5. Kapitel
Agnes wusste schon nach den ersten paar Tagen, dass es das bisher anstrengendste Schuljahr werden würde, und es war gerade erst die erste Woche vergangen.
Jeder Tag zog sich extrem in die Länge und wurde immer mit einem Haufen Hausaufgaben beendet, der aber nicht kleiner zu werden schien.
Als dann endlich der erste Samstag kam, wollte Agnes das machen, was sie am liebsten tat – ausschlafen.
Agnes liebte ihren Schlaf und es war wohl das einzige, das sie während der Schulzeit vermisste – die Ruhe, die sie nur bei einem erholsamen Schlaf fühlte.
Die Sonne kletterte erst über den Horizont und erhellte die Welt mit wenigen, schwachen Sonnenstrahlen, aber Agnes dachte noch nicht einmal ans Aufwachen. Auch ihre Mitbewohner entspannten sich noch in ihren Betten und genossen das erste Wochenende in diesem Jahr und es schien so, als wäre die Zeit stehengeblieben.
Die absolute Ruhe wurde von einer Folge leiser Fußtapsen unterbrochen. Dorothys weiche Pfoten machten kaum ein Geräusch, aber in der absoluten Stille hörte man ein winziges Schleichen, das aber nicht ungewöhnlich war. Keiner wusste wirklich, wie Dorothy durch Türen kam, die eigentlich geschlossen waren, aber irgendwie schaffte sie es immer nicht nur immer aus dem Ravenclawturm hinaus und wieder hinein zu kommen, sondern sie kam auch ohne Probleme aus Hogwarts hinaus und jagte im Verbotenen Wald liebend gerne kleine Tiere wie Mäuse, aber auch Feen und andere magische Tierwesen.
Dorothy schien auch klüger zu sein, als andere, aber sie war auch erschreckend bestechlich. Roger hatte schon früh gelernt, dass diese seltsame, hässliche Katze, die seiner besten Freundin gehörte, sehr nützlich sein konnte. Das einzige, das er dafür brauchte, war das seltsame, gut riechende Kraut von Hagrid, das Katzen wohl liebten und so auch Dorothy.
Nachdem Roger also nicht selbst den Mädchenschlafsaal betreten konnte, schickte er lieber jemanden, der es konnte, um Agnes zu wecken – Dorothy.
Auf leisen Pfoten schlich Dorothy sich an das Bett ihrer Besitzer – oder auch Dienerin an. Sie mochte Agnes wirklich. Sie war viel freundlicher zu ihr, als viele andere und sie hatte damals, als sie sich kennengelernt hatten ihre Wunden verbunden, obwohl sie nicht gerade gut darin gewesen war. Dorothy war ihr kurz bevor sie nach Hogwarts abreiste zugelaufen, nachdem sie einen Kampf gegen einen Crup verloren hatte – einem hundeähnlichen Tier mit einem gespaltenen Schweif. Sie war schwer verletzt gewesen und hätte wahrscheinlich nicht überlebt, hätte Agnes sich nicht um sie gekümmert.
Trotzdem, Dorothy liebte auch dieses Kraut, das Roger ihr immer gab, wenn sie erfolgreich einen Auftrag erledigte und meistens bestand dieser Auftrag darin, Agnes so zu wecken, dass sie nicht den ganzen Tag schlecht gelaunt war.
Dorothy konnte das gut. Sie hatte viel Übung darin und sie wusste auch, dass Agnes sie ebenso gernhatte, wie auch die Katze sie mochte.
Leise, aber nicht allzu leise schlicht Dorothy sich an das Bett ihrer besten Freundin an und schätzte wie immer vorsichtshalber die Höhe ein, bevor sie mit einem kräftigen, gezielten Sprung elegant auf die weiche Matratze sprang. Andere Katze bevorzugten es woanders zu schlafen – in der Nähe des Kamins oder in einer dunklen Ecke, bei der niemand über sie fiel.
Dorothy liebte es aber dicht an Agnes gekuschelt die Nacht zu verbringen. So wusste sie immer, wann ihre Herrin nicht gut schlief oder wenn sie ihr Bett verließ. So konnte Dorothy Agnes auch ein wenig beruhigen, wenn sie einen Albtraum hatte oder nicht gut schlief und auch das stetige, schwere Atmen ihrer Freundin beruhigte Dorothy, sodass sie sich sicher war, dass sie in Sicherheit war.
