96. Kapitel

Zusammengefasst war die Mission erfolgreich gewesen. Chaotisch, absolut gefährlich, riskant, planlos und teilweise waren sie wirklich nur knapp mit dem Leben davongekommen – aber sie war erfolgreich gewesen.

Liza apparierte sie nicht sofort zurück in Ivys Haus, wie abgesprochen. Stattdessen machten sie einen Umweg über einige Seitengassen in London, damit ihre Spur nicht verfolgt werden konnte und nachdem sie zuerst an drei verschiedene Orte appariert waren und einige Stücke zu Fuß gegangen waren, obwohl sie alle ziemlich müde und erschöpft von ihrem Abenteuer waren, kamen sie schließlich doch beim Haus von Agnes' Freundin an.

Agnes war Liza dankbar, dass sie nicht direkt appariert waren – sie wollte auf gar keinen Fall riskieren, dass Ivy etwas passierte. Die schwangere Frau war nicht nur ein Muggel und konnte sich dadurch nicht magisch wehren, sondern Agnes hatte Roger auch versprochen, dass sie auf sie aufpassen würde.

Sie hatte Ivy deswegen auch nicht allein zurück im Haus gelassen, sondern hatte Tonky aufgetragen an ihrer Stelle auf Ivy zu achten und die Hauselfe hatte das nur allzu gerne gemacht. Tonky mochte Ivy offenbar, obwohl Agnes sich nicht sicher war, ob die Hauselfe die Schwangere wirklich mochte oder ob sie nur so tat, als würde sie Ivy leiden können, um Agnes zu gefallen. Aber Agnes hatte schon das Gefühl, als wäre Ivy Tonky auch wichtig, immerhin war Ivy liebenswert und die Hauselfe half Seite an Seite mit dem Muggel im Haushalt. Als Agnes Ivy also mit Tonky zurückgelassen hatte, um sich in eine gefährliche Mission zu stürzen, hatte sie gewusst, dass Tonky für Ivy sterben würde, um sie zu beschützen.

Im Haus wurden sie schon von Ivy und Tonky erwartet, die sofort Tee vorbereiteten, obwohl Agnes nur noch in ihr Bett fallen wollte. Sie war erschöpft – das Adrenalin in ihrem Blut war verschwunden und sie fühlte, wie sehr sie sich in der Zeit der Gefahr angestrengt hatte. Sie hatte einen mächtigen Zauber ausgeführt – natürlich zerrte das an ihren Kräften und Agnes war durch Schlafmangel und Appetitlosigkeit sowieso andauernd erschöpft, aber im Kampf selbst hatte sie davon nichts gespürt. Erst danach verfolgte es sie.

Liza wollte sie zuerst alle ins Bett schicken – alle waren sie müde und konnten zusammen kaum noch einen klaren Gedanken fassen, aber Konstantin bestand darauf, dass sie sofort ihre Geschichten austauschten und nicht warteten.

Tia erzählte also, wie sie ins Ministerium gegangen war und wie die Auroren sie festgenommen und ohne Umwege zu den Gerichtsräumen gebracht hatte. Dort hatte sie Angelina Johnson getroffen, verkleidet durch einen Vielsafttrank, wie auch Konstantin, Sirius und Liza es gewesen waren. Angelina Johnson war im selben Jahrgang wie Agnes gewesen, aber in Gryffindor. Sie hatte Quidditch gespielt und war gut mit Fred und George befreundet gewesen. Agnes kannte sie und sie war genauso überrascht wie die anderen, zu hören, dass sie nicht die einzigen Einbrecher im Ministerium waren. Angelina war offenbar ebenfalls mit einer Mission im Ministerium gewesen – die Muggelgeborenen zu befreien. Zufällig war es wohl derselbe Tag gewesen, den sich auch Agnes und die anderen ausgesucht hatten.

Tia erzählte auch, wie sie Hermine Granger erkannt hatte. Hermine Granger, die ebenfalls Vielsafttrank genommen hatte – Agnes fragte sich, ob sie wirklich die einzige war, die es nicht geschafft hatte, die Zutaten für einen Vielsafttrank aufzutreiben, aber vermutlich hätten sie mit mehr Zeit ebenfalls die Zutaten auf dem Schwarzmarkt bekommen.

