87. Kapitel
Die Sonne schien und Agnes blinzelte, als das ungewohnte Licht auf ihre Augen traf.
Das war Gras unter ihren Füßen.
Die waren so wund und vernarbt, dass sie kaum noch etwas spürte, aber da war doch dieses vertraute Kitzeln an den Füßen. Das Gras war weich und Agnes hatte vergessen, wie es roch. Sie hatte vergessen, wie der Himmel aussah und als sie ihren Blick nach oben richtete, blieb ihr für einen kurzen Moment der Atem weg, als sie dieses wunderschöne Blau dort oben sah.
Und dort war auch die Sonne. Sie schien, als wäre Agnes nie weg gewesen und wärmte ihre Haut – es war warm.
Eine leichte Brise spielte mit Agnes' Haaren und ließ die Blätter in den Bäumen rascheln – sie waren in einem Wald und Agnes schaute sie schon beinahe gierig um, um jede einzelne Farbe in sich aufzunehmen.
„Wie lange bist du dort gefangen gewesen?", fragte sie Sirius und Agnes zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte.
Sie hatte erwartet, dass er verschwinden würde, immerhin war sie davon ausgegangen, dass er nur eine weitere ihrer Einbildungen war. Sirius Black war tot – er war schon vor über einem Jahr gestorben, da war sie sich sicher. Sie hatte zwar keine Leiche gesehen und auch sonst niemand hatte seine sterblichen Überreste gefunden, aber trotzdem war für Agnes klar gewesen, dass er tot war. Sie hatte um ihn getrauert und mit seinem Tod abgeschlossen und auf einmal fand sie ihn wieder in ihrer Zelle gefangen bei ihrer Mutter.
„Vielleicht drei Monate", überlegte Agnes, „Welchen Monat haben wir, Tonky?"
Die Hauselfe schien noch immer unsicher zu sein, aber sie hatte sich nicht beschwert und auch kein Wort gegen Agnes gesagt. Außerdem hatte sie geschafft, Agnes zu befreien, also war sie ihr zum ewigen Dank verpflichtet."
„August, Herrin", erzählte Tonky, „Ich wollte Euch noch warnen, dass heute Nacht Vollmond ist."
Agnes fluchte, während Sirius sich verwirrt umblickte.
„Es ist August?", fragte er, „Ist nicht gerade erst noch Juni gewesen? Wie lange bin ich denn weg gewesen?"
„Länger, als du denkst", schnaubte Agnes, „Wie ist es eigentlich so, zu sterben?"
„Sterben? Keine Ahnung – ich bin noch nie gestorben."
„Erkläre das allen anderen – wir haben dich für Tod erklärt", erzählte Agnes, „Sirius, du bist über ein Jahr lang einfach weg gewesen. Das letzte, was man von dir gesehen hat ist, wie Bellatrix dich mit einem Zauber trifft und du durch einen Bogen fällst. Du bist daraus nicht mehr aufgetaucht."
„Wa–, aber...", stammelte Sirius perplex, „Das ist nicht möglich! Ich bin doch nur für ein paar Minuten weg gewesen. Da bin ich mir sicher!"
„Und ich bin mir sicher, dass du das ganze Jahr lang nicht hier gewesen bist, also wenn die Todesser dich nicht schon früher erwischt haben, kann ich mir nicht erklären, woher du auf einmal kommst", widersprach Agnes, „Aber darüber sollten wir uns später unterhalten."
„Was?", Sirius schien darüber nicht so begeistert zu sein, „Nein! Ich will jetzt darüber reden! Ich bin ein Jahr lang weg gewesen, sagst du? Was ist passiert? Was habe ich verpasst? Wie geht es allen – Harry? Remus?"
