40. Kapitel

Agnes war nur mit Dorothy unterwegs, ging jeden Tag weite Strecken zu Fuß und apparierte regelmäßig. Sie besaß nur das Geld, das sie letztes Jahr durch ihre Verkäufe eingenommen hatte und das meiste verbrauchte sie für Essen und warme Kleidung, denn in den Nächten konnte es in der Wildnis relativ kalt werden.

Paranoid und vollkommen fertig schlief sie kaum, vermied Pausen und Menschen. Sie fühlte sich beim Wandern nicht entspannt, sie genoss nicht die Aussichten, sie genoss nicht die Menschen. Sie war misstrauisch, ängstlich und sah sich immer um, ob ihr jemand folgte, aber sie schien nicht vorsichtig genug zu sein.

Es war ein lauwarmer Sommerabend und Agnes befand sich in einem der Außenbezirke von London, dort, wo kaum noch Wohnhäuser standen, sondern nur noch Felder waren, mehrere Stunden von Zivilisation entfernt.

Der Kies knirschte unter ihren Füßen, als sie einen Feldweg entlangging und in Gedanken versunken war, als ein zweites Paar Füße dasselbe Knirschen hinter ihr verursachte. Sie stockte und blieb stehen. Jemand war hinter ihr. Es könnte ein harmloser Muggel sein, es könnte ein Kaninchen sein, soweit sie wusste, könnte es jeder und alles sein, aber ihr Herz raste, Adrenalin schoss in ihr Blut und ihre Konzentration setzte aus.

Sie wirbelte herum und zückte ihren Zauberstab, den sie immer in ihrem Ärmel verstaut hatte, aber bevor sie ihren Angreifer sehen konnte, bevor sie einen Zauber sprechen oder denken konnte, wurde ihr Zauberstab aus ihrer Hand geschleudert. Er kullerte mehrere Meter weit weg und Agnes keuchte auf, als sich Krallen in ihren Arm bohrten – gelbe, ekelerregende Krallen.

Sie sah auf und ihr Atem stockte als sie die in die wahnsinnigen Augen ihres Angreifers sah. Seine grauen Haare waren verfilzt, er grinste und zeigte seine spitzen Reißzähne, er stank nach Schweiß, Dreck und das Schlimmste, Blut. Er sah nicht mehr wie ein Mensch aus, sondern mehr wie ein Wolf. Vor Agnes stand Fenrir Greyback – der gefürchtetste Werwolf in der Zauberergesellschaft.

„Schönen Abend, junge Miss Tripe", grinste Greyback und hauchte sie voll mit seinem übelerregenden Atem, „Ich habe einen speziellen Auftrag, der dich betrifft."

„Was willst du?", keuchte Agnes und sah zu ihrem Zauberstab, der noch auf dem Boden lag – hinter Greyback, der sie mit seinen Krallennägeln fest im Griff hatte.

„Offenbar hast du deinen lieben Daddy enttäuscht und jetzt will er wohl, dass ich dich für ihn enttäusche. Ich hoffe, du denkst an ihn, wenn ich dir die Kehle herausreiße – weißt du, ich liebe das Fleisch von so jungen, zarten Hexen wie dir, obwohl du gern etwas mehr an den Rippen haben könntest, aber ich komme auch so aus", erklärte der Werwolf.

Agnes verstand in ihrer Panik nicht viel sondern versuchte nur ihren Arm zu befreien, aber anstatt sie loszulassen, packte Greyback sie auch noch mit seiner anderen Hand und bohrte seine Fingernägel noch tiefer in sie hinein.

Dorothy fauchte und sprang auf Greyback, aber mit einem scheinbar müden Schlag schleuderte er die Katze weg von sich und auf den Boden, wo sie reglos liegen blieb.

„Mach es nicht noch schwerer, als es sowieso schon ist", bat Greyback sie gelangweilt und zog sie näher an sich heran, sodass sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem Hals entfernt war und er flüsterte in ihr Ohr: „Wenn ich nicht den Auftrag hätte, dich zu zerfleischen, dann wärst du gar nicht so hässlich. Die Tripes sind noch nie hässlich gewesen, aber immer so stolz. Sie werden schon sehen, wie stolz du sein wirst, wenn du erst einmal tot bist!"

„Bitte nicht-", Agnes brachte nicht mehr als ein ersticktes Keuchend heraus und Greyback grinste.

„Keine Angst – Angst macht das Fleisch schlecht", bat er und Agnes sah hinter ihm zum Himmel. Dort stand wie ein schlechter Witz, ein böses Omen der volle Mond in seiner ganzen Pracht, wie er mit seinem Licht die Nacht zum Tag machte und alles in ein silbriges Licht tauchte.

Plötzlich krümmte sich Greyback unter Schmerzen, aber er ließ Agnes nicht los. Stattdessen wurden seine Krallen länger und länger, sodass sie sich noch weiter in ihr Fleisch bohrten, aber Agnes schrie nicht auf, sondern versuchte nur von ihm wegzukommen, bevor es zu spät war.