Tia war dann von Umbridge und Yaxley, dem Todesser, der im Ministerium Stellung bezogen hatte verhört worden, aber sie war stolz auf sich, als sie erzählte, wie frustriert die beiden Ministeriumsarbeiter mit ihr gewesen waren.

Später waren noch Konstantin und Harry Potter gekommen und sie waren geflohen, als Harry Umbridge lähmte und Konstantin dasselbe mit Yaxley machte. Zusammen mit den Muggelgeborenen, die an diesem Tag verhört werden sollten, konnten sie entkommen und auf dem Weg nahmen sie auch noch Katie Bell – ebenfalls eine Quidditchspielerin und eine von Tias besten Freundinnen – und Ron Weasley mit, die ebenfalls verkleidet im Ministerium gewesen waren.

An dieser Stelle brauchte Konstantin eine kurze Pause, als er beinahe schon wie ein Wahnsinniger zu lachen begann und sie einfach nicht mehr beruhigen konnte. Agnes konnte es ihm nicht verübeln – wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass an einem Tag gleich drei Gruppen separiert voneinander ins Ministerium einbricht. Es war nahezu lächerlich, aber vielleicht war dieser Zufall eine Komponente gewesen, dass sie überhaupt überlebt hatten.

Konstantin und Liza hingegen waren zuerst zum Büro des Zaubereiministers gegangen und sie wollten nicht genau erzählen, was im Büro passiert war, aber offenbar hatten sie das Büro zerstört und es hatte damit geendet, dass Liza den Minister bewusstlos geschlagen hatte und sie diese seltsamen Akten gefunden hatten, die Konstantin unbedingt haben wollte.

Konstantin hatte die Akten sicher in seiner Manteltasche verstaut gehabt und Agnes bemerkte, dass er immer wieder danach griff, wie um sicher zu gehen, dass sie noch bei ihm waren. Bisher hatte er sie noch nicht gelesen, aber Agnes wusste, dass er nur darauf wartete, dass er einen Blick darauf werfen konnte, um zu sehen, für was er überhaupt sein Leben riskiert hatte und für was der ehemalige Zaubereiminister, Rufus Scrimgeour gestorben war.

Während Liza auf Agnes und Sirius im Atrium gewartet hatte, war Konstantin nach unten gegangen, um Tia abzuholen.

Als Agnes und Sirius erzählten, was sie erlebt hatten, herrschte schon beinahe Stille.

„Ihr habt Remus getroffen?", fragte Tia lächelnd, „Wie geht es ihm?"

„Er hat sich natürlich Sorgen um dich gemacht, Baby-Lupin", sagte Sirius, „Und wahrscheinlich hat er gedacht, er dreht durch, als er Agnes und mich gesehen hat. Du hättest sein Gesicht sehen sollen."

„Wie sehen unsere Pläne für die Zukunft aus?", fragte Agnes und stand auf, verschränkte die Arme vor der Brust und sah die anderen schon beinahe herausfordernd an.

„Wir sind gerade erst zurückgekommen und du willst dich schon wieder in die nächste Schlacht stürzen?", fragte Sirius lachend, aber das Lachen klang besorgt und unsicher.

„Hast du andere Pläne? Wir können natürlich erst einmal herumsitzen und nichts tun, aber ich persönlich würde das als eine Zeitverschwendung empfinden", verteidigte sich Agnes.

„Ich hasse es, meine Zeit zu verschwenden", meinte Liza, „aber zuerst einmal sollten wir uns ausruhen – auf jeden Fall diese Nacht. Wir schmieden keine Pläne, denken nicht nach, welches Ministerium wir als nächstes zerstören oder welchen Kampf wir als nächstes ausfechten müssen – wir ruhen uns einfach nur aus. Das ist ein Befehl von eurer Heilerin!"

„Oh...", machte Tia enttäuscht, „Ich hätte nämlich einen Vorschlag gehabt... aber... ich kann es auch Morgen in der Früh sagen."

Liza sah an und schien einen Moment lang nachzudenken, bevor sie seufzte und den Kopf schüttelte.

„Nein, Tia... ich hasse es, Zeit zu verschwenden. Am besten, du sagst es jetzt gleich", sagte Liza sanft.

Tia lächelte fröhlich. „Wir haben Angelina und Katie getroffen und nach dem, was sie zu mir gesagt haben, sind sie noch mehr – noch mehr Leute, die sich gegen Ihr-Wisst-Schon-Wen stellen. Sie haben mich eingeladen, sie morgen zu Mittag zu treffen – sie haben mir einen Zettel mit einer Adresse gegeben."