Agnes selbst schlief am liebsten selbst in einer Art Katzenstellung. Sie rollte sich immer ganz klein zu einem kleinen Ball zusammen und positionierte ihre Polster und Decken so um sich, dass sie eine Art Wall bildeten. Dorothy musste sich erst durch diesen Wall an Stoffen und Decken kämpfen, bevor sie zu Agnes selbst kam, die noch tief und fest in ihren Träumen versunken war und bestimmt nicht so bald aufwachen würde, wäre da nicht Roger und seine Auftragsweckerin Dorothy.
Dorothy maunzte leise, aber Agnes rührte sich nicht. Dorothy maunzte wieder, dieses Mal ein wenig lauter, aber immer noch zeigte Agnes keine Anzeichen dafür, dass sie aufwachte. Man hätte glauben können, sie wäre tot, hätte sich nicht ihre Brust bei jedem Atemzug gehoben.
Dorothy erkannte, dass Agnes wohl nicht so bald aufwachen würde, also stapfte sie über die Matratze, in der ihre kleinen Pfoten ein wenig einsanken zu Agnes' Gesicht.
Sie maunzte wieder, dieses Mal dicht an ihrem Ohr, und tatsächlich verzog Agnes ein wenig das Gesicht, als würde sie eine nervige Fliege aus ihrem Gesicht verscheuchen wollen, aber es war noch nicht genug für Dorothy, also musste sie wohl noch einen Schritt weitergehen.
Zuerst stupste die Katze Agnes' Wange an und wartete auf eine Reaktion. Agnes' Hand schoss zu ihrem Gesicht und sie kratzte sich, aber sie wachte noch nicht auf.
Nun kuschelte sich Dorothy an Agnes' Gesicht – also eigentlich kletterte sie auf sie und legte sich direkt auf ihren Kopf, sodass ihr Schweif ihre Nase kitzelte und ihre Wange zusammengedrückt wurde.
Jetzt wachte Agnes langsam auf und bemerkte sofort das zusätzliche Gewicht auf ihrem Kopf, aber sie kannte diese Weckmethode schon und seufzte nur genervt.
„Ich hasse dich, Roger", murmelte sie und sanft stieß sie Dorothy von ihrem Gesicht, „Ich bin ja schon wach, Dorothy. Du kannst ruhig hinuntergehen!"
Dorothy maunzte stolz auf sich und stieg edel vom Kopf hinunter. Agnes setzte sich auf und rieb sich verschlafen die Augen und sah sich um. Die Sonne war kaum über den Horizont gekommen und es war beinahe schon zu früh, um für die Schule aufzustehen.
„Was will er denn so früh?", fragte sich Agnes müde und wuschelte durch ihre Haare, die nach dem Schlafen natürlich wild abstanden und noch gelockter waren, als sonst, aber Agnes machte sich selten die Mühe ihr Haarchaos zu frisieren und fuhr sich einfach ein paar Mal mit den Fingern durch ihre Locken, um sie grob zu ordnen.
Agnes gähnte und streckte sich ausgiebig, bevor Dorothy ungeduldig maunzte. Dorothy war so stolz auf sich, dass sie es geschafft hatte, Agnes zu wecken, also erwartete sie sich natürlich auch von ihrer Herrin eine Belohnung und Agnes wusste das.
„Schon in Ordnung, ich bin ja stolz auf dich, Dorothy", beruhigte Agnes ihre Katze und strich ihr über den Kopf.
Dorothy maunzte zufrieden und sprang elegant vom Bett hinunter.
Agnes machte sich nicht die Mühe, sich ihre Schuluniform oder etwas Anderes anzuziehen, sondern verließ einfach in ihrem Pyjama ihren Schlafturm und ging hinunter in den Gemeinschaftsraum.
Dort stand schon Roger, ebenfalls in Jogginghosen und einem T-Shirt, anstatt seiner Uniform und er sah nervös aus.
„Guten Morgen, Vollidiot. Was brauchst du von mir so früh? Falls du es vergessen haben solltest – es ist Samstag!", erinnerte Agnes ihren besten Freund sarkastisch.
„Ich weiß, es tut mir leid, aber mir ist eine neue Regel eingefallen!", erzählte Roger stolz.
Agnes und Roger waren schon seit ihrem zweiten Jahr in Hogwarts befreundet, als sie gleichzeitig dem Quidditchteam beigetreten waren und schon bald darauf haben sie einen Blutsschwur absolviert. Sie mussten dabei nur die „nicht aufgeschriebenen und inoffiziellen Regeln der Freundschaft" befolgen – der Haken an der Sache war, dass „nicht aufgeschriebene und inoffizielle Regeln" offenbar einfach kompliziert formulierte Regeln waren, die man sich ausdenken konnte, wie und wann man wollte. Roger nutzte das besonders gerne aus und überlegte manchmal die ganze Nacht, wie man eine solche Regel möglichst kompliziert formulieren konnte, damit Agnes sie nicht ablehnen konnte.
