71. Kapitel
Agnes war froh, dass sie wenigstens im Dunkeln besser sehen konnte, als ein Nicht-Werwolf, ansonsten wäre sie wohl ziemlich aufgeschmissen gewesen.
Dumbledores Anweisungen schwirrten noch in ihrem Kopf – sie sollte ihren Zauberstab bei diesem Auftrag so wenig wie möglich benutzen. Eigentlich verließ sich Agnes eher auf ihre Magie, aber in diesem Fall musste sie Dumbledore Recht geben – einen Zauberstab zu benutzen, wäre wohl keine große Hilfe.
Seit mindestens einer Stunde wanderte sie in absoluter Dunkelheit durch den Wald weiter oben in den Bergen. Es ging immer weiter nach oben und obwohl Agnes bemerkt hatte, dass ihre Ausdauer sich um einiges verbessert hatte, seit sie von Greyback gebissen worden war, aber trotzdem schwitzte sie und atmete schwer.
„Ich hasse das", murmelte sie leise und wischte sich mit dem Ärmel ihres Umhanges über die schweißnasse Stirn. Sie hasste Schweiß. Natürlich war sie eine sportliche Person – immerhin liebte sie Quidditch, aber das bedeutete nicht, dass sie liebte, wenn ihre Kleidung an ihrer Haut klebte und auf jeden Fall bedeutete das nicht, dass sie es bevorzugte, sich selbst zu riechen.
Sie hatte es schon lange aufgegeben, halbwegs präsentabel auszusehen. Ihre weißblonden Locken hatte sie mit einem abgerissenen Band von ihrem T-Shirt hochgebunden und trotzdem fielen noch einige rebellische Strähnen in ihr Gesicht, aber mittlerweile bemühte sie sich nicht einmal mehr, sie wieder in den Zopf zu stecken.
Sie setzte ihren Fuß auf einen Baumstamm, aber sobald ihre Schuhsohle die Rinde berührte, spürte sie schon, wie sie am regennassen Baum abrutschte und beinahe hinfiel, aber sie konnte sich noch auffangen. Ungemütlich schrammte sie sich die Hände an der rauen Rinde auf und fluchend kam sie wieder auf die Beine und untersuchte im Dunkeln ihre Hände. Sie roch das Blut, bevor sie es sah und seufzte unzufrieden.
„Wenn das auch noch vernarbt, schmeiße ich mein Leben endgültig hin", murmelte sie und versuchte nicht an die Narben in ihrem Gesicht zu denken, die sie natürlich nicht abdecken durfte. Sie sollte so wirken, als wäre sie stolz auf ihre Narben – als könnte sie auf ein so verstelltes Gesicht stolz sein.
Plötzlich hörte sie ein Knacken im Wald und sie horchte alarmiert auf. Natürlich war es nicht ungewöhnlich in einem Wald, dass es einmal irgendwo im Dunkeln knackte, wenn ein verirrtes Vieh vor ihr flüchtete, aber nachdem sie ganz genau wusste, wer, beziehungsweise was in diesem Wald lebte, war sie lieber vorsichtig.
Sie horchte komplett still und hielt sogar ihre Atmung flach, damit sie wirklich jedes noch so kleine Geräusch hörte, aber es kam nichts mehr. Also war es entweder wirklich ein Tier gewesen, oder sie wurde beobachtet.
Versuchshalber witterte sie in der Luft – allein der Gedanke daran, dass sie witterteknackte ihren Stolz ein bisschen an, immerhin war sie kein Tier, aber bei diesem Auftrag sollte sie sich wohl lieber daran gewöhnen, sich wie eines zu benehmen – diesen Rat hatte ihr jedenfalls Remus gegeben, bevor sie gegangen war.
Und tatsächlich roch sie kein Tier in der Dunkelheit, sondern sie roch jemanden. Es war ein menschlicher Geruch – sie hasste es, dass sie das nach kaum einem Jahr als Werwolf schon differenzieren konnte, aber da war noch mehr. Es war ein unterschwelliger Geruch, den sie schon bei Remus bemerkt hatte – und bei Greyback. Ein Werwolf beobachtete sie also.
