Kapitel 24

Amalia Pov.:

Von einem nervigen Kitzeln im Gesicht geweckt, versuchte ich am nächsten Morgen mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen damit ich in Ruhe weiterschlafen konnte. Jedoch nahm ich, kaum das ich das tat, einen warmen Atem an meiner Hand wahr. Verschlafen blinzelte ich durch meine Augenlieder und sah als Erstes ein Büschel grauer Haare, die anscheinend die Quelle dieses kitzelns waren und dahinter verbarg sich das Gesicht von Undertaker.

Noch halb im Schlaf wie ich war störte ich mich nicht weiter an der Tatsache das der Bestatter vor mir lag und kuschelte mich stattdessen näher an ihn heran. Es war einfach so gemütlich, warm und sein Geruch umhüllte mich vollständig.
Kurz bevor ich wieder einschlief entschied sich mein Hirn doch noch die Situation zu begreifen. Erschrocken riss ich die Augen auf und war sofort hellwach.
Jetzt arbeitete mein Verstand auf hochturen und analysierte die Lage.

Ich zusammen mit Undertaker in einem Sarg, nah beieinander, sein Arm um meine Hüfte gelegt. anscheinend hatten wir die Nacht hier drinnen zusammen verbracht.
Soweit ich mich erinnern konnte war ich gestern auf dem Friedhof eingeschlafen.

'Scheiße, scheiße, scheiße!', dachte ich mir panisch. Das war so peinlich... Was sollte ich denn jetzt tun?
Ohne ihn aufzuwecken aus dem Sarg zu steigen schien unmöglich zu sein. Ihn aufzuwecken fand ich auch nicht so toll und mich schlafend zu stellen schien mir auch keine gute Lösung zu sein. Unüberlegter Weise streckte ich meinen Kopf etwas nach oben um vielleicht durch das Fenster sehen zu können wie die Sonne stand, damit ich dadurch ermitteln konnte wie spät es ist. Leider stieß ich mich dabei mit einem dumpfen Geräusch am Sargende. Innerlich fluchend presste ich meine Zähne zusammen um nicht vor Schmerz ein Geräusch von mir zu geben. Das einzig Gute war das ich jetzt etwas höher lag und mein Gesicht jetzt direkt gegenüber dem des grauhaarigen Shinigamis war.

In der Nacht war seine Robe ein ganzes Stück verrutscht und legte damit einen Teil seiner Haut frei.
Erstaunt stellte ich fest das er nicht nur eine Narbe im Gesicht, sondern auch weitere am Körper hatte. Ich konnte zwar nur einen Teil bis knapp unterhalb seines Schlüsselbeines sehen und ein Teil seiner Arme, aber das genügte um mir das Ausmaß der Narben vorzustellen.

Was ihm da wohl schlimmes wiederfahren war, das ihm solche Andenken verpasst hatte?

Gedankenverloren strich ich seinen Pony beiseite um ihn besser betrachten zu können. Er sah so friedlich aus wie er so schlief, sodass diese schlimmen Zeichnungen gar nicht zu ihm zu passen schienen.

Zögerlich streckte ich meine freie Hand aus und fuhr sanft eine der Narben nahe seines Halses nach.
Die Haut an der Stelle wirkte ein wenig rauer und unnachgiebiger.
Und doch entstellten sie ihn nicht oder machten ihn weniger attraktiv.
Die Narben passten perfekt zu seiner verrückten Art, obwohl ich mich fragte ob diese nur eine Art Maske war hinter der er sein eigenes Selbst versteckte oder ob er wirklich so war.
Sicher stimmte ein Teil von beidem. Zu mir war er sowohl verrückt als auch fürsorglich und freundlich und genau das liebte ich an ihn. Seine Art machte alles etwas heiterer, doch wenn es drauf ankam wurde selbst er ernst, dass hattr ich schon feststellen dürfen.
Lächelnd blickte ich wieder hoch in sein Gesicht und schnappte vor Schreck laut nach Luft.
Strahlendes grün-gelb traf auf trübes helles olivgrün. Undertaker war wach und jetzt da sich unsere Augen getroffen hatten traute ich mich gar nicht mehr wegzusehen. Keiner von uns machte auch nur Anstalten etwas zu sagen oder sich zu bewegen, bis mir auffiel das meine Hand immer noch auf seiner Brust lag. Peinlich berührt lief ich rot an und versuchte irgendwie die Lage aufzuklären: "Es.. i..ist nicht das wonach es aussieht!!!"

"Ach wonach sieht es denn aus?", konterte er mit einem breiten Grinsen.

"Also, ich.... Wir... Ähm... Ach verdammt noch eins! Ich hab dich beim Schlafen beobachtet und da sind mir deine ganzen Narben aufgefallen! Aber wieso haben wir eigentlich zusammen in einem Sarg geschlafen?!" Missmutig versuchte ich das Beste daraus zu machen, aber das offensichtliche konnte ich halt nicht verschleiern. Beschämt senkte ich meinen Blick wieder. Ungehemmt begann Undertaker über die Situation zu lachen, wobei ich die Vibration die dabei von seinem Brustkorb ausging deutlich an meiner Hand spüren konnte, die immer noch auf ebendiesem lag. Das machte es nicht unbedingt besser für mich, jedoch überraschte er mich ein weiteres Mal als er meine Hand festhielt, als ich sie wegziehen wollte.

Erstaunt blickte ich auf. Er hatte aufgehört laut zu Lachen und schaute mich nun lächelnd, fast schon fürsorglich oder liebevoll an.

