32. Kapitel
Liebe Agnes,
du darfst es niemanden erzählen, aber ich bin zurzeit in Hogwarts. Meine Arbeit hat mit der ersten Aufgabe des Trimagischen Turniers zu tun und ich wollte dich fragen, ob du eventuell Lust dazu hast, Drachen zu sehen. Es wird gefährlich, anstrengend, furchteinflößend und wahrscheinlich auch stressig werden, aber solltest du doch den Mut haben, mich zu treffen, dann schick mir eine Eule und wird treffen uns am 22. November um fünf Uhr abends am Rand des Verbotenen Waldes.
Mit Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen,
Charlie Weasley
Agnes hatte den Brief erhalten und natürlich sofort eine Antwort zurückgesandt. Natürlich wollte sie Drachen sehen und sie hatte auch nichts dagegen, Charlie zu treffen. Sie hatte sich mit dem älteren Weasley in den zwei Wochen, in denen sie bei ihnen war angefreundet und würde sich freuen, ihn wiederzusehen.
Am 22. November wartete sie gespannt auf ihn am Rand des Verbotenen Waldes, wie er ihr aufgetragen hatte. Sie war nervös und wusste nicht, ob er es vielleicht nur als Scherz geschrieben hatte oder er hatte ihre Antwort nicht bekommen und erwartete sie nicht oder der Brief war gar nicht von ihm gewesen.
„Agnes! Du bist tatsächlich gekommen!", bemerkte Charlie und Agnes lächelte, als er ihn auf sie zukommen sah.
„Natürlich, ich habe dir doch geschrieben!", bemerkte sie verwirrt.
„Es hätte trotzdem sein können, dass du nicht kommst. Bei menschlichen Weibchen kann man sich da nie so sicher sein", den letzten Satz murmelte Charlie mehr zu sich selbst, aber Agnes hörte es trotzdem.
„Da gebe ich dir Recht, das menschliche Weibchen ist das seltsamste Wesen, das ich kenne", stimmte sie ihm lachend zu und Charlie wurde sogar ein wenig rot.
„Die Drachen sind im Verbotenen Wald – du hast doch kein Problem damit, dort hinein zu gehen, oder?", vergewisserte sich Charlie unsicher.
„Sehe ich so aus?", fragte Agnes unbeeindruckt und Charlie sah so aus, als wüsste er nicht, was er sagen sollte.
„Keine Ahnung", gab er schließlich zu, „wirklich groß bist du nicht... und besonders stark wirkst du nicht, aber der Schein trügt, oder?"
„Du hast mich offensichtlich noch nie Quidditch spielen gesehen", bemerkte Agnes belustigt.
„Vielleicht habe ich ja einmal die Chance dazu", hoffte Charlie, „Bist du bereit, Drachen zu sehen?"
„Natürlich!", rief Agnes aus und die beiden gingen über allerhand redend in den Verbotenen Wald, der um diese Zeit im Jahr nicht sonderlich verboten oder gefährlich wirkte. Die Blätter waren in allen Farben der Natur, manche lagen wie ein Patch-Work-Teppich auf dem Boden und andere zierten noch die kahleren Bäume. Ein richtiger Weg führte nicht in den immer dunkler werdenden Wald, aber Agnes kam mit dem unebenen Untergrund gut zurecht und hatte keine Probleme dabei, immer wieder über herausstehende Wurzeln zu steigen oder Bäumen auszuweichen, deren Stämme manchmal so breit waren, wie Agnes groß war.
Schließlich kamen sie auf eine Lichtung und viele andere Zauberer huschten herum. Agnes konnte vier Drachen sehen, die aber alle schliefen oder auf jeden Fall auf dem Boden lagen und sich nicht oder kaum bewegten. Es waren wundervolle Geschöpfe und im Licht der untergehenden Sonne glänzten ihre Schuppen wie das Feuer, das sie speien konnten.
Aus dem Lager kam ihnen noch jemand entgegen, die Agnes als Liza erkannte, Charlies Freundin.
„Hallo, Agnes!", begrüßte Liza sie und lächelte freundlich, „Wie geht es dir? Wie geht es in der Schule?"
„Du bist ja auch hier!", bemerkte Agnes und begann ebenfalls zu lächeln, als sie Lizas Hand schüttelte.
„Wo Charlie ist, bin auch ich", meinte Liza schulternzuckend.
„Und wo Liza ist, findet man mich", fügte Charlie hinzu.
