9. Kapitel
Erleichtert verließ Agnes am nächsten Morgen den Krankenflügel vollkommen ausgeruht und bereit den Sonntag zu genießen. Es war gerade Zeit fürs Frühstück – sie war eher selten wach, wenn es Frühstück gab, aber sie beschloss trotzdem in die Große Halle zu gehen. Nachdem sie am Vortag zu Abend nichts gegessen hatte, hatte sie doch ein wenig Hunger – noch etwas, das eher selten vorkam.
Fred war schon in der Großen Halle bei George und Lee Jordan, die ihn beide neugierig ausfragten.
„Jetzt erzähl schon – irgendwo bist du gestern Abend gewesen!", bat George ihn, aber Fred war sich unsicher, ob er es erzählen wollte.
„Ich...", begann er unsicher und beschloss dann doch, dass George und Lee mit der Information umgehen konnte, „Ich bin bei Agnes gewesen – sie hat sich beim Spiel gestern den Arm gebrochen."
„Agnes? Wie in – Agnes Tripe?", fragte Lee nach.
„Kennst du noch eine andere Agnes, die Quidditch spielt?", antwortete Fred ihm ironisch.
„Und du hast beschlossen sie im Krankenflügel zu besuchen?", fragte George immer noch nicht ganz überzeugt. So kannte er seinen Bruder gar nicht.
„Ja, ich denke schon. Ich habe sie davor getroffen und ich wollte nach ihr sehen, ob sie wirklich ihren Arm behandeln lassen hat", überlegte Fred und wurde knallrot.
George musterte ihn von oben bis unten. Jetzt verstand er. So hatte er seinen Zwilling noch nie erlebt, aber er kannte die Symptome und er wusste nicht, was er davon halten sollte.
„Du stehst auf sie?", fragte George und hob eine Augenbraue. Fred wurde noch roter, wenn das überhaupt möglich war und schüttelte schnell den Kopf – zu schnell für Georges Geschmack.
„Nein!", rief Fred, „Das nicht, aber vielleicht finde ich sie ganz nett!"
„Oh, Mann", bemerkte Lee, „den hat es ja erwischt."
„Er hat ein Faible für Agnes", bestätigte George.
„Ist scharf auf sie."
„Hat eine Schwäche für die Treiberin."
„Ist verrückt nach dem Ravenclaw-Mädchen."
„Ist versessen auf Agnes."
„Total wild auf sie."
„In ihrer Nähe entbrennt das Feuer der Leidenschaft in ihm."
„Er lässt sich von ihrer Schönheit hinreißen und geht verloren in der Ewigkeit der Liebe."
„Ich habe es verstanden!", unterbrach Fred die beiden, bevor sie noch weitere Phrasen sagen konnten.
„Also gibst du es zu?", grinste Lee.
Fred wurde knallrot und schüttelte wieder den Kopf: „Nein, das tu ich nicht!"
In diesem Moment kam Agnes Tripe durch die Türen der Großen Halle und sie sah, obwohl sie die Nacht im Krankenflügel verbracht hatte, gut aus, wie Fred fand. Ihre weißblonden Locken waren wie immer wild und ungekämmt und ihre Haut war edel und bleich.
Irgendwie hoffte er, sie würde in seine Richtung kommen oder ihm irgendwie ein Zeichen geben, dass sie ihn bemerkt hatte, aber stattdessen huschten ihre eisblauen Augen einfach über ihn und fielen auf ihre Freunde am Ravenclawtisch, denen sie sofort glücklich winkte und sofort zu ihnen ging.
Ihr Arm war dick verbunden und Fred sah wieder die seltsamen Narben, aber er wusste immer noch nicht, was sie waren, aber er vergaß es schon bald, als er sah, wie Agnes Roger Davies, den Kapitän der Ravenclaws umarmte und sich neben ihn setzte. Irgendwie spürte er einen Stich der Eifersucht in seiner Brust, als er das sah, wie einen Wespenstich direkt in sein Herz.
