30. Kapitel

Agnes verbrachte den restlichen Tag in der großen Halle, in der sie mit Roger Zauberschach spielte, ihre Hausaufgaben erledigte und jedes Mal, wenn von draußen Jubeln ertönte, eilten sie hinaus, um zu sehen, wer seinen Namen in den Kelch geworfen hatte.

Am Abend gab es das alljährliche Halloween-Festessen, das aber nicht so gut ankam, wie sonst die letzten paar Jahre. Es schien so, als wären noch alle voll vom gestrigen Festessen den Gästen zu Ehren, sodass schon bald alle ihr Besteck niederlegten und gespannt zu Dumbledore blickten, der gemütlich weiter aß, als würde er die vielen neugierigen Blicke, die auf ihm lagen nicht bemerken.

Nur Agnes schien sich von dem ganzen Chaos nicht davon ablenken zu lassen, neue Inspirationen von den Süßigkeiten zu holen. Sie war besonders begeistert von den vielen Karamellbonbons, die noch warm waren, egal, wie lange sie in der Kälte standen.

Sie war schon beinahe enttäuscht, als die Teller sich leerten und Professor Dumbledore aufstand.

Gespannt blickten die Schüler zu ihm auf, aber Agnes wollte, wenn sie ehrlich war, nur endlich die Auswahlen hinter sich bringen, damit sie ins Bett gehen konnte. Nachdem Roger sie so früh geweckt hatte, hatte sie nicht den nötigen Samstagsschlaf erhalten.

„Nun, der Kelch ist gleich bereit, seine Entscheidung zu fällen", begann Dumbledore, „Ich schätze, er braucht noch eine Minute. Wenn die Namen der Champions ausgerufen werden, bitte ich sie, hier aufs Podium zu kommen und am Lehrertisch vorbei in diese Kammer dort zu gehen, wo sie dann ihre ersten Anweisungen erhalten."

Agnes war die Kammer noch nie aufgefallen, aber sie vermied den Blick zum Lehrertisch an normalen Tagen, da sie ihre Professoren ihrer Meinung nach in ihren Stunden schon genug sah.

Dumbledore zückte seinen Zauberstab und schwang ihn ausladend durch die Luft; sofort erloschen alle Kerzen, nur in den geschnitzten Kürbissen flackerten sie noch, so dass nun alles im Halbdunklen lag. Der Feuerkelch leuchtete jetzt heller als alles andere in der Halle, das gleißende, blauweiße funkelnde Licht der Flammen stach sogar ein wenig in die Augen. Alle starrten auf den Kelch und warteten – es dauerte Agnes eigentlich schon zu lange. Einen großen Teil ihres Lebens hatte sie einfach damit verschwendet, zu warten. Sie wartete auf Professoren, Freunde, Zeitpunkte, Zeitpläne und alles – sogar auf einen Kelch wartete sie.

Plötzlich färbten sich die Flammen im Kelch wieder rot und Funken sprühten aus der Glut. Im nächsten Augenblick schoss eine Flammenzunge in die Luft, ein verkohltes Stück Pergament flatterte heraus – und die ganze Halle hielt den Atem an.

Panisch griff Agnes nach Rogers Hand. Auch er zitterte nervös und war etwas bleich um die Nase, grinste aber breit, als hätte er eigentlich keine Angst. Nur Agnes sah wirklich, dass er furchtbar nervös war und er drückte ihre Hand noch ein wenig fester, als nötig, was Agnes nicht störte.

Freds Blick huschte zu Agnes an den Ravenclawtisch, die neben dem hübschen Mädchen aus Beauxbatons saß und Roger, der ihre Hand hielt und ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, aber dann wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf Dumbledore gelenkt, der das Pergament geschickt aus der Luft fing und verkündete: „Der Champion für Durmstrang ist Viktor Krum!"

Die Schüler brachen in Jubel aus und die Durmstrangs freuten sich anscheinend sehr darüber, dass ihr Champion Krum war.

„Bravo, Viktor!", polterte Karkaroff so laut, dass er den Beifall übertönte, „Wusste doch, du hast es in den Knochen!"

Langsam beruhigten sich alle wieder und die Flammen färbten sich erneut rot.

Ein zweites Pergament flog hoch hinaus und Dumbledore las wieder vor: „Champion für Beauxbatons ist Fleur Delacour!"