„Hallo?", rief sie in die Dunkelheit und fühlte sich sofort lächerlich. Sie hatte eigentlich genug Muggel-Horrorfilme gesehen, um zu wissen, dass das keine gute Idee war. Andererseits konnte man sich auf Muggel nicht wirklich verlassen und sie wusste, dass die, die sie beobachteten genau die Leute waren, die sie finden wollte. „Ich weiß, dass ihr mich beobachtet."
Sie bekam natürlich keine Antwort und Agnes seufzte. Sie war sich nicht einmal sicher, warum sie diesen Auftrag überhaupt angenommen hatte. Ach ja... sie wollte alles tun, um Voldemort zu stürzen. Dafür warf sie auch gerne das letzte bisschen Würde weg, das sie noch behalten hatte.
„Das ist lächerlich", murmelte sie leise, obwohl sie genau wusste, dass ihre Beobachter sie hören konnten – immerhin waren es Werwölfe, „Hey! Ich suche Greyback!"
Wieder wurde es einen Moment still, aber dann raschelte es wieder und aus der Dunkelheit traten drei Werwölfe.
„Greyback also, hu?", fragte einer von ihnen. Es war ein Mann – er konnte nicht viel älter sein, als Agnes, also vielleicht zwanzig oder Anfang zwanzig. Seine Haare waren dunkel und lang, aber ungepflegt und verfilzt. Auf seiner Haut klebte Dreck und Schlamm und seine Kleider waren geflickt und doch noch immer löchrig. Nur seine Augen glitzerten Agnes intelligent entgegen und sie beschloss, diesen Mann nicht zu unterschätzen.
Die anderen beiden waren Frauen, wobei eine von ihnen hellbraune Haare hatte, die andere aber schwarze und auch ihre Haut schien dunkler, sodass sie Agnes an Tia Fuego erinnerte.
„Das habe ich gesagt, ja", entgegnete Agnes langsam genervt von der ganzen Situation, „Wisst ihr, wo ich ihn finde."
„Wer fragt?", fragte die Frau mit den dunklen Haaren und Agnes sah, wie ihre Augen wahnsinnig glitzerten.
„Ich bin Agnes", stellte sie sich vor und vermied ihren Nachnamen absichtlich, „Ich suche Greyback."
„Das hast du schon einmal gesagt", bemerkte der Mann amüsiert.
„Ich weiß", konterte Agnes, „Aber offenbar wird meine Frage ignoriert, also stelle ich sie noch einmal – Wo ist Greyback?"
Die drei sahen sich an und schienen eine stumme Unterhaltung zu führen, aber Agnes konnte ihre Blicke gut genug deuten, um zu erkennen, dass sie sie natürlich zu Greyback führen würden und sie sie nur noch ein bisschen zabbeln lassen wollten. Das funktionierte aber nicht bei Agnes, dafür war sie schlicht und einfach zu intelligent.
„Okay", antwortete ihr schließlich der Mann, „Wir führen dich zu ihm."
„Zu gütig von euch", schnaubte Agnes sarkastisch, „Ich würde mich ja verbeugen, aber ich glaube, ich habe mir das Kreuz verrissen."
Der Mann schmunzelte. „Ich glaube, du wirst du gut einfinden."
„Das habe ich niemals bezweifelt", murmelte Agnes, aber sie wusste, dass die drei sie gehört hatten, aber sie antworteten nichts darauf.
„Folge uns", meinte die Frau mit den hellbraunen Haaren, bevor sie sich umdrehten und den Aufstieg weiter nach oben begannen. Agnes seufzte, bevor sie ihnen folgte.