„Dein Herz ist entflammt in den Feuern der Leidenschaft", wisperte George ihm plötzlich ins Ohr und Fred zuckte zusammen, begann dann aber zu lachen und scherzhalber leicht auf George einzuschlagen.
Sie setzten sich an den Gryffindortisch, aber Fred sah doch immer wieder zu Agnes – vielleicht hatten Lee und George ja doch recht, denn sein Herz fühlte sich so an, als wäre es entflammt in den Feuern der Liebe.
Die Weihnachtsferien standen kurz bevor, was die Lehrer nicht davon abhielt, Hausaufgaben zu geben – es war geradezu so, als würden sie extra viel aufgeben.
Wenn Agnes nicht gerade dabei war zu lernen oder Aufsätze zu schreiben, hatte sie Quidditchtraining. Es war Roger, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Team jedes Mal so auszulaugen, dass sie letztendlich todmüde ins Schloss zurückkehrten, aber das Spiel gegen Slytherin war schon nah und Roger – sowie auch die anderen Spieler wollten es unbedingt gewinnen.
„Zehn Runden um den Platz und dann wird gedehnt!", schrie Roger und rannte schon vor, während die restlichen Teammitglieder hinter ihm herrannten.
„Er ist wahnsinnig geworden", keuchte Cho schon nach der dritten Runde. Agnes spürte noch nicht viel von der Anstrengung, sie hatte häufig trainiert, aber sie wusste, dass selbst für sie zehn Runden viel waren. Ihr Arm war beinahe vollkommen geheilt und Madam Pomfrey hatte ihr eigentlich verboten auch nur in die Nähe eines Schlägers zu kommen, aber sie musste trainieren, wenn sie gegen Slytherin gewinnen wollten.
„Es ist gegen Slytherin", antwortete sie Cho kurz und knapp, lieber würde sie sich auf das Laufen konzentrieren, aber das jüngere Mädchen hielt noch nicht die Klappe: „Cedric hat mir erzählt, er würde mit seinem Team nicht mehr nur auf den Besen trainieren und sich mehr auf die Theorie konzentrieren, als auf Ausdauer."
„Wir haben ja auch gegen sie gewonnen", bemerkte Agnes leicht genervt und erhöhte ihre Geschwindigkeit, sodass sie direkt hinter Roger rannte, der selbst ein ordentliches Tempo hatte.
Nach den zehn Runden blieb Agnes keuchend stehen und stützte sich auf ihren Knien auf, während auch die restlichen langsam eintrudelten, aber nicht besser aussahen, als sie.
„Okay Leute", auch Roger hörte sich leicht außer Atem an, „Dehnen! Kommt schon! Ihr könnt euch nach dem Training ausruhen! Jetzt wird trainiert!"
Nach dem Dehnen, dem zweiten Aufwärmen und den Muskelübungen setzten sich alle schlussendlich doch noch auf ihre Besen, aber sie waren schon so müde, dass sie beinahe alle herunterfielen!
„Wenn wir ein ordentliches Spiel spielen, dann könnt ihr gehen!", versprach Roger, aber es dauerte ewig, bis er es als ein „ordentliches Spiel" akzeptierte. Zuerst passte ihm nicht, dass Grant einen Quaffel durchgelassen hatte und startete es neu, dann dauerte es ihm zu lange, bis Cho den Schnatz gefangen hatte und es begann von vorne, dann fiel Randy beinahe vom Besen, weil er einen Ball von Roger fangen wollte und dabei beide Hände verwenden musste, sodass sich der müde Junge nicht mehr nur mit den Beinen am Besen festhalten konnte – Duncan kam ihm zur Hilfe und bewahrte ihn vor einem Absturz.
Es wurde langsam dunkel – es war Winter und immer früher ging die Sonne unter. Schon seit den Morgenstunden trainierten sie – kein Mittagessen für die Spieler und die Laune wurde immer schlechter.
Vor Wut schoss Duncan blind einen Klatscher in irgendeine Richtung ohne zu zielen. Im selben Moment erblickte Cho den Schnatz und schoss blindlings darauf zu.
