75. Kapitel

Agnes stand verwirrt vor einem ganz normalen Muggelhaus in London und starrte auf die Klingel. Ob sie wohl wirklich richtig war? Vielleicht hatte er sich verschrieben...

Nachdem sie wieder unter Leuten lebte und nicht mehr im geheimen für Dumbledore arbeitete, schrieb Agnes zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus Hogwarts wieder einmal ihrem besten Freund seit schon fünf Jahren und bald schon machten sie einen Termin für ein Treffen aus. Agnes verließ Fred und Georges Wohnung eher ungern, aber für Roger war es ihr wert und deswegen beschloss sie einfach seiner Bitte zu folgen und stand nun vor dem Haus, dessen Adresse Roger ihr geschickt hatte.

Rogers Familie war reich – sie hatten mehrere Häuser in Zauberergegenden, aber dieses hier war bestimmt keines davon, denn es war in einer Muggelstraße mit Muggelnachbarn, die Agnes seltsam ansahen, nachdem sie es nun ganz aufgegeben hatte, ihre Narben zu verstecken und einfach wie auch Remus damit lebte. Jetzt, da sie die Schule verlassen hatte, machte sie sich eher weniger Sorgen darum, ob sie wer als Werwolf erkennen könnte. Es würde sowieso nichts ändern – die Leute wurden schon von ihren Narben abgeschreckt, sie würde so oder so keine legale Arbeit finden und sie würde nicht von der Schule gehetzt werden, wie es zu ihrer Schulzeit war, wo sich vor den wütenden und besorgten Eltern gefürchtet hatte.

Tief durchatmend riss Agnes sich zusammen und läutete.

Sie wusste nicht, was sie erwartete. Wahrscheinlich erwartete sie Muggel, denn bestimmt hatte Roger ihr die falsche Adresse gegeben oder sie hatte sich verlesen, auf jeden Fall musste das das falsche Haus sein, doch als die Tür geöffnet wurde, stand dort tatsächlich Roger, der sie breit angrinste.

„Agnes!", rief er erfreut und umarmte sie sofort und Agnes umarmte ihn zurück. Ihr war gar nicht klar gewesen, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Fünf Jahre lang hatte sie ihm vollkommen vertraut und nun, nachdem sie so lange getrennt waren und überhaupt keinen Kontakt zueinander gehabt hatten, bemerkte sie erst, wie sehr sie ihn eigentlich brauchte.

„Es ist so schön, dich wiederzusehen", seufzte sie, ohne ihn loszulassen.

„Ich habe mir auch Sorgen gemacht", meinte Roger ernst und löste sich von ihr, um sie streng anzusehen, „Das letzte, was ich von dir höre ist dieser grauenvolle Ohrwurm, den deine Kuchen singen und dann bist zu weg – wie vom Erdboden verschwunden. Ich habe Dumbledore geschrieben, aber hat in Rätsel geantwortet und gesagt, dass du irgendetwas für ihn erledigst und dass du auf unbestimmte Zeit nicht erreichbar bist und dann aus dem Nichts schreibst du dann und sagst mir, dass du bei den Weasley-Zwillingen untergekommen bist und jetzt in ihrem Super-Scherzartikelladen wohnst, bei dessen Anblick ich ganz bestimmt nicht fast zu heulen begonnen hätte, weil er so genial ist und ich es nie zugeben würde, dass etwas, was ein Gryffindor erschaffen hat, so toll sein kann."

„Es ist kompliziert", stimmte Agnes ihm zu, „Aber ich kann dir alles erklären."

„Ist sie das, Roger?", kam eine Frauenstimme aus einem anderen Raum und Agnes sah Roger überrascht an, der knallrot wurde.

„Ich kann dir auch alles erklären", schwor er und hob abwehrend die Hände, „Ich habe Tee gemacht – ich weiß doch, dass du eine Tee-Tante bist."

„Tee klingt tatsächlich gut", meinte Agnes und folgte Roger in die Wohnung. Sie war geräumig und sehr hell mit vielen, großen Fenstern und hellen Farben, süßen Möbeln und einigen Bildern. Beim Vorbeigehen aber sah Agnes, dass sie sich nicht bewegten – also waren es Muggelbilder. Mit jedem Schritt wurde Agnes verwirrter, bis sie in die Küche kamen und dort am Küchentisch hinter einem Buch versteckt jemand saß, den Agnes nicht kannte. Sie sah auf und Agnes bemerkte sofort ihre kurzen, schokoladenbraunen Haare, die sich süß an ihren Wangen lockten. Ihre Haut war dunkler und ihre Augen sahen beinahe schwarz hinter der dicken Brille aus. Als sie Agnes erblickte, bemerkte Agnes einen kurzen Moment der Überraschung – vermutlich wegen der vielen Narben, aber ihr Blick wurde sofort wieder freundlich und sie legte ihr Buch zur Seite und stand auf, um Agnes die Hand zu schütteln.