„Erwarte aber nicht, dass er dich empfängt", warnte die Frau mit den dunklen Haaren sie und sie klang keineswegs freundlich, sondern eher abwertend. Agnes hasste das. Sie war immerhin Agnes Tripe – niemand sprach so mit ihr. Und wenn doch, bekam er später die Folgen zu spüren. Aber sie riss sich zusammen und atmete tief durch. Der Tag war lang gewesen und die Nacht eigentlich nicht vorhanden – sie hatte noch nicht geschlafen, sondern ihre Reise vorbereitet und hatte sich von Dumbledore und Remus anhören müssen, was sie erwarten würde. Seit sie Hogwarts verlassen hatte, hatte sie kein Auge zubekommen und langsam spürte sie die Folgen, ganz zu Schweigen von einer guten Mahlzeit. Sie bezweifelte aber, dass sie diese in nächster Zeit bekommen würde. Zum Glück war sie schon ein bisschen geübt darin, Hunger zu haben, auch wenn sie von Hogwarts noch ein wenig verwöhnt war – da hatte es drei Mahlzeiten am Tag gegeben und selbst dazwischen konnte sie eigentlich jederzeit in die Küche gehen, um sich einen kleinen Snack zu holen. Das musste sie sich gleich abgewöhnen.
„Das habe ich nie erwartet", murmelte Agnes, obwohl sie wusste, das ihre Anwesenheit allein vermutlich ihn aus seinem Versteck locken würde – immerhin hatte sie das schon einmal getan. Dumbledore hatte ihr zwar gesagt, dass sie Greyback nicht sofort zu Gesicht bekommen würde, aber irgendetwas sagte Agnes, dass er sie doch persönlich begrüßen würde.
Sie war eine Tripe – sie stammte aus einer der ältesten, reinblütigen Familien Englands. Er persönlich hatte sie tagelang – nein, wochenlang verfolgt, bevor er sie persönlich gebissen hatte und selbst danach hatte er bei ihrem ersten Vollmond sie persönlich aufgespürt, um sie in sein Rudel einzuladen.
Sie hoffte, dass er sie nicht selbst empfangen würde, aber sie bereitete sich schon einmal darauf vor für den Fall, dass es so sein würde.
„Wir sind gleich da", rief ihr der Mann zu.
„Zum Glück", keuchte Agnes – der Schlaf- und Nahrungsentzug zeigte sich mit Erschöpfung. Sie sah, wie der Mann ihr ein amüsiertes Lächeln zuwarf, bevor sie eine Hügelkuppel erreichten. Vor ihnen reichte der Berge steinig weiter in die Höhe, aber davor war ein kleines Plateau und in den Berg selbst konnte Agnes drei oder vier Höhleneingänge entdecken. Zwanzig oder dreißig Werwölfe gingen ein und aus, aber sie hörte noch einige mehr in den Höhlen schlafen – es waren aber auf jeden Fall mehr, als Dumbledore angenommen hatte, aber so ziemlich alles, was er für ihre Reise geplant hatte, war anders, also verwunderte das Agnes nicht. Dumbledore wusste eben doch weniger, als er meinte.
„Komm mit", der Mann, der sie hergeführt hatte, hatte ihren verwunderten Blick aufgefangen und winkte ihr nun zu, weiter zu kommen, „Seine Höhle ist dort hinten."
Natürlich hatte Greyback eine eigene Höhle – es hätte Agnes wohl verwundert, wenn es nicht so gewesen wäre.
Alle drei, die sie geführt hatten zeigten ihr den Weg zu einem eher unauffälligen Eingang, der mit einer dicken Decke verhängt war. Sie musste sich bücken, um hineinkriechen zu können und die anderen drei, die größer waren, als die kleine Agnes krochen schon beinahe hinein – Greyback war ein großer Mann, vermutlich musste er tatsächlich krabbeln, um in seine eigene Höhle zu kommen, aber Agnes bezweifelte, dass ihn das störte. Immerhin war so ein animalisches Verhalten nur typisch für Greyback.
„Greyback!", rief der Mann. Sie waren zum Ende des kurzen Ganges gekommen und dort hing eine weitere Decke, die den Gang mit der eigentlichen Höhle trennte, wie Agnes vermutete. Von drinnen hörte sie jemanden gehen – vermutlich Greyback, wie Agnes vermutete, nachdem es seine Höhle war und sie als logisch denkendes Wesen in der Lage war, Indizien zusammen zu zählen. „Wir haben hier eine Neue! Sie will sich uns anschließen... oder so... sie wollte dich sehen!"
Einen Moment war es still – derjenige, der im Inneren hin und her gegangen war, war stehengeblieben.
