58. Kapitel
Agnes verbrachte den Sonntag damit, Hausaufgaben nachzuholen und ihre Mitschriften zu sortieren, sodass sie den ganzen Tag mehr oder weniger in der Bibliothek saß.
Den ganzen Tag machte sie auch einen großen Bogen um die große Halle und ließ alle Mahlzeiten ausfallen, obwohl das ihrem Magen nicht zu gefallen schien, denn er knurrte wie ein sterbender Wal, bis Agnes ihn so verzaubert hatte, dass er leise war, aber das unangenehme Gefühl des Hungers blieb natürlich.
Schuldbewusst dachte sie an den Vortag, an dem sie ein fettiges Butterbier getrunken hatte und zu Abend auch eine Menge gegessen hatte und wieder meinte sie Mädchen über sie reden zu hören.
Als sie schließlich ihre Arbeit beendet hatte, war es schon Abend und müde schleppte sie sich zum Ravenclawturm hoch.
Als sie das Rätsel gelöst hatte, (für das sie etwas länger gebraucht hatte, als sonst, weil sie so fertig war, dass sie sich keine Antwort einfallen lassen konnte) sah sie, dass sich einige Schüler um das schwarze Brett versammelt hatten.
Sie stieß jüngere Schüler sanft zur Seite und las sich selbst durch, was auf dem neuen Aushang stand:
PER ANORDNUNG DER GROSSINQUISITORIN VON HOGWARTS
Alle Schülerorganisationen, Gesellschaften, Mannschaften, Gruppen und Klubs sind mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
Eine Organisation, Gesellschaft, Mannschaft, Gruppe oder ein Klub wird hiermit definiert als regelmäßige Zusammenkunft von drei oder mehr Schülern und Schülerinnen.
Die Genehmigung für eine Neugründung kann bei der Großinquisitorin eingeholt werden (Professor Umbridge).
Allen Schülerorganisationen, Gesellschaften, Mannschaften, Gruppen oder Klubs ist es verboten, ohne Wissen und Genehmigung der Großinquisitorin tätig zu sein.
Sämtliche Schüler und Schülerinnen, von denen festgestellt wird, dass sie eine von der Großinquisitorin nicht genehmigte Organisation, Gesellschaft, Mannschaft, Gruppe oder einen Klub gegründet haben oder einer solchen Vereinigung angehören, werden der Schule verwiesen.
Obige Anordnung entspricht dem Ausbildungserlass Nummer vierundzwanzig.
Unterzeichnet:
Dolores Jane Umbridge, Großinquisitorin
„Das kann nicht ihr verdammter Ernst sein", wisperte Agnes ungläubig und im nächsten Moment schrie sie so laut, dass alle in ihrer Nähe zusammenzuckten: „Roger!"
Roger kam die Treppen hinunter getrampelt und sah gehetzt und gestresst aus, übersah die letzte Stufe und knallte mit dem Gesicht zuerst auf den Boden, wie es Elizaveta in den Ferien viel zu häufig passiert war, rappelte sich aber bald wieder auf und rannte weiter zu Agnes.
„Was ist? Warum schreist du so laut?", fragte er und sah sich verwirrt um, bis Agnes auf den Aushang deutete und sie sah dabei zu, wie sich seine Gesichtszüge verdunkelten und seine Laune ebenfalls zu sinken schien.
„Nein", wisperte er erschrocken, „was ist dann mit Quidditch?"
„Du wirst es melden müssen, Herr Kapitän, sonst können wir nicht mehr trainieren!", bemerkte Agnes und Roger nickte.
„Das mache ich gleich morgen – willst du nicht mitkommen?", fragte er sie bettelnd aber Agnes hob nur ungläubig eine Augenbraue und sagte: „Nein, ich habe sie einen Halbtroll genannt. Ich denke, das macht keinen guten Eindruck."
Roger stöhnte und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
„Das ist mir alles zu doof! Warum macht sie so etwas?", fragte er und Agnes antwortete leise, damit sonst niemand es hörte: „Irgendjemand hat von dem gestrigen Treffen geplaudert – ich weiß es."
„Aber wer?", fragte sich Roger.
Agnes wusste darauf keine Antwort, denn selbst wenn es jemand wie Zacharias gewesen wäre, würde das wenig Sinn machen, denn auch er war Quidditch-Kapitän.