„Lass hören", seufzte Agnes und gähnte noch einmal kräftig.
„Wäre einer von zwei sich aneinander sehr verbundenen Individuen gezwungen, das Oberhaupt einer Quidditchmannschaft zu sein, ist das andere Individuum dazu angewiesen in einer rentablen Kooperation das erste Individuum darin zu unterstützen einen vollwertigen Zyklus für den Wettkampf zum Aussortieren zu arrangieren", sagte Roger auswendig auf und Agnes brauchte einen Moment, um es zu übersetzen.
„Ich soll dir dabei helfen, die Auswahlspiele für das Quidditchteam heute Nachmittag zusammenzustellen?", fragte sie und Roger nickte stolz.
Agnes musterte ihren besten Freund noch einen Moment. Lieber würde sie wieder in ihr warmes Bett zurück, aber sie hatte diesen Vertrag mit Roger mit Blut besiegelt und seine Formulierung war kompliziert genug, um als „nicht aufgeschriebene und inoffizielle Regel der Freundschaft" zu gelten.
„Na gut", seufzte Agnes, „Gehen wir wenigstens in die Große Halle, dann können wir wenigstens nebenbei frühstücken, ich habe Hunger."
„Du hast wirklich Hunger?", fragte Roger überrascht. Agnes hatte in der Früh selten Hunger und auch sonst beschwerte sie sich nie über Hunger. Sie hatte noch nie viel gegessen und wenn man sie länger kannte, gewöhnte man sich daran, dass sie immer als erstes mit ihrer Mahlzeit fertig war und manchmal nur ein wenig Nachtisch aß.
„Die Woche war wirklich anstrengend – ich freue mich wirklich auf meinen Tee, also gehen wir!", bestimmte Agnes und ging voraus.
Es war noch kaum jemand in der großen Halle – eigentlich waren sie so ziemlich die einzigen. Ein paar müde Gestalten saßen am Gryffindor-Tisch und ein paar mehr bei Hufflepuff, aber von Ravenclaw waren sie eigentlich die ersten, also hatten sie freie Wahl, wo sie sitzen wollten.
Sie setzten sich nebeneinander, Agnes schenkte sich Tee ein und Roger nahm sich einen Kakao, bevor er einige Pergamente hervorholte und auf dem Tisch ausbreitete. Dabei schüttete er eine Karaffe voll Wasser um, aber Agnes zauberte das ausgeflossene Wasser schnell weg, bevor es die Pergamente erreichte.
„Was hast du bis jetzt geplant?", fragte Agnes Roger und dieser kramte kurz in seinen Unterlagen herum, bevor er ein vollgeschriebenes Pergament hervorholte.
Im ersten Moment überflog Agnes die Aufzeichnungen nur, aber sie musste sich eingestehen, dass sie im Großen und Ganzen kein Wort verstand.
„Wir haben noch viel Arbeit vor uns", warnte sie seufzend, „Macht dich dazu bereit, dass dein Hirn zu brennen anfängt."
Es war kurz nach dem Mittagessen, als die Auswahlspiele geplant waren. Agnes und Roger spazierten zusammen zum Feld hinunter, aber sie waren beinahe die letzten, denn es hatte sich schon eine größere Menge an Schülern gebildet, die alle ins Team wollten. Etwas Abseits standen die, die schon im Team waren, aber auch sie mussten wenigstens an den Auswahlen teilnehmen, falls ein besserer Spieler dabei sein sollte.
Die meisten von ihnen standen mit ihren eigenen Besen am Spielfeld und zeigten vielleicht die besten Modelle, die sich ein Normalverdiener leisten konnte.
Die Spieler vom Team selbst flogen alle Sauberwisch 7s, eine Art Erbe, das sie von einem früheren Spieler erhalten hatten. Natürlich könnten sie auch mit ihren eigenen Besen fliegen, aber meistens waren diese nicht besser, als die Sauberwischs und es war eine Art Ehre für einen Ravenclaw mit diesen Besen zu fliegen.