Agnes konnte nicht anders, als zu lächeln. Die beiden waren einfach zu süß. Sie schienen für Agnes das perfekte Pärchen zu sein, obwohl viele sagten, dass die beiden gar nicht zusammen waren. Agnes konnte das nicht glauben, denn wenn das, was die beiden hatten nur eine gute Freundschaft war, wollte sie nicht wissen, wie die beiden mit Partnern wären. Die beiden passten einfach wunderbar zusammen, aber es schienen nicht viele zu verstehen oder zu akzeptieren, obwohl jeder aus der Weasley-Familie Liza zu lieben schien.
„Willst du die Drachen sehen?", fragte Charlie und sofort hellten sich Agnes' Augen auf.
Sie war mehr als nur bereit, die Drachen von Nahem zu sehen. Sie wollte schon immer einen Drachen sehen, wenn auch sie sich niemals vorstellen konnte, mit ihnen zu arbeiten, wie Charlie es tat. Da blieb sie lieber beim Backen. „Klar doch! Jederzeit!"
„Dann folge mir", raunte Charlie jämmerlich geheimnisvoll und ging vor zu den Drachen. Agnes bemerkte, dass er und Liza Händchen hielten und sie fand die beiden einfach nur noch süß zusammen. Sie folgten den beiden näher zu den Drachen und je näher sie kamen, desto eindrucksvoller schienen sie. Agnes konnte alles sehen – ihre Schuppen, ihre Zähne, ihre Krallen... es waren wirklich bemerkenswerte Tiere.
„Sie sind wunderschön", hauchte Agnes überwältigt, den Blick nicht von den Drachen abwendend.
„Sind sie, oder nicht? Eigentlich sind sie missverstandene Wesen – gefährlich und bedrohlich, aber, wenn man ihnen nichts tut, dann tun sie einem auch nichts", stimmte Charlie ihr verträumt zu und schaute die Drachen ebenfalls an.
„So wie alle wilden Tiere, die nicht gezähmt werden können", bemerkte Agnes und in ihrer Stimme war deutlich ihr Unmut herauszuhören, „Zauberer denken nur, alles, das sie nicht zähmen oder besiegen können, sei gefährlich und sollte eingesperrt werden."
„Ich stimme dir vollkommen zu", meinte Charlie und er schien überrascht zu sein.
„Wie sieht es mit der Liebe aus?", fragte Charlie plötzlich und ohne Vorwarnung. Agnes sah ihn überrascht an und runzelte die Stirn. Warum fragte Charlie das? Worauf wollte er hinaus?
„Ich frage nur, weil der Weihnachtsball immer näherkommt und ich mir sicher bin, dass ein so hübsches Mädchen wie du bestimmt schon hunderte Fragen bekommen hat ob...", fügte er schnell hinzu und klärte damit so einiges auf. Agnes war noch immer etwas überrascht, aber zumindest hatte sie jetzt einen Grund, warum Charlie das fragte.
„Eigentlich haben die Lehrer noch nichts vom Ball gesagt", gestand Agnes, „Und das ist auch gut so, sonst würden die Mädchen jetzt schon Panik schieben, damit sie sich einen Tanzpartner suchen, bevor die besten vergeben sind. Ich freue mich nicht auf diese Zeit – ich habe noch die Bälle in meiner frühen Kindheit in Erinnerung und soweit ich mich erinnern kann, war es immer eng und laut."
„Oh, ja, ich kenne es", Charlie nickte.
„Oh, ja", Liza nickte auch, „Ich... ich kenne es ebenfalls. Wirklich eng und... laut..."
„Weißt du, meine Brüder sind allesamt so... Kein einziger kann ein Mädchen mit Selbstvertrauen ansprechen, ohne zu stottern beginnen. Wahrscheinlich hängt das auch damit zusammen, dass Ginny das erste weibliche Kind in der Familie ist...", erzählte Charlie.
„Ach wirklich?", Agnes war überrascht, „Seid ihr beide nicht zusammen? Und hat nicht Percy eine Freundin gehabt? Penelope Clearwater?"
„Ja... aber wir kennen uns schon seit wir in der ersten Klasse waren und die Umstände waren... besonders", antwortete Liza ihr.
„Und das zwischen Percy und Penelope ist nicht wirklich eine Liebesbeziehung gewesen, wie meine Mutter es ausdrückt, wenn Percy nicht in der Nähe ist", fügte Charlie hinzu „Percy und Penelope waren doch nur ein Paar, weil sie beide Schulsprecher gewesen sind."
