76. Kapitel

„Du musst das jedes Weihnachten überleben? Seit deiner Geburt?", wisperte Agnes Fred leise zu und verzog das Gesicht. Sie saßen zusammen im Wohnzimmer des Fuchsbaus mit anderen Gästen und hörten das weihnachtliche Funkkonzert von Celestina Warbeck, Molly Lieblingssängerin an. Für Agnes klang es ein wenig so, als würde man sie gerade bei lebendigem Leibe häuten, aber sie erkannte schnell, dass Molly sie gerne hörte und in Erinnerungen schwelgte, also ließ sie es bleiben und spielte mit Fred, George, Tia und Ginny eine Runde Zauberschnippschnapp.

Bill war jetzt mit Fleur offiziell zusammen und sie war auch da, was Agnes besonders gefreut hatte. In ihrer Zeit, die Fleur in Hogwarts verbracht hatte, waren sie und Agnes so etwas wie Freundinnen geworden und obwohl sie manchmal ein wenig zu pingelig für Agnes' Geschmack war und zu direkt, so mochte sie sie doch ganz gerne.

Endlich beendete Celestina ihr Lied mit einem sehr langen hohen Ton, und als lauter Beifall aus dem Radio drang, stimmte Molly begeistert ein.

„Ist es su Ende?", fragte Fleur laut, „Gütiger 'immel, was für eine schrecklische –"

„Wie wär's noch mit einem kleinen Schlummertrunk?", unterbrach Arthur laut und sprang auf, „Wer möchte Eierflip?"

Jetzt, wo das Gejaule aus dem Radio vorbei war, konnte Agnes auch wieder andere reden hören, die nicht in ihrer unmittelbaren Nähe saßen.

„Was haben Sie in letzter Zeit gemacht?", fragte Harry Remus, während Arthur davonwuselte, um den Eierflip zu holen und auch andere wieder Gespräche in normaler Lautstärke begannen, aber Agnes hörte lieber Harry und Remus' Gespräch zu und ließ Fred mit ihren Locken spielen, der sie gedankenverloren um seine Finger wickelte und sie losließ, sodass sie sich noch wilder Lockten, als sie es sowieso schon taten. Tia lag auf Georges Schoß und war eingenickt, aber George störte es nicht, sondern er bewegte sich langsam und so wenig wie möglich, damit er sie nicht störte.

„Oh, ich war im Untergrund", antwortete Remus auf Harrys Frage, „Fast buchstäblich. Deshalb konnte ich nicht schreiben, Harry; wenn ich dir Briefe geschickt hätte, dann hätte ich mich praktisch verraten."

„Was meinen Sie damit?", fragte Harry ahnungslos.

„Ich habe unter meinen Artgenossen gelebt, unter meinesgleichen", sagte Remus, „Werwölfe. Sie sind fast alle auf Voldemorts Seite. Dumbledore brauchte einen Spion, und da war ich... wie geschaffen für die Aufgabe und nachdem Agnes aufgeflogen ist, ist es umso wichtiger, dass ich das Vertrauen dieses kleineren Rudels behalte."

Es war kein Geheimnis mehr, dass Agnes ebenfalls ein Werwolf war und mittlerweile wusste es jeder, der Verbindung zum Orden hatte und sie hatten es natürlich alle geschockt, aber verständnisvoll aufgenommen und darüber war Agnes froh.

Remus verzog das Gesicht und etwas bitterer fügte er noch hinzu: „Ich will mich nicht beklagen; diese Arbeit ist notwendig, und wer kann sie besser erledigen, als ich? Doch es war schwierig, ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich trage die unverkennbaren Zeichen eines Mannes, der versucht hat unter Zauberern zu leben verstehst du, während sie sich von der normalen Gesellschaft fernhalten und am Rande leben, stehlen – und manchmal töten –, um zu überleben."