Agnes ignorierte ihn. Das konnte sie eigentlich ziemlich gut, denn an ihren anderen Einbildungen hatte sie gelernt, ihnen irgendwann einfach nicht mehr zuzuhören. Sirius war einfach eine weitere Einbildung. Das musste so sein – etwas anderes konnte sie sich nicht erklären. Ihr Verstand spielte ihr nur Streiche – vielleicht war sie gar nicht außerhalb des Kellerraumes, sondern drehte einfach nur endgültig durch, aber das war ihr egal. Wenn ihr Verstand in der Lage war, sich Gras, Sonnenlicht und einen Wald vorzustellen, dann wollte sie nie wieder aufwachen. Sie hatte genug von engen Räumen und Dunkelheit – sie brauchte Freiheit.
Agnes war an einem Moment angekommen, an dem es ihr egal war, ob sie träumte oder das alles wirklich die Wirklichkeit war. Wenn sie träumte, würde sie sich vielleicht diese Nacht nicht verwandeln, aber sie traute ihrem Verstand zu, dass sie sich selbst in ihren Träumen selbst bestrafte, indem sie die schmerzvolle Verwandlung noch immer hinter sich bringen musste. Das seltsamste war nur, dass sie die Vorzeichen des Vollmondes nicht spürte – sie hatte keine außergewöhnlichen Kopfschmerzen oder fühlte sich müde, aber das konnte auch daran liegen, dass sie sich jeden Tag erschöpft und müde fühlte und die Kopfschmerzen und die Schmerzes ihres Körpers einfach nicht heilten.
Was sie noch verwirrte war, dass Sirius sie durch diesen Traum begleitete. Sie hatte eigentlich erwartet, dass es jemand anderer sein würde, den ihr Verstand ihr als Begleiter anbot – vielleicht Fred oder auch Roger.
Vielleicht würde sie sich die beiden später noch einbilden.
Vielleicht war sie aber auch nur tot und Sirius war mit ihr im nächsten Leben – das erklärte aber nicht, warum Roger nicht da war.
Die Frage, ob das ein Traum war oder nicht war nebensächlich, denn egal, ob sie sich das einbildete oder nicht, sie sollte doch versuchen, weiterzuleben und nicht riskieren, jetzt doch noch zu sterben.
„Wo sind wir?", fragte sie an Tonky gerichtet.
„Sherwood Forest", erzählte Tonky und ein bisschen Stolz lag in ihrer Stimme, „Es ist fern von Zivilisation – Ihr könntet euch hier verwandeln, Herrin."
„Das hast du sehr gut gemacht", Agnes lächelte die Hauselfe an und Tonky lächelte tatsächlich zurück und Tränen traten in ihre Augen, als sie das Lob hörte.
Agnes sah sich um. Sie würde Tonky einfach vertrauen, dass sie weit genug entfernt von Zivilisation und Menschen war, dass sie diese Nacht niemanden angreifen würde. Sie hatte keinen Zauberstab – sie hatte ihn verloren oder war ihr abgenommen worden, Agnes wusste es nicht.
Ohne ihren treuen Begleiter fühlte sie sich schutzlos, obwohl sie es nicht war. Sie war stark und sie hatte bisher schon alles überlebt, also würde sie wohl auch einige Zeit ohne einen Zauberstab auskommen.
Sie konnte keine Schutzzauber aufstellen, aber bis die Nacht einbrach, konnte sie Gefahren einfach hören und wenn der Vollmond erst einmal am Himmel stand, sollte sich niemand ihr nähern.
„Und uns kann hier niemand finden?", fragte Agnes an Tonky gerichtet, „Meine Mutter nicht? Auch sonst niemand?"
„Es ist weit entfernt von dem Haus, in dem sie Euch gefangen gehalten haben, Herrin", erzählte Tonky, „Die Herrin... ich meine... Agnolia Tripe –", Tonky schien noch Schwierigkeiten damit zu haben, den Namen ihrer alten Herrin auszusprechen, „–wird nicht ahnen, dass Ihr hier seid."
„Das ist gut", murmelte Agnes nickend, „Dann bleiben wir hier, bis morgen Früh."
„Ich will wissen, was eigentlich los ist", verlangte Sirius, „Was ist passiert in dem... Jahr, in dem ich weg war?"