Auch Agnes war froh darüber, dass sie als Mitglied des Teams mehr oder weniger einen Besen zur Verfügung gestellt bekam. Nachdem sie nicht nur bei Muggeln aufgewachsen war, sondern generell alle ihre Schulsachen mit dem wenigen Geld kaufte, das sie als eine Art Stipendium jedes Jahr bekam, hätte sie sich nie im Leben einen eigenen Besen leisten können. Sie konnte sich kaum neue Roben leisten, weswegen sie diese so lange trug, bis sie ihr vom Leib fielen. Dementsprechend waren ihre Ärmel zu kurz und sie waren mehrmals geflickt.
Als Roger die vielen Schüler sah, die gekommen waren, schien er doch ein wenig nervös zu werden.
„Was soll ich zu ihnen sagen?", wisperte er leise, sodass nur Agnes es hören konnte.
„Keine Ahnung, bin ich Kapitän, oder du?", fragte Agnes, „Egal was du sagst, beleidige sie nicht alle auf einmal und dann finden wir vielleicht auch den Jäger und den Sucher, den wir noch brauchen."
„Okay", Roger nickte, „Niemanden beleidigen – das schaffe ich."
Sie standen nun direkt vor der ganzen Gruppe und Roger sah sich einmal um. Grant hob aufmunternd einen Daumen in die Luft und Duncan tat so, als würde er sich erhängen, aber ansonsten sahen auch die Spieler des bisherigen Teams aufmerksam und interessiert daran aus, was Roger zu sagen hatte.
„Okay! Schön, dass ihr alle hergekommen seid! Wir beginnen mit einer einfachen Übung und die Aufgaben werden immer anspruchsvoller, sodass zum Schluss nur noch diejenigen übrigbleiben, die wir brauchen!", erklärte Roger und jede Spur der Nervosität war verschwunden. Agnes lachte beinahe laut auf, als er auf einmal so selbstbewusst und selbstsicher klang, hielt sich aber zurück, damit er nicht verunsichert wurde.
Es wurde leise getuschelt, aber keine Beschwerden waren zu hören.
„Also, rauf auf die Besen und erst einmal ein paar Runden einfliegen!", befahl Roger, er wandte sich auch an seine Teamkollegen und warnte diese: „Ihr auch, immerhin könnte es sein, dass jemand besseres, als ihr hier ist und dann seid ihr raus aus dem Team!"
„Gerade noch hat er so ausgesehen, als würde er sich bald in seine blauen Unterhosen machen und dann droht er uns, dass wir aus dem Team fliegen", beschwerte sich Duncan, „Auf einmal mache ich mir Sorgen darüber, dass unsere zukünftigen Trainings ein wenig anstrengender werden, als nötig."
„Falls du überhaupt ins Team kommt", neckte Agnes ihn und Duncan versuchte sie spielerisch vom Besen zu schubsen, aber sie rollte sich einfach ab und kam drehte in der Luft ihren Besen, sodass sie wieder gerade flog.
„Angeberin", grummelte Duncan und Agnes zeigte ihm frech die Zunge.
„Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass wir mehr trainieren", überlegte Randy, der die kindischen Spielereien seiner Teammitglieder ignorierte, „Vielleicht gewinnen wir dann auch einmal den Pokal."
„Vielleicht lernen Schweine auch fliegen", scherzte Agnes, „Auf jeden Fall sollten wir ihn uns nicht wieder so knapp abluchsen lassen wie vor zwei Jahren."
„Wir haben Gryffindor in den Boden gestampft!", prahlte Grant laut, „Die größte Niederlage seit Jahrhunderten für sie, wie ich gehört habe."
„Immerhin haben sie auch keinen trainierten Sucher gehabt", erinnerte Randy sie, „Nachdem Potter Ihr-Wisst-Schon-Wen aufgehalten hat, hat er selbst nicht spielen können, und sein Team schien auch ziemlich abgelenkt. Das Spiel hätte eigentlich nicht zählen dürfen."
„Wir haben ja trotzdem den Pokal nicht gewonnen – es hat nichts geändert", winkte Duncan ab.
„Wollt ihr auch irgendwann fliegen anfangen oder schnattert ihr geschwätzige Spatzen einfach weiter?", schrie Roger ihnen plötzlich streng zu.
„Er entwickelt sich noch zu einer richtigen Domina", fluchte Randy leise, aber Duncan brach in schallendes Gelächter aus, sodass er fast vom Besen kippte.
„Inglebee! Drei Strafrunden um den Platz – zu Fuß!", befahl Roger Duncan leicht gereizt und dieser schaute ihn einen Moment ungläubig an, bevor er fluchend auf den Boden flog und begann um den Platz zu rennen.
