollen in den Bussen stattfinden werden"
Er schaute mir ernst in die Augen. „Bist du dir sicher?"
„Ja"
„Bist du aufgeflogen?"
„Nein"
Lino nickte „Gut"
Ich schaute ihn abwartend an und er lächelte fast schon, als er sagte „Jetzt Raven, jetzt, wirst du den richtigen Wiederstand, den Untergrund, kennenlernen."
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