„Vielleicht solltest du lieber gehen", bot Agnes ihm an, ohne seine Frage zu beantworten, „Du willst nicht hier sein, wenn ich mich verwandle."
„Ich lass dich nicht zurück", versprach Sirius.
„Du lässt mich nicht zurück, Sirius, wenn du nicht in der Nacht von einem Werwolf zerrissen werden willst", erklärte Agnes, „Tonky kann dich irgendwohin apparieren und am Morgen –"
„Ich kann mich in einen Hund verwandeln", erzählte Sirius, „Einen Animagus greift ein Werwolf nicht an. Werwölfe jagen nur Menschen. Darum haben wir in der... Schule... auch versucht, Animagi zu werden... James, Peter und ich..."
„Wenn du dir sicher bist", Agnes zuckte mit den Schultern, „Bisher habe ich meine anderen Einbildungen auch nicht verletzt – Werwölfe scheinen auch keine imaginären Freunde zu jagen."
„Ich bin keine Einbildung", versprach Sirius sicher.
„Junge Herrin, Sirius Black ist wirklich hier", bestätigte Tonky, aber Agnes war trotzdem nicht überzeugt. Es machte einfach keinen Sinn, dass Sirius überlebt hatte. Sein Tod hatte einen Grund gehabt – es war bestimmt seine Zeit gewesen, aber doch hatte er irgendwie überlebt.
„Wie hast du das geschafft, wenn du keine Einbildung bist?", fragte Agnes und hob den Kopf etwas höher, „Wie erklärst du dir, dass du jetzt hier vor mir stehst?"
Sirius sah ebenso ratlos aus, wie Agnes und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung", seufzte er, „Für mich bin ich nie tot gewesen. Ich habe gesehen, wie Lestrange einen Zauber in meine Richtung geschickt hat. Ich habe gespürt, wie sich mich getroffen hat – es ist nur ein Lähmzauber gewesen. Als ich aufgewacht bin, bin ich auf einer Wiese gewesen..." Kurz schien Sirius in Gedanken versunken zu sein und als er weitersprach, klang seine Stimme verträumt und wie in Trance. „Da war dieser Wald hinter mir – er war ein bisschen wie der Verbotene Wald in Hogwarts, dort sind wir oft gewesen. Ich habe mich umgedreht und dort sind alle gewesen – James, Lily... auch noch andere aus dem ersten Orden des Phönix. Sie alle sind im Wald gewesen und haben mir zugewinkt. Ich wollte zu ihnen gehen, aber etwas hat mich zu diesem Portal gezogen."
„Portal?", hinterfragte Agnes irritiert.
„Eigentlich ist es genauso ein Bogen gewesen, wie in der Mysteriumsabteilung", erzählte Sirius weiter, „Ich habe die Möglichkeit gehabt, einfach dort zu bleiben. Ich glaube, wenn ich mich entschieden hätte, zu James und Lily zu gehen, dann hätte ich das gekonnt, aber... ich wollte nicht."
„Warum nicht? Sie sind deine Freunde gewesen", zeigte Agnes auf.
„Ich habe aber auch Freunde hier auf dieser Seite", erinnerte Sirius sie, „Und ich habe... Konstantin auf dieser Seite."
Konstantin Gregorovich. Agnes war sich nicht hundertprozentig sicher, was das zwischen Sirius und Konstantin war, aber wenn Sirius dafür wieder zurück in diese trostlose, hoffnungslose Welt kommen wollte, dann musste es ihm viel bedeutet haben.
„Also bist du wieder hier?", fragte Agnes, „Einfach so?"
„Einfach so", nickte Sirius, „Ich bin durch den Bogen getreten und auf einmal bin ich nicht mehr auf dieser Wiese gewesen, sondern wieder in der Mysteriumsabteilung. Alle sind weg gewesen – keiner hat mehr gekämpft, obwohl es für mich nur ein paar Minuten gewesen sind. Ich habe mich umgedreht, aber im Bogen habe ich die Wiese nicht mehr gesehen."
„Wie haben sie dich dann erwischt?", fragte Agnes, „Wie bist du zu mir in den Keller gekommen?"