Agnes schmunzelte flog währenddessen mit den anderen Teammitgliedern und auch denen, die sich noch fürs Team bewerben wollten um den Platz.
Agnes' weißblonde Locken wurden aus ihrem Gesicht geblasen und sie spürte zum ersten Mal seit Ewigkeiten das freie Gefühl, das man nur in der Luft beim Fliegen hatte. Es war ein leichtes Ziehen im Bauch, als würde man von einem hohen Ort hinunterspringen, aber es war ein angenehmes Gefühl, wie Agnes fand.
Schon jetzt wurden die ersten vom Platz geschickt, als klar wurde, dass sie wohl noch nie auf einem Besen gesessen hatten oder einfach nicht das Talent hatten. Unsicher schlenkerten ein paar Schüler hilflos in der Luft und konnten den Besen nicht kontrollieren. Zwar hatte Agnes gehört, dass Harry Potter – der Sucher von Gryffindor auch bei seinem ersten Mal auf dem Besen schon ein außerordentliches Talent gezeigt hat, aber das bedeutet noch lange nicht, dass jeder Schüler dieses Talent besitzt.
Roger brüllte, als ein Viertklässler sich partout weigerte den Platz zu verlassen, bis Duncan ihn „aus Versehen" vom Besen stieß und der Schüler mit einem schmerzenden Hintern und einem angeknackten Selbstvertrauen vom Platz stolzierte.
Beinahe ein Drittel der Bewerber wurde schon in den ersten paar Flugrunden von Roger aussortiert, der jeden Fehler genau zu sehen schien und ohne Erbarmen alle vom Platz schickte, die dem Team nicht würdig schienen. Es waren harte Auswahlspiele, das wusste Agnes jetzt schon.
Nachdem Roger ein weinendes Mädchen vom Platz schickte, holte er alle aus der Luft wieder auf den Boden zurück und Agnes landete elegant, aber knapp direkt neben ihm, sodass er zur Seite springen musste und Duncan sich wieder ein Grinsen verkniff, damit er nicht noch mehr Runden rennen musste.
„Also", begann Roger und sah mit kühlem, aber durchdringendem Blick in die Runde, „Ihr habt es geschafft. Ihr habt die erste Prüfung bestanden! Ihr ward diejenigen, die den Gefahren getrotzt haben und sich nicht von Angst, Schweiß oder Erschöpfung aufhielten ließen!"
Während diejenigen, die Roger näher kannten sich bemühten nicht laut loszulachen, sahen sich die jüngeren und auch ein paar ältere Schüler unsicher an und fragten sich wohl, was für Probleme dieser neue Kapitän der Ravenclaws hatte und ob sie wirklich ein Teil von diesem Wahnsinn sein wollten.
„Ihr seid Kämpfer! Ihr seid nicht schwach und ihr seid mehr, als nur ein Häufchen von nichts!", führte Roger fort und Duncan wisperte Agnes leise zu: „Immer wieder lustig, wenn Roger melodramatisch wird, oder nicht?"
„Vielleicht fängt er bald an zu weinen", vermutete Agnes, „Dann hätte er die neuen endgültig verstört und wir müssen uns einen Sucher und einen neuen Jäger aus den anderen Häusern suchen."
„Bevor wir jemanden aus Slytherin annehmen", schwor sich Grant, „spiele ich von mir aus als Hüter und als Jäger gleichzeitig!"
„Und was ist mit dem Sucher?", fragte Agnes herausfordernd frech und Grant zog seine Augenbrauen zusammen.
„Wir finden schon noch einen Erstklässler, der das übernehmen kann. Vielleicht haben wir ja Glück und Potter beschließt wieder das Spiel im Krankenflügel zu verbringen, wie vor zwei Jahren!"
„Ihr habt bestanden!", verkündete Roger feierlich zum sicher dritten Mal, „Aber das heißt noch lange nicht, dass ihr im Team seid!"
Plötzlich sahen die Neuen wieder nervös in die Runde und fragten sich, was die nächste Aufgabe sein würde.
„Als nächstes testen wir dann wirklich, was ihr draufhabt! Teilt euch bitte alle in eure Wunschpositionen ein – Jäger hier hinüber, Treiber dort, Hüter zu Grant in die Mitte und dort direkt neben mir die Sucher!"