Am nächsten Morgen kam wie immer die Eulenpost und Agnes bekam einen Brief, den sie glücklich entgegennahm, aber etwas war seltsam. Der Brief schien zerknittert und nicht so ordentlich, wie Remus ihn sonst immer schickte, aber Agnes schob es einfach auf die Schuleule.
Ohne sich viel dabei zu denken öffnete sie den Brief und las:
Liebe Agnes,
Ich hätte gehofft, der Trank hätte bei dir besser Auswirkungen, als auf mich, aber anscheinend ist das wohl der Trank selbst, der dieses Gefühl auslöst. Ich denke, die Professoren erlauben dir nicht wirklich die Prüfung ohne Trank zu bestehen, weil er dir doch einen großen Teil Selbstbeherrschung gibt, aber darüber sprechen wir Weihnachten. Du hast bis dahin nur drei Prüfungen vor dir und dann reden wir, wie es weitergeht.
Ich habe mir schon erwartet, dass du dich gut mit der neuen Professorin verstehen wirst, aber ich schätze dich klug genug ein, um dein Mundwerk zu zügeln (jedenfalls in der Zukunft). Ich sollte es dir nicht schreiben, aber Schnuffel ist stolz auf dich, dass du sie einen Halbtroll genannt hast, obwohl er selbst eher der Meinung ist, sie ähnelt einer Kröte. Harry hat sie mit Schnuffels Mutter verglichen (diesen Vergleich finde ich auch sehr zutreffend).
Ich erinnere dich noch einmal daran, dass es sein kann, dass die Post durchsucht wird, also schreiben wir lieber nicht weiter, wie es dir bei deinen Prüfungen geht, aber ich erwarte immer noch Briefe von dir.
Liebe Grüße
Remus.
Scharf überlegte Agnes, ob Umbridge ihren Brief vielleicht durchsucht hatte, aber warum sollte sie das tun? Bis jetzt hatte sie noch nicht offen ihre Verbindungen zu Dumbledore gezeigt und sie hatte sie eher privat beleidigt, als im Namen der Ehre oder des Ordens (jedenfalls schien das für andere so zu sein, denn sie konnten ja nicht wissen, dass Agnes ein Werwolf war und empfindlich darauf reagierte, wenn Umbridge diese beleidigte).
Roger tauchte nicht zum Frühstück auf und erst, als Agnes zu Zauberkunst ging, sah sie ihn, wie er mit hochrotem Kopf schon vor der Klasse auf sie wartete.
„Was ist jetzt? Warst du bei Umbridge?", fragte Agnes sofort aufgeregt und Roger nickte schnell, antwortete aber nicht.
„Und?", fragte Agnes ungeduldig, „Was hat sie gesagt?"
„Sie überlegt es sich", spuckte Roger und in seiner Stimme lag so viel Abscheu, wie es Agnes noch nie von ihm gehört hatte, „Sie weiß noch nicht genau, ob sie eine solche Mannschaft erlauben soll. Ich soll am Abend noch einmal zu ihr kommen."
Agnes verdrehte die Augen und meinte genervt: „Ich habe gehört, die Slytherins haben ihre Bestätigung schon, aber was bringt den Slytherins das Quidditch, wenn sie keinen haben, gegen den sie spielen. Letztendlich müssen sogar sie zugeben, dass man sich den Pokal verdienen sollte."
„Ich wäre mir nicht so sicher, dass sie das denken", murmelte Roger niedergeschlagen.
Agnes Stimmung war im Keller – und damit meinte sie nicht, dass sie gerade Zaubertränke hatte oder in der Küche war.
In Verwandlung – der letzten Stunde an diesem Tag saß sie kaum noch wach und hungrig, während McGonagall ihnen irgendetwas erklärte, aber Agnes war mit ihren Gedanken woanders.
Als sie endlich alle aufstanden und gehen durften, hielt Professor McGonagall sie zurück: „Miss Tripe, könnten Sie noch einen Moment hierbleiben – ich hätte eine Frage zu ihrem letzten Aufsatz."
Agnes überlegte, was daran falsch sein könnte, blieb aber trotzdem noch in der Klasse, während Roger sich nervös verabschiedete, der zum zweiten Mal an diesem Tag zu Umbridge gehen musste, um die anzubetteln, ihre Quidditch-Mannschaft zu erlauben.
