89. Kapitel

Agnes hoffte, sie fiel nicht allzu sehr auf. Sirius konnte sich wenigstens als Hund tarnen und saß zu ihren Füßen, während sie selbst schon beinahe zu auffällig war mit ihrer typischen Hexenkleidung.

Tonky selbst war auch nicht sonderlich unauffällig. Hauselfen waren in der Muggelwelt generell nicht sonderlich unauffällig, deswegen versteckte sie sich ein bisschen vor Agnes und verbarg sich in ihrer Kleidung, damit kein vorbeigehender Muggel sie sehen konnte.

Deswegen sollten sie wohl schnell dafür sorgen, dass sie irgendwo in ein sicheres Gebäude kamen, fern von neugierigen Blicken.

Es war eine typische Muggelgegend, das wusste Agnes. Vermutlich lebte kein einziger Zauberer in dieser Straße, aber sicher konnte sie nicht sein.

Sie sollten schnell Zuflucht finden, aber bis jetzt hatte Agnes sich noch nicht getraut, an der Tür zu klingeln. Was würde passieren, wenn sich die Tür öffnete? Würde überhaupt jemand da sein?

Sirius stupste sie an und forderte sie so stumm dazu auf, endlich zu klingeln, also tat Agnes das auch.

Der helle Ton klang im Haus und Agnes hörte, wie Schritte näher zur Tür kamen – wenigstens war jemand da.

Schlösser wurden gelöst und die Tür geöffnet.

Ivy Taka, Rogers Freundin blickte schüchtern aus einem Türspalt nach draußen und erkannte Agnes sofort, die sie schüchtern anlächelte, aber anscheinend nicht freundlich genug, denn Ivy schlug sofort wieder die Tür vor ihrer Nase zu.

„Verschwinde!", schrie sie schrill, „Geh weg!"

„Ivy", versuchte Agnes sanft auf sie einzureden, „Bitte... ich muss mit dir sprechen."

„Ich will aber nicht mit dir sprechen!", erwiderte Ivy laut, „Ich will nie wieder etwas mit einem von euch zu tun haben."

Sirius winselte neben Agnes. Sie hatte mit so einem Szenario schon gerechnet, aber es war nur eines von vielen Szenarien gewesen, die sie sich ausgemalt hatte und es war ihr das unliebste gewesen, was hätte passieren können.

„Ivy... bitte... lass es mich wenigstens erklären", seufzte Agnes geschlagen, „Ich habe es ihm versprochen. Ich will nur reden – dann können wir auch gleich wieder gehen."

Kurz war es still und Agnes lehnte erschöpft ihre Stirn gegen die Tür. Ivy würde sie nicht hineinlassen. Was hatte sie auch erwartet? Für Ivy war es wahrscheinlich so, als wäre Roger einfach weggegangen. Für Ivy war Roger vielleicht gar nicht tot. Wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, dass ihr Freund tot war und lebte mit dem Glauben, dass er sie verlassen hatte. Wie konnte Agnes ihr dann böse sein?

Plötzlich öffnete sich die Tür wieder und Agnes fiel beinahe ins Haus hinein, konnte sich aber noch fangen und blickte auf.

Ivy hatte sich verändert. Sie wirkte müde und ihre Augen hinter der Brille mit dicken Gläsern waren gerötet, als hätte sie gerade geweint. Ihre dunklen Locken waren nass – wahrscheinlich hatte sie gerade geduscht und sie trug bequeme Kleidung, die man in der Sicherheit seines eigenen zu Hause trug.

Außerdem war sie dick. Nicht mehr mollig, sondern eindeutig dick, aber das war auch kein Wunder, wie Agnes wusste, immerhin war sie schwanger.

Roger hätte ein Kind erwartet, wenn er nicht viel zu früh von dieser Welt gegangen wäre.

„Ivy", keuchte Agnes.

„Erkläre", befahl Ivy kühl, „Erkläre es mir, denn ich verstehe es nicht."

„Du solltest dich setzen", bot Agnes sanft an.

„Nein!", zischte Ivy wütend, „Erkläre es mir hier und jetzt, dann überlege ich mir vielleicht, ob ich dich hineinlasse. Erkläre mir, warum Roger nicht zurückgekommen ist! Erkläre mir, warum er mich schwanger zurückgelassen hat! Ich habe gedacht, er würde mich wirklich lieben! Ich habe gedacht, er würde sich wegen des Kindes freuen, aber stattdessen lässt er mich allein zurück! Ich verstehe es nämlich nicht!"