„Sag ihr dasselbe, wie allen anderen", hörte Agnes Greybacks Stimme – sie fand es beunruhigend, dass diese Stimme schon beinahe vertraut war, nachdem sie ihn so oft in ihren Träumen gehört hatte – Albträumen.
Der Mann, der sie hergeführt hatte, legte eine Hand auf Agnes' Schulter und am liebsten hätte sie diese sofort abgeschüttelt, aber sie riss sich zusammen – diese Werwölfe mussten ihr trauen. „Du hast ihn gehört, Agnes. Aber nachdem er dich auch nicht ganz vertrieben hat, denke ich –"
Plötzlich wurde der Vorhang zur Seite gerissen und vor Agnes stand Greyback. Sie konnte nicht anders, als einen Schritt zurückzuweichen, als sie sich daran erinnerte, wie er damals, in jener Nacht genauso vor ihr gestanden hatte, bevor er ihr Leben ruiniert hatte.
„Hast du Agnes gesagt?", fragte er unnötiger Weise, nachdem er direkt vor ihr stand und sie schon gesehen hatte.
Agnes schluckte nervös. Sie hatte nicht gedacht, dass sie so durchdrehen würde, wenn sie ihn wiedersah, aber jetzt stand sie vor ihm und konnte nicht anders, als sich tatsächlich zu fürchten. Greyback war ein gefährlicher Mann, das war Agnes klar, aber dennoch war sie Agnes Tripe – sie fürchtete sich doch nicht vor jemanden wie Greyback. Und doch klopfte ihr Herz wie wild in ihrer Brust und sie hatte das Bedürfnis, wegzurennen.
Greybacks Blick richtete sich genau auf sie und er musterte sie von oben bis unten und Agnes fühlte sich entblößt, aber sie riss sich zusammen. Sie war im Auftrag des Ordens hier.
„Agnes Tripe", ihr Name klang ekelerregend, wenn Greyback ihn aussprach, aber sie hob tapfer ihren Kopf höher und bemühte sich, selbstsicher auszusehen.
„Greyback."
Greyback lachte laut auf und grinste breit. „Du ähnelst deiner Mutter von Tag zu Tag mehr", bemerkte er und Agnes nahm es nicht direkt als ein Kompliment auf, obwohl ihre Mutter eine wunderschöne Frau gewesen war, bevor die Jahre in Askaban sie verändert hatten.
„Agnes Tripe?", fragte der Mann, der Agnes hergebracht hatte misstrauisch, „Doch nicht etwa wie –"
„Agnolia Tripes Tochter", stellte Greyback sie vollends vor, „Bist du hergekommen, um dich uns anzuschließen?"
„Es hat einige Komplikationen gegeben", meinte Agnes und lächelte kühl – was sie nicht wusste war, dass sie in diesem Moment eins zu eins wie ihre Mutter in deren jungen Jahren aussah, „Und jetzt bin ich wohl hier."
Greyback musterte sie, bevor er einen Schritt zur Seite trat. „Tretet doch ein", bot er an und Agnes musste sich an ihm vorbeiquetschen, damit sie in die Höhle gehen konnte. Sie streifte mit ihrer Schulter seine Brust, nachdem sie nicht höher reichte und Agnes vermutete, dass genau das Greybacks Plan gewesen war, aber sie verdrängte diesen Gedanken schnell wieder, damit sie sich nicht vor Ekel übergeben musste.
Die drei Werwölfe, die sie hergeführt hatten, folgten ebenfalls in die Höhle und im Gegensatz zum Eingang war diese groß und weiträumig. Es gab natürlich keine Luxusgegenstände, aber es lagen viele Decken herum. An der Wand klebte etwas, das wie Blut aussah, aber Agnes wandte ihren Blick schnell wieder ab.
„Was führt Agnes Tripe hierher?", fragte Greyback voller Genugtuung, als er hinter ihr eintrat, „Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dich hier zu sehen, nachdem diese Hippies dich unter ihre Fittiche genommen haben."
Natürlich sprach er von Remus und Dumbledore. Er war Greyback – informiert und bestimmt hatte er sich ganz genau über Agnes informiert, wie sie vermutete.