Seine Knochen knackten und Haare sprossen aus seinem ganzen Körper. Schließlich fiel er auf die Knie und war gezwungen, Agnes loszulassen, aber ohne ihren Zauberstab konnte sie nicht disapparieren. Panisch sah sie sich nach dem Stock um und entdeckte ihn hinter dem beinahe vollkommen verwandelten Greyback – zu nahe an dem Monster, als dass sie ihn erreichen könnte.

Greyback heulte und vor ihr stand ein schauderhaftes Monster, das sie hungrig anstarrte. Sie bewegte sich kaum, versuchte, nicht seine Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Ihr Blick glitt zum Zauberstab und langsam ging sie einen Schritt zur Seite. Der Werwolf imitierte ihre Bewegung und entfernte sich einen Schritt vom Zauberstab, knurrte aber gefährlich. Agnes wusste, sie war Beute und wenn sie nicht schnell wegkam, dann würde sie auch als eine solche enden – der Mitternachtssnack eines Werwolfs.

Sie ging einen weiteren Schritt zur Seite, aber sie machte einen Fehler und stieg auf einen Ast. Dieser knackte laut und der Werwolf griff an. Blitzschnell sausten seine Krallen nach vorne und erwischten sie am Arm. Agnes schrie auf und zuckte zurück, blendete aber den Schmerz aus und konzentrierte sich, den gefährlichen Zähnen des Wolfs auszuweichen und sprang nach vorne. Ihre Hand schloss sich um den Stab, aber sie konnte Dorothy nicht zurücklassen, also rollte sie zur Seite, aber der Werwolf sprang schon vor und verbiss sich in ihren Bauch.

„Expulso!", schrie Agnes mit schriller Stimme und schleuderte den Werwolf von sich. Dieser riss mit seinen Zähnen ein Stück ihres Fleisches aus ihrem Körper und Blut durchnässte Agnes' Kleidung. Sie konnte kaum stehen, kroch aber schnell zu Dorothy, aber bevor sie die Katze erreichen konnte, war der Werwolf zurück bei ihr und grub seine Krallen in ihren Rücken. Er drehte sie herum und fuhr mit seinen messerscharfen Nägeln über ihr Gesicht, aber Agnes wandte es noch schnell ab, sodass er nicht ihr Auge auskratzte, sondern nur ihre Schläfen und Wange erwischte.

„Impedimenta!", kreischte Agnes panisch, aber der Zauber prallte nur von dem Werwolf ab und verursachte nicht den gewünschten Effekt, also schoss Agnes gleich den nächsten Zauber hinterher: „Incarcerus!"

Magische Seile schlangen sich um den Werwolf und gaben Agnes genug Zeit, dass sie zu Dorothy kriechen konnte, die leblose Katze auf den Arm nahm und disapparierte.



Elizaveta Gregorovich apparierte zum Grimmaultplatz und erblickte sofort das Haus Nummer zwölf. Sie achtete nicht darauf, was passieren könnte und läutete einfach kurzerhand und fluchend hörte sie schon von weitem Sirius Black zur Tür rennen, während seine liebe Mutter im Hintergrund schrie, kreischte und fluchte. Jemand brachte das Gemälde zum Schweigen, während Sirius die Tür aufriss.

„Nicht läuten!", rief er, „Wir oft soll ich das denn noch sagen?"

„Es ist dringend", mit diesen Worten quetschte Eliza sich an Dumbledore vorbei und rannte schnurstracks in die Küche, wo ein kleiner Teil des Ordens des Phönix versammelt hatte.

„Professor Dumbledore", rief Eliza aufgebracht, sobald sie die Küche betreten hatte und er sah auf, „Gerade ist ins Krankenhaus jemand appariert! Sie verlang nach Ihnen!"

„Wer ist es?", fragte Sirius neugierig, der hinter Eliza wieder in die Küche kam.

„Professor – es ist Agnes Tripe. Sie ist von einem Werwolf angegriffen worden", berichtete Eliza und sofort wurde es still im Raum. Kingsley, der ebenfalls schon in der kleinen Runde dabei war, sprang sofort auf.

„Agnes? Was ist passiert?", fragte er sofort, „Wo ist sie? Kann ich zu ihr?"

„Vorerst ist sie über den Hügel, aber noch können wir nicht sagen, wie ihr Körper reagieren wird und noch schwebt sie in Lebensgefahr", sprach Eliza schnell.

„Dann sollten wir sie nicht warten lassen", beschloss Dumbledore und stand ebenfalls auf.

„Was?", rief Sirius verwirrt, „Habe ich richtig gehört? Dieser ganze Aufwand für eine Tripe? Haben Sie vergessen, wer diese Familie ist?"

„Ich denke, Sie haben vergessen, wie es ist, ein Werwolf zu sein, Mr Black", bemerkte McGonagall aufgebracht und entrüstet, „Sie ist gerade erst siebzehn und wurde bei Vollmond von einem Werwolf angefallen! Zeigen Sie etwas mehr Mitgefühl und denken Sie nach, bevor Sie über andere richten, nur, weil sie Tripe heißen!"