„Ich bin los, um andere zu suchen. Ich bin mir nicht sicher gewesen, wer den Kampf gewonnen hat – es ist niemand mehr dort gewesen. Leider bin ich auf dem Weg auf einen Mitarbeiter des Ministeriums gestoßen. Plötzlich sind überall Leute gewesen und ich habe gedacht, sie stecken mich wieder nach Askaban. Bestimmt hätte Dumbledore mich dieses Mal befreien können, aber dann war da auch noch Yaxley – ein Todesser, soweit ich weiß. Einfach so, im Ministerium."
„Das Ministerium ist in den Händen des Dunklen Lords", hauchte Tonky leise, als hätte sie Angst, das jemand diese Information hörte, „Es ist dort nicht mehr sicher."
„Wie bitte?", fragte Agnes und Sirius zur selben Zeit und Sirius schaute Agnes verwirrt an.
„Du hast das auch nicht gewusst?", fragte er sie perplex.
„Das ist neu für mich", gestand Agnes, „Wann ist das passiert?"
„Agnolia Tripe hat Tonky verboten, darüber zu sprechen...", gestand Tonky und sah unsicher aus, aber dann änderte sich der Blick von einem Moment auf den anderen und sie sah selbstsicherer aus, „Aber Agnolia Tripe ist nicht die Herrin von Tonky", bestimmte sie, „Die junge Herrin ist es... Es ist erst vor ein paar Wochen passiert, Herrin. Am Anfang des Monats."
„Da ist man einmal für ein paar Monate weg und sofort geht alles den Bach runter", schnaubte Sirius.
„Dasselbe könnte ich auch sagen", bestimmte Agnes, „Das Ministerium ist also gefallen. Kein Wunder, dass es Todesser gewesen sind, die dich geschnappt haben, aber das erklärt nicht, warum sie dich nicht umgebracht haben."
„Du klingst schon beinahe enttäuscht", rief Sirius empört auf.
„Es macht nur keinen Sinn für mich", widersprach Agnes, „Warum haben sie dich nicht umgebracht? Warum haben sie michnicht umgebracht? Was wollen sie von uns?"
„Harry", antwortete Sirius schlicht, „Sie wollen uns benutzen, um an Harry heran zu kommen."
„Das ist lächerlich", schnaubte Agnes, „Nicht einmal Harry würde unsere Leben gegen seines eintauschen."
„Aber das haben mir die Todesser gesagt", Sirius zuckte mit den Schultern, „Also... nicht direkt, aber sie haben darüber gelacht, dass sie jetzt einen Grund mehr haben, wie sie Harry Potter aus seinem Versteck locken können."
„Das ist lächerlich", wiederholte Agnes ungläubig, „Nicht einmal Todesser sind dumm genug, um das zu denken... obwohl... wenn sie eine gewisse Grundintelligenz besäßen, dann hätten sie den Krieg schon gewonnen."
„Dann kennst du Harry nicht so gut", zeigte Sirius auf, „aber ich denke, Harry würde sofort sein eigenes Leben opfern, um seine Freunde zu retten."
Agnes verstummte – Sirius hatte Recht. Harry war nicht wie sie. Harry war selbstlos und schien einen gewissen Heldenkomplex zu haben.
„Dann ist es ja gut, dass wir entkommen sind", murmelte Agnes, „Sonst hätten wir den Krieg verloren."
„Was sind jetzt deine Pläne?", fragte Sirius, „Was hast du vor? Stürzt du dich wieder mitten in den Kampf? Hast du einen Plan, wie wir den Krieg gewinnen?"
„Meine Pläne reichen bis jetzt noch nicht so weit", gestand Agnes schamlos, „Meine Prioritäten sind im Moment, den Vollmond heute Nacht zu überleben, gefolgt von dem Bedürfnis, eine ordentliche Dusche zu nehmen und eine Mahlzeit – bevorzugter Weise warm und mit Fleisch."
„Tonky könnte Essen besorgen", bot die Hauselfe sofort hilfsbereit an.
