7. Kapitel

 „Bereit für eine neue Kreation Made by Agnes?", fragte Agnes laut, sobald sie den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum betrat.

Die Schüler, die dort waren und ihre Hausaufgaben erledigten, mit ihren Freunden sprachen oder ein Buch am Kamin genossen sahen auf und blickten neugierig und beinahe gierig zu Agnes. Schon in ihrem ersten Jahr in Hogwarts war Agnes für ihre süßen Gebäcke bekannt geworden. Damals waren es noch verbrannte Kekse, verformte Muffins und zerlaufene Kuchen gewesen, aber sie übte immer weiter und schon bald war sie für ihre Backkünste sehr beliebt unter ihren Klassenkameraden in Ravenclaw, die als Versuchsopfer gerne immer wieder Neues von Agnes probierten.

„Was hast du heute für uns dabei?", fragte Stephen Cornfoot, der zwei Jahre jünger war, als Agnes und schon an Agnes' Versuche gewöhnt war, während die Erstklässler noch verwirrt in die Runde blickten. Sie wussten noch nicht, dass dieses blonde Mädchen aus der fünften Klasse immer wieder Leckereien an die Ravenclaws – und nur an die Ravenclaws verteilte.

„Pralinen", offenbarte Agnes, „Gefüllt mit flüssigem Schokoladenkuchen und Blaubeer-Muffins."

„Flüssig?", fragte Padma Patil, „Wie hast du das angestellt?"

„Ein Zauber, den ich gefunden habe. Ich hoffe, der Geschmack des Kuchens und der Muffins hat sich dadurch nicht verändert – ihr müsst es mir sonst sagen, dann arbeite ich noch an der Ausführung."

Agnes reichte die Schachtel mit den Pralinen durch die Schüler, bis sie leer war und jeder mindestens eine bekommen hatte. Kurz war es still, als sich jeder die kleine Schokolade in den Mund steckte und genüsslich kaute, als sich zuerst der Geschmack der dunklen Schokolade und später dann ein Geschmack von warmen Gebäck im Mund ausbreitete. Tatsächlich schmeckte es so, als wäre der Kuchen gerade frisch aus dem Ofen gekommen und die geschmolzene Schokolade schien ihnen allen auf den Zungen zu zerrinnen, obwohl die ganze Füllung flüssig war, während die Muffins-Füllung so schmeckte, als würde man in einen frischen, warmen Muffin beißen mit einer etwas knusprigen Kruste und einer weichen Mitte mit einer cremigen Füllung aus Blaubeermarmelade.

„Aufgefeichnet!", nuschelte Greta Holsen, ein Mädchen in ihrem ersten Jahrgang mit vollem Mund, bevor sie leicht beschämt schluckte und wiederholte: „Entschuldigung, ich meinte „Ausgezeichnet"! Das schmeckt super!"

„Du hast dich wirklich wieder einmal selbst übertroffen", lobte auch Stephen ihre Arbeit, „Verkaufst du beim nächsten Hogsmeade-Wochenende wieder? Ich würde dann gerne eine Schachtel davon meiner Mutter schenken – und mir selbst würde ich auch gerne eine schenken."

„Natürlich", bestätigte Agnes, „Ich nehme auch gerne Bestellungen auf, dann bekommt ihr auf jeden Fall das, was ihr wollt!"

Sofort wurde sie von einer Horde Schüler gestürmt, die alle bei ihr bestellen wollten, denn sie wussten alle, dass Agnes' Ware schnell verkauft war, während Agnes alles aufschrieb, damit sie die Bestellungen fertigstellen konnte.



Agnes verbracht die Hogsmeade-Wochenenden eher selten mit Roger. Roger liebte das Drei Besen, das Gasthaus in Hogsmeade und trank dort gerne ein großes Butterbier, während er mit seinen Freunden, auch den anderen Teammitgliedern und einer Gruppe Mädchen, die wohl sehr an Quidditch-Spieler interessiert waren sich betrank.

Agnes wusste mit ihrer Zeit besseres anzufangen.

Zum einen besuchte sie jedes Mal den „Honigtopf" um ihre eigene Süßigkeitenverstecke neu aufzufüllen beziehungsweise neue Zutaten für ihre eigenen Kreationen zu kaufen.

Da sie selbst kaum Geld von der Schule für ihre Schulsachen bekam, erkannte Agnes sehr schnell, dass sie sich ihr Geld anders verdienen musste.