„Was stimmt mit dem Aufsatz nicht?", erkundigte sich Agnes sofort, aber die Lehrerin gab ihr nicht sofort eine Antwort, sondern deutete auf einen Stuhl und bat sie höflich: „Setzen Sie sich, Miss Tripe."
Unsicher ließ sich Agnes auf den Stuhl nieder und sah McGonagall erwartungsvoll an, die sich zuerst selbst auf einen Stuhl setzte und Agnes streng ansah.
„Miss Tripe – ich unterrichte schon lange an dieser Schule und ich habe schon viele Schüler begleitet. Jeder ein Individuum mit seinen eigenen Eigenarten und Vorlieben", begann sie und Agnes sah sie verwirrt an, weil sie nicht wusste worauf das hinauslief, aber McGonagall gab ihr nicht die Zeit, Fragen zu stellen, sondern fuhr sofort fort: „Wie Sie vielleicht wissen, war Remus Lupin einer dieser Schüler. Ich, als sein Hauslehrer war natürlich darüber informiert, dass er ein Werwolf ist und ich war auch eine derjenigen, die ein Auge auf ihn hatte und in den sieben Jahren sind mir seine Eigenarten aufgefallen."
„Was hat das mit mir zu tun? Wollen Sie damit andeuten, dass Remus und ich dieselben Eigenarten haben, weil wir beide Werwölfe sind?", fragte Agnes leicht gereizt.
„Nein, das will ich nicht nur andeuten – ich weiß, dass es so ist", gestand McGonagall und Agnes sah sie entrüstet an, aber sie fuhr ohne auf sie zu achten fort: „So ist mir aufgefallen, dass er immer relativ früh wach war, aber dennoch spät zu Bett gegangen ist, was ich natürlich wusste, weil er mit seinen Freunden bis spät in der Nacht noch durchs Schloss gewandert ist. Er schien immer müde zu sein und wie er mir später erzählte, fühlte er sich tatsächlich immer müde und erschöpft, was ihn aber selten davon abhielt, Klassenbester zu sein. Zu guter Letzt ist mir noch besonders aufgefallen, dass er, obwohl er außerordentlich dünn war, dennoch geradezu Unmengen verdrückte."
Agnes sah auf und als sie erzählt hatte, war Agnes immer mehr aufgefallen, dass eben diese Dinge tatsächlich auch auf sie zutrafen und auch das, dass sie viel aß, stimmte, wenn sie es zulassen würde.
„Warum erzählen Sie mir das, Professor?", fragte Agnes müde und fuhr sich mit der Hand über ihr Gesicht. McGonagall lächelte leicht, als ihr auffiel, dass auch das eine Eigenschaft war, die sie wohl von Remus eher übernommen hatte, als sie von der Verwandlung bekommen zu haben.
„Ich kenne Sie schon sehr lange, Miss Tripe", begann McGonagall und erinnerte sich zurück an den ersten Tag, an dem sie Agnes kennen gelernt hatte, „Ich war die, die Ihnen den Brief überbracht hat. An Ihrem ersten Schultag habe ich mir die Zeit genommen, zu bemerken, dass sie kaum etwas aßen und das, was mir zuerst Sorgen bereitete, stellte sich als eine Eigenart von Ihnen heraus. Viele Professoren waren entsetzt darüber, dass Sie an manchen Tagen nur zum Mittagessen auftauchten – einfach, weil sie keinen Hunger verspürten. Aber selbst Sie, Miss Tripe, müssen zugeben, dass diese Zeiten vorbei sind."
Agnes sah schuldbewusst auf ihre Füße und vermied Blickkontakt.
„Nicht, dass es schlecht wäre, dass sie nun mehr essen müssen, damit sie sich satt fühlen. Es ist einfach so und Sie sollten wissen, dass Sie sich nichts Gutes tun, wenn sie sich dazu zwingen, nichts zu essen", tadelte McGonagall sie und Agnes nickte leicht.
Einen Moment herrschte Stille und McGonagall stand auf.
„Sie können nun gehen – zum Abendessen, oder weiterhin unnötig hungern, denn nur, weil Sie mehr essen, heißt das nicht, dass sie dicker werden oder unsportlicher – Sie können weiterhin Quidditch spielen", bestätigte die Lehrerin und Agnes stand auf.
„Danke", meinte sie schnell und schenkte der Professorin ein Lächeln, bevor sie die Klasse verließ und zum Abendessen ging, um zu essen.
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