Mit diesen Worten stürmte die Professorin aus dem Raum und viele folgten ihr, während Sirius und die, die Agnes nicht kannte zurückblieben, aber Sirius fühlte sich schlecht. McGonagall hatte Recht gehabt – er hätte nicht so reagieren sollen, denn auch sein bester Freund Remus hatte eine schlimme Nacht hinter sich und ruhte sich noch oben in einem der sauberen Zimmer aus.



Dumbledore betrat alleine das Zimmer, in dem Agnes Tripe alleine lag. Sie war noch bleicher, als sonst und ihre Haare waren ausgebreitet auf dem Kopfpolster verteilt, auf ihrer Brust lag Dorothy, ihre Katze schlafend. Auch Agnes' Augen waren geschlossen, aber sobald sie Dumbledore näherkommen hörte, riss sie ihre eisblauen Augen auf und starrte den Professor einen Moment lang an.

„Es war Greyback", flüsterte sie leise, „Er hat mich verfolgt und ich konnte ihm lange entkommen, aber nicht in dieser Nacht."

„Er hat dich gebissen?", fragte Dumbledore und Agnes nickte leicht und als Antwort hob sie ein wenig ihr Nachthemd, damit er ihren Verband um ihren Bauch sehen konnte.

„Mir tut alles weh", wisperte sie, „Ich spüre noch immer seine Krallen und seine Zähne – wie sie mir das Fleisch vom Leib reißen, wie er mich hämisch angrinst, seine knackenden Knochen, als er sich verwandelt hat. Mir tut alles weh und ich fühle mich so schwach."

„Du wirst wieder gesund", versprach Dumbledore.

„Und wenn nicht?", fragte Agnes, „Was ist, wenn ich sterbe? Ganz zu schweigen davon, dass ich bestimmt ein Werwolf bin! Er hat mich gebissen! Die Heiler sind sich noch nicht sicher, wie mein Körper darauf reagieren wird – ich kann immer noch sterben. Sollte das der Fall sein, wollte ich Sie fragen, ob Sie stolz auf sich sind?"

„Stolz?", fragte Dumbledore und Agnes erläuterte näher: „Ich habe Sie um Hilfe gebeten. Ich habe Sie aufgesucht in der Hoffnung, dass Sie mir helfen, aber Sie haben mir nicht geglaubt. Ich wusste, dass meine Eltern mich nicht einfach so durch die Gegend spazieren lassen. Mein Vater hat Greyback geschickt – er wollte, dass ich sterbe, lebendig zerrissen werde, von einem Werwolf gefressen werden – ich denke, das hier ist genauso schlimm."

„Nein", verneinte Dumbledore langsam, „Ich kann nicht von mir behaupten, stolz darauf zu sein."

„Das einzige, das an dieser ganzen Sache wohl gut ist, ist wohl eindeutig, dass jetzt im Familienstammbaum ein Werwolf die Äste verdreckt. Ich kann wohl mit Stolz behaupten, dass das beinahe schlimmer ist, als einen Muggel zu heiraten", scherzte Agnes schwach.

„Es ist keineswegs eine Schande, ein Werwolf zu sein", beteuerte Dumbledore, aber Agnes konnte ihm das nicht so ganz glauben.

„Ich sehe es nicht so – ich weiß nur, dass es schwer ist für einen Werwolf in der Gesellschaft einen Platz zu finden. Ich habe keine Zukunft mehr – kein Leben. Es ist in dieser einen Nacht zerstört worden und ich weiß nicht, wie ich es wieder zusammensetzen soll", flüsterte sie leise und müde.

„Ein Jahr kannst du noch zurück nach Hogwarts", schlug Dumbledore sanft vor, „Es ist noch kein Schüler von mir als Schulleiter abgelehnt worden."

„Und dann?", fragte Agnes, „Mein Leben wirkt so, als würde jemand alles Negative auf mir stapeln und alles, was in meinem Leben schieflaufen kann, passiert mir. Als würde das Schicksal mich noch mehr hassen, als Harry Potter", Agnes lachte schwach und hustete ein paar Mal keuchend, bevor sie sich trocken entschuldigte: „Entschuldigen Sie mich, aber wenn ich Schmerzen habe, werde ich wohl gerne melodramatisch und melancholisch. Gewiss gibt es schlimmere Schicksale, als das meine. Immerhin bin ich noch am Leben."

Langsam schloss sich ihre müden Augenlider und Dumbledore erkannte, dass sie eingeschlafen war, nachdem sie tief und pfeifend Luft holte.

„Immerhin bist du noch am Leben", wiederholte Dumbledore und verließ leise das Zimmer.

Draußen warteten Kingsley und McGonagall, die ihn erwartungsvoll ansahen.

„Es war Greyback", verkündete er, „Aber ich bin mir noch nicht sicher, ob sie leben wird."

„Kann ich sie sehen?", fragte Kingsley, aber Dumbledore schüttelte den Kopf.

„Sie schläft – Ruhe wird sie brauchen, aber wenn sie diese Hürde überlebt, dann bin ich sicher, wird sich alles zum Besseren wenden."

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