„Es hat Veränderungen gegeben", meinte Agnes und sie versuchte ihre Worte zu drehen, dass sie indirekt die Wahrheit sprach, damit Greyback auf gar keinen Fall auf die Idee kam, dass sie log. Sie wollte nicht, dass er bemerkte, warum sie wirklich hier war – das könnte ihren Tod bedeuten und sie wollte auf gar keinen Fall in dieser dreckigen Höhle sterben... und besonders nicht wegen Greyback. „Vielleicht habt ihr es schon gehört, aber Hogwarts hat einen neuen Schulleiter."
„Hogwarts?", fragte die Frau mit den dunklen Haaren verwirrt – vielleicht war sie ein Muggel, aber die anderen verstanden.
„Wirklich?", fragte Greyback und trat einen Schritt näher an Agnes heran, die sich aber zwang, weiterhin selbstsicher und mit erhobenem Kopf ihm gegenüber zu stehen, obwohl sie schon seinen fürchterlichen Gestank in der Nase hatte. „Ich habe nicht erwartet, dass sie diesen alten Greis wirklich loswerden."
„Die Alternative ist kaum zu gebrauchen", schnaubte Agnes und dieses Mal log sie wirklich nicht, „Dolores Umbridge hat seinen Posten übernommen – ich vermute, ihr kennt sie?"
Nicht nur Greyback sah bei diesem Namen wütend aus, sondern hinter ihm zischten die anderen drei Werwölfe ebenfalls – sogar der Muggel. Jeder Werwolf hatte diesen Namen zu hassen gelernt.
„Diese Frau", zischte Greyback, „Nicht, dass es mich viel interessieren würde – Arbeit in der Welt dieser Schwächlinge ist noch nie etwas für mich gewesen, aber... aber allein die Tatsache, dass sie ein solches Gesetz schreibt –"
„Deswegen habe ich Hogwarts vorzeitig verlassen müssen", bemerkte Agnes ebenfalls verbittert, „Die Gefahr ist zu groß gewesen, dass sie erkennt, dass ich ein Werwolf bin und früher oder später hätte sie schon einen Grund gefunden, mich nach Askaban zu schicken."
„Askaban ist kein Ort für so ein hübsches Mädchen wie dich", Greyback trat einen weiteren Schritt vor und hob die Hand, um Agnes' Wange zu berühren, aber zu ihrem Glück zog er sie wieder weg, bevor er das tun konnte, „Ich verspreche dir, Umbridge wird brennen."
„Ich helfe nur liebend gerne", schnaubte Agnes und lachte trocken auf.
Greyback grinste bei diesem Kommentar ebenfalls und Agnes wusste, dass auch die letzten Zweifel ihr gegenüber verschwunden waren – er kaufte ihr die Story bis jetzt ab.
„Du hast uns schnell gefunden", bemerkte Greyback – interessiert oder misstrauisch, aber Agnes hatte schnell eine Antwort parat.
„Unterschätze meine Intelligenz nicht", verlangte sie stolz und hob den Kopf höher, „Es ist nicht besonders schwer gewesen – ihr wärt überrascht."
Greyback lachte leise und nickte. „Natürlich nicht... Agnes Tripe... dich unterschätzt man besser nicht, oder?" Seine Augen glitzerten, als würde er nur darauf warten, dass sie einen Fehler machte, aber Agnes machte selten Fehler – besonders nicht, nachdem ihr letzter Fehler so fatal geendet hatte. Sie lernte auch aus ihren Fehlern.
Nun hob Greyback wieder seine Hand und dieses Mal berührte er ihre Wange, aber Agnes zögerte nicht und schlug sie mit einer eleganten Handbewegung weg. „Nur ansehen – nicht anfassen", warnte sie drohend, obwohl sie in keiner Position war, Befehle zu erteilen, aber bevor sie so etwas bei Greyback erlaubte, starb sie lieber kämpfend. Der Zauberstab, den sie ihren Ärmel hochgeschoben hatte fühlte sich kalt auf ihrer verschwitzten Haut ab.
