6. Kapitel
Vermutlich hatten Cho Chang und Jeremy Stretton sich noch nie so im Leben erschrocken, wie in der Nacht, als das gesamte Quidditch-Team sie mitten in der Nacht einfach so aus ihren Tiefschlaf weckten.
Agnes übernahm Cho allein, da keine männlichen Personen in den Mädchen-Schlafräumen erlaubt waren, aber Cho und Agnes schlichen sich dann zusammen mit den anderen in den Jungenschlafsaal der Drittklässler schlich und dort Jeremy in sein Bett gekuschelt vorfanden.
„Er ist so friedlich", seufzte Duncan, als Jeremy fand, „Wecken wir ihn, damit er lernt, dass er nie wieder einen gesunden Schlaf haben wird!"
Das Wecken übernahm Roger – diese Ehre stand dem Kapitän und er grinste schon breit, als er sich dem Bett finster näherte. Hätte Agnes nicht gewusst, was er vorhatte, hätte sie vermutet, er würde den armen Jungen ermorden wollen.
Roger hielt Jeremy den Mund zu und zog seine Decke weg, als er schon aufschreckte und erschrocken die Augen aufriss – vermutlich dachte auch er, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat, aber dann erkannte er Roger und beruhigte sich wieder, sodass Roger die Hand von seinem Mund nehmen konnte.
„Was war das denn?", zischte Jeremy, damit er seine Mitbewohner nicht aufweckte, die von dem Chaos nichts bemerkt hatten, „Ich habe gedacht, du wärst Sirius Black!"
„Komm mit!", wisperte Roger nur geheimnisvoll und beinahe synchron drehten sich die alten Teammitglieder um und verließen die Schlafräume. Cho kam schnell hinterher, während Jeremy sich noch seinen Morgenmantel überzog und misstrauisch seinen neuen Teamkollegen folgte, die auf ihn im Gemeinschaftsraum warteten.
„Was soll das Ganze?", fragte Cho und gähnte, „Ich habe gerade geträumt!"
„Von Cedric Diggory?", fragte Agnes und Cho wurde knallrot, „Was heute passiert, ist viel besser, als ein Traum mit Cedric Diggory!"
„Was ist denn besser, als ein Traum von Cedric Diggory?", fragte Randy grinsend und Duncan stieß ihm lachend gegen die Schulter, sodass der kleinere Junge beinahe umfiel, aber Grant fing ihn noch auf und stellte ihn wieder gerade hin, während Randy sich seinen schmerzenden Arm hielt.
„Mich würde aber auch interessieren, warum ihr uns mitten in der Nacht wecken müsst!", beschwerte sich auch Jeremy, „Sagt bloß, wie trainieren auch in der Nacht – dann steige ich lieber gleich wieder aus!"
„Unmöglich", meinte Duncan und sah dabei sogar sehr ernst aus, „als du Davies Hand geschüttelt hast, bist du einen Blutsschwur eingegangen – du kannst das Team nicht verlassen bis zu deinem Abschluss oder deinem Tod. Du kannst selbst entscheiden, was du bevorzugst."
Jeremy wurde ganz bleich und blickte auf seine Hand. „Wirklich?", keuchte er und wischte sie sich an seinem Morgenmantel ab, als würde er so den Schwur loswerden, aber dann begann Grant zu lachen und schlug ihm kräftig auf den Rücken, sodass auch er beinahe nach vorne kippte, hätte Roger ihn nicht aufgefangen.
„Wir spaßen doch nur – du bist gar keinen Schwur eingegangen und wenn du nach heute Nacht noch das Team verlassen willst, dann kannst du das natürlich – aber wir bezweifeln es stark", klärte Grant ihn auf und Jeremy sah tatsächlich erleichtert aus.
„Genug geplappert", unterbrach Roger sie alle, „Wir sollten gehen, bevor die Sonne aufgeht!"
„Das ist die berühmte Einführungszeremonie des Teams!", fiel es Cho plötzlich auf und auch Jeremy schien auf einmal zu verstehen und schien gar nicht mehr so erpicht darauf, das Team zu verlassen, sondern folgte den älteren Teammitgliedern aus dem Turm hinaus. Roger deutete allen, still zu sein und hintereinander schlichen die sieben durch das Schloss. Randy kannte, weil er selbst Vertrauensschüler war, die Routen, die die anderen Vertrauensschüler der anderen Häuser gingen in- und auswendig und Agnes wusste ungefähr, wie Filch jede Nacht seine Runden geht, also begegneten sie keinem von beiden.