Es dauerte länger, als man erwarten könnte, bis jeder seinen Platz gefunden hat, was sicher überhaupt nichts mit Duncan zu hatte, der es als besonders lustig empfand den jüngeren Schülern einzureden, dass sie am falschen Platz waren, bis Agnes ihm spielerisch auf den Arm schlug und er verstummte. Es wurde während dieser Einteilung sogar jemand vom Platz geschickt, weil dieser fragte, welche Positionen was überhaupt spielen würden und er eindeutig keine Ahnung von Quidditch hatte. Agnes tat Roger schon beinahe leid.
Es waren besonders viele Jäger gekommen, da natürlich eine Stelle frei war und so die Wahrscheinlichkeit, dass man Teil des Teams wurde um einigen höher wurde, aber auch ein paar Treiber gesellten sich zu Duncan und Agnes, die sich aber beide nicht von der Konkurrenz bedroht fühlten. Grant hingegen funkelte die beiden Viertklässler, die sich als Hüter bewerben wollten immer wieder wütend an und Agnes war sich sicher, dass die beiden sich irgendwann in die Hosen machen würden vor Angst. Zu der Missgunst des ganzen Teams wollte kaum jemand Sucher werden. Es waren nur drei Bewerber, und sie sahen alle nicht sonderlich vielversprechend aus.
„Hat jetzt jeder seinen Platz gefunden? Weiß jetzt jeder, für welche Position er sich bewerben will? Ja? Dann können wir ja fortfahren!", Roger fuhr sich gestresst durch seine dunklen Haare und sah wieder einmal in die Runde, während er überlegte, mit welcher Gruppe er beginnen sollte. „Dann fangen wir auch gleich mit den Jägern an!", bestimmte er sicher und fügte noch leiser hinzu, „Dann haben wir wenigstens das hinter uns..."
Agnes war eine leidenschaftliche Treiberin – sie liebte es, wie Duncan es so elegant ausdrückte, anderen die Schädel einzuschlagen und die Knochen ihrer Feinde brechen zu hören. Tatsächlich schoss sie häufig die Klatscher um zu verletzen, und nicht um abzulenken, aber um Verletzungen und Tode zu verhindern gab es ja noch andere Treiber aus den anderen Teams.
Diejenigen, die sich als Jäger bewarben, stiegen auf ihre Besen und stießen sich kräftig vom Boden ab, sodass sie hoch in die Luft rasten. Auch Roger selbst folgte ihnen, damit er die Übungen mit ihnen probieren konnte, die er zusammen mit Agnes am Vormittag vorbereitet hatte.
Die anderen sollten sich inzwischen auf den Sitzbänken gemütlich machen und darauf warten, dass ihre Gruppe an der Reihe war.
Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis Roger zuerst die Hüter zu sich rief, damit die Jäger auf die Tore mit Hindernissen schießen konnten und danach kam er zu den Suchern, die nichts Anderes machen mussten, außer ein paar kleine Bälle aus der Luft zu fangen und schließlich einen echten Schnatz zu finden. Als Jäger bestimmte Roger einen Drittklässler namens Jeremy Stretton, der, wie Agnes fand, wirklich nicht schlecht spielte und offenbar gut mit Roger auszukommen schien. Hüter blieb natürlich Grant, der darüber sehr erfreut schien und seinen Konkurrenten feixend nachsah. Über Rogers Wahl der neuen Sucherin war Agnes nicht ganz so zufrieden. Es war eine Viertklässlerin namens Cho Chang, die zwar wirklich gut fliegen konnte, aber Agnes war sich nicht so sicher, ob sie die beste Wahl für die Sucherin war.
Endlich, es war schon beinahe Zeit für das Abendessen, kamen die Treiber an die Reihe und glücklich flog Agnes sofort in die Luft.
„Okay!", rief Roger und er klang schon ein wenig heiser von der ständigen Schreierei gegen den Wind, „Beginnen wir damit, dass ich euch diese Bälle zuwerfe und ihr versucht sie mit euren Schlägern so weit wie möglich über das Spielfeld zu schießen!"
„Wetten, ich kann ihr weiter schießen, als du?", wettete Duncan sofort grinsend mit Agnes.
„Wer verliert, muss Oliver Wood heute beim Abendessen seine Liebe gestehen!", forderte Agnes ihn heraus und Duncan sah etwas unsicher aus, aber dieser Blick verschwand schnell aus seinem Gesicht und wurde wieder von einem selbstsicheren Grinsen ersetzt.
„Ich würde das nur allzu gerne sehen – abgemacht!", ging er darauf ein und sie schüttelte in der Luft Hände, bevor sie ihre Schläger aneinanderschlugen und sich in die kurze Reihe gesellten, die die vier anderen Treiber schon gebildet hatten.