„Und du willst sie sehen?", fragte Konstantin nachdenklich.

Tia nickte eilig. „Ich habe das Gefühl, als könnten wir ihnen trauen und es kann nicht schaden, sie zu treffen, oder?", Tia blickte sich unsicher um, „Ich meine... sie verfolgen dasselbe Ziel, wie wir. Vielleicht können wir ihnen helfen... vielleicht können sie uns helfen... Vielleicht könnten sie uns auch nur Sachen sagen, die wir noch nicht gewusst haben. Aber... wir müssen nicht hingehen, wenn ihr nicht wollt. Ich... ich würde sie nur sehr gerne wiedersehen..."

Konstantin und Liza tauschten besorgte Blicke aus und schienen eine stumme Unterhaltung zu führen, aber Agnes wusste, woran sie dachten. Es war ein Risiko, jemanden außerhalb der Gruppe zu vertrauen. Sie konnten sich nie sicher sein, ob sie wirklich auf ihrer Seite waren oder ob sie einen bei der ersten Gelegenheit ein Messer in den Rücken rammen würden. Aber es bedeutete Tia wirklich viel und Tia vertraute Angelina und Katie. Außerdem hatten die beiden geholfen, die Muggelgeborenen zu befreien, also konnte man ihnen wohl ein bisschen trauen.

„Ich werde dich begleiten", sagte Agnes schließlich bestimmt und blickte zu Tia, „Ich hab es zwar nicht gerne, dass andere erfahren, dass ich noch lebe, aber wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dann begleite ich dich dorthin, damit du nicht alleine gehen musst."

Tia begann zu strahlen und stand von ihrem Stuhl auf, um zu Agnes zu rennen und sie fest zu umarmen. Agnes zuckte von der Berührung zusammen, riss sich aber zusammen und umarmte Tia zurück.

„Danke", wisperte Tia leise und ließ sie wieder los.

„Oh, nein, ich lasse euch beiden Ladies sicher nicht alleine", bestimmte Sirius lächelnd, „Remus würde mich umbringen, wenn ich nicht ein Auge auf seine beiden behalten würde."

„Wir sollten die Gruppe nicht auflösen", meinte Konstantin.

„Wir kommen auch mit euch", versprach Liza, „Im Moment haben wir sowieso keine anderen Pläne."

„Also werden wir zu diesem Treffen gehen und mal sehen, ob wir ihnen vertrauen können", sagte Konstantin, „Wenn es funktioniert, dann... super – wenn nicht, dann hinterlassen wir eben noch mehr Chaos und ziehen weiter."

„Klingt nach einem Plan", lächelte Tia, „Danke."

„Packen wir unsere Sachen – morgen in der Früh reisen wir ab", schlug Liza vor und erst da bemerkte Agnes, dass sie das Haus endgültig verlassen würden. Auf der einen Seite war sie froh darüber, immerhin brachten sie mit ihrer bloßen Anwesenheit Ivy in Gefahr, aber auf der anderen Seite war das Haus ein zu Hause geworden und es brachte etwas Normalität in ihr Leben. Ein ganz normales Muggelhaus in einer Muggelstraße mit ihrer Muggelfreundin.

Die kleine Versammlung löste sich auf und sie verteilten sich, um ihre Sachen zu packen, aber Agnes' Weg führte sie zuerst ins Wohnzimmer, in dem Ivy und Tonky beisammen saßen und Tee tranken. Die Hauselfe und der Muggel saßen zusammen wie Freundinnen – als wäre es ganz normal und Agnes lächelte bei dem Anblick.

Ivy und Tonky blickten auf und sofort sprang die Hauselfe auf und verbeugte sich leicht vor Agnes.

„Fühlt die Herrin sich wohl?", fragte Tonky lächelnd, „Bestimmt ist die Herrin nach diesem Tag erschöpft."

Agnes war tatsächlich erschöpft und sie freute sich schon darauf, endlich dieses schreckliche Kleid auszuziehen und endlich wieder wie sie selbst auszusehen, nach einer wohlverdienten Dusche, aber das Packen und Duschen musste noch warten – sie hatte noch etwas zu erledigen.