„Hallo", begrüßte die Frau Agnes freundlich und grinste breit, „Wir kennen uns noch gar nicht – ich bin Ivy – wie der Efeu. Ich bin Rogers Freundin."

„Davon hat er mir gar nichts erzählt!", rief Agnes gekünstelt empört aus und sah Roger streng an, „Ich bin Agnes."

„Ich weiß", Ivy nickte schnell, „Er hat schon viel von dir erzählt – nur Gutes, natürlich!"

„Setzen wir uns und wir können einige Geschichten austauschen", schlug Roger vor, „Will jemand Tee?"

„Immer doch!", meinte Agnes und setzte sich auf einen der Stühle an den Tisch und Roger stellte vor sie eine Tasse heißem Tee und setzte sich ihr gegenüber neben Ivy, „Jetzt fang schon an! Woher kennt ihr euch?"

„Das ist eine lustige Geschichte", Roger lachte trocken, „Oder auch nicht... Es hat wohl damit begonnen, dass ich meine UTZs bestanden habe und dann nicht im Ministerium arbeiten wollte – nach allem, was die getan haben und so... Ich habe mit meiner Mutter und Leto gestritten und bin dann einfach abgehauen. Ich habe mir einen Job unter Muggel gesucht – in einer Bibliothek und da habe ich auch Ivy kennengelernt."

„Und du hast einfach so deine Familie verlassen? Nach all den Jahren?", fragte Agnes beeindruckt.

„Meine Mutter sind natürlich auch einige Kommentare, dass Du-Weißt-Schon-Wer nicht die schlechteste Wahl für die Zaubererwelt ist und so und das kann ich nicht hinnehmen", meinte Roger bestimmt, „Und wenn du deine Familie verlassen kannst, dann kann ich das auch, was uns zu dem Thema bringt – was zur Hölle hast du die letzten Monate gemacht?"

Agnes räusperte sich und begann zu erzählen: „Dumbledore hat mir gleich nachdem ich die Schule verlassen hatte einen Auftrag gegeben. Es war ein geheimer Auftrag, und ich musste inkognito bleiben, damit es funktionierte."

„Was war das?", fragte Roger und Agnes warf Ivy einen unsicheren Blick zu, die wohl wenig verstand, aber trotzdem für das, dass sie ein Muggel war wohl schon ziemlich viel über die Zaubererwelt wusste.

„Du kennst doch noch Greyback?", fragte Agnes und Roger nickte.

„Der Typ, der dich verwandelt hat? Klar doch, er steht ganz oben auf meiner Liste. Was ist mit ihm? Er hat dich doch nicht noch einmal angegriffen, oder?"

„Nein, das nicht", verneinte Agnes schnell, „Aber sein Rudel ist das größte in ganz Großbritannien und nach Remus Lupin bei ihnen schon vertrieben worden ist, hat Dumbledore jemand anderen gebracht, der dort spioniert."

„Ein Rudel von was?", meldete sich Ivy unsicher.

Agnes sah Roger fragend an und er nickte zur Bestätigung, also erklärte Agnes geduldig: „Werwölfe."

„Werwölfe?", wiederholte Ivy überrascht, „Es gibt Werwölfe?"

„Oh ja", Agnes lachte trocken auf, „Die gibt es."

„Und du bist einer? Ein Werwolf?", fragte Ivy leise und Agnes nickte. Sie wusste nicht, wie Muggel darauf reagieren würden, aber sie bezweifelte, dass sie weniger abgeneigt waren, wie Zauberer.

„Darum auch die ganzen Narben?", fragte Ivy, „Oh nein! Das muss furchtbar wehgetan haben!"

„Es ist alles verheilt", winkte Agnes ab, „Das einzige Problemchen sind die Verwandlungen zu Vollmond."

„Also verwandeln sich Werwölfe wirklich zu Vollmond in einen Wolf?", Ivy war erstaunt und überrascht, wie viel Muggel bei dieser Legende richtig hatten.

„Nicht wirklich", verbesserte Agnes sie, „Nicht direkt ein Wolf, sondern eher ein Monster mit wolfähnlichen Zügen und biologischen Parallelen. Ich verliere in dieser Zeit vollkommen die Kontrolle und habe das Bedürfnis, Menschen zu jagen und töten, außer ich nehme den Wolfsbanntrank."

„Hast du schon einmal jemand ermordet?", fragte Ivy unsicher, aber zu ihrer Erleichterung meinte Agnes: „Nein, nicht als Werwolf."

„Also bist du bei Greybacks Rudel gewesen? Die ganze Zeit?", erkundigte sich Roger.