Roger hielt sie erst plötzlich auf, als direkt vor ihnen eine schwebende Gestalt auftauchte. Es war Peeves, der Poltergeist von Hogwarts und er schien Murmeln auf dem Boden zu verteilen, auf denen sicher noch ein Vertrauensschüler ausrutschen würde, so geschickt waren sie platziert. Er summte dabei leise vor sich hin, sodass er die Schüler zum Glück nicht kommen gehört hatte.
Sie mussten einige wertvolle Minuten warten, bis der Poltergeist sein Werk vollendet hatte und sie ihren Weg fortsetzen konnte.
„Das war knapp", wisperte Randy, „Wir sollten uns ein wenig beeilen, sonst kreuzen sich unsere Wege noch mit den Vertrauensschülern aus Gryffindor!"
Sie kamen zu der Treppe, die zum Gryffindorturm führte und Randy hielt sie alle auf.
„Es ist ziemlich riskant – Percy Weasley kommt zu dieser Zeit hier immer vorbei. Wir sollten alle einzeln auf die andere Seite, dann werden wir nicht so gut gesehen, sollte er kommen", schlug er vor.
„Abgemacht", Roger nickte, „Ich gehe vor und suche uns ein Versteck und ihr kommt vorsichtig und aufmerksam nach! Wenn wir erwischt werden, gehe ich als der Kapitän in die Ravenclaw-Geschichte ein, der sein Team nicht einmal zur Zeremonie führen konnte!"
„Wir werden dich nicht enttäuschen!", flüsterte Agnes sarkastisch und Roger rollte die Augen, bevor er nach links und rechts sah, bevor er hinter der Rüstung, hinter sie sich versteckten heraushuschte, quer über den ganzen Treppenabsatz bis zur anderen Seite schlich und sich dort hinter einer weiteren Rüstung versteckte. Ein machte mit der Hand ein Zeichen, das wie ein „OK" aussah, aber in der Dunkelheit war es nicht so leicht zu erkennen.
„Cho, du gehst als nächste", spornte Agnes sie an, „beeil dich!"
Nacheinander kamen die Teammitglieder auf die andere Seite – sicher und ungesehen, bis nur noch Agnes zurückblieb, die es vorgezogen hatte, als letzte zu gehen.
Gerade wollte sie lossprinten, als sie einen fernen Lichtschein sah, der direkt auf sie zukamen. Wären sie als Gruppe hinübergegangen, wären sie bestimmt bemerkt geworden, aber so waren schon alle sicher versteckt. Roger sah Agnes fragend an und sie deutete ihm, dass sie schon vorgehen sollten. Sie würde schon nachkommen. Roger nickte und scheuchte das Team weiter, damit sie nicht gesehen wurden, während Agnes allein im Schatten versteckt zurückblieb.
Tatsächlich war es Percy Weasley – gut erkennbar an seinen roten Haaren und seiner Hornbrille, der an ihr vorbeiging und tatsächlich sehr aufmerksam und misstrauisch überall hinblickte, was sehr ungewöhnlich für Vertrauensschüler und für Schulsprecher war, die ihre Arbeit am liebsten einfach hinter sich brachten. Wahrscheinlich hätte er das restliche Team erwischt, hätte Roger sie nicht weggeführt.
Agnes atmete erleichtert aus, als seine Schritte langsam leiser wurden und sein Licht um die Ecke verschwand, aber sie blickte immer noch in seine Richtung, sollte er doch noch zurückkommen.
Plötzlich stieß sie jemanden und sie fiel auf den Boden. Vor Schreck schrie sie beinahe auf, aber dann riss sie sich doch zusammen und hielt ihren Mund geschlossen, sonst hätte Percy Weasley sie sicher gehört. Derjenige, gegen den sie gestoßen war, fiel auf sie und drückte sie zu Boden und presste die Luft aus ihren Lungen, sodass es ihr gar nicht mehr möglich war, zu schreien und schon hatte sich dieses Problem gelöst, wäre da nicht noch das Problem gewesen, dass sie noch nicht wusste, gegen wen sie gestoßen war.
Sie sah auf und erblickte rote Haare und einen Moment befürchtete sie, es wäre Percy Weasley, aber dann sah sie genauer hin und erkannte die Person.
