44. Kapitel
Remus kam am nächsten Tag allein zurück und nach zerschunden und müde aus. Auch seine Hände waren voller Glasscherben, die auf dem Boden gelegen hatten und er war mitten hineingetreten, als er auch versucht hatte, durch das Fenster nach draußen zu kommen, aber er sehnte sich nicht, Freiheit zu spüren.
Noch niemand saß im Esszimmer und er ließ sich allein am Tisch nieder und vergrub sein Gesicht in seinen Händen mit der Hoffnung, die letzten paar Minuten der Ruhe zu genießen.
Sirius kam und sah seinen alten Freund allein am Tisch sitzen.
„Wie ist es gelaufen?", fragte er ihn.
„Agnes ist abgehauen", bemerkte Remus humorlos, „Wahrscheinlich ist sie allein im Wald aufgewacht."
„Oh", machte Sirius, „Sie kann apparieren, ihr geht es sicher gut."
„Vielleicht", Remus zuckte mit den Schultern, „Wir wissen das erst, sollte sie jemals zurückkommen."
„Warum sollte sie nicht zurückkommen?", fragte Sirius.
„Sie muss furchtbare Angst haben", erklärte Remus, „Sie wird ihre Zeit brauchen, bis sie mit dem Gedanken zurechtkommt."
Sirius nickte nur, es wurde still zwischen den beiden, bis er fragte: „Bist du bereit, Harry heute zu holen?"
„Es muss gehen. Jemand von dieser Bande muss ja einen klaren Kopf bewahren", schmunzelte Remus und dachte an die Gruppe, die sich bereiterklärt hatte, Harry von den Muggeln abzuholen, nachdem er Ärger mit Dementoren und dem Ministerium hatte.
„Siehst du, das klingt schon wieder nach dir, Moony", lachte Sirius und klopfte ihm auf die Schulter, „Mach dir um Agnes erst einmal keine Sorgen – sie findet sicher hierher zurück."
Agnes wachte im Wald auf – nackt. Sie hatte erwartet, dass sie ihre Kleider bei der Verwandlung zerreißen würde, aber sie hatte bestimmt nicht erwartet, nicht wieder in der Hütte aufzuwachen und sie fragte sich, was passiert war. Ihre Hände waren voller Glasscherben und Blut drang aus den kleinen Schnitten, die höllisch brannten und sie spürte unzählige blaue Flecken, die sich an ihrer Schulter und ihrer Seite bildeten, als hätte sie sich gegen eine harte Wand geworfen. Langsam stand sie auf und fühlte sich miserabel, wie schon so oft seit sie gebissen worden war, aber nachdem sie unsicher wankend aufgestanden war, konnte sie wieder einen klaren Gedanken fassen und sie inspizierte ihre Umgebung.
Der Wald um sie herum sah in alle Richtungen gleich aus und sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte, damit sie zurück zur Hütte kam, wo ihr Zauberstab lag, den sie brauchen würde, wenn sie apparieren wollte, also schlug sie erst einmal eine Richtung ein, von der sie instinktiv glaubte, es wäre die Richtige.
Sie trug keine Kleidung, aber ihr war auch nicht kalt, trotzdem hoffte sie, dass kein Wanderer in dieser Gegend unterwegs war, sonst wäre er bei ihrem Anblick wahrscheinlich tot umgefallen vor Schreck.
Es war schon Mittag und ihr Magen knurrte unangenehm, aber die Hütte war noch nicht in Sicht, aber etwas sagte Agnes, sie ging in die richtige Richtung, also wich sie nicht vom Weg ab.
Vor ihr waren nur Bäume, als hinter einem von ihnen ein Mann hervortrat und sie angrinste.
Agnes versuchte so viel von ihrem Körper zu bedecken mit ihren Händen, knurrte aber den Mann trotzdem wütend an, bevor sie ihn überhaupt erkannte – es war Greyback.
„Erstaunlich, dass du überlebt hast", begrüßte er sie und warf ihr etwas zu, das sich als Decke herausstellte, als Agnes sie geschickt auffing, „jeder andere wäre von den Verletzungen gestorben oder wäre mir nicht entkommen."