„Alles ist gut, Tonky, danke", winkte Agnes ab, „Ich wollte mich euch reden – mit euch beiden."

„Ist alles in Ordnung?", fragte Ivy nun auch.

Agnes nickte und setzte sich zu Tonky und Ivy. „Wir gehen morgen – dann hast du uns endlich los", lachte Agnes, aber Ivy sah überhaupt nicht glücklich darüber aus.

„Ihr geht?", wiederholte sie, „Aber... ihr wisst, dass ihr gerne bleiben könnt. Mein Haus ist auch euer Haus."

„Das wissen wir, Ivy, danke", bestätigte Agnes, „Aber du musst verstehen, dass wir gesuchte Verbrecher sind und wir dich und das Baby in Gefahr bringen. Außerdem ziehen unsere Pläne uns weiter."

„Ich werde dich vermissen", seufzte Ivy und zog Agnes in eine Umarmung. Agnes klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken.

„Ich werde dich auch vermissen, Ivy", gestand Agnes. Am liebsten hätte sie zu Ivy gesagt, dass es kein Abschied für immer sein würde. Sie hätte so gerne gesagt, dass sie sich wiedersehen würden, aber das konnte sie nicht. Sie konnte nicht etwas versprechen, das sie vielleicht nicht halten konnte.

Zu groß war die Gefahr, dass Agnes umgebracht wurde – sie wollte Ivy nicht versprechen, sie wiederzusehen, nur um sie erst wieder auf ihrer eigenen Beerdigung zu sehen.

Als Ivy Agnes wieder losließ, wandte Agnes sich an Tonky, die ebenfalls traurig zu Ivy blickte.

„Tonky", begann Agnes lächelnd, „Bist du glücklich hier?"

„Tonky versteht nicht, Herrin", entschuldigte sich Tonky.

„Ich frage mich, ob du glücklich hier bei Ivy bist", wiederholte Agnes die Frage geduldig, „Konstantin, Liza, Sirius, Tia und ich – wir gehen morgen, aber... ich habe mich gefragt, ob du lieber hierbleiben würdest."

Tränen sammelten sich in Tonkys Augen und für einen Moment war Agnes erschrocken – hatte sie etwas Falsches gesagt. Aber Tonky lächelte gleichzeitig, also waren es vielleicht Freudentränen.

„Die Herrin fragt Tonky, ob sie glücklich ist?", wiederholte Tonky, „Tonky ist so glücklich, wie noch nie, dank der Herrin."

„Du könntest hier bleiben", schlug Agnes vor, „Du könntest ein Auge auf Ivy haben – sie ist schwanger und das Baby wird in den nächsten paar Monaten kommen. Sie braucht jemanden, der auf sie aufpasst und dann auch auf das Baby. Sie braucht jemanden, der an ihrer Seite ist und sie verteidigt. Ich weiß, ich verlange viel von dir, Tonky, aber kannst du diejenige sein?"

Tonky nickte, sodass ihre großen Ohren schlackerten. „Natürlich, Herrin!", rief Tonky stolz, „Tonky wird auf Miss Ivy aufpassen – für die Herrin. Tonky würde das mit Ehre und Stolz erfüllen."

Agnes blickte zu Ivy. „Wäre das in Ordnung für dich?", fragte Agnes sie.

Ivy nickte ebenfalls. „Ich würde mich freuen", bestätigte sie, „Ich mag Tonky."

„Und Tonky mag Miss Ivy", versprach Tonky und wischte sich eine Freudenträne aus dem Gesicht, „Aber Tonky macht sich auch um die Herrin Sorgen."

„Deine Sorge rührt mich, Tonky, aber man kann mir nicht helfen. Man kann nicht auf mich aufpassen", sagte Agnes ernst, „Du würdest mir am meisten helfen, wenn du auf Ivy ein Auge hättest. Selbst, wenn ich nicht mehr bin."

„Tonky dient der Herrin und ihrer Freundin", sagte Tonky und schlug sich stolz mit der Hand auf die Brust, „Niemals würde Tonky die Herrin verraten."

„Ich würde dich auch nie verraten, Tonky", versprach Agnes, „Wir sind Freundinnen."

„Freundinnen?", wiederholte Tonky und probierte das Wort aus, „Tonky hat noch nie eine Freundin gehabt. Tonky gefällt das. Tonky würde für ihre Freunde sterben."

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