„Ich habe die Berge nur einmal verlassen – als ich erfahren habe, dass Sirius gestorben ist", bestätigte Roger.

„Ah ja... Sirius Black", erinnerte sich Roger, „Ich habe gar nicht gewusst, dass du ihn gekannt hast."

„Sirius Black wie in... Sirius Black der Massenmörder, der vor ein paar Jahren aus dem Gefängnis entkommen ist? Er ist ein Zauberer?", fragte Ivy dazwischen.

„Sirius war schon immer unschuldig", beruhigte Agnes sie, „Und ich habe ihn gekannt – er war ein naher Verwandter – ein Cousin zweiten Grades oder so. Wir... wir haben uns gut verstanden..."

„Das tut mir leid", meinte Ivy und legte eine Hand auf ihre Schultern, „Bestimmt war er kein schlechter Mensch."

„Die erste Familie, die ich wohl wirklich gemocht habe", lachte Agnes trocken, „Und das heißt was, denn meine Familie ist riesig!"

„Und warum bist du jetzt nicht mehr in Greybacks Rudel?", hinterfragte Roger, „Was ist passiert?"

„Ich bin aufgeflogen", meinte Agnes, „Meine Mutter und Bellatrix Lestrange sind aufgetaucht und haben mich auffliegen lassen. Ich bin disappariert und zu den Zwillingen."

„Warum zu den Zwillingen?", überlegte Roger mit gerunzelter Stirn und Agnes wurde rot.

„Ich... äh... ich weiß nicht... Ich wollte nicht zu den Weasleys in den Fuchsbau – Agnolia hätte mich dort suchen können und ich habe sonst auch keinen Ort gewusst – ich war verletzt und müde, also habe ich wenigstens ein Dach über dem Kopf gebracht und dann ist mir eingefallen, dass Fred und George einen Laden in der Winkelgasse geöffnet haben und dass es dort sicher sein könnte", verteidigte sie sich schnell.

„Und du bist noch immer dort – vermutlich willst du mir jetzt auch noch erklären, dass du noch immer nicht mit einem von beiden zusammen bist, oder?", vermutete Roger schmunzelnd.

„Also... eigentlich", stammelte Agnes und Roger sah sie mit großen Augen an.

„Was?", rief er überrascht, „Ich wusste es! Die ganze Zeit! Einer der Zwillinge steht auf dich und das schon seit Ewigkeiten, aber du wolltest mir nicht glauben! Ich habe es schon immer gewusst! Welcher von beiden war es jetzt?"

„Fred", Agnes wurde knallrot, wie Freds Haare, „Ich bin mit Fred zusammen."

„Irgendwie weiß ich jetzt nicht, ob ich glücklich sein sollte, oder doch lieber panisch, weil du mit einem Gryffindor zusammen bist, aber wer kann seinem Charme auch wiederstehen, hu?", grinste Roger, „Das ist so perfekt – du bist ein Treiber, er ist ein Treiber – zusammen seid ihr vermutlich gruselig und wirklich anstrengend. Mit tut irgendwie George leid."

„George hat Tia – der überlebt uns schon, sobald sie aus der Schule zurück ist", winkte Agnes ab.

„George ist mit Tia zusammen? Ist sie nicht Lupins Tochter? Ich glaube langsam, die beiden stehen auf Werwölfe", lachte Roger.

„Die beiden sind schon seit Ewigkeiten zusammen – hast du das nie mitbekommen?", fragte Agnes verwundert.

„Um ehrlich zu sein – mein Leben ist mir zu wertvoll, um mich für das Liebesleben der Weasley-Zwillinge zu interessieren."

„Kommt es häufig vor, dass Zauberer zu Werwölfe verwandelt werden?", fragte Ivy schüchtern, „Ihr scheint recht viele zu kennen."

Agnes und Roger wechselten Blicke und beide waren ratlos.

„Nein, es kommt nicht sehr häufig vor, aber zurzeit immer häufiger", gestand Agnes, „Werwölfe sind normalerweise eher zurückgezogen. Wir werden von der Gesellschaft nicht wirklich akzeptiert, also leben viele von uns eher abgeschieden. Wir könnten eigentlich ganz normal leben, wenn nicht gerade Vollmond ist, aber dank diverser Regeln, die das Ministerium uns vorschreibt ist es unmöglich einen Beruf auszuüben – dafür gibt es zu viel zu beachten. Zurzeit gibt es nur einen Werwolf, der wirklich absichtlich Zauberer in Werwölfe verwandelt – meistens aus Rache oder als Drohung für andere."

„Und dieser hat dich auch verwandelt? Warum?", fragte Ivy geradeheraus.

„Mein Vater hat ihn auf mich gehetzt", spuckte Agnes hasserfüllt aus.