Agnes erkannte die Gefahr und stellte sich zwischen der Sucherin und dem Klatscher, der sie mit einer Wucht traf, dass es sie vom Besen warf. Sie fiel mehrere Meter auf den Boden und kam dort schmerzvoll auf.
Mit schmerzendem Rücken stand sie auf und griff nach ihrem Besen bereit ihn Roger über den Kopf zu ziehen, so wütend war sie. Sie war so wütend, dass die Müdigkeit wie weggeblasen war.
„Davies!", es kam selten vor, dass sie ihn so nannte und Roger wusste, er hatte einen Fehler gemacht. Langsam flog er zu ihr hinunter auf den Boden, während sie sich streckte und ihre aufgeschürften Hände betrachtete, aber sich das Blut einfach in ihre Uniform schmierte.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Roger leicht eingeschüchtert von dem zornigen Gesicht seiner besten Freundin.
„Sehe ich in Ordnung aus?", fragte sie laut und schrie ihm dann ins Gesicht: „Sehen die anderen in Ordnung aus? Stundenlang – ohne Essen, kaum etwas zu Trinken und kaum Pausen! Bist du endgültig wahnsinnig geworden oder bist du wirklich so dämlich, dass du denkst, uns zu Tode trainieren zu müssen, würde unsere Chancen gegen Slytherin zu gewinnen erhöhen?"
Roger sagte nichts, sondern sah nur schuldbewusst zu Boden.
Agnes funkelte ihn noch einmal wütend an, bevor sie sich an die anderen wandte: „Es ist Zeit fürs Abendessen! Das Training ist beendet!"
Es lag so viel Autorität in ihrer Stimme, dass niemand auf Roger schaute, ob er damit einverstanden war – jeder war zu müde.
Die meisten Schüler saßen schon an ihren Haustischen und aßen, als die Ravenclawmannschaft geradezu durch die Tore donnerte und es wurde still, als jeder die müden, dreckigen, verschwitzten Spieler sah – besonders Agnes, die auch noch jeden, der sie irgendwie falsch ansah, mit einem Todesblick durchbohrte.
Agnes ließ sich auf dem Ravenclawtisch nieder und sah auf die Auswahl an Essen, aber sie hatte nicht wirklich Hunger – sie war nur müde.
„Was ist mit euch? Wo ward ihr den ganzen Tag?", fragte Janet und musterte die Spieler.
„Roger hat uns drangehalten", erklärte Agnes kurz und knapp.
Janet nickte verständnisvoll. Agnes merkte, wie sie immer wieder beinahe einnickte und sie überlegte sich sogar, ob sie einfach auf dem Tisch schlafen sollte, aber dann stand sie doch lieber auf und verließ die Große Halle.
Leider kam sie nicht ohne ungewollte Begegnungen hinaus und sie sah schon von Weitem Fred Weasley, der genau in ihrem Weg stand und ihr schon zuwinkte, als er sie kommen sah. Agnes seufzte leicht genervt und begrüßte ihn mit einem unfreundlichen: „Was ist?"
„Du siehst schrecklich aus", bemerkte Fred hilfsbereit, aber es half auf gar keinen Fall dabei, Agnes Stimmung zu bessern.
„Du bist ja richtig ein Charmeur, Weasley", bemerkte Agnes patzig, „Geh mir jetzt bitte aus den Weg, bevor ich dich dazu zwinge."
„Wie willst du mich dazu zwingen?", fragte Fred grinsend, er konnte nicht wirklich glauben, dass dieses kleine Mädchen ihm irgendetwas tun konnte, als sie ihm plötzlich ohne Scham und ohne zu Zögern gegen das Schienbein trat und Fred sprang zum Teil vor Schreck zum Teil vor Schmerzen zur Seite und sprang auf seinem heilen Bein herum, während er das andere mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt.
Agnes stürmte einfach ohne Mitleid zu zeigen an ihm vorbei und ließ ihn mit Tränen in den Augen zurück.
„Sie hat dich wohl gezwungen, Freddy", bemerkte George belustigt und Fred brachte heraus: „Halt die Klappe, George!"
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