37. Kapitel

Es war der letzte Tag im Jahr und Agnes verbrachte schon den halben Tag im Bett. Sie schlief bis Mittag und auch dann zwang sie sich nur aus dem Bett, weil sie langsam Hunger bekam und das Mittagessen nicht verpassen wollte.

Mit ihrem langen, weißen Nachthemd und noch immer sehr chaotischen Haaren tapste sie in ihren Pantoffeln die Treppen hinunter und trat in die Große Halle, während alle anderen schon bei ihren Tischen saßen und aßen.

„Miss Tripe!", hörte sie McGonagall in ihrer Nähe empört ausrufen, „Ist dieser Aufzug wirklich nötig?"

„Seien Sie froh, dass ich mir meine Zähne geputzt habe", konterte Agnes, „Ich hasse diesen Tag!"

Mit schlechter Laune und finsterem Blick setzte sie sich an den Ravenclawtisch, wo Roger neben Fleur saß, aber zwischen den beiden herrschte schon beinahe romantische Funkstille. Seit dem Weihnachtsball waren sie zwar so etwas Ähnliches wie Freunde, aber es hatte nicht zwischen ihnen gefunkt, also hatte sie beschlossen, es lieber sein zu lassen und besser nur Freunde zu bleiben.

„Guten Morgen, Agnes!", rief Roger fröhlich, sobald er sie erblickte, „Und Alles Gute zum Geburtstag!"

Agnes funkelte ihn mit ihrem Todesblick an, während viele Schüler in seiner Nähe, die es gehört hatten aufsahen und Agnes ebenfalls Alles Gute wünschten, obwohl sie das gar nicht hören wollte.

„Davies!", zischte sie wütend, „Jetzt weiß es die ganze Schule!"

„Du magst deinen Geburtstag nischt?", fragte Fleur ahnungslos.

„Ich hasse ihn", bestätigte Agnes finster, „Ich habe ihn schon immer gehasst und Davies weiß das!"

„Ich habe mir nur gedacht, dass dein siebzehnter Geburtstag etwas Besonderes ist!", verteidigte er sich grinsend – die schlechte Laune seiner Freundin kümmerte ihn nicht, „Jetzt kannst du endlich legal ausziehen, dein eigenes Ding machen, du bist nicht mehr auf diese Muggel angewiesen!"

„Wenigstens irgendetwas positives", schnaubte Agnes.

„Ein Vögelchen hat uns gezwitschert, dass du Geburtstag hast!", sagte plötzlich jemand neben ihr und sie zuckte zusammen, als sie Fred und George erblickte.

„Diesem Vögelchen sollte man lieber die Zunge herausschneiden", schlug Agnes vor und warf Roger einen bösen Blick zu, „Es sollte nämlich niemanden interessieren, dass ich Geburtstag habe!"

„Es ist dein besonderer Tag, Agnes!", rief Fred, „Was hast du dagegen?"

„Ist dein Geburtstag schon einmal vergessen worden, weil der Dunkle Lord am selben Tag seinen überaus wichtigen Geburtstag feiert? Ich denke nicht!", zischte Agnes und setzte sich etwas abseits von Roger und den anderen hin, damit sie in Ruhe essen konnte und sich dann wieder in ihr Bett verziehen konnte.

„Wirklich?", wisperte Fred und Roger nickte bestätigend.

„Das müssen wirklich seltsame Jahre gewesen sein – mit dem Wissen aufwachsen, dass man am selben Tag Geburtstag hat, wie Ihr-Wisst-Schon-Wer", überlegte George.

„Deswegen hasst sie diesen Tag auch so sehr", wisperte Roger, damit Agnes es nicht hören konnte, „Ganz zu schweigen davon, dass das letzte Geburtstagsgeschenk, das sie jemals angenommen hatte, von ihrer Mutter gewesen war und es hätte beinahe ihr Leben zerstört."

„Was ist es gewesen?", fragte Fred, aber Roger antwortete nur: „Das solltet ihr sie selbst fragen. Sie redet nicht gerne darüber und mag es bestimmt nicht, wenn ich es herumerzähle."

Fred beschloss sie nicht zu fragen, aber später, als Agnes sich schon wieder verzogen hatte, ging er alleine die Treppen zum Ravenclawturm hoch.

Ich wispere, ohne zu sprechen; ich atme ohne Lungen", stellte der Adler sein Rätsel und Fred antwortete ohne zu zögern (er kannte das Rätsel schon): „Der Wind."

„Ganz genau!", bestätigte der Adler und öffnete die Tür. Fred betrat den Gemeinschaftsraum und fühlte sich sofort irgendwie fremd. Die Ravenclaws starrten ihn verwirrt an und er wurde knallrot. Was hatte er sich dabei gedacht? Er war zwar schon einmal hier gewesen, aber da war er mit Agnes hier gewesen und er hatte sie einfach nach dem Ball nach oben getragen – das hier war etwas ganz Anderes.

„Wenn du Agnes suchst – die ist heute nicht ansprechbar. Versuche es morgen wieder", rief Roger von seinem Platz an einem Tisch aus, wo er gerade seine Hausaufgaben erledigte.

„Ich weiß", antwortete Fred, „Aber ich weigere mich, das einfach so hinzunehmen!"

Roger sah ihn einen Moment lang musternd an, bevor er seine Feder zur Seite legte, aufstand und zu Fred kam.

„Hast du Katzenminze bei dir?", fragte er ihn und kam Fred dabei unangenehm nahe, sodass er seinen Atem an seiner Wange spürte.