„Fred?", brachte sie keuchend heraus, nachdem er immer noch auf ihr lag.
„Agnes?", erwiderte er ebenfalls überrascht, „Was machst du hier?"
„Schlafwandeln", log sie schnell und Fred sah sie nicht sonderlich überzeugt an.
„Oh", machte Fred, „Irgendwie glaube ich dir nicht, Miss Tripe."
„Was macht ihr zwei da? Agnes?", fragte eine weitere Stimme leise und Agnes erkannte sie als George.
„Ich habe keine Ahnung, dein Zwilling findet mich wohl bequem", erklärte Agnes und Fred wurde rot, als er aufstand und auch Agnes aufhalf.
„Entschuldigung", meinte er schnell.
„Was macht ihr hier draußen um diese Zeit?", fragte sie leise und die Zwillinge sahen sich an.
„Wir sind auf dem Weg in die Küche", erklärte Fred, „Kommst du mit?", er klang schon fast bittend. Agnes vermutete, er wollte nur, dass sie etwas für die beiden buk, aber George wusste, dass sein Bruder einfach nur wollte, dass sie mitkam und ihnen Gesellschaft leistete.
„Oh, nein, ich sollte wohl lieber zurück in meinen Turm – in mein Bett... weil ich schlafwandle... ich sollte jetzt gehen, bevor Filch kommt... habt ihr schon den Aufsatz für Snape geschrieben? Wirklich schwer, oder?" Agnes wechselte gerne das Thema, wenn sie bemerkte, dass sie bald beim Lügen erwischt wurde.
„Wir haben etwas für ihn schreiben sollen?", fragte Fred verwirrt und sah hilfesuchend zu George, der ebenfalls mit den Schultern zuckte und Agnes atmete erleichtert aus und war froh, dass die Zwillinge angebissen hatten.
„Ja", antwortete Agnes, „Irgendetwas über den Trank, den wir das letzte Mal gebraut haben. Drei Fuß lang, wenn ich mich richtig erinnere – ein Höllenaufsatz!"
„Den machen wir dann wohl auch morgen in der Früh", überlegte George seufzend.
Agnes nickte eilig und ging einen Schritt an ihnen vorbei.
„Ich sollte jetzt wohl auch gehen – schlafen... und nicht mehr schlafwandeln... Wie auch immer... Gute Nacht!", schnell eilte sie den Gang hinunter und ließ die Zwillinge verdutzt stehen.
„Ist der Ravenclawturm nicht in dieser Richtung?", fragte Fred und zeigte in die gegenüberliegende Richtung, aus der Agnes gekommen war, aber George zuckte nur mit den Schultern und meinte gleichgültig: „Sie wird schon einen Geheimgang kennen – ich wette, Agnes Tripe kennt die Geheimgänge in den Ravenclawturm, die wir nicht kennen. Es ist sicher ein Hausgeheimnis, das von Ravenclaw zu Ravenclaw weitergegeben wird."
„Nach dem Streich von heute traue ich ihr alles zu", stimmte Fred ihm nickend zu, „Gehen wir weiter, sonst werden wir noch von Filch erwischt!"
Die beiden eilten weiter die Treppen hinunter, während Agnes ihren Teamkollegen in den Astronomieturm folgte, wo sie sich schon auf den Sitzkissen verteilt hatten und nur auf sie zu warten schienen.
„Agnes!", begrüßte Roger sie und sprang erleichtert auf, „Ich wollte dich schon aus den furchterregenden Klauen von Filch befreien kommen! Wo warst du so lange?"
„Ich habe warten müssen, bis Weasley weg ist – dieser Junge nimmt seinen Job als Schulsprecher wohl etwas zu ernst", log Agnes – sie wollte ihnen nicht unbedingt von der Begegnung mit den Zwillingen berichten.
„Gut, dass du wenigstens jetzt hier bist", meinte Randy, „dann können wir ja mit der Zeremonie beginnen!"
„Wird es wehtun?", fragte Cho ein wenig nervös.
Duncan nickte wieder ernst und blickte den beiden Neuen direkt in die Augen: „Ihr werdet unglaubliche Schmerzen erleiden, ja."
Jeremy schluckte ängstlich, wich aber Duncans Blick nicht aus, bis dieser einfach nicht mehr ernst bleiben konnte und laut zu lachen begann.