Es begann damit, dass in der dritten Klasse ein Siebtklässler sie fragte, ob sie ihre Gebäcke und selbstgemachten Süßigkeiten auch verkaufe, denn er wollte seinem Freund zum Valentinstag Schokolade schenken. Zuerst wusste Agnes nicht genau, ob es in Ordnung wäre, einfach so die Sachen zu verkaufen, obwohl sie doch die Küche und viele Zutaten von Hogwarts verwendete, aber nachdem sie einmal mit Tinky darüber sprach, überredete diese sie dazu, ihre Arbeit zu verkaufen.

Seitdem lief das Geschäft gut und Agnes schmuggelte jedes Hogsmeade-Wochenende einen verzauberten Rucksack mit diversen Kreationen von ihr aus dem Schloss, die sie zuvor nächtelang zubereitete.

Das einzige, das sie wollte war, dass nicht die ganze Schule davon erfuhr. Es sollte in einem kleinen Kreis der Vertrauenswürdigen bleiben, damit kein Slytherin auf die Idee kam, sie zu verpetzen und es wäre vorbei mit dem zusätzlichen Geld. Dadurch baute sie sich eine kleine, heimliche Gesellschaft auf, die aber nicht nur aus Ravenclaws bestand, sondern auch aus den Freunden von Ravenclaws, also auch Gryffindors und Hufflepuffs und vereinzelt zu Valentinstag auch ein Slytherin, der sie aber nicht verraten würde.

Agnes hatte einen fixen Platz, eine Parkbank ziemlich in der Mitte des Dorfes, auf der sie für ein oder zwei Stunden saß und ihre Sachen heimlich verkaufte, bevor sie sich um ihre eigenen Erledigungen kümmern würde.

Es war relativ kalt und Agnes hatte ihren blau-kupferfarben gestreiften Schal dicht um ihr Gesicht gewickelt, während sie auf ihre Kunden wartete.

Es war Halloween und sie freute sich schon auf das Festmahl am Abend, aber sie freute sich auch auf eine heiße Tasse Tee im Drei Besen und vielleicht ein paar Kekse, aber sie musste noch mindestens auf ihre Kunden warten, die etwas bei ihr bestellt hatten und das waren noch einige.

„Wenn du weiterhin hier draußen sitzt, dann wirst du endgültig ein Eiszapfen werden", ertönte eine Stimme hinter ihr, aber sie musste sich nicht einmal umdrehen um zu erkennen, wer es war.

„Wenn ich, wie du, nur heiße Luft in meinem Kopf hätte, Weasley, dann wäre mir nicht mehr zu kalt", bemerkte sie frech und plötzlich setzte sich jemand neben ihr und es war Fred Weasley.

„Mir ist auch zu kalt", meinte er feixend, „Bedeutet das, dass ich nicht nur heiße Luft in meinem Kopf habe?"

„Das bedeutet, dass du nur Stroh im Kopf hast, das wir wohl noch anzünden müssen", konterte Agnes.

„Um es anzuzünden, müsste mir erst einmal wieder wärmer werden", grinste Fred, „Vielleicht sollten wir kuscheln, dann wird uns beiden wieder warm."

„Vielleicht muss ich mir dann aber auch diverse Körperteile abschneiden, also, nein danke", lehnte Agnes schmunzelnd ab.

„Wie auch immer", winkte Fred ab, „Was machst du hier so allein? Wo ist dein deine Bande zweitklassiger Quidditchspieler?"

„Ich habe keine Ahnung, wo das Gryffindor-Quidditchteam ist, vielleicht solltest du selbst einmal nach deinen Teamkollegen sehen oder frag doch Wood!", schlug Agnes hilfsbereit vor und Fred schaute sie einen Moment paff an, bevor er sich wieder fasste.

„Ich formuliere es einmal anders – wo ist dein Loverboy?"

Agnes runzelte verwirrt die Stirn und fragte ahnungslos: „Ich habe keine Ahnung, wen du damit meinen könntest."

„Roger Davies natürlich!", rief Fred aus, „Man erzählt sich, ihr beide wärt ein Paar!"

„Man erzählt sich auch, Filch trägt Frauenunterwäsche – man muss nicht alles glauben, was man hört", stellte Agnes klar.

„Vielen Dank, jetzt stellte ich mir Filch in Frauenunterwäsche vor", stöhnte Fred und schlug die Hände vor die Augen, „Es brennt sich in mein Hirn!"

„Der Anblick dürfte eigentlich alltäglich für dich sein – immerhin müsste Filch in Frauenunterwäsche dir ziemlich ähnlich sehen", beleidigte Agnes Fred und dieser sah sie erschrocken an.

