28. Kapitel
Das Schloss erstrahlte in einem Glanz, der Agnes nicht geheuer war. Alles war geputzt, blitzblank gefegt und jedes Staubkorn entfernt.
Quietschende Rüstungen wurden poliert und geölt, Gemälde renoviert und gesäubert, Treppen gefegt und alles strahlte vor Sauberkeit. Es war ein ungewohntes Hogwarts, das hoffentlich schon bald wieder alt und dreckig sein würde – so fühlte Agnes sich selbst nicht so dreckig, wenn sie nach zwei Stunden Kräuterkunde beim Abendessen saß.
Am Freitag den 30. Oktober hatte sie dank ihres Stundenplanes zwar nur vormittags Unterricht, aber nach dem Mittagessen wurde sie trotzdem von Professor McGonagall zusammen mit Roger und Randy gebeten, bei den Säuberungsaktionen zu helfen, nachdem die Schüler von Beauxbatons und Durmstrang erst um sechs Uhr am Abend eintreffen sollten, also eilten die drei zusammen mit natürlich anderen Schülern durch das Schloss und säuberten alles, das so aussah, als müsste es noch gesäubert werden.
Agnes half auch dabei, die riesigen Banner aufzuhängen. Professor Flitwick ließ Agnes in der Luft schweben, während sie die Befestigungen um die Banner festzurrte, sodass sie nicht hinunterfallen konnten und gleichzeitig hielt sie das schwere Banner selbst mit einem Zauber in der Luft.
Die Banner waren aus feinster Seide und zeigte die Wappen der vier Häuser – ein goldener Löwe auf rotem Grund für Gryffindor, eine silberne Schlange auf grünem Grund für Slytherin, ein schwarzer Dachs auf gelben Grund für Hufflepuff und ein bronzener Adler auf blauem Grund für Ravenclaw. Duncan beschwerte sich, dass das Banner für Ravenclaw etwas größer sein sollte, als das der anderen Häuser, nachdem sie das klügste Haus waren, bis McGonagall ihn daran erinnerte, dass er nur fünf Klassen belegen durfte und sich selbst nicht als besonders klug preisen konnte.
Das Banner, das über dem Lehrertisch hing, zeigte noch einmal alle vier Häuser und in der Mitte prangte ein riesiges H für Hogwarts.
Als Agnes und ihre Freunde entlassen wurden, strömten alle Schüler schon hoch in ihre Türme um ihre Sachen dort abzulegen.
Agnes tat es ihnen gleich und zog sich noch eine frische Schuluniform an, nachdem sie alte voller Staub und Dreck nach der Aufräumaktion war und legte auch ihren warmen Mantel an, nachdem niemand wusste, wie lange sie wirklich dort draußen stehen werden müssen.
Flitwick wies ihnen alle an, sich in einer ordentlichen Reihe aufzustellen, aber nachdem auch Ravenclaws nicht allzu ordentlich waren, dauerte das seine Zeit und raubte vielen ihren letzten Nerv.
„Grant, Ihr Hemd ist doch knittrig! Roger, keine Quidditchhandschuhe! So kalt wird es auch wieder nicht werden und Padma, das ist kein Schönheitswettbewerb, bitte zaubern Sie sich die Schminke wieder aus dem Gesicht, Sie sind schöner ohne!"
Als schließlich alles passte, alle schön in einer Reihe standen und keiner mehr für kleine Zauberer musste, marschierten sie scheinbar geordnet die Treppen hinunter und trafen auf dem Weg auf die Gryffindors, die von den gegenüberliegenden Treppen hinunterstiegen.
Agnes sah Fred und George, Hermine und Neville schön in einer Reihe gehen, wandte den Blick aber ab, als Roger sie leise fragte: „Und man wundert sich, warum alle Zauberer so alt sind! Wenn sie nicht so alt werden würden, würden sie ihr halbes Leben damit verbringen, anzugeben!"
Sie lachte leise, damit Flitwick sie nicht hörte und stimmte ihm nickend zu.
Fred sah, wie Roger etwas in Agnes' Ohr flüsterte und sie lachte. Ein kleiner Stich in seiner Brustgegend ließ ihn leicht zusammenzucken. Eigentlich sollte er derjenige sein, der sie zum Lachen brachte.
„Eifersüchtig, Bruderherz?", fragte George hinter ihm leise.
„Nein", wisperte er zischend zurück und wandte seinen Blick wieder nach vorne.
Die Schüler stellten sich alle draußen in Reihen auf und es kam, wie der Zufall es wollte, dass Agnes und Fred direkt nebeneinanderstanden, nachdem Agnes als Ende der Ravenclaws agierte und Fred als Anfang der Gryffindors.
Hinter ihnen waren nur noch die Siebtklässler und die Lehrer, und vor ihnen die ganzen anderen, wobei einige der Fünft- und Viertklässler schon ziemlich groß für ihr Alter waren.
Agnes stellte sich auf die Zehenspitzen und möglicherweise doch über die Köpfe sehen zu können, es gelang ihr aber nicht wirklich.
„Putzig", bemerkte Fred mit einem Grinsen und sie funkelte ihn böse an.
„Wenigstens stehe ich nicht wie eine Bohnenstange heraus", konterte sie.
„Aber ich sehe alles", zeigte Fred auf und Agnes zeigte ihm die Zunge, bevor sie es aufgab, wirklich etwas sehen zu können und sich damit abfand, dass sie wahrscheinlich von den Erzählungen der anderen hören würde, was passiert war.
„Schon sechs", bemerkte Roger mit einem Blick auf seine Uhr. Er stand neben Agnes und Randy, die beide kleiner waren, als er. Selbst Randy, der Jäger des Teams war nicht sonderlich groß und wurde von vielen Schülern überragt. Die einzige, die kleiner war, als er, war Agnes und auch nur um wenige Fingerbreiten.
Die Nacht brach herein und langsam wurde es Agnes zu langweilig.
„In der Zeit könnte ich noch den Aufsatz für Alte Runen schreiben. Das ist alles Zeitverschwendung!", fluchte sie leise.
Es wurde kühl und einige Schüler zitterten trotz ihrer dicken Umhänge, nachdem sie nur in der Gegend herumstanden und Agnes verfluchte, dass Zauberer nie pünktlich sein konnten. Sie selbst war auch nicht immer besonders pünktlich, aber trotzdem verfluchte sie diese Eigenschaft.
Und dann rief Dumbledore aus der hintersten Reihe bei den Lehrern: „Aha! Wenn ich mich nicht sehr täusche, nähert sich die Delegation aus Beauxbatons!"
„Dort!", schrie eine Fünftklässlerin und deutete zum Wald. Es war in der Dunkelheit nur ein Schatten zu sehen, aber dieser Schatten war groß – geradezu riesig und flog durch die Luft. Es war zu groß für einen Besen – sogar für ein Pferd oder eine Kutsche war es zu groß.
„Ein Drache!", kreischte eine Fünftklässlerin, die Agnes nicht kannte und geriet völlig aus dem Häuschen.
„Blödsinn ... es ist ein fliegendes Haus!", sagte ein Erstklässler.
Als das riesige