Agnes sah zum Himmel hoch. Die Sonne stand schon tief – es war viel Zeit vergangen und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie sich verwandelte.
„Tonky, das ist eine gute Idee", bestätigte Agnes, „Aber nicht mehr heute. Ich will, dass du diese Nacht irgendwo hingehst, wo es sicher ist. Ich würde dir gerne sagen, wo genau es sicher ist, aber mir fällt kein Ort ein."
„Aber Tonky sollte bei der Herrin bleiben", stammelte Tonky, „Tonky will die Herrin nicht verlassen."
„Es wäre nur bis morgen in der Früh", versprach Agnes, „Aber ich verwandle mich heute Nacht in einen Werwolf und ich will nicht, dass du dich verletzt, Tonky."
Plötzlich sammelten sich Tränen in den Augen von Tonky und Agnes hatte einen Moment lang Angst, dass sie die Hauselfe beleidigt hatte.
„Die Herrin will nicht, dass Tonky verletzt wird?", wiederholte Tonky weinend, „Das hat noch nie eine Herrin zu Tonky gesagt!"
„Natürlich will ich nicht, dass dir etwas passiert, Tonky", sagte Agnes sanft, „Du hast mir mein Leben gerettet, jetzt muss ich mich irgendwie arrangieren."
Tonky wischte sich mit ihren Lumpenkleidern übers Gesicht und die Tränen aus den Augen, bevor sie auch noch laut hineinschniefte. Agnes verzog nicht einmal vor Ekel das Gesicht – sie selbst war mit so vielen verschiedenen Körperflüssigkeiten von sich selbst bedeckt, dass es heuchlerisch gewesen wäre.
„Tonky wird tun, was die Herrin ihr gesagt hat", versprach Tonky sicher, „Tonky wird sich verstecken und Morgen wieder mit Essen kommen."
„Pass auf dich auf, Tonky", bat Agnes sie noch einmal.
„Passt auch auf Euch auf, Herrin", bat Tonky sie ebenfalls, bevor sie lächelte und disapparierte.
Es wurde einen Moment lang leise, bevor Agnes sich ins Gras sinken ließ. Schlaf würde nicht kommen – nicht einmal die letzte Stunde vor Vollmond. Schlaflosigkeit vor Vollmonden war ein weiteres Problem der Verwandlung.
„Hast du Pläne nach dieser Nacht?", fragte Sirius sie wieder und ließ sich neben ihr ins Gras fallen.
„Ich habe schon Pläne, aber es sind persönliche Pläne", gestand Agnes leise, „Ein Freund hat mich um etwas gebeten – das werde ich als erstes tun. Du musst mich nicht begleiten, wenn du bessere Pläne hast."
„Sollten wir nicht zuerst nach den anderen sehen?", fragte Sirius, „Wir sollten Dumbledore suchen – wo ist er? Warum hat er die Todesser nicht aufgehalten, als das Ministerium gefallen ist?"
„Dumbledore ist tot", erklärte Agnes tonlos, „Er ist erst im Juni gestorben."
„Wa-was?", stammelte Sirius ungläubig, „Aber... Dumbledore... wie?"
Einige Todesser sind in Hogwarts eingedrungen", erzählte Agnes, was sie selbst hauptsächlich aus Erzählungen wusste, „Er ist oben im Astronomieturm gewesen und entwaffnet worden – Snape hat es getan. Snape hat ihm umgebracht."
Sirius sprang auf und fluchte laut gegen den Himmel. Er verfluchte Snape, er verfluchte sich selbst und er verfluchte sogar Dumbledore.
Agnes sah ihm stumm dabei zu. Sie verstand ihn sehr gut – Dumbledore war ein Mann gewesen, der irgendwie noch alles im Gleichgewicht behalten hatte.
„Ich habe den Mann nie wirklich gemocht", seufzte Sirius und setzte sich wieder zu Agnes ins Gras, „aber das bedeutet nicht, dass ich es gut finde, dass er tot ist."