„Werwölfe leben nach dem Gesetz des Stärkeren und wenn man einen Moment Schwäche zeigt, wird man sofort aussortiert und ist schon bald tot, wenn man nicht aufpasst. Man muss sich den Respekt erst verdienen und das mit... unkonventionellen Mitteln", erklärte Agnes ruhig, während sie an die Werwölfe dachte, die sie ermordet hatte – nicht mit einem Zauber, sondern mit ihren Händen, „In kleineren Rudeln ist das nicht so schlimm, wie in größeren."

„Wie kommt es, dass sie Voldemort mögen?", fragte Harry ahnungslos.

„Sie glauben, dass sie unter seiner Herrschaft ein besseres Leben haben werden", erklärte Remus und Agnes stieß einen amüsierten Laut aus, „Und es ist schwierig, dagegen anzukommen, solange Greyback da draußen ist..."

„Wer ist Greyback?", wunderte sich Harry.

„Ein verdammtes Arschloch!", fluchte Agnes und Molly sah sie entsetzt an, „Entschuldigung Molly, aber es ist wahr!"

„Ich kann Agnes nicht widersprechen", stimmte Remus ist zu, „Du hast wirklich noch nicht von ihm gehört?", seine Hände verkrampften sich jäh in seinem Schoß und Agnes verstand seine Wut und seinen Schmerz, „Fenrir Greyback ist vielleicht der blutrünstigste Werwolf, der heute lebt. Er betrachtet es als seine Mission, so viele Leute wie möglich zu beißen und anzustecken; er will so viele Werwölfe hervorbringen, dass er die Zauberer besiegen kann. Voldemort hat ihm als Gegenleistung für seine Dienste Beute angeboten. Greyback ist auf Kinder spezialisiert... beiß sie, wenn sie noch jung sind, sagte er, und zieh sie fern von ihren Eltern auf, erziehe sie zum Hass auf normale Zauberer. Voldemort droht Leuten damit, ihn auf ihre Söhne und Töchter loszulassen; mit dieser Drohung ist er meistens erfolgreich", Remus hielt einen Moment inne, bevor er weitersprach, „Es war Greyback, der mich gebissen hat."

„Was?", rief Harry erstaunt aus, „Als – als Sie noch ein Kind waren, meinen Sie?"

„Ja. Mein Vater hatte ihn beleidigt. Sehr lange Zeit kannte ich die Identität des Werwolfs nicht, der mich angegriffen hatte; ich hatte sogar Mitleid mit ihm, weil ich dachte, er hätte keine Kontrolle über sich gehabt, da ich inzwischen wusste, wie es sich anfühlt, wenn man sich verwandelt. Aber Greyback ist nicht so. Bei Vollmond legt er sich in der Nähe von Opfern auf die Lauer, dicht genug dran, um zuschlagen zu können. Er plant das alles", erklärte Remus.

„Er hat mich tagelang vor Vollmond verfolgt und mich erst zu Vollmond konfrontiert", erzählte Agnes verbittert, „Mein Vater hat in Askaban es irgendwie geschafft, ihn zu kontaktieren und ihn auf mich zu hetzen mit dem Auftrag, mich umzubringen. Beinahe wäre es ihm gelungen, aber ich konnte entkommen. Ich habe es trotzdem beinahe nicht überlebt, ganz zu schweigen von den Narben, die nie wieder verschwinden werden."

„Du bist trotzdem hübsch", versprach Fred und küsste ihre Wange, während Molly die beiden entzückt betrachtete, als wäre sie froh, dass Fred und Agnes zusammen sind, während sie bei Bill und Fleur nicht ganz so optimistisch war.

„Und das ist der Mann, den Voldemort benutzt, um die Werwölfe hinter sich zu bringen. Ich kann nicht behaupten, dass meine Art, vernünftig zu argumentieren, gegen Greyback Parolen viel ausrichten, wenn er sagt, dass wir Werwölfe Blut verdient haben, dass wir uns an normalen Menschen rächen sollten."