„Warum sollte ich Katzenminze bei mir tragen, du Creep? Ich bin doch nicht Filch!", rief Fred verstört und Roger erklärte leise: „Wir brauchen es für die Katze – ich erkläre es dir gleich!"

Roger verschwand kurz in seinem Schlafsaal und holte etwas von seinem Vorrat an Katzenminze.

„Und was genau machen wir damit?", fragte Fred ratlos, „Lockt das Agnes an?"

„Nein", widersprach Roger, „Nicht Agnes, aber Dorothy."

„Ihre Katze?", widerholte Fred, „Warum brauchen wir ihre Katze?"

„Wirst du gleich sehen!"

Dorothy roch die Minze von ihrem Versteck aus, aber sie wusste, dass ihre Besitzerin Agnes heute nicht besonders gut aufgelegt war – das war sie niemals an diesem Tag im Jahr und Roger sollte das eigentlich auch wissen, warum also wollte er, dass sie Agnes holte?

Vorsichtlich traute sie sich aus ihrem Versteck – sie wollte unbedingt dieses Kraut haben und dann konnte sie auch einfach versuchen, Agnes zu holen, wenn Roger und dieser seltsame Rothaarige, bei dem Dorothy im Sommer gewesen war es unbedingt wollten.

Roger sah, wie die Katze die Treppen hinaufrannte und sah Fred zufrieden an, der immer noch nicht verstand, was das alles bringen sollte.

„Wenn sie überhaupt hinunterkommen will, dann wird sie das bald tun", versprach Roger, „Setz dich doch inzwischen – ich muss weiter den Aufsatz für Zaubertränke schreiben."

Fred setzte sich unsicher neben eine kleine Zweitklässlerin, die ihn interessiert beobachtete.

„Liebst du Agnes?", fragte sie plötzlich und Fred stammelte verwirrt: „Was? Was hast du gesagt?"

„Ob du Agnes liebst", wiederholte die Kleine, „Ansonsten wärst du doch nicht hier, oder? Ansonsten wäre es dir egal, wie es ihr geht, oder?"

„Ich weiß nicht, ob ich sie liebe – ich weiß nicht einmal, was Liebe ist", antwortete Fred ernst.

„Aha", machte die Kleine, „Auf jeden Fall befehle ich dir, sie gut zu behandeln!"

„Das kann ich dir versprechen", schwor Fred lächelnd und er wartete schweigend weiter.

Dorothy kletterte in der Zwischenzeit behutsam auf das Bett von Agnes. Agnes selbst hatte sich unter ihrer Decke versteckt und wollte am liebsten nichts mehr von der Welt wissen. Sie erinnerte sich die ganze Zeit an alles, das in ihrer Kindheit falsch gelaufen war und melancholisch dachte sie daran, wie unfair das Leben eigentlich war, als sie die sanften Pfoten ihrer Katze spürte.

„Was willst du, Dorothy?", raunzte Agnes, „Ich habe dich doch schon gefüttert!"

Dorothy maunzte. Agnes seufzte. Dorothy maunzte wieder. Agnes warf ihre Decke zurück und blinzelte von dem plötzlichen hellen Licht.

„Was ist?", fragte Agnes Dorothy, aber sie sah sie nur streng an, maunzte wieder und sprang vom Bett, rannte zur Tür und wartete dort auf Agnes. Das konnte nur bedeuten, dass jemand – höchstwahrscheinlich Roger sie geschickt hatte.

Agnes machte sich nicht die Mühe, etwas Anderes außer ihr Nachthemd anzuziehen und ging mit Dorothy vorneweg die Treppen hinunter in den Gemeinschaftsraum.

Dort sah sie sich um, was Roger von ihr wollte, aber er saß gemütlich am Schreibtisch und machte Hausaufgaben. Stattdessen sah jemand anderer auf, als sie hereinkam und beinahe wäre sie wieder hochgerannt, aber dann sah sie, wie unsicher Fred aussah und beschloss sich wenigstens anzuhören, was er wollte.

„Fred", begrüßte sie ihn finster, „Ich hoffe, jemand stirbt. Ansonsten hast du keinen Grund, mich hinunterzurufen."

„Ich habe Eiscreme und die Märchen von Beedle dem Barden... ist das Grund genug?", fragte er und hielt beides hoch.

Agnes sah ihn erstaunt an und Fred wartete unsicher auf ihre Antwort oder ihre Reaktion, aber bis jetzt starrte sie ihn nur vollkommen perplex an.

„Habe ich dich jetzt kaputt gemacht?", fragte Fred unsicher, „Weil dann ersticht mich dieses kleine Mädchen da hinten vermutlich."

„Greta würde niemanden umbringen", beruhigte Agnes ihn, „Ich bin nur... überwältigt... warum machst du das?"

„Wenn ich sage, dass ich selber keine Ahnung habe – glaubst du mir dann?", fragte Fred.

„Vermutlich nicht", antwortete Agnes, „Aber ich nehme diese Ausrede trotzdem an und bin irgendwie froh, dass du hier bist."

„Ich habe mir nur gedacht – weil du dich nicht so gut gefühlt hast, da hilft doch immer Eiscreme und natürlich die Märchen, die du nie gehört hast!", lachte Fred.

Als die beiden sich auf eines der Sofas setzten, Agnes ihr Eis aß und Fred ihr leise vorlas, da sah Roger ein, dass egal wie dämlich er Fred fand, die beiden passten trotzdem gut zusammen und in Agnes' Nähe war Fred nur vor Liebe dämlich.

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