„Tripe, von allen Beleidigungen, die bis jetzt aus deinem Mund gekommen sind – und das waren nicht direkt wenige, war diese hier die grausamste, schrecklichste und abscheulichste überhaupt!", bemerkte Fred entsetzt, „Ich sollte deinen Mund mit Seife auswaschen!"

„Egal, was du zu ihm gesagt hast", erklang plötzlich eine ähnliche, aber nicht dieselbe Stimme, wie Fred sie hatte, „ich will es wissen, damit ich es auch einmal zu ihm sagen kann. Es muss wirklich schlimm gewesen sein!"

„Sie hat gesagt, ich würde aussehen wie Filch in Frauenunterwäsche, George!", jammerte Fred.

„Was?", auch George klang entsetzt, „Das hast du gesagt? Dir ist schon klar, dass wir identisch aussehen? Also hast du auch zu mir gesagt, dass ich aussehe wie Filch in Frauenunterwäsche!"

„Scharf kombiniert", lobte Agnes ihn, „Du hast dir schon beinahe einen Keks verdient."

„Ich glaube, ich frage euch gar nicht, wie ihr auf dieses Thema gekommen seid und frage stattdessen, was ihr beide hier draußen in der Kälte macht?"

„Wir... ich...", stammelte Fred, aber ihm fiel auf, dass er es selbst eigentlich nicht wusste, „Ich... ich weiß nicht genau. Was machen wir hier draußen in der Kälte?"

„Du bist meinem Charme erlegen und hast dich zu mir gesellt", stellte Agnes klar und George sah anklagend zu seinem Zwilling: „Fred, stimmt das?"

„Was?", rief Fred aus und wurde so rot, wie seine Haare es waren, „Nein! Natürlich nicht!"

„Natürlich schon", widersprach Agnes, „Ich habe dich nie darum gebeten, dich zu setzen!"

„Na und? Ich bin trotzdem nicht deinem Charme erlegen!", verteidigte sich Fred stur und verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Wie auch immer", meinte George und zuckte mit den Schultern, bevor er sich ebenfalls neben Agnes setzte, sodass sie zwischen den beiden Zwillingen saß, „Ich erliege auch einmal deinem Charme und setze mich."

„Ich fühle mich ja so geehrt!", bemerkte Agnes sarkastisch und verdrehte die Augen.

„Und was machst du jetzt wirklich hier draußen?", fragte Fred und Agnes sah ihn einen Moment nachdenklich an, bevor sie wieder stur geradeaus sah und seine Frage ignorierte.

Tatsächlich saßen sie kurze Zeit in vollkommener Stille da und keiner von ihnen sagte etwas, bis Agnes aus der Ferne sah, wie Stephen Cornfoot mit seinem Freund aus Hufflepuff näherkam. Als sie nahe genug waren, stand Agnes auf und kam ihm ein paar Schritte entgegen, während die Zwillinge sie neugierig beobachteten.

„Zwei Schachteln Pralinen, drei Blaubeer-Muffins, ein kleines Säckchen Kekse und ein Stück Schokoladenkuchen? Ist das richtig?", las Agnes von der Liste ab und die beiden Jungen nickten.

Agnes zückte ihren Rucksack und öffnete ihn. Sie hatte ihn so verzaubert, dass er scheinbar unendlich groß war und alles Platz hatte. So konnte sie in diesem kleinen Rucksack eine Menge Waren schmuggeln und Filch ahnte noch nicht einmal etwas.

Sie bereitete für ihre Kunden immer kleine Päckchen vor und sie bevorzugte es ihre Sachen in selbstgemachten Verpackungen zu vergeben. Die Säckchen waren selbst zusammengeklebt mit einem einfachen Klebezauber und die Schachteln waren mühevoll gefaltet, aber dafür hielten sie gut und überlebten auch die manchmal etwas ruppige Art, mit der Agnes sie aus dem Schloss brachte.

„Hier ist das Geld", Stephen drückte ihr ein kleines Säckchen mit ein paar Sickeln und Knuts in die Hand, aber sie zählte nicht nach. Sie wusste, dass keiner ihrer Kunden sie betrügen würde, immerhin waren sie meistens im selben Haus und jeder von ihnen konnte ahnen, was Agnes mit ihnen machen würde – sie hatten schon von schrecklichen Verzauberungen gehört, zu denen sie in der Lage war.

„Perfekt", meinte Agnes zufrieden, „Lasst es euch schmecken."