Aber Greyback lachte zu ihrem Glück zu herzhaft auf. „Ha! Wie konnte ich das vergessen? Der Stolz der Tripes – wie Mutter so auch die Tochter, oder nicht?"
Agnes antwortete ihm darauf nicht, sondern wartete nur auf seinen nächsten Schritt. Sie war auf alles vorbereitet.
„Du hast deine neuen Rudelmitglieder schon kennengelernt?", fragte Greyback und wies auf die drei Werwölfe, die die Unterhaltung bisher interessiert beobachtet hatte, „Das sind Nero, Del und Olivia."
Nero war der Mann, der ihr kurz zunickte und sie musterte, als würde sie die Antworten für alle Fragen der Welt in sich tragen. Del war die Frau mit den hellbraunen Haaren, die Agnes mittlerweile misstrauisch musterte und in ihren Augen glitzerte Hass. Egal, was Agnes ihr angetan hatte, sie ging ihr wohl lieber aus dem Weg.
Olivia war die Frau mit den schwarzen Haaren, die auf Agnes ein wenig wahnsinnig wirkte. Ihr ging sie dann wohl auch lieber aus dem Weg. Vermutlich ging Agnes einfach allen aus dem Weg und brachte ihren Auftrag möglichst ohne Zwischenfälle hinter sich.
„Ich fordere dich heraus", zischte Del hasserfüllt und Agnes war verwirrt. Sie war neu in diesem Rudel – sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete.
„Wie bitte?", fragte sie verwirrt nach, aber Greyback lachte nur finster.
„Kaum ein paar Minuten hier und schon der erste Feind?", fragte Greyback amüsiert nach, „Aber was habe ich auch anderes erwartet – von einer Tripe."
„Del, ist das wirklich nö –", redete Nero genervt auf sie ein – vielleicht machte Del das öfter, aber Del unterbrach ihn barsch: „Nein, Nero! Agnolia Tripe hat meinen Vater umgebracht und dafür bringe ich jetzt ihre Tochter um."
Darum ging es also. Ihre Mutter hatte Dels Vater umgebracht und jetzt wollte sich diese rächen – ganz simpel. Die irrationalen Gedanken eines dummen Menschen, aber doch blieb Agnes vorsichtig. Immerhin war sie jetzt in einem Rudel und jemanden herausfordern bedeutete hier nicht, sich zu duellieren.
„Del hier hat dich zu einem Kampf herausgefordert", erklärte Greyback, der die Situation interessiert beobachtete.
„Ein richtiger Kampf? So richtig?", fragte Agnes verwirrt nach – sie hatte nicht gedacht, dass Werwölfe wirklich so zurückgeblieben sich benahmen, aber Remus hatte so etwas ähnliches erwähnt – dicht gefolgt von der Bitte, sich aus solchen Kämpfen herauszuhalten.
„So richtig", bestätigte Greyback, der hinter Agnes getreten war, sodass Del direkt vor ihr stand und legte eine Hand auf ihre Schulter, „Du kannst annehmen oder auch nicht, aber dann –"
„Ich nehme an", Agnes hob ihren Kopf in die Höhe, um größer zu wirken, aber es half nicht. Del war größer als sie und hatte mehr Erfahrung, wie Agnes vermutete, was solche Kämpfe anging, aber trotzdem zwang ihr Stolz sie dazu, anzunehmen. Im Hinterkopf meinte sie Remus über sie schimpfen hören, aber sie ignorierte dieses Stimmchen gekonnt und konzentrierte sich auf Del.
„Na gut", meinte Del und hob ebenfalls stolz ihren Kopf, „Jetzt gleich – draußen."
„Okay", meinte Agnes entspannt und lächelte kühl.
„Wie spannend", grinste Greyback und schob Agnes in Richtung Ausgang, „Dein erster Kampf. Ich bin gespannt, wie er ausgeht."
„Sind wir das nicht alle?", konterte Agnes, „Bringen wir es hinter uns, diese kindischen Streitereien nerven mich."
Del wartete schon draußen auf sie und wenige andere Werwölfe versammelte sich, als sie hörten, dass endlich etwas Spannendes passierte und Del sich einen Kampf lieferte.
„Del ist gut", warnte Nero sie, „Sie hat schon so einige Kämpfe gewonnen."