„Ivy", Agnes hob eine Hand, um sie beruhigend auf Ivys Schulter zu legen, aber diese zuckte zurück. Agnes seufzte, schaute Ivy in die Augen und überlegte sich fieberhaft, wie sie es ihr erklären sollte. Sie dachte daran, wie Roger gestorben war und der Schmerz des Verlustes kam wieder hoch. Sie hatte ihn verdrängt, da sie andere Probleme gehabt hatte, aber jetzt, da sie Ivy vor sich stehen sah und mit ihr das Kind, das Roger erwartet hatte, kam all der Schmerz zurück.

Roger war ihr bester Freund gewesen. Roger war immer für sie da gewesen. Roger hatte mit ihr Quidditch gespielt; sie hatte ihm von ihrer Kindheit erzählt; Himmel, sie hatte ihm sogar erzählt, dass sie ein Werwolf war. Das hatte sie sonst niemanden – nicht einmal Fred. Roger war immer ihr erster Anhaltspunkt gewesen und sie dachte zurück an all die Zeit, die sie zusammen in Hogwarts verbracht hatten – nicht lange genug.

„Ivy", begann Agnes wieder, „Roger ist... Roger ist tot..."

Ivy war still und sah Agnes ungläubig an. Agnes konnte in ihren Augen beobachten, wie zuerst Unglauben, dann Schmerz und schließlich Verzweiflung sie überkamen.

„Nein", wisperte Ivy und schlug eine Hand vor ihren Mund und schüttelte den Kopf, als könnte sie so rückgängig machen, was schon lange passiert war, „Nein, das ist nicht richtig. Das stimmt nicht!"

„Es tut mir so leid, Ivy." Tränen sammelten sich in Agnes Augen, „Er ist wegen mir gestorben. Ich bin da gewesen. Er ist fort. Er ist fort für immer."

„Du lügst!", kreischte Ivy verzweifelt und hielt sich ihre Ohren mit ihren Händen zu, als könnte sie so vergessen, was Agnes zu ihr gesagt hatte, „Nein! Das ist nicht möglich!"

Tränen rannen über die Wangen der beiden Frauen und Agnes spürte, wie Tonky beruhigend eine Hand auf ihren Oberschenkel legte. Agnes nahm Tonkys Hand in die ihre und drückte sie dankbar, ohne den Blick von Ivy wegzunehmen, die ebenfalls weinte und verzweifelt war.

Agnes wusste nicht genau, ob es ihr jetzt erlaubt war, Ivy zu berühren, aber sie hob wieder versuchshalber ihre Hand und legte sie auf Ivys Schulter. Die werdende Mutter zuckte nicht zurück, sondern ging noch einen Schritt weiter und umarmte Agnes.

Zuerst war Agnes mit so viel Körperkontakt überfordert, bevor sie ebenfalls ihre Arme um Ivy legte und Agnes fiel auf, dass das wohl die erste Umarmung seit Monaten war und ihr war gar nicht aufgefallen, wie sehr sie sich nach Körperkontakt mit anderen Menschen gesehnt hatte. Nach einer einfachen Berührung, einer Umarmung oder einem anderen Zeichen der Zuneigung. Alles, was sie in den letzten Monaten gespürt hatte, war Schmerz und Verzweiflung gewesen.

Es tat gut, Ivy zu umarmen und die beiden weinten in die Arme des anderen.

„Ihr solltet ins Haus gehen, Herrin", riet Tonky ihr nervös, „Feinde sind überall."

„Kommt rein", bot Ivy sofort an und zog Agnes mit sich, „Bitte – erzähl mir, wie es passiert ist."

Agnes sah sich um und achtete darauf, dass auch Sirius und Tonky ins Haus kamen, bevor Ivy wieder die Tür schloss und die Schlösser wieder verriegelte. Gegen Zauberer würden solche Muggelschlösser nicht viel bringen, aber wahrscheinlich fühlte Ivy sich so sicherer.