„Geht mir genauso", gab Agnes zu, „Aber ohne Dumbledore fehlt uns unser stärkster Mann."
„Es ist nur seltsam zu wissen, dass er tot ist – für mich ist dieser Mann unsterblich gewesen", erzählte Sirius.
Agnes sah zum Himmel hoch und beobachtete stumm die Sonne dabei, wie sie am Horizont verschwand. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis sie sich verwandeln würde.
„Ich wünschte, es wäre vorbei", seufzte sie, „Ich wünschte, es wäre kein Krieg mehr und wir könnten alle in Frieden leben."
„Das wünschen wir uns alle", sagte Sirius sanft und legte eine Hand auf ihre Schulter, „Aber solange Voldemort noch lebt, wird es für uns keinen Frieden geben."
Agnes wusste nicht, was schief gelaufen war, aber plötzlich waren sie umzingelt.
Fünf Zauberer umkreisten sie und richteten ihre Zauberstäbe auf sie.
Agnes' erster Gedanke war, dass Tonky sie verraten hatte – dass die kleine Hauselfe irgendjemanden verraten hatte, wo sie waren. Aber irgendwie konnte sie das nicht ganz glauben, immerhin war sie die Herrin der Elfe.
Aber Kreacher hatte auch Sirius verraten, was zu dessen Tod geführt hatte.
„Na, na, na", einer der Männer, der wohl der Anführer war, trat vor und schüttelte schon beinahe enttäuscht den Kopf, „Wer spricht denn hier den Namen des Dunklen Lords aus?"
Den Namen des Dunklen Lords aussprechen? Agnes verstand nicht ganz. Was hatte sich verändert, dass sie das nicht mehr konnten? Wie hatten diese Männer sie gefunden und was hat das mit dem Namen zu tun?
Wenigstens hatten diese Männer Agnes und Sirius noch nicht erkannt, aber Agnes erkannte sie auch nicht. Es waren keine Todesser unter ihnen und keiner von ihnen trug auch nur einen Umhang eines Todessers. Es waren einfache Männer, die trotzdem irgendwie unter dem Dienst des Dunklen Lords standen.
Plötzlich durchzuckte Agnes eine Welle des Schmerzes und sie fiel beinahe vornüber, aber Sirius konnte sie noch auf den Beinen halten.
„Was ist los?", fragte er sie besorgt.
„Der Vollmond", brachte Agnes noch heraus, als wieder Schmerz durch ihren ganzen Körper schoss und sie jeden Knochen, jeden Muskel und jeden Zentimeter Haut auf eine schmerzvolle Art und Weise spürte.
Sie schrie auf und Sirius ließ sie los, sodass sie zu Boden stürzte und sich dort krümmte.
„Nein", brachte Agnes heraus, „Bitte nicht – ich will niemanden umbringen."
„Was ist mit ihr los?", fragte der Anführer der kleinen Gruppe und richtete seinen Zauberstab auf Agnes, „Hör auf damit!"
„Geht!", empfahl Sirius ihnen eilig, „Sie will niemanden verletzen."
„Im Moment scheint sie die einzige zu sein, die verletzt wird", lachte der Mann höhnisch auf, „Wir fallen doch nicht auf einen so billigen Trick herein!"
Agnes spürte, wie die Verwandlung begann. Ihre Knochen knackten und ihre Muskeln dehnten sich. Aus ihrer Haut spross Fell und ihr Gesicht verformte sich zu der Schnauze eines Werwolfs.
„Chef!", rief ein anderer Mann panisch, „Sie ist ein Werwolf!"
Sobald das Wort ausgesprochen war, schien auch unter den anderen Männern Unruhe auszubrechen.
„Verdammt!", fluchte der Anführer und richtete seinen Zauberstab auf Agnes, „Avada Kadavra!"
„Nein!", schrie Sirius erschrocken auf, aber als der grüne Zauber auf Agnes aufprallte, schien dieser nur von ihr abzuprallen – Agnes selbst ging es gut. Ihre Verwandlung war schon weit genug fortgeschritten, dass Zauber ihr nichts mehr anhaben konnten.