Schon bald war klar, dass Agnes und Duncan sich wirklich keine Sorgen um Konkurrenz machen mussten.
Roger warf den Ball, der kein Klatscher war, sondern ein unverzauberter Ball auf den ersten Kandidaten, ein Mädchen aus der dritten Klasse. Sie holte weit aus, sodass sie beinahe ihren Hintermann erschlug und als der Ball direkt vor ihr war, schlug sie mit solch einer Wucht daneben, dass sie vom Schwung einfach weitergedreht wurde und vom Besen gerissen wurde. Sie konnte sich noch im letzten Moment am Besenstiel festklammern und Roger half ihr schnell hoch, bevor sie zu Boden stürzen konnte.
„Okay...", schnaufte Roger ein wenig erschöpft, weil das Mädchen nicht gerade eine große Hilfe gewesen war, als er ihr hochhelfen wollte, „Ich denke, wir sind uns alle einig, dass du nicht ganz ins Team passt. Danke, dass du dabei warst und vielleicht klappt es ja nächstes Jahr."
Beleidigt zog das Mädchen ab und Roger warf dem nächsten einen misstrauischen Blick zu, als würde er erwarten, dass auch er gleich versuchen würde zu sterben, aber es kam noch schlimmer.
Der zweite vergaß offenbar ganz den Ball zu schlagen und er traf ihn im Bauch, der dritte verlor seinen Schläger mitten im Schlag und Agnes bekam ihn auf den Kopf geschlagen, sodass sich eine kleine Beule bildete, aber der schlimmste von allen war wohl der vierte und letzte Neue.
Sein Schlag selbst war nicht übel, wie Agnes fand, aber seine Treffsicherheit war miserabel. Sie mussten noch nicht einmal den Ball auf eine Zielscheibe schießen, wie Agnes und Roger es noch für eine spätere Übung geplant hatten – sie mussten den Ball nur in die Weite, so weit wie möglich schießen.
Doch dieses Prinzip schien der Junge aus der zweiten nicht verstanden zu haben, denn anstatt in die Weite zu werfen, traf der Ball genau Rogers Gesicht. Agnes sah, wie sein Kopf von der plötzlichen, unerwarteten Wucht nach hinten geschleudert wurde, aber Roger fiel nicht vom Besen, sondern hielt sich weiterhin standhaft fest, aber als er verwirrt aufsah, blutete seine Nase und er schien eine Gehirnerschütterung zu haben.
„Ich bin schon weg!", rief der Junge und flog schnell davon, bevor Roger ihn überhaupt vom Platz schicken konnte.
„Alles in Ordnung, Roger?", fragte Agnes ihren besten Freund besorgt, „Das hat schmerzvoll ausgesehen."
„Oh nein, alles in Ordnung", schnaubte Roger sarkastisch, „Ich bekomme gerne Bälle direkt in mein Gesicht! Ich liebe das!"
„Das sieht man auch an deinem Gesicht", beleidigte Duncan ihn sofort scherzhalber.
„Triff du erst einmal deinen Ball", warnte Roger, „Ich wünsche mir noch heute Abend von dir eine Liebeserklärung an Wood!"
„Als ob ein Mädchen mich schlagen könnte", winkte Duncan spöttisch ab, „Ich bin bereit!"
Trotz seiner offensichtlichen Gehirnerschütterung schaffte Roger es, den Ball gerade zu werfen. Duncan konzentrierte sich, als würde sein Leben davon abhängen, was es auch irgendwie tat. Auf jeden Fall hing seine Ehre davon ab.
Er starrte auf den Ball wie eine Katze ihre Beute beobachtete, bevor sie sie umbrachte und mit einem schnellen, gezielten Biss außer Gefecht setzte.
Der Ball kam, Duncan holte aus und traf! Er schien Ewigkeiten zu fliegen direkt über das Spielfeld bis beinahe zur anderen Seite, bevor er auf dem Boden auftraf, noch ein wenig kullerte, bevor das hohe Gras ihn vollkommen stoppte.
„Das gilt!", bestimmte Roger, „Jetzt du, Agnes! Bitte zeig es diesem Vollidioten!"