„Setz euch, setz euch", bot Ivy ihnen eilig an, nachdem sie sie ins Wohnzimmer geführt hatte und Agnes war froh, dass die Fenster so offen waren und der Raum hell beleuchtet. Sie spürte schon wieder ein seltsames Gefühl, als würde sie sich gefangen fühlen, obwohl sie wusste, dass sie frei war.

Agnes ließ sich auf das Sofa fallen und zuckte zusammen, als sie spürte, wie weich und bequem es war. Nach Monaten des auf-dem-Boden-schlafens war wohl alles bequem und weich.

Es roch nach Zimt und Blumen, die Agnes auf einem kleinen Tisch vor dem Sofa entdeckte – sie waren schon etwas älter und verblühten schon langsam. Sie ersten Blütenblätter fielen schon auf den Tisch.

Sirius legte sich vor Agnes auf den Boden auf einen weichen Teppich und schien für den Moment zufrieden zu sein. Er hatte sich noch nicht zurück verwandelt und dafür war Agnes dankbar. Es war schlimm genug, dass sie Ivy jetzt erst einmal erklären musste, wie Roger gestorben war, da musste sie nicht auch noch erklären, was ein ehemaliger, für tot erklärte, vermeidlicher Massenmörder in ihrem Haus zu suchen hatte.

„Soll Tonky einen Tee machen, Herrin?", fragte Tonky sie sanft.

„Das wäre nett, Tonky, danke", nickte Agnes und Tonky lächelte zufrieden, bevor sie sich ihren Weg in die Küche suchte. Sie war eine Hauselfe – bestimmt würde sie sich auch in diesem fremden Haushalt zurechtfinden.

„Ich kann das auch machen", bot Ivy hilflos an, als sie Tonky verwirrt hinterher sah.

„Ich glaube, Tonky fühlt sich im Moment besser, wenn sie etwas machen kann", erklärte Agnes leise, „Sie ist eine Hauselfe."

„Eine Hauselfe?", wiederholte Ivy, „Ich glaube, Roger hat mir einmal von ihnen erzählt – sie dienen Zauberern, oder?"

Agnes nickte als Antwort nur.

„Aber warum nennt sie dich„Herrin"? Ist sie deine Sklavin?", fragte Ivy leicht aufgebracht.

„Tonky hat uns das Leben gerettet", erklärte Agnes sanft, „Sie ist in den Diensten meiner Mutter gewesen, bis ich sie befreit habe. Jetzt folgt sie mir."

„Deine Mutter?", wiederholte Ivy, „Aber... ist sie... für Rogers Tod verantwortlich?"

Agnes musterte Ivy und versuchte sich an die Nacht zu erinnern, die sie lieber vergessen hätte. Es war erst ein paar Monate her, aber es schmerzte noch immer und lieber hätte Agnes diese Erinnerungen verdrängt, aber Ivy hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was passiert war.

Also erzählte sie, wie sie nach einer Vollmondnacht nach Hause gekommen war. Sie erzählte, wie sie dort schon erwartet worden war, wie Roger gekämpft hatte, aber wie er dann doch von Bellatrix Lestrange getroffen worden war.

Sirius knurrte an dieser Stelle gefährlich und Ivy warf dem großen, schwarzen Hund einen ängstlichen Blick zu, aber Sirius beruhigte sich schnell wieder, nachdem Agnes ihm einen warnenden Blick zuwarf.

„Er ist schmerzlos gestorben", erzählte Agnes, „Der Todesfluch bietet einen schnellen Tod. Keine Chance, zu überleben."

„Und ich habe gedacht, er hätte mich verlassen", schluchzte Ivy und verbarg ihr Gesicht wieder in ihren Händen, „Ich habe, so ignorant, wie ich bin gedacht, dass er gegangen ist. Ich habe gedacht, er würde das Kind doch nicht wollen und wäre einfach gegangen. Ich bin nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sie ihn gefangen genommen haben und umgebracht, obwohl alle seine Sachen noch hier gewesen sind. Ich bin so dumm gewesen –"

„Nein!", widersprach Agnes ihr scharf, „Nein, das hat nichts mit Dummheit zu tun. Es ist nur logisch, dass du nicht sofort daran denkst, dass er vielleicht tot ist. Wir verhindern es eher, daran zu denken, dass es unseren Liebsten schlecht geht."