„Er spaßt wieder nur", winkte Grant ab, „Die Zeremonie besteht nur darin, zusammen mit dem Team den Sonnenaufgang zu erleben. Und während wir darauf warten, hat Agnes für Essen gesorgt und ich habe ein paar Spiele dabei, damit wir uns die Zeit vertreiben."
„Sonst nichts?", fragte Jeremy misstrauisch.
„Nimm es nicht auf die leichte Schulter, Jungchen", warnte Roger, „Das einzige, was wichtig ist, ist, dass die anderen Häuser nichts davon mitbekommen dürfen, also müssen wir morgen so wie immer zum Frühstück erscheinen und können nicht den ganzen Tag schlafen."
„Bis es Schlafenszeit ist", bestätigte Agnes ernst, „Seid ihr bereit?"
Cho und Jeremy nickte aufgeregt, während die anderen im Team sich angrinsten – möge die Nacht lang werden.
Den Sonnenaufgang vom Astronomieturm zu sehen war ein atemberaubendes Erlebnis, das jeder Ravenclaw-Quidditchspieler mindestens einmal hinter sich bringen musste und jedes Jahr nahmen sie gerne freiwillig erneut daran teil.
Agnes hatte extra für diesen Anlass einiges gebacken – nicht nur Kekse und Muffins, sondern auch diverse Gemüsechips, Salzstangen und Gebäcke aus selbstgemachten Blätterteig, aber am Ende der Nacht war alles verputzt.
„Der Sinn des Lebens ist bestimmt Agnes' Essen", bestimmte Duncan und hob eine Salzstange wie ein Schwert oder einen mächtigen Zauberstab in die Höhe, „Bestimmt ist es meine Bestimmung, das hier zu essen."
Bevor er aber abbeißen konnte, schnappte Randy sich schnell das Gebäck und schleckte es die ganze Länge ab, wie es nur Geschwister mit ihrem Essen taten.
„Jetzt ist es meins", bestimmte er frech grinsend und biss genüsslich ab, während Duncan ihn fassungslos ansah.
„Der Sinn des Lebens ist Quidditch", widersprach Roger gespielt lallend, als wäre er betrunken, „Ein Leben voller Quidditch und dann glücklich auf dem Besen sterben!"
„–weil Agnes einen Klatscher auf dich schießt", scherzte Grant und alle lachten.
„Der Sinn des Lebens ist eindeutig ein schmerzfreies Leben", bestimmte Agnes ernst und alle nickten zustimmend. Das wünschten sie sich wohl alle ein wenig.
„Was sind das eigentlich für Narben?", fragte plötzlich Cho, die über Nacht ein wenig lockerer und weniger verschlossen dem Team geworden war und sie zeigte ohne Scham auf die dunklen Narben auf Agnes' Arm. Sie trug nur ein T-Shirt, also waren sie sehr gut sichtbar. Es waren dunkelgraue, beinahe schwarze Narben, die sich wie Blitze oder Adern über ihren ganzen rechten Arm ausgebreitet hatten. Das Team wurde urplötzlich still und eine unangenehme Spannung entstand zwischen ihnen. Agnes räusperte sich unsicher und blickte selbst auf die Narben. Niemand kannte wirklich den wahren Ursprung dieser Narben, die Agnes schon seit ihrer frühen Kindheit hatte, aber sie waren ein Teil von Agnes und jeder wusste, dass sie nicht besonders gerne davon sprach.
„Das sind nur Fluchnarben – von einem Unfall", log Agnes und verdeckte sie ein wenig mit ihrer linken Hand, „Nichts Verheerendes."
„Entschuldigung", Cho wurde ganz rot und sah beschämt zu Boden, „Ich hätte nicht fragen sollen. Es geht mich nichts an."
„Schon in Ordnung", winkte Agnes ab, als Roger aufsprang und zum Fenster rannte.
„Es ist soweit!", rief er dramatisch und blickte in die Ferne, wo die rote Sonne ihren Weg über den Himmel begann und die Landschaft in ihr rotes Licht tauchte, während die sieben Ravenclaws auf dem Turm standen und die einzigen waren, die es sahen außer einem schwarzen Hund, der sich aus seinem Versteck wagte und sein Gesicht in die Sonne hielt – etwas, das er zwölf Jahre lang vermisst hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top