„Wirklich?", Agnes klang wenig beeindruckt, „Dann hat sie sich wohl noch nie mit mir angelegt."
„Jetzt sehen wir wohl wirklich, was in einer Tripe steckt", bemerkte Greyback und stieß sie vor zu Del, aber Agnes fing sich und schritt stolz allein direkt vor Del.
Sie standen sich gegenüber und jeder Muskel in Agnes' Körper war angespannt. Sie wusste nicht, was sie erwartete – zählte jemand hinunter von drei oder gab jemand ein Signal.
Natürlich passierte das nicht – aus dem Nichts sprang Del sie an und Agnes hatte nur Zeit, sich auf dem Boden abzurollen, um ihren Krallen auszuweichen – diese waren lang und dreckig, ähnlich wie die von Greyback. Die Krallen eines Raubtieres. Sie ließ sich wohl besser nicht davon erwischen.
„Ich werde dich bluten lassen", zischte Del hasserfüllt und spuckte vor Agnes auf, die sich wieder aufrappelte, „Ich werde dich bluten lassen, wie deine Mutter meinen Vater hat bluten lassen!"
„Du kannst es gerne versuchen", Agnes grinste sie frech an, „Aber dazu musst du mich wohl erst einmal erwischen, oder?"
„Gah!", kreischte Del auf, als sie sich wieder auf Agnes stürzte und Agnes versuchte wieder auszuweichen, aber dieses Mal war sie zu langsam. Del erwischte sie am Oberarm, aber Agnes biss sich auf die Zunge, damit sie nicht vor Schmerz aufschrie – die Genugtuung gönnte sie Del nicht.
Del grinste und zeigte ihre gelblichen Zähne. „Jetzt bist du wohl nicht mehr so frech, oder?", fragte sie neckend, „Jetzt bist du wieder ein kleines, hilfloses Mädchen. Wirst du jetzt weinen?"
„Bei deiner Hässlichkeit würde ich mir wohl lieber gleich meine Augen ausreißen", bemerkte Agnes und zu ihrer Erleichterung zitterte ihre Stimme nicht, obwohl der Schmerz in ihrem Oberarm sich pochend ausbreitete, aber sie ignorierte diesen Schmerz und konzentrierte sich wieder auf den Kampf.
Del stürzte sich wieder mit einem Schrei auf sie und Agnes wich wieder aus – dieses Mal schneller und sie konnte ihr ausweichen.
„Kämpf endlich!", kreischte Del, „Wehr dich!"
Dieses Mal antwortete Agnes ihr nicht – sie studierte jede Bewegung, die Del machte und speicherte sie ein. Sie berechnete, was sie als nächstes tun würde. Es war einfach nur ein Quidditchspiel und sie musste Del einfach nur mit einem Klatscher erwischen – ganz einfach.
Wieder warf Del sich mit ihrem gesamten Körpergewicht in Agnes' Richtung – so war sie für einen Moment zwar schnell, aber dafür brauchte sie dann immer einen Moment, bevor sie sich gefasst hatte. Für diesen einen war sie träge und das musste Agnes ausnutzen.
Ihre Überlegungen lenkten Agnes ab und als Del sich wieder auf sie warf, hatte sie kaum Zeit, auszuweichen und dieses Mal traf ihr ganzes Gewicht auf Agnes. Sie biss sie Zähne zusammen, als sich Dels Krallen in ihre Brust bohrten und machte eine Rolle nach hinten, um Del von sich zu schleudern und es funktionierte besser, als sie erwartet hatte.
Del überschlug sich zweimal, aber sie rollte sich geschickt ab und war schnell wieder auf den Beinen, während Agnes sich noch hochkämpfte. Del raste beinahe vor Wut und wieder rannte sie auf Agnes zu, aber dieses Mal war sie flink. Sie wich mit einem Schritt zur Seite aus und stellte Del ein Bein, sodass sie nach vorne stolperte und in den Dreck fiel.
Aber Agnes gab ihr nicht einmal die Chance, wieder aufzustehen, sondern stürzte sich nun auf sie und sie hatte vielleicht nicht das Gewicht, das Del mit ihrer Größe mit sich brachte, aber sie hatte die Kraft, die mit ihrer Verwandlung gekommen war.