„Wann ist es passiert?", fragte Ivy, „Er ist schon seit Monaten fort – zuerst habe ich gedacht, er bräuchte nur ein bisschen Abstand von all dem, aber dann ist er nach Tagen noch immer nicht zurückgekommen... wie lange haben sie ihn gefangen gehalten und... gefoltert?"

„Er ist vor drei Monaten gestorben", erklärte Agnes sanft.

„Aber... warum erfahre ich erst jetzt davon?", fragte Ivy.

„Meine Mutter und Bellatrix haben mich... entführt und eingesperrt. Erst gestern sind wir entkommen – dank Tonky."

„Das muss schrecklich gewesen sein", keuchte Ivy, „und ich wollte dich nicht hineinlassen."

„Der Tee, Herrin", rief Tonky, als sie mit einem Tablett wieder das Wohnzimmer betrat, auf dem drei Tassen mit Tee standen.

„Danke, Tonky", lächelte Agnes und nahm ihr eine Tasse ab, „Willst du nicht auch eine Tasse haben?"

„Nein, danke, Herrin", lehnte Tonky ab, „Tonky ist glücklich, wenn die Herrin glücklich ist."

„Ich bin sehr zufrieden, danke", bestätigte Agnes, „Sirius, willst du auch einen Tee?"

Sobald sie ihn direkt angesprochen hatte, verwandelte er sich direkt vor ihren Augen wieder in einen Menschen und Agnes war sich sicher, hätte Ivy schon eine Tasse in den Händen gehalten, hätte sie diese fallen gelassen, denn mit erschrockenem Blick beobachtete sie, wie der schwarze Hund zu einem Menschen wurde.

„Gegen einen Tee habe ich nie etwas", sagte Sirius munter und nahm sich eine Tasse vom Tablett, „Danke, Tonky."

„Was passiert hier?", fragte Ivy verwirrt, „Warum ist da plötzlich ein Mann in meinem Wohnzimmer?"

„Das haben sich schon erstaunlich viele Leute in meiner Umgebung gefragt", gestand Sirius heiter.

„Ivy, darf ich dir Sirius Black vorstellen", versuchte Agnes Ivy irgendwie zu beruhigen, „Er begleitet mich, seit wir zusammen aus dem Keller ausgebrochen sind."

„Sirius Black?", wiederholte Ivy, „Aber... ist er nicht tot?"

„Das haben sich auch schon ein paar in meiner Umgebung gefragt", erzählte Sirius verwirrt.

„Offenbar hat er doch überlebt", vermutete Agnes, „und nachdem du ihn ebenfalls sehen kannst, ist er wohl kein Produkt meiner Einbildung."

„War das wirklich ein Gedanke von dir?", fragte Ivy leicht verstört.

„Du wärst erstaunt, was ich mir schon alles eingebildet habe", murmelte Agnes und blickte einen Moment lang in die Ferne, bevor sie ihren Blick wieder auf Ivy fixierte, „Wir wollen dich nicht lange stören."

„Ihr stört doch nicht!", rief Ivy eilig und schien vergessen zu haben, dass sie erst davor Agnes nicht einmal in ihr Haus lassen wollte, „Bleibt doch, so lange ihr wollt."

„Ein verlockendes Angebot", zeigte Sirius mit einem vielsagenden Blick zu Agnes auf.

„Nein, nein, nein!", lehnte sie ab, „Ivy, wir beide sind gesuchte Leute. Wenn jemand erfährt, dass wir hier sind, dann werden sie kommen. Ich will nicht, dass dir etwas passiert."

„Mir passiert schon nichts", versprach Ivy, „Nur für ein paar Tage. Ihr seht alle müde aus – ich habe noch ein Gästebett oben und ich kann auf der Couch schlafen, dann kannst du mein Bett haben, Agnes."

„Ich will dich nicht in Gefahr bringen", wisperte Agnes und sah Ivy nicht in die Augen, „Ich habe es Roger versprochen."

Ivy nahm sanft Agnes' Hand. „Roger wollte aber bestimmt auch nicht, dass ich euch übermüdet und erschöpft aus dem Haus werfe", vermutete sie, „Schlaft hier, esst und... duscht vielleicht."