Im verwandelten Zustand waren Werwölfe gegen die meisten Zauber immun, wie Agnes selbst hatte lernen müssen. Das machte sie erst so gefährlich.
Agnes verschwand. Es war ein bisschen wie einschlafen, als der Werwolf die Kontrolle übernahm. Hätte sie einen Wolfsbanntrank eingenommen, wäre sie sie selbst geblieben, aber so übernahm das Monster in ihr die Führung über ihren Körper und Agnes nahm die Pause nur allzu gerne an. Ausnahmsweise einmal genoss sie es, nicht denken zu müssen.
Der Werwolf war komplett verwandelt und die Männer wichen zurück, warteten aber auf Anweisungen von ihrem Anführer.
Sirius war vergessen – im Gegensatz zum Werwolf stellte er eine kleine Gefahr dar und alle Blicke lagen auf Agnes. Sirius nutzte diese Chance und verwandelte sich in den schwarzen Hund, in dessen Form er in den letzten Jahren beinahe mehr Zeit verbracht hatte, als in seiner menschlichen.
„Chef!", brüllte ein Mann panisch, „Was sollen wir tun!"
Der Chef schien das selbst nicht zu wissen. Er war wie paralysiert bei dem Anblick des Werwolfs.
Der Werwolf stand langsam auf. Er schien sich erst an den Körper zu gewöhnen, aber lange brauchte er dafür nicht und er stieß ein markerschütterndes Heulen in Richtung des vollen Mondes aus.
Der Werwolf war hungrig, das wusste Sirius. Agnes war hungrig gewesen, also war es der Werwolf auch. Der Werwolf war auch die letzten beide Vollmonde in einem engen Raum eingesperrt gewesen – jetzt war er frei.
Und der Werwolf wollte jagen – und die Beute war direkt vor ihm.
Schneller, als irgendjemand hätte reagieren können, stürzte sich der Werwolf auf den Anführer der Gruppe.
Er stieß einen Schrei aus, aber dieser verstummte schnell als der Werwolf ihm die Kehle aufriss.
Sirus wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte Agnes daran hindern, das zu tun, was Werwölfe nun einmal taten, aber er konnte sein eigenes Leben nicht dafür riskieren. Er wollte nicht, dass Agnes mit dem Wissen lebte, dass sie als Werwolf jemanden umgebracht hatte, aber er konnte sie auch nicht daran hindern. Der Werwolf in ihr wollte töten und Sirius wäre, obwohl er ein Hund war, im Moment nichts weiter als eine lästige Fliege, die der Werwolf liebend gerne ebenfalls umbringen wollte.
Also konnte Sirius sich nur zurückziehen und zusehen.
Er sah dabei zu, wie der Werwolf den Anführer blutig, zerfetzt und tot liegenließ, ohne auch nur gefressen zu haben und sich an die anderen wandte. Er wollte nicht fressen – er wollte töten.
Der erste disapparierte panisch, aber ein anderer war nicht schnell genug.
Sirius schaute weg, bis die Schreie verstummten. Er hatte die Gruppe gewarnt – er hatte sie gewarnt. Sie hatten nicht gehört.
Der Werwolf war frei und er sehnte sich nach Blut.
Sirius hörte, wie andere auch noch disapparierten; die Schreie verstummten – es gab nur noch Tote und Sirius.
Die Blutlust eines Werwolfs war nie gestillt, aber im Moment hatte er nur Hunger. Es würde eine lange Nacht werden und Sirius sehnte sich schon wieder nach den ersten Sonnenstrahlen.
Als er in Askaban gewesen war, hatte er sich jeden Tag nach der Sonne gesehnt, aber dieses Mal hoffte er nicht für sich, die Sonne wieder zu sehen, sondern er wollte, dass dieser Albtraum für Agnes endlich aufhörte.
Sie wollte, dass der Krieg zu Ende war, aber ihren eigenen Krieg konnte sie nie hinter sich lassen – den Krieg zwischen Mensch und Monster.
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