Der Klang der Stille
Während des Rutschens hörte und spürte ich Detonationen um mich herum.
Ein unüberhörbares Krachen.
Ein tiefes Donnern durchbrach immer wieder die Dunkelheit und Stille.
Es erschütterte den Schacht, durch den ich in die Tiefe raste.
Ich hatte Angst.
Ich dachte kaum an die Verwirrung in mir.
Die Erschütterung.
Meine Verwirrung.
Die Trauer.
Ich hatte Angst.
Einfach nur Angst.
Unfassbare Angst.
Sie machte mich ganz verrückt.
Die Dunkelheit rauschte an mich vorbei.
Und ich rauschte durch die Dunkelheit.
Alles schien vergessen.
Sie schien kein Ende zu nehmen.
„Jayden" schrie ich, doch ich erhielt keine Antwort.
Irgendwann wurde der Schacht weniger Steil und ich langsamer. Ich wusste, dass ich unten angekommen war und machte mich darauf bereit, zu fallen. Der Schacht wurde fast waagerecht und ich weniger schnell.
Dann mit einem Mal hörte er auf und ich fiel wieder. Nur ein kleines Stückchen. Ich landete auf einem harten Untergrund und rolle mich ab.
Es war dunkel.
„Jayden?" fragte ich. Meine Stimme zitterte.
„Ja" antwortete er leise.
Ich schwieg.
„Wir müssen hier raus. Hilfst du mir mal?"
Ich nickte und lief auf seine Stimme zu. Schnell stieß ich gegen etwas und bückte mich. Meine Finger fühlten einen warmen Körper. Es war Lino.
„Ist er noch bei Bewusstsein?" fragte ich.
„Nein" antwortete er.
Jetzt war nicht die Zeit für Vorwürfe und Anklagen.
Zusammen hoben wir Lino hoch und trugen ihn durch die Dunkelheit. Ich hoffte, dass Jayden den Weg wusste, aber er schien sich recht sicher zu sein.
„Warum?" fragte ich leise in die Dunkelheit. Es dauerte bestimmt einige Minuten, bis Jayden antwortete.
„Ich war blind vor Wut und Hass. Ja Hass" er schwieg einen Moment. „Ich habe dich verraten Raven. Ich hätte zugesehen, wenn sie dich umgebracht hätten. Ich dachte, du seist tot."
„Ich dachte, du seist tot" meine Stimme zitterte.
„Ich" er ging nicht auf mich ein. „Ich habe einen zweiten Schuss gehört als sie mich wegbrachten. Fast hätte ich dich auch noch umgebracht. Nachdem ich deine Mutter allein durch meine Existenz getötet hatte."
„Tut es dir leid?"
„Das bringt ihr auch nichts mehr."
„Du hast mit deinem Bruder getauscht?"
„Getauscht? Er besuchte mich in meiner Zelle und ich schlug ihn nieder. Ich zog seine Klamotten an. Ich wurde er."
So einfach war es gewesen.
Sein größter Fehler und sein größter Triumph war seine Ähnlichkeit mit seinem Bruder.
Damals, auf dem Podest hatte wirklich Aiden geschrien.
„Ich dachte, du seist tot. Ich habe zwei Schüsse gehört." sagte Jayden wieder.
„Ich habe gespielt. Ich habe mit Kelu gespielt. Sie muss in die Luft geschossen haben. Sie hat mich gerettet. Nicht so wie du. Nein, du hast mich verraten."
„Es war deine Entscheidung gewesen, mitzukommen!" in seiner Stimme lag Wut.
„Du hättest mich abhalten können!"
„Hätte ich das?"
„Hast du es nicht wenigstens einmal versucht?"
Wir schwiegen. Es blieb still zwischen uns. Keine Freudentränen, weil wir uns wiedersahen. Freudentränen. Ich schnaubte. Dafür war zu viel passiert.
Ich war wütend, einfach nur wütend. Und traurig.
Wir legten den letzten Teil unserer Strecke zurück und bald erreichten wir eine Türe unter der ein bisschen Licht durchkam. Sie war offen und wir beide trugen Lino zusammen nach draußen.
Es schneite immer noch und auf dem Boden lagen mittlerweile zehn Zentimeter Schnee.
Ich wusste nicht, wo wir waren und schaute mich verwirrt um.
Es war ruhig. Keine Rebellen, wütende Menschen, oder Panzer.
„Wir sind im Stadtpark" erklärte Jayden mir. „Wenn du in diese Richtung gehst, kommst du zur U-Bahn Station." Er zeigte Richtung Süden. „Es sind keine Zehn Minuten. Ich habe auf einer Karte nachgeschaut."
„Du gehst?" fragte ich fassungslos.
Keine Schuld lag in seinem Blick „Ja"
„Und Lino?" frage ich.
„Der schafft das schon" antwortete Jayden und guckte mich mit seinen grünen Augen traurig an. Jayden lächelte leicht und murmelte nochmal „Der schafft das schon."
Jayden drehte sich um uns stapfte durch den Schnee in Richtung Norden.
„Du lässt mich wieder im Stich?" schrie ich ihm hinterher. „Nach allem, was wir erlebt haben?!"
Er zuckte mit den Schultern und ging weiter.
Wütend packte ich Lino an den Schultern und zog ihn durch den Schnee in Richtung Süden.
Unbändige Wut gab mir Kraft, nicht zusammen zu brechen.
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