„Eine Dusche klingt wirklich fabelhaft", hauchte Agnes verträumt – sie wusste nicht einmal mehr, wie es sich anfühlte, sauber zu sein.

„Dann geh und dusche!", rief Ivy heiter, „Fühlt euch wie zu Hause. Habt ihr Hunger? Ich könnte etwas vorbereiten."

Eigentlich hatte Agnes gerade erst gegessen, aber sie wollte Essen auch nicht ablehnen. Es war Luxus für sie, mehrmals am Tag essen zu können und nur allzu gerne nahm sie das Angebot an.

„Gegen Essen haben wir auch nichts, denke ich", sagte Agnes lächelnd.

„Dann gehst du duschen – Sirius geht gleich nach dir", bestimmte Ivy, „Ihr stinkt beide."

„Danke", schnaubte Sirius, „Ich fühle mich in diesem Haushalt wirklich geliebt."

„Du wirst es schon überleben, Sirius", Agnes klopfte ihm auf die Schulter.

„Herrin, hat Tonky die Erlaubnis, Miss Ivy beim Kochen zu helfen?", bot Tonky an.

„Ich würde es auch alleine schaffen, Tonky", versprach Ivy sanft, „Bist du nicht auch müde? Du könntest dich ausruhen?"

„Tonky würde kein Auge zubekommen, mit dem Wissen, dass noch Arbeit zu tun ist", gestand Tonky heiter.

„Bestimmt freut sich Ivy über ein bisschen Hilfe", bestätigte Agnes, „Du kannst ihr gerne helfen, Tonky, wenn du das willst."

„Tonky will das", Tonky nickte mit ihrem Kopf und ihre großen Ohren schlackerten dabei.

„Dann gehe ich jetzt und dusche zum ersten Mal seit Monaten", hauchte Agnes überwältigt.

„Oben ist Kleidung von mir – du kannst dir gerne etwas davon nehmen", bot Ivy an, „Und ich habe auch alte Kleidung von Roger – er ist zwar ein bisschen größer... gewesen, als du, Sirius, aber vielleicht willst du trotzdem –"

„Saubere Kleidung ist im Moment perfekt", grinste Sirius, „Die Größe ist egal."

Agnes fühlte sich schon viel besser, als sie all den Dreck von ihrer Haut gekratzt hatte und sich endlich wieder sauber fühlte. Sie kämmte sich mit ihren Fingern durch die nassen Haare und entwirrte diese so gut sie konnte.

Ivys Kleidung hingen an ihrer dürren Gestalt herab – sie hatte noch mehr abgenommen, als das letzte Mal, als sie wenig zu essen gehabt hatte. Es war nicht mehr gesund und als Agnes ihr Spiegelbild im Bad betrachtete, erkannte sie das auch.

Auffällig war auch ihre neueste Narbe. Es waren die Worte, die ihre Mutter in ihre Haut geritzt hatte. Blassrote Narben hatten sich gebildet und bildeten nun das Wort „Abschaum" in der Handschrift ihrer Mutter.

Kurzerhand suchte Agnes sich aus den vielen Schubladen im Bad einen Verband und deckte das Wort einfach ab. Sie war kein Abschaum. Sie war Agnes Tripe – sie war besser, als das.

Als sie aus dem Bad trat, wartete Sirius schon dort.

„Du siehst schon wieder viel besser aus", lobte er sie heiter, obwohl Agnes wusste, dass sie noch immer schlimm aussah.

„Du weißt gar nicht, wie angenehm es ist, endlich wieder sauber zu sein", seufzte Agnes zufrieden, „Ich liebe Zivilisation."

„Wer nicht?", fragte Sirius, „Wir sollten uns dann unsere weitere Vorgehensweise überlegen. Es wäre praktisch zu wissen, was alles passiert ist."

„Das wäre tatsächlich praktisch", stimmte Agnes ihm zu, „Aber zuerst gehe ich essen."

„Ich merke schon, wo deine Prioritäten sind", schnaubte Sirius und ging ins Bad.

Wo waren Agnes' Prioritäten? Das wusste sie selbst nicht wirklich. Ihre Priorität war es, ihre Mutter umzubringen – alles andere kam danach.

Zuerst einmal musste Agnolia Tripe sterben und wenn Agnes selbst dafür sterben musste, dann nahm sie das gerne in Kauf.

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