„Warum sollte ein Vater das tun?", Ivy riss ihre großen Augen weit auf und schaute Agnes geschockt an.

„Nicht alle Eltern sind perfekt. Und meine sind eben das Vorbild für alle schlechten Eltern, die es auf dieser Welt gibt", Agnes strich über ihre schwarzen Narben am rechten Arm und sah nachdenklich in die Ferne.

„Wenn das der Fall ist, muss man sich eben eine neue Familie suchen", heiterte Roger das Gespräch schwungvoll wieder auf, „Ich habe dich und Agnes wird auch immer zur Familie gehören – du bist mir eindeutig lieber, als Leto, obwohl ich von ihr immer Freikarten für Quidditchspiele bekommen habe! Aber hey, nachdem sie jetzt nicht mehr spielt, hätte das sowieso nicht mehr funktioniert." Als Beweis küsste er Ivy schnell und hielt ihre Hand. Agnes lächelte bei dem Anblick – Roger hatte in Hogwarts häufig Freundinnen gehabt – mindestens eine im Jahr, aber die waren eher oberflächlich und nicht sonderlich intelligent gewesen, wie Agnes gefunden hatte und nicht passend für Roger. Ivy war zwar auch hübsch, aber anders hübsch. Ein bisschen wie ein Nerd und ein Streber mit ihrer großen Brille und der ordentlichen Kleidung, aber eher schüchtern und zurückhaltend, neugierig und wissbegierig und sicherlich nicht dumm – die Literatur, die sie gerade las war höher und sicher schwieriger.

„Hast du schon von Randy und Duncan?", fragte Roger plötzlich und Agnes begann zu grinsen.

„Sag bloß, Randy hat sich doch noch getraut, ihn zu fragen", schwärmte Agnes.

„Doch", bestätigte Roger ebenfalls breit grinsend, „Duncan ist bei der Abschlussfeier gewesen und Randy spricht ihn an und das nächste, was ich bemerke ist, dass die beiden vor der ganzen Schule sich küssen. Randy hat dir einen Brief geschrieben, aber er hat mir gesagt, dass er unbeantwortet zurückgekommen ist, also hat er mich gefragt, wo du dich aufhältst und natürlich habe ich es nicht gewusst bis heute – er wollte sich bei dir für den Rat bedanken, den zu ihm gegeben hast. Ich glaube, er arbeitet im Ministerium in der Abteilung für Sport, soweit ich weiß."

„Ich habe gewusst, dass die beiden zusammenkommen", bemerkte Agnes glücklich, „Sie passen perfekt zusammen und sie haben sich schon immer gut verstanden. Mit dir wäre er nicht so glücklich geworden."

„Was?", rief Roger aus, „Randy hat einmal für mich etwas übriggehabt? Warum hat er nichts gesagt?"

„Vermutlich weil er gewusst hat, dass du nur für das andere Geschlecht schwärmst", erinnerte Agnes ihn, „Aber er ist über dich hinweggekommen und hat Gefühle für Duncan entwickelt."

„Ich hätte nie gedacht, dass Duncan Männer und Frauen mag", überlegte Roger.

„Dabei war er während der Schulzeit einige Zeit mit Grant zusammen", meinte Agnes überrascht und Roger sah sie verwirrt an.

„Wirklich? Das ist mir wirklich nicht aufgefallen. Wann war das? Ich habe gedacht, die beiden waren nur beste Freunde", wunderte sich Roger.

„Oh nein. Ich glaube als sie in der Dritten waren, sind sie einige Monate zusammen gewesen, aber es hat wohl nicht funktioniert. Jedenfalls sind sie danach noch gute Freunde geblieben", erklärte Agnes.

„Und jetzt fühle ich mich ignorant, weil es mir nicht aufgefallen ist", fluchte Roger, „Ich sollte wohl an meinen Menschenkenntnissen arbeiten."

„Ich denke, das ist nicht mehr nötig", winkte Agnes ab und lächelte Ivy freundlich an, „Mit Ivy hast du doch einen guten Treffer gelandet!"

„Ich wünschte, ich könnte dasselbe von dir und Fred sagen, aber dann würde ich zugeben, dass ich froh bin, dass du mit einem Gryffindor zusammen bist und das würde das letzte bisschen Ehre zerstören, das in mir noch übrig ist."

„Jetzt hör schon auf", Agnes schlug ihrem besten Freund spaßhalber leicht auf den Arm, „Tief im Inneren stehst du doch auch auf Fred und George und wünschst dir, sie wären Frauen!"

„Vielleicht, aber das sollte ich nicht laut aussprechen", Roger verschränkte die Arme vor der Brust.

Ivy sah Roger überrascht an und meinte ernst: „Und plötzlich will ich diese Zwillinge kennenlernen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top