"Amalia, egal was du denkst, in diese Lage hast du dich selbst gebracht. Du hast dich gestern nachdem du eingeschlafen bist so sehr an meine Robe gekrallt das ich keine andere Möglichkeit gesehen habe als mich zusammen mit dir schlafen zu legen."

Das machte natürlich Sinn, kurz überlegte ich ehe ich ihn geistesabwesend antwortete:
"Oh, ok. Und nenn mich bitte nur Lia, der volle Name geht mir mit der Zeit auf die Nerven."

Jedoch störte mich irgendetwas an der Situation und an den Worten die er gerade gesagt hatte und endlich kam ich drauf was es war. Sofort saß ich Kerzengerade im Sarg.

"Scheiße, ich hätte den Earl Bescheid geben sollen wenn ich weg blieb!", rief ich bestürzt. Das würde sicher ärger geben.

Da spürte ich wie sich eine Hand beruhigend auf meine Schulter legte und sich Undertaker wieder in mein Blickfeld schob: "Hihi, alles geregelt. Der Butler weiß Bescheid, auch das du erst heute Nachmittag zurückkommst und ich dich bringe."

Baff starrte ich ihn mit offenem Mund an. Wann hatte er denn das erledigt und wieso sollte ich erst am Nachmittag zurück, mit seiner Begleitung?

Mir schien das Fragezeichen förmlich über dem Kopf zu schweben weswegen Undertaker bei meinem Blick sich prustend vor Lachen zurück in den Sarg fallen ließ.

Gespielt beleidigt verschränkte ich die Arme und streckte mit einem "Pha" meine Nase in die Luft.

Das ließ ihn nur noch mehr nach Luft schnappen wie ein Fisch an Land, so schlimm war sein Lachanfall.
Ob dabei schon mal jemand erstickt war? Wenn nicht war der Bestatter neben mir vielleicht der Erste.
Konnte er überhaupt durch solche banalen Sachen sterben wie ersticken? Schließlich war er ein Todesgott. Neugierig wie ich war stupste ich ihn solange an bis er sich beruhigt hatte und mir seinen Kopf zuwendete.

"Duu Undertaker, können Shinigamis eigentlich sterben?", fragte ich ihn sofort direkt wie ich war.

Dieser sah mich etwas überrumpelt an ehe er antwortete:

"Nun ja, sterben können wir schon aber nur durch bestimmte Waffen wie z.B die Death Scythe, Dämonen- oder Engelswaffen und eine ganz bestimmte Krankheit. Die normalen Sachen die Menschen das Leben kosten können wie Blutverlust oder ersticken sind für uns nur schwächend bis in Extremfällen kurzzeitige Komaartige Vorkommnisse. Wieso willst du das wissen?"

Schulterzuckend wendete ich mich leicht von ihm ab: "Och nur so, ist ja vielleicht mal hilfreich. Wie wird man eigentlich zu einem Waschechten Todesgott?"

Gleich nachdem ich die Frage gestellt hatte bereute ich sie schon. Undertakers Miene verdunkelte sich augenblicklich und sein Blick ging ins Leere. Da hatte ich wohl einen wunden Punkt getroffen.

Ich wollte mich entschuldigen, doch kam er mir zuvor: "Willst du das denn wirklich auch wissen? Da ist nichts Spannendes dran und es ist nicht gerade die schönste Geschichte. Das ist ein ernstes Thema."

Bei der neue Stimmung war mir unbehaglich zumute und so versuchte ich sie etwas aufzulockern:

"Jup die Frage ist 'Todernst' gemeint. Oder ist sie so zum Sterben langweilig?"

Ich wusste dass diese Art des Humors schon an sich ziemlich flach war und er es auch in den falschen Hals bekommen könnte, aber anscheinend klappte es zumindest etwas.

Auf sein Gesicht stahl sich ein kleines schmunzeln, jedoch sah es eher traurig und verloren aus, als ob es seine wirkliche Gefühlswelt wiederspiegeln würde. Das Thema schien für ihn tatsächlich nicht leicht zu sein und doch erklärte er mir:

"Lia, denk aber nicht schlecht von uns wenn du das hier erfährst. Auch wir Shinigamis waren einst Mensch. Doch dadurch das wir Suizid begangen haben wurden wir zu Todesgöttern. Es ist eine Art Strafe für unsere Selbstgefälligkeit uns das Leben genommen zu haben. Bis in alle Ewigkeit verdammt zu arbeiten um die Seelen der Toten zu sammeln. Und falls wir doch sterben, was doch ziemlich oft vorkommt, bedeutet das das endgültige Ende für uns. Kein Himmel keine Hölle, wir hören einfach auf zu existieren."

Während er das aussprach, war sein Blick in unbestimmte Ferne gerichtet. Sein Blick spiegelte eine Traurigkeit, Last und Erschöpfung wieder, die ich nie im Leben gesehen hatte. Plötzlich wirkte er um Jahre älter und ich kam nicht drum herum mich zu fragen wie alt er eigentlich war. Geschätzt hätte ich ihn wenn er nicht seine skurrile Tour auflegte, auf mitte/ende 20.
Doch das war grad Nebensache, wichtiger war mir gerade eher das er immer noch diesen seltsamen Blick in den Augen hatte. Ich konnte nicht anders und umarmte ihn. Es schien ihm nichts auszumachen und er erwiderte sie sogar nach kurzer Zeit.

Als wir uns voneinander lösten hatte er wieder sein unverkennbares Grinsen aufgesetzt und hob mich schwungvoll aus dem Sarg.

Als er mir nachsprang glitten seine Haare wieder auf die gewohnte Stelle und seine Maske war wieder perfekt.
Mh, mehr würde ich heute anscheinend auch nicht von ihm erfahren.

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