Stephen und sein Freund verschwanden mit ihrer Ausbeute und Agnes verstaute das Geld in ihrem Rucksack, bevor sie sich zurück auf die Bank setzte, auf der die Zwillinge noch immer erstarrt saßen und sie geschockt anstarrten.

„Das ist genial", bemerkte George schließlich aus seiner Erstarrung erwachend, „Du verkaufst sie! Warum sind wir noch nicht auf die Idee gekommen, Fred?"

„Du verkaufst dein Essen? Das ist eine Goldgrube!", staunte auch Fred, „Du bist ein Genie!"

„Ich weiß, danke", winkte Agnes ab, „Ich komme über die Runden. Ich würde euch raten, es niemanden weiterzusagen."

„Was würde es kosten eine Packung Kekse zu kaufen?", fragte George interessiert und er erinnerte sich daran, wie gut diese gewesen waren, die sie am ersten Schultag geklaut hatten.

„Ein kleines Säckchen kostet sieben Knuts, ein großes zehn", zählte Agnes die Preise auf.

„Zehn Knuts?", rief Fred aus, „Das ist Wucher!"

„Das ist genial", widerholte George, „Wir sollten uns überlegen, ob wir auch einen illegalen Scherzartikelhandel beginnen wollen!"

„Wie wäre es gleich mit einem Scherzartikelladen?", schlug Agnes vor und die beiden Zwillinge sahen sich vielsagend an, als hätten sie endlich ihre Bestimmung gefunden.

„Ein Scherzartikelladen", hauchte George ehrfürchtig, „Was hältst du davon, Freddykins?"

„Ich halte es für wahnsinnig, unerreichbar und auf jeden Fall genial! Lass es uns machen!", stimmte Fred zu.

„Werde ich da gerade Zeuge eines historischen Ereignisses?", fragte Agnes und sah abwechselnd Fred und George an.

„Es ist nicht nur ein historisches Ereignis, Tripe, es ist unsere Zukunft!", träumte Fred und sah in die Ferne, „Es ist mehr, als nur eine Idee. Es ist eine Vision! Ein Traum! Eine Prophezeiung."

„Ihr seid wirklich sehr dramatisch", bemerkte Agnes und sah auf ihre Uhr. Sie erwartete keine Kunden mehr und langsam wurden ihre Hände eisig. Sie würde lieber in den Drei Besen gehen und vielleicht Roger abholen. Vielleicht noch einen Tee trinken – sie mochte kein Butterbier.

„Wie auch immer", Agnes stand auf und drehte sich noch einmal zu den Zwillingen um, „Ich erwarte mir eine Gedenktafel vor eurem Laden, sobald ihr ihn habt! Immerhin war es meine Idee!"

„Eine Gedenktafel wird kein Problem, du hast du auf den steinigen Weg unserer Zukunft gelenkt", winkte George ab, „Das hast du dir verdient!"

„Und ihr zwei habt euch auch etwas verdient – immerhin habt ihr brav wie zwei kleine Hunde mit mir hier draußen gewartet."

Aus ihrem Rucksack holte sie zwei große Säckchen Kekse heraus und drückte sie den beiden in die Hände. „Hier, sie werden sonst sowieso schlecht und hart. Die verkaufe ich heute nicht mehr", mit diesen Worten ließ sie die beiden zurück und ging zum Drei Besen, während die Zwillinge überlegten, ob sie überhaupt wach waren, oder ob sie träumten, immerhin hatten sie an diesem Tag nicht nur einen großen Schritt in ihre Zukunft gemacht, sondern sie hatten auch noch Kekse von Agnes geschenkt bekommen. Es musste wohl ihr Glückstag sein, oder sie waren schon im Himmel.


Von allen Festtagen, die Agnes feierte, war Halloween eindeutig ihr liebster. Sie mochte zwar nicht, dass ab diesem Tag inoffiziell der Winter begann und die Tage immer kürzer und kälter werden würden, aber sie mochte eindeutig die Stimmung, die an Halloween selbst herrschte. Das Schloss war geschmückt und es gab die ausgefallensten Süßigkeiten zum Festessen, von denen Agnes sich Inspirationen holte.

Roger saß neben ihr und war nur ein wenig angetrunken, während auch er kräftig beim Essen zulangte. Agnes selbst aß nicht so viel, wie ihr bester Freund, aber sie aß von vielem ein wenig und probierte sich so durch beinahe jedes Gericht – besonders den Nachtischen.