Agnes wickelte sich in der Decke ein und funkelte Greyback weiterhin finster an. „Du hast dich eben mit der falschen Person angelegt", zischte sie wütend.
„Dabei ist dieses Schicksal um einiges schrecklicher, als der Tod, oder nicht? Hast du mit dem lieben, kleinen Remus Lupin gesprochen?", feixte Greyback, „Es war mir ein besonderes Anliegen, ihn schon als kleines Kind zu beißen – nur sein Vater hat ihn vor dem Tod bewahrt."
„Was willst du?", fragte Agnes ausgelaugt. Sie fühlte sich nicht in der Lage zu kämpfen, aber auch Greyback sah nach seiner Verwandlung müde und erschöpft aus, obwohl er es schaffte, trotzdem bedrohlich auszusehen.
„Keine Sorge, Schätzchen, ich bin nicht hier, um meinen Job zu erledigen und dich zu töten", beruhigte er sie, „Genau genommen habe ich gehört, dass mein Auftragsgeber diese Nacht tot aufgefunden worden ist – hat sich selbst erwürgt mit einem Stofffetzen oder so."
„Mein Vater ist tot?", keine Trauer lag in Agnes' Stimme, sondern Erleichterung.
„In der Tat", grinste Greyback, „Aber auch sonst würde ich dich nicht komplett umbringen wollen – es ist mir sogar so lieber, wie es gerade ist."
Greyback ließ seinen Blick über ihren Körper wandern und Agnes fühlte sich nicht wohl, also wickelte sie die Decke noch dichter um sich.
„Was willst du dann?", fragte sie wieder.
„Was ich will?", Greyback überlegte, „Ich will dir einen Platz bei mir im Rudel anbieten."
„Was bringt mir das?", hinterfragte Agnes und Greyback grinste. Sie schien nicht komplett anlehnend der Idee gegenüber und das war schon ein guter Anfang.
„Es bringt dir Akzeptanz, die wie verdienen", raunte Greyback und kam einen Schritt näher, aber Agnes zwang sich, nicht zurück zu weichen, „Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber Werwölfe sind in der Gesellschaft nicht gern gesehen. Egal, wohin wir gehen, wir sehen angeekelte Blicke. Ist das wirklich das, was du willst?"
Agnes sagte nichts, sondern schüttelte nur den Kopf.
„Wenn du dich uns anschließt, lebst du in einer Familie, die dich so nehmen, wie du bist, weil sie sind genau gleich und noch besser – wir kämpfen auch für unsere Rechte!"
„Indem ihr mehr Leute verwandelt", brachte Agnes heraus und sah Greyback misstrauisch an.
„Ich bevorzuge – indem wir anderen unsere Lebensweise zeigen", grinste Greyback.
„Dann lehne ich lieber ab", meinte Agnes höflich, „Ich habe einen Platz zum Leben und ich habe Freunde, die mich akzeptieren."
„Wissen sie von deinem kleinen Geheimnis?", fragte Greyback unschuldig und Agnes dachte an George, Ginny und Ron, die alle nicht wussten, dass sie ein Werwolf war. Sie alle sahen nur die Narben und fragten sich, wie sie sie bekommen hatte. Besonders dachte sie an Fred und an die Sorge, die sie hatte, dass er sie nicht so nehmen würde, wie sie eben war.
„Ich mag es so, wie es gerade ist", wich Agnes seiner Frage aus.
Greyback musterte sie und nickte langsam. „Weißt du, es steht dir immer ein Platz offen. Der Dunkle Lord wird uns die Freiheit geben, die wir verdienen. Wähle die richtige Seite, bevor es zu spät ist... Die Hütte, die du suchst ist in dieser Richtung", informierte er sie und zeigte in die Richtung, in die Agnes schon den ganzen Tag ging und sie nickte.
Greyback winkte ihr noch einmal mit seiner klauenartigen Hand und disapparierte.
Agnes fand wenige Minuten später die Hütte und betrat sie.