„Wahrscheinlich hast du recht", stimmte Agnes ihm zu, „Penelope hat sich immer über ihn beschwert."
Kurz entstand eine Stille, die Agnes schließlich unterbrach: „Insgeheim denke ich, weiß ich, an wen Fred interessiert ist."
„Wirklich, in wen?", fragte Liza ernsthaft interessiert.
„Hermine Granger", sprach Agnes aus. Sie hatte schon lange vermutet, dass Fred auf die kluge, jüngere Hexe stand. Immerhin hingen sie dank Ron relativ viel zusammen ab und in Hermines Nähe schien Fred manchmal ganz anders. Irgendwie... intelligenter und vorsichtiger. Als würde er sich ihre Räte wirklich zu Herzen nehmen.
„Warum Hermine? Sie ist doch die beste Freundin von Ron", überlegte Charlie.
„Keine Ahnung... Einfach so ein Gefühl... Ich würde es irgendwie süß finden", Agnes lächelte bei dem Gedanken, dass Fred und Hermine vielleicht irgendwann zusammenkamen. Natürlich mochte sie Hermine, aber die Vorstellung der beiden fand sie auch ganz niedlich und sie stellte sich vor, dass die beiden wie Charlie und Liza waren.
Kurz schweigen sie, aber Charlie zog sie lieber näher zu den Drachen. Obwohl Agnes die Drachen wirklich sehr eindrucksvoll fand, traute sie sich nicht näher, als sie sowieso schon waren, aber sie genoss es auch, sie vom Weitem anzusehen. Charlie und Liza benahmen sich irgendwie seltsam, aber vielleicht bildete Agnes sich das nur ein. Immerhin war es für die beiden bestimmt auch ein langer Tag gewesen und sie wurden auch langsam müde.
Als es dunkel wurde, führte Liza Agnes zurück zum Schloss. Charlie und Liza fragten sie mehrmals, ob sie sich auch bei Liza sicher genug fühlte, um durch den Verbotenen Wald im Dunklen zu gehen, aber Agnes versicherte ihnen, dass es komplett in Ordnung war. Liza kam ihr manchmal sogar noch mutiger vor, als Charlie, aber letztendlich war das schwer zu sagen.
Auf dem Rückweg war es lange Zeit still, aber eine Frage schwirrte Agnes noch durch den Kopf. Charlie und Liza waren für sie irgendwie ein perfektes Pärchen mit einer funktionierenden Beziehung. Sie fragte sich, wie das zustande gekommen war. Sie wusste, dass die beiden sich schon in der Schule kennengelernt hatte, aber wann haben sie gewusst, dass das zwischen ihnen mehr als nur Freundschaft war. Woher sollte Agnes wissen, ab wann eine Freundschaft zu Liebe wird?
„Wie habt ihr euch kennengelernt?", fragte Agnes schließlich.
Liza wurde rot, wie Agnes auffielt und sie musste lächeln. Es schien eine interessante Geschichte zu sein.
„Ich habe ein Eulenbaby im Wald gefunden", begann Liza, „Irgendwann im November. Eulenbabys schlüpfen eigentlich nicht zu dieser Zeit, also habe ich beschlossen, es aufzunehmen und aufzuziehen. Dabei habe ich nicht bedacht, dass Eulen auch nachtaktiv sind und besonders dann gefüttert werden wollen. Ich habe kaum noch geschlafen..."
Agnes wartete darauf, dass Liza weitererzählte, aber als sie zur Seite sah, blickte Liza in die Leere, als würde sie sich daran zurückerinnern. Agnes ließ ihr einen Moment, bevor sie sie zurückholte: „Und dann?"
„Oh? Ah, ja! Charlie hat das bemerkt und hat angeboten sich auch um das Eulenbaby zu kümmern. Ich bin misstrauisch gewesen – immerhin ist das Baby wie ein echtes Baby für mich gewesen und ich bin die Mama gewesen."
„Was hat dich überzeugt, ihn doch anzunehmen und kennenzulernen?", fragte Agnes interessiert und Liza zögerte.
„Ich... Er hat angeboten, der Vater der Eule zu werden... aber zu dieser Zeit ist es für mich unmöglich gewesen, dass Charlie der Vater der Eule ist, ohne dass wir zusammen sind!"
„Was?", fragte Agnes ungläubig und begann zu lachen, während auch Liza kichern musste bei dieser Erinnerung.