An Halloween gab es immer eine Menge Süßigkeiten, also konnte Agnes an diesem Tag eher selten ihre Ware verkaufen. Sie hatte noch ziemlich viel übrig, aber darüber machte sie sich keine Sorgen – sie würde sie einfach irgendwann an die jüngeren Schüler verteilen oder sie einfach in den Gemeinschaftsraum stellten, dann würden die Reste auch schnell gegessen werden.

Nach dem Festessen folgte Agnes den anderen Ravenclaws in den Turm hinauf, aber nur einige jüngere Schüler wollten sofort schlafen gehen und gingen hinauf in die Schlafräume.

Agnes setzte sich mit einem Buch über die Verzauberung von Berti Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen, das sie einmal von Roger bekommen hatte.

Auch Grant und Duncan gesellten sich zu ihr und Roger und sie besprachen neue Strategien und Techniken, die sie beim nächsten Spiel gegen Hufflepuff einsetzen wollten.

Es herrschte eine ruhige, angenehme Stimmung, als plötzlich die Tür des Ravenclawturmes aufgerissen wurde. Agnes erwartete einen Nachzügler, der nach dem Festessen noch nicht sofort in den Turm gehen wollte, aber es war Professor Flitwick, ihr Hauslehrer.

„Professor", rief sie erstaunt aus und auch andere Schüler sahen nun auf, ebenfalls verwirrt, immerhin kam Flitwick nicht besonders häufig in den Turm, „Ist etwas passiert?"

„Können Sie bitte auch die anderen Schüler wecken, Agnes, es ist etwas passiert, das alle wissen müssen", keuchte der kleine Professor – offenbar war er die Treppen hinaufgerannt.

„Natürlich, Sir", Agnes legte ihr Buch zur Seite und nickte Roger zu, damit er die männlichen Schüler wecken gehen konnte, „Sofort."

Agnes weckte zuerst die Erstklässler, die schon tief geschlafen hatten und wohl noch vom Festessen geträumt hatten. Sie sahen sich orientierungslos und verwirrt um, als Agnes sie sanft wachrüttelte und sie bat, in den Gemeinschaftsraum zu kommen.

Dasselbe tat sie mit den Zweitklässlern und den wenigen Drittklässlern, die ebenfalls sofort schlafen gegangen waren.

Sie sah auch in den restlichen Schlafräumen nach, immerhin konnte es sein, dass jemand früher schlafen gehen wollte, aber die Betten waren alle leer und verlassen.

Erst dann ging Agnes selbst hinunter und nickte Flitwick zu um ihm zu signalisieren, dass alle da sein sollten.

Auch Roger war schon zurück und in seiner Nähe waren einige verschlafene Erstklässler.

„Sirius Black wollte in die Gryffindor-Räume einbrechen! Der Schulleiter will, dass alle Schüler hinunter in die Große Halle gehen und dort so lange bleiben, bis man sich sicher ist, dass Black nicht mehr hier ist", verkündete Flitwick mit seiner quickenden Stimme und viele Schüler begannen ängstlich und nervös zu wispern. Sie alle hatten von Sirius Black gehört und sie alle kannten die Horrorgeschichten ihn betreffend und plötzlich sollte er im Schloss sein – in Hogwarts, ihrem zu Hause und ihrer sicheren Unterkunft?

Die jüngeren Schüler waren leicht panisch und rissen erschrocken die Augen weit auf, aber Flitwick hetzte alle schnell hinaus aus dem Turm und die Treppen hinunter, sodass sie alle nicht wirklich beruhigt wurden.

Schnell griff sich Agnes ihren verzauberten Rucksack, in dem noch ihre Ware und Reste waren. Vielleicht würde es ja die jüngeren Schüler beruhigen, wenn sie etwas Süßes aßen, obwohl sie gerade erst ein Festmahl verspeist hatten.

Erst dann folgte Agnes den anderen die Treppen hinunter und sie hörte schon von weiten das aufgeregte Geschnatter der anderen Schüler der anderen Häuser.

In der großen Halle wurden Schlafsäcke ausgeteilt und alle Schüler suchten sich einen Platz, an dem sie übernachten würden. Dabei war es eindeutig, dass die Häuser sich in die vier Ecken aufteilten und sie sich überhaupt nicht vermischen wollten. In der Ecke, in der Agnes lag, hatten sich auch alle Ravenclaws zusammengekauert, wobei in der Mitte eher beschützt und behütet die jüngeren lagen und weiter draußen die älteren Schüler.