Neben Agnes erhob Fleur sich anmutig und glitt an Agnes vorbei, die ihr noch ein Lächeln schenkte, bevor auch die in der Kammer verschwand.

Die Schüler aus Beauxbatons wirkten nicht so fröhlich über ihren Champion, wie die Durmstrangs, denn sie sahen allesamt enttäuscht – geradezu frustriert und zwei Mädchen begannen sogar jämmerlich zu weinen.

Nun war nur noch der Champion von Hogwarts übrig und Agnes hatte wirklich Angst, es würde Roger sein. Natürlich würde sie sich über ihren Freund freuen, aber sie wusste auch, wie gefährlich dieses Turnier sein konnte und tief im Inneren wünschte sie sich, es würde jemand anderes werden.

Die Flammen des Kelches färbten sich ein drittes Mal rot und er spukte einen dritten und letzten Zettel aus, den Dumbledore aus der Luft fing.

„Der Hogwarts-Champion", rief Dumbledore mit fester Stimme, „ist Cedric Diggory!"

Erleichtert atmete Agnes aus und lockerte ihren Griff um Rogers Hand, bevor auch sie ihrem Klassenkameraden gratulierte, der an ihrem Tisch vorbeiging.

Die Hufflepuffs flippten vollkommen aus und sprangen sogar auf, schrien aufgeregt und stampften mit den Füßen. Auch Cedric verschwand in der Kammer und der Beifall hielt trotzdem an, sodass Dumbledore einige Zeit brauchte, bis er weiterreden konnte.

„Bestens!", rief er glücklich, als es endlich wieder leiser in der großen Halle wurde, „Schön, wir haben drei Champions. Ich bin sicher, ich kann mich darauf verlassen, dass ihr alle, auch die nicht ausgewählten Schüler aus Beauxbatons und Durmstrang, euren Champion mit äußerster Kraft unterstützt. Indem ihr euren Champion anfeuert, könnt ihr durchaus dazu beitragen –"

Dumbledore verstummte, als sich die Flammen erneut rot färbten. Ein viertes Mal schoss ein Stückchen Pergament in die Höhe.

Wie in Trance, so schien es, streckte Dumbledore seinen langen Arm aus und griff nach dem Blatt. Er hielt es von sich und las stumm den Namen, der darauf geschrieben stand. Eine lange Pause trat ein, während deren Dumbledore auf das Blatt in seiner Hand starrte und alle anderen Dumbledore anstarrten. Und dann räusperte sich Dumbledore und las laut: „Harry Potter."

Beinahe wäre Agnes aufgesprungen. Sie kannte Harry nicht so gut, wie Hermine, aber sie kannte ihn. Er war noch jung – zwei Jahre jünger, als sie und noch nicht bereit, für ein Turnier, in das sie nicht einmal Roger senden wollte.

Roger hielt sie auf ihren Stuhl, während sie fassungslos dabei zusah, wie Harry aufstand und beinahe stolperte, als er an seinem Tisch vorbeiging und einfach nur verloren aussah. Er war so bleich und so mager – erst jetzt fiel Agnes wirklich auf, dass er nicht wirklich gesund im Moment aussah, als wäre er doch in einer anderen Welt. Etwas in seinem Blick sagte ihr, dass er den Zettel nicht da hineingeworfen hatte, das wusste sie – das wollte sie glauben.

Jedes Augenpaar war ausnahmslos auf ihn gerichtet und am liebsten hätte sie sich vor ihn gestellt und ihn von den neugierigen Blicken abgeschirmt.

Sie geierten ihm nach wie eine Horde hungriger Hyänen, die nur darauf warteten, dass ihr Opfer schwächelte und sie sich auf ihn stürzen konnte.

Harry verschwand in der Kammer und das Chaos brach aus.

Von überall her kamen Protestschreie, die sich darüber beschwerten, dass ein vierzehnjähriger Junge ausgewählt wurde. Keiner dachte darüber nach, dass irgendetwas nicht stimmen konnte – immerhin gab es sogar vier Champions.

„Ruhe!", rief Dumbledore laut, aber es brauchte trotzdem noch eine Weile, bis die Schreie verstummten, aber die wütenden, irritierten und verwirrten Blicke starrten weiterhin hinauf zum Lehrertisch.