„Und er hat gesagt, dass wir dann eben zusammen sind, damit er sich auch um die Eule kümmern konnte. Wir haben uns ein Küsschen gegeben, es ekelhaft gefunden, wie es eben in diesem Alter ist und Charlie ist offiziell Pictors Vater gewesen, ich seine Mutter und Tonks die seltsame Tante..."
Agnes wusste nicht, wer Tonks war, aber wahrscheinlich war es eine Freundin der beiden und Pictor war dann wohl die Eule, die die beiden aufgenommen hatten. So, wie Liza erzählte, erinnerte sie sich selbst gerade daran, als wäre es gestern gewesen und sie lächelte bei der Erinnerung verträumt. Agnes wollte auch einmal so etwas haben – vielleicht, irgendwann in der Zukunft, aber sie hatte Zeit.
„Und das hat sich seitdem nicht verändert", schloss Agnes daraus, „Irgendwie süß."
„Finde ich auch", gab Liza zu, „Und irgendwann haben wir angefangen, ein richtiges Paar zu werden, aber weil wir uns schon so lange kennen und schon so lange zusammen sind, glaubt uns niemand, dass wir wirklich ein Paar sind! Wir haben fließend von Freundschaft in Beziehung gewechselt und das verwirrt viele Leute!"
„Ich habe mich schon gefragt, warum jeder hinterfragt, ob ihr beide wirklich zusammen seid", stimmte Agnes ihr nachdenklich zu. Also war es bei ihnen einfach passiert. Sie haben auch nie wirklich einen Punkt gehabt, an dem sich alles verändert hat, sondern haben nur irgendwann realisiert, dass sie mehr als Freunde waren, aber weil sie zu dieser Zeit schon zusammen gewesen waren, war es für sie kein Problem gewesen, es zuzugeben.
„Glaub ihnen nicht – wir sind wirklich zusammen und das schon lange! Wir sind erwachsen und eigenständig – wir sind in der Lage, eine gesunde Beziehung zu führen, ohne uns jeden Tag zu sehen", warnte Liza sie.
Sie waren am Waldrand angekommen.
„Du kommst zurecht?", fragte Liza, und Agnes sah sie unbeeindruckt an.
„Ja, ja ich denke schon. Diese letzten paar Meter werde ich schon nicht angegriffen werden", versicherte Agnes ihr. Sie hatte keine Angst, das letzte Stück allein zu gehen.
„Ja dann", Liza zuckte mit den Schultern, „Ich wollte nur sichergehen. Vielleicht hast du ja Angst im Dunkeln."
„Du findest allein wieder zurück?", fragte Agnes. Liza musste noch allein zurück zum Lager finden und das nicht nur allein, sondern auch im Dunkeln. Jetzt bereute Agnes, dass nicht noch jemand mitgekommen war, damit Liza nicht allein hätte zurückgehen müssen.
„Klar, ich habe das schon häufiger in meiner Schulzeit gemacht", winkte Liza entspannt ab.
„Ja, dann", Agnes vertraute darauf, dass die Frau wusste, was sie tat, „Komm trotzdem gut zurück und pass auch mit den Drachen auf, wenn sie aufwachen!"
„Wie ich Charlie kenne, lässt er mich dann nicht in die Nähe", vermutete Liza, aber sie winkte dem Mädchen noch hinterher, bevor sie sich auf den Rückweg machte.
Agnes ging zum Schloss zurück und es war noch nicht ganz Ausgangssperre, aber es war vermutlich trotzdem nicht klug, sich jetzt von Professoren erwischen zu lassen, also schlich sie sich hoch in den Turm und wich anderen auf dem Weg aus.
Dort angekommen fand sie Roger schon auf einem Stuhl Hausaufgaben machen und er sah auf, als sie auf zu zukam.
„Da ist sie ja!", rief er zu niemand speziellem und stand auf, „Wo hast du gesteckt?"
„Oh, ich bin nur ein wenig spazieren gewesen", winkte Agnes ab.
„Doch nicht etwa mit den Weasley-Zwillingen?", fragte Roger misstrauisch und Agnes runzelte die Stirn.
„Natürlich nicht!"
„Wollte nur sichergehen", Roger setzte sich wieder, „Immerhin hängst du ziemlich oft mit ihnen ab."
„Tu ich nicht", maulte Agnes und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr war gar nicht vorgekommen, dass sie häufiger mit den Zwillingen abhing. Vielleicht kam es Roger nur so vor. Agnes wollte aber nicht wissen, wie er reagieren würde, wenn er wüsste, dass sie nicht mit Fred und George Weasley angehangen war, sondern mit Charlie Weasley...
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