Agnes wusste, dass Duncans Wurf schon sehr gut war – beinahe unmöglich zu schlagen. Aber nur beinahe. Sie atmete tief ein und die Zeit schien um sie herum stehen zu bleiben, als Roger den Ball warf und er seine Hand wie in Zeitlupe verließ. Er kam immer näher und näher und genau im richtigen Moment holte Agnes aus und ohne Probleme traf sie das kleine Geschoss genau in der Mitte mit der meisten Schwungkraft. Er flog und flog und flog, bevor er auf dem Boden aufkam und ein wenig Gras aus der Erde riss. Er rollte noch ein Stück und dann blieb er schließlich stehen. Der Ball, der weitergeflogen war, war eindeutig und ohne juristische Probleme bekannt. Der Verlierer war entsetzt, der Verlierer hatte nie gedacht, dass er verlieren würde, aber doch stand die Wette und unter Ravenclaws war eine Wette Gesetz, also musste es wohl sein.
„Du schaffst das schon, Inglebee", munterte Roger seinen Freund grinsend auf, „Es ist doch nur eine Liebeserklärung!"
„Ich hasse euch!", bestimmte Duncan miesgelaunt mit einer Strauß Rosen und einer Schachtel selbstgemachter Pralinen von Agnes in den Händen, während seine Teamkollegen ihn alle grinsend dabei beobachteten, wie Agnes und Roger ihn dazu ermunterten, endlich seine Wette einzulösen. Inzwischen blickten schon ziemlich viele in ihre Richtung und wisperten interessiert. Duncan war nicht hässlich und nicht direkt unbeliebt in der Frauenwelt. Tatsächlich war er begehrt und als er mit Rosen und Pralinen in die Große Halle kam, begannen die Theorien und Vermutungen schon, für wen sie bestimmt waren und viele von den Mädchen wünschten sich wohl, dass sie die Auserwählte waren.
Agnes grinste, weil sie wusste, dass sie alle enttäuscht werden würden.
„Wenn du noch länger wartest, beginnt auch Dumbledore zu hoffen, dass die Rosen für ihn sind", scherzte Agnes, „Jetzt geh schon! Die Wette war deine Idee!"
„Weil ich nicht gedacht habe, dass du gewinnst!", beschwerte Duncan sich beleidigt wie ein kleines Kind, aber er nahm doch all seinen Mut zusammen und ging an den schwärmenden Ravenclaw-Mädchen vorbei und viele Gryffindor-Mädchen ignorierte er partout, bevor er direkt vor Wood stehen blieb, der zuerst nicht einmal verstand, was vor sich ging, bevor Duncan ihm mit hochrotem Kopf die Rosen und die Pralinen hinhielt und herauspresste: „Oliver, ich liebe dich."
Duncan drückte ihm alles in die Hände und rannte so schnell er konnte aus der Großen Halle, während das Ravenclawteam in lautes Gelächter ausbrach.
„Bei Merlins Unterhosen", murmelte Wood geschockt und starrte auf die Blumen, als wären sie giftig, „was ist gerade passiert?"
„Ich finde es romantisch", schwärmte Fred hin und weg, „Ich habe schon immer gewusst, dass das Ravenclawteam dir zu Füßen liegt, aber ich hätte gedacht, es wäre eher auf eine winselnde Art."
„Ich wette, es war eine Wette", vermutete George nachdenklich, „Aber welches Genie hat sich diese Strafe wohl einfallen lassen?"
Fred sah zum gegnerischen Team der Ravenclaws und beobachtete Roger Davies, den neuen Kapitän dabei, wie er Agnes Tripe auf die Schulter klopfte und auch andere aus dem Team schienen sie bewundernd zu loben.
„Ich glaube, es war Tripes Idee", sprach er seine Gedanken laut aus, „Es war bestimmt ihre Idee!"
„Agnes Tripe?", fragte George ungläubig und sah ebenfalls zu den Ravenclaws, bevor auch er zu dem Schluss kam, dass es wohl ihr Werk war, „Sie scheint besser zu sein, als wir gedacht haben."
„Wer hätte gedacht, dass ein spießiger Ravenclaw zu solchen Gedanken in der Lage ist", staunte Fred, „Man könnte beinahe glauben, sie wäre ein Gryffindor."
„Hast du vor diese hier zu essen, oder können wir sie haben?", fragte George Wood, der noch immer verstört schien.
„Hu?", fragte er sehr intelligent und verstand erst spät, was George meinte und hielt ihm die Schachtel Pralinen hin, „Nein, die esse ich bestimmt nicht. Und diese Blumen muss ich auch irgendwie loswerden. Warum können Ravenclaws einen Scherz nicht wie jeder andere machen, sondern müssen immer so übertreiben?"
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