„Ruhe!", rief Dumbledore erneut und dieses Mal wurde es tatsächlich still, „Ich bitte Sie alle, Ruhe zu bewahren. Wir werden alles aufklären und es wird sich alles regeln. Ihr solltet alle wissen, dass es einen Grund dafür gibt, dass diese Altersgrenze aufgestellt wurde und ich will Sie alle daran erinnern, welche Gefahren dieses Turnier birgt."

Er verwand in der Kammer und mit ihm Karkaroff, Madame Maxime, McGonagall, Snape und Mr Crouch.

Sofort begannen die Schüler wieder aufgeregt miteinander zu reden und auch Roger meinte: „Das ist unfair! Warum darf Harry mitmachen? Ich sollte der vierte Champion sein!"

„Bist du wahnsinnig geworden?", fragte Agnes ihn ungläubig, „Als ob Harry mitmachen will! Der arme Junge hat furchtbare Angst und ist verwirrt – hast du das nicht gesehen?"

„Ich wäre auch verwirrt, wenn mein Plan funktioniert hätte", bemerkte Randy, „Wenn ich jetzt da draußen stehen müsste, dann hätte ich wahrscheinlich auch Angst. Wahrscheinlich hat er es irgendwie geschafft, die Altersgrenze auszutricksen und jetzt ist er erschrocken darüber, dass es funktioniert hat."

„Möglich wäre es", meldete sich auch Jeremy, der aber so aussah, als wäre ihm unwohl dabei, seine Meinung laut auszusprechen.

„Dann sollten sie das ändern und ihn da sofort herausholen!", bestimmte Agnes, „Regeln bleiben Regeln und wenn er es irgendwie geschafft hat, diese zu umgehen, dann sollte er bestraft werden – aber nicht durch Tod vor Publikum! Er schafft es bei den Aufgaben bestimmt nicht einmal fünf Minuten!"

Bevor die Champions aus der Kammer kamen, wurden sie alle in ihre Türme geschickt und Agnes folgte ihren Mitschülern.

„Wie glaubst du, hat Harry das geschafft?", fragte plötzlich jemand neben ihr und warf den Arm um ihre Schultern. Es war George Weasley und kurz darauf war auch der Arm seines Zwillings auf ihren schmalen Schultern.

„Jemand der so klug ist, dass er in Ravenclaw ist, hat bestimmt eine Ahnung davon, wie er das gemacht hat", schwärmte Fred.

„Er hat es nicht gemacht", versicherte Agnes sicher.

Einen Moment waren die beiden still.

„Hat er nicht?", fragte George.

„Wer denn sonst?", fragte Fred.

„Ich weiß es nicht", gab Agnes zu, „Aber Harry war es auf jeden Fall nicht, das weiß ich."

Die Zwillinge sahen sich an und nickten gleichzeitig.

„Na gut, wenn du das sagst", meinte Fred.

„Ihr glaubt mir?", fragte Agnes überrascht und lächelte leicht. Nicht einmal ihre Freunde konnte sie davon überzeugen.

„Du bist auf jeden Fall klüger, als wir", überlegte Fred, aber George fügte hinzu: „Jedenfalls auf gewissen Gebieten."

„Danke", meinte Agnes und wurde etwas rot.

Sie kamen zu den Treppen, bei der sich die Wege von Ravenclaw und Gryffindor trennten.

„Gute Nacht, Agnes!", rief George und rannte die letzten Treppen hinauf.

Fred blieb noch einen Moment stehen und Agnes lächelte ihn an.

„Gute Nacht, Fred", wünschte sie ihm, „sorgt dafür, dass es Harry nicht ganz so schlecht geht, ich bin mir sicher, nicht alle werden mir oder ihm glauben."

„Machen wir", versicherte ihr Fred und eine Pause entstand zwischen den beiden, bevor Fred ihr wünschte: „Gute Nacht, schlaf gut!"

Beide gingen die letzten Treppen hinauf und in ihre Gemeinschaftsräume.

Agnes ignorierte die Gespräche, die sie überall hörte und ging direkt in ihr Bett. Sie schloss die Augen und spürte noch, wie sich Dorothy an sie kuschelte, bevor sie einschlief.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top