Das Dachfenster war zerbrochen und Blut war auf dem Boden, wo die Scherben lagen, von denen sie vermutete, dass auch einiges zu ihr gehörte, nachdem ihre Hände aufgeschnitten und verletzt waren.
Im Raum, in dem sie sich verwandelt hatte, lagen die letzten Fetzen von ihrem Gewand und in einer magisch geschützten Ecke lag ihr Zauberstab zusammen mit Gewand, das sie anziehen konnte. Sie war froh, endlich mehr als nur eine Decke tragen zu können und zog dankbar das große T-Shirt und die breiten, kurzen Hosen an, die immer über ihre Hüften rutschte, aber wenigstens waren sie bedeckt.
Es war ein gutes Gefühl, endlich wieder ihren Zauberstab in den Händen halten zu können und sie hätte sofort apparieren können, aber stattdessen zögerte sie.
Greybacks Worte schwirrten noch in ihrem Kopf herum und sie fragte sich, wie akzeptierend die anderen wirklich waren, die von ihrem Geheimnis wusste. Remus war, da hatte sie keinen Zweifel, hilfsbereit und wollte ihr so gut es ging durch diese Zeit helfen, aber von den anderen wusste sie gar nichts.
Vielleicht taten sie nur so, damit sie sich nicht Voldemort anschloss, aber dann fragte sie sich, ob das so schlimm wäre. Vielleicht taten sie auch nur so freundlich, aber immerhin bemühten sie sich und das war schon einiges wert. Greyback war der, der sie erst in diese Schwierigkeiten gebracht hatte, also wusste sie nicht, warum sie überhaupt darüber nachdachte, sich seinem Rudel anzuschließen.
Weil du dazugehören willst.Flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf und sie musste sich selbst zustimmen. Es war noch nie so gewesen, dass Agnes angepasst war und sich nur mit den Sportlern der Ravenclaws abgab, die ohne Zweifel im ganzen Haus beliebt waren. Am liebsten half sie kleinen bei den Hausaufgaben, lernte mit ihnen und teilte Kekse aus, wie sie es schon seit sechs Jahren getan hatte.
Sie wusste nicht, ob sie gemocht wurde oder ob alle hinter ihrem Rücken über sie sprachen, aber sie fühlte sich trotzdem erstaunlich ruhig, wenn sie merkte, dass andere zu ihr kamen, wenn sie Hilfe brauchten, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob die Räte, die sie ihnen dann gab immer die besten waren.
Sie kümmerte sich nur um alle und auf der anderen Seite kümmerte sie sich nur um sich.
Du würdest auch in Slytherin einen Platz finden. In deinem Herzen sehe ich nicht nur Weisheit, sondern auch Ehrgeiz und Einfallsreichtum. Du bist klug und kreativ, aber du bist dir unsicher, wie du diese Eigenschaften von dir einsetzen sollst.
Sie erinnerte sich an die Worte des sprechenden Hutes als wäre es gestern gewesen. Ihm hatte die Entscheidung zwischen Ravenclaw und Slytherin schwergefallen und nur die Bitte von Agnes, sie nach Ravenclaw zu schicken, ließ ihn mit Protest sie in eben dieses Haus schicken, sonst wäre sie bestimmt in Slytherin gelandet wie ihre Mutter und ihr Vater und deren Eltern wie auch deren Eltern davor und beinahe jeder in ihrem Stammbaum.
Sie war eben nicht mutig wie ein Gryffindor, das hatte sie schon immer gewusst. Wenn es sein musste, stand sie auf und kämpfte, aber zuerst sah sie sich Pro und Kontra an. Was brachte es ihr, wenn sie kämpfte. Wollte sie wirklich kämpfen? War es die Schmerzen wert? War es das alles wert? Es gab Momente, in denen sie für andere kämpfte, aber selbst dann überlegte sie sich, ob derjenige es wert war.
Sie holte tief Luft und hob ihren Zauberstab. Sie wusste, was sie tun musste und was besser für sie war – wenigstens im Moment.
Sie schloss die Augen und disapparierte.
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