Es war stockfinster und nur ab und zu kam ein Lehrer mit einem gedimmten Licht vorbei und kontrollierte, ob noch alle da waren, aber Agnes hörte immer wieder ängstliches Wispern und nervöse Gespräche. Sie wusste, dass die Schüler so schnell nicht schlafen würden.

„Agnes?", flüsterte plötzlich jemand direkt neben ihr und Agnes blickte zur Seite um zu sehen, dass Greta Holsen, die kleine Erstklässlerin zu ihr gekrochen war und sie mit Tränen in den Augen ansah.

„Was ist los, Greta? Kannst du nicht schlafen?", fragte Agnes sie und setzte sich ein wenig auf.

„Ich habe Angst", wisperte Greta leise, „Was ist, wenn Sirius Black hierherkommt?"

„Warum sollte er das tun?", fragte Agnes, „Ich habe gehört, dass der Dunkle Lord persönlich Respekt – schon beinahe Angst vor Dumbledore gehabt hat. Glaubst du nicht auch, dass Sirius Black auch lieber fern von Dumbledore bleibt?"

„Aber er hat auch versucht in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum einzubrechen", argumentierte Greta.

„Dumbledore hat zu dieser Zeit selbst wie auch du und ich das Festessen genossen – Sirius Black ist selbst einmal in Hogwarts gewesen und er weiß ganz genau, dass bei Festessen das Schloss beinahe überhaupt nicht bewacht ist, aber jetzt suchen auch noch alle nach ihm. Ich bin mir sicher, er hat es für klüger empfunden nicht im Schloss zu bleiben", versprach Agnes.

„Das klingt wirklich logisch", stimmte Greta ihr leise zu und Agnes lächelte.

„Willst du vielleicht noch einen Keks bevor du dich wieder hinlegst? Ich habe welche hier", bot Agnes an.

„Wirklich?", wisperte Greta aufgeregt, „Du bist ja wie meine Mutter – die hat auch immer Essen dabei!"

„Ich bin nicht deine Mutter – ich wäre keine gute Mutter, aber ich habe wirklich immer Essen dabei", lachte Agnes leise und holte ihren Rucksack hervor und ein Säckchen mit Keksen. Sie gab Greta einen, aber auch andere Schüler hatten mitbekommen, dass Agnes etwas von ihren Leckereien dabeihatte.

„Kann ich auch einen haben?", fragte ein anderer Erstklässler aus Ravenclaw und schon bald krochen alle jüngeren Schüler in ihre Richtung wie Motten zu Licht. Die älteren Schüler mussten mit ihren Schlafsäcken ein wenig zur Seite rücken, damit die vielen jüngeren Schüler Platz hatten, aber sie taten dies gerne. Auch sie fühlten sich sicherer, wenn die kleinen beruhigt waren.

Auch die anderen Häuser bekamen wohl mit, dass dort jemand Essen verteilte, aber es war ein Gryffindorjunge namens Colin Creevey, der als erstes all seinen Mut zusammennahm und laut fragte: „Kann ich auch einen Keks haben?"

„Natürlich", antwortete Agnes, „Ich habe genug hier."

Nun kamen auch junge Schüler von Hufflepuff und Gryffindor zu ihr, die bis jetzt noch gar nicht gewusst hatten, dass Agnes backen konnte oder gerne etwas von ihren Sachen verteilte, aber die familiäre Stimmung beruhigte alle und als Agnes Rucksack leer war, legten sich alle einfach um sie herum und schliefen ruhiger und traumlos ein.

Agnes selbst war einer der letzten, die die Augen schloss, denn sie wollte zunächst sichergehen, dass alle ruhig schliefen. In ihren Armen hatten sich Greta Holsen und Colin Creevey zusammengerollt und atmeten tief und ruhig, also schloss auch sie selbst schließlich ihre Augen und gönnte sich den Schlaf.

Dumbledore ging später seine Runden durch die Schüler und sah Agnes, die wie eine schützende Mutter immer wieder aufschreckte, wenn sie merkte, dass jemand in ihrer Nähe schlecht schlief.

Er war immer wieder erstaunt darüber, wie verschieden Kinder und Eltern sein konnten und war auch froh darüber. Es war wohl die richtige Entscheidung gewesen, Agnes Tripe mehr oder weniger zu erlauben, die Küche zu benutzen und auch, wenn sie es nie zugeben würde, so war sie doch immer wieder die Basis einer gewissen Sicherheit, die nur eine Mutter geben konnte, die sie selbst nie gehabt hatte.

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