„Aber ihr seid doch normal", bestätigte Harry heftig und sah Remus und Agnes eindringlich an, „Ihr habt nur ein – ein Problem –"

Remus lachte laut auf und Agnes lächelte Harry dankbar an.

„Manchmal erinnerst du mich sehr an James. Er hat es immer mein ‚pelziges kleines Problem' genannt, wenn wir unter Leuten waren. Viele nahmen an, dass ich ein unartiges Kaninchen besitze."

„Wir haben es im letzten Schuljahr in den Briefen immer ‚eine Prüfung' genannt. Ich will gar nicht wissen, was Umbridge sich gedacht hat, wenn sie meine Briefe gelesen hat. Vermutlich hat sie gedacht, ich wäre in einer Sekte, die ein wirklich seltsames Aufnahmeritual hat, die unter anderem einen Trank beinhaltet, der dir Selbstbeherrschung gibt und dass diese Prüfungen wohl wirklich anstrengen sein müssen", lachte Agnes.

Arthur kam zurück mit einigen Gläsern Eierflip und Agnes nahm einen dankend an.

„Weißt du eigentlich schon, was du zu Vollmond in drei Tagen machst?", fragte Fred sie leise, damit nur sie es hören konnte.

„Vermutlich dir aus dem Weg gehen und mir einen netten Ort irgendwo tief in einem einsamen Wald suchen, wo ich niemanden verletzen kann und mich niemand finden wird", wisperte Agnes.

„Oh", machte Fred weniger begeistert, aber dann lächelte er sie an und fügte hinzu, „Ich bringe dich hin – und hole dich dann zu Sonnenaufgang wieder ab. Du solltest nicht apparieren, wenn du so eine Verwandlung hinter dir hast."

„Ich habe mich schon einmal verwandelt, bin einen halben Tag lang nackt durch einen Wald gelaufen, bis ich die verdammte Hütte wiedergefunden habe, in dem ich meinen Zauberstab gelassen habe und bin dann appariert – und das alles mit Glasscherben in meinen Händen und Füßen. Ich denke, ich komme zurecht", bemerkte Agnes trocken.

„Natürlich könnte ich so tun, als würde ich deinen Kommentar bemerken und ihn akzeptieren, aber das tue ich nicht – immerhin bin ich Fred Weasley. Ich könnte so tun, als wärst du kein Werwolf und einfach so leben, als hättest du dieses kleine Problemchen nicht, aber das ist nicht meine Art und wir sind jetzt gemeinsam darin verwickelt. Ich kann dir weder die Schmerzen der Verwandlung nehmen, noch kann ich dich besser schlafen lassen oder dir diesen Fluch abnehmen, der auf dir liegt, also lass mich wenigstens dann helfen, wenn ich es kann und dich einfach nur hinbringen und wieder abholen. Mir kann nichts passieren, es ändert nichts für dich, aber ich fühle mich nicht ganz so hilflos, wie ich es jeden Tag tue."

Agnes sah ihm in die Augen und plötzlich fiel ihr auf, dass sie ihn liebte. Es war dieses Gefühl, das sie noch nie bei einem Menschen gespürt hatte. Sie konnte sich auf Fred verlassen und er würde immer hinter ihr stehen, das wusste sie und sie würde auch immer hinter ihm stehen.

Schnell küsste sie ihn und Fred sah sie erstaunt an.

„Ich will mich ja nicht beschweren, aber warum habe ich mir das verdient, damit ich es noch einmal machen kann?", fragte Fred grinsend.

„Halt die Klappe", verlangte Agnes, „Wenn du dich besser fühlst, dann kannst du mich zur Hütte bringen und mich wieder abholen. Dann könnte ich auch meinen Zauberstab zurücklassen – ich habe immer Angst, ich könnte ihn aus Versehen zerbrechen."

„Wenigstens wäre ich nicht ganz so nutzlos", bemerkte Fred schulterzuckend, aber Agnes widersprach ihm sofort: „Du bist doch nicht nutzlos, Fred, du bist hier und das ist mehr wert, als jeder andere tun könnte."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top