Sie wusste nicht, was sie tat. Ihr Oberarm schmerzte, ihre Brust schmerzte, sie glaubte, sie hatte auch ein paar Rippen gebrochen, ihre Atmung war schwer und sie hatte Angst – Todesangst. Del würde sie niemals lebend aus diesem Kampf kommen lassen, also durfte sie Del auch nicht leben lassen. In ihrem Kopf machte das so viel Sinn.
Sie sah die Hände auf Dels Hals. Sie spürte, wie Del nach ihren Händen griff und mit ihren Krallen versuchte, ihre Hände zu lockern, aber Agnes ignorierte, wie sich die Krallen in ihr Fleisch bohrten. Sie ignorierte sie auch, als Del ihre Taktik änderte und auf ihre Augen zielte, aber Agnes konnte noch schnell ihr Gesicht wegdrehen, sodass sie nur ein paar Narben auf ihrer Wange hinzufügte. Agnes schlug Dels Kopf auf den Boden – immer und immer wieder und dann... dann war sie tot. Dels Augen starrten glasig in den Himmel und Agnes spürte, wie ihr Herz aufhörte zu schlagen.
Agnes nahm die Hände von ihrem Hals und stand mit zitternden Beinen auf. Einen Moment war es komplett still und sie starrte nur auf die Leiche – sie hatte getötet.
Dann drehte sie sich um – zu der Menge Werwölfe, die sich um sie gesammelt hatte. Alle starrten sie an, als würden sie noch etwas erwarten.
Also breitete Agnes die Arme aus und schrie: „Wer ist der nächste? Wer will sich noch mit Agnes Tripe anlegen?"
Keiner antwortete zu ihrem Glück – einen weiteren Kampf hätte sie niemals überlebt und langsam löste sich die Menge auf und nur wenige blieben zurück. Nero sah sie musternd an, als würde er ganz neue Möglichkeiten in Agnes sehen und Greyback grinste breit, bevor er ihr zublinzelte und in Richtung seiner Höhle wieder verschwand.
Agnes hätte gerne geweint, aber sie musste stark bleiben – Schwäche könnte tödlich enden.
„Agnes", sie zuckte zusammen, als Nero ihren Namen nannte, „Komm mit, ich führe dich herum."
Agnes nickte nur und hoffte, sie hatte irgendwo die Möglichkeit, sich zu waschen – der Hunger war ihr vergangen, aber müde war sie noch immer.
„Hier drin schlafen die meisten von uns", Nero führte sie in die größte Höhle, in der tatsächlich einzelne schliefen und andere sich gerade bereit machten, zu schlafen. Sie lagen einfach auf dem Boden, vielleicht mit einer Decke, aber meistens ohne und einfach so in ihrer Kleidung im Dreck. Agnes wunderte es nicht, dass alle stanken, aber sie wollte nicht wissen, wie sie jetzt schon stank. Der Geruch von Blut stach in ihrer Nase und sie wusste nicht einmal mehr, ob es ihr eigenes war, oder das von Del.
„Wir ernähren uns von Kleintieren, die wir hier in der Nähe jagen", erklärte Nero ihr, „Ich kann dir zeigen, wie das funktioniert, wenn du willst."
„Das wäre nett, ja", meinte Agnes nickend, aber sie behielt Nero im Auge. Keiner war so nett, ohne etwas für sich selbst zu wollen.
„Und ein Stück in den Wald hinein gibt es auch einen kleinen Bach – dort waschen wir uns, aber... es ist nicht direkt privat, also vermeiden es die meisten."
Agnes verstand das, aber dort konnte sie vielleicht wenigstens ihre Wunden säubern. Sie wollte gar nicht wissen, was alles unter den Fingernägeln dieser Schlampe gewesen war.
„Diesen Bach würde ich gerne sehen", bemerkte Agnes trocken. Sie wollte das Blut von ihrer Haut waschen und schlafen und vielleicht für einen Moment vergessen, in welcher Situation sie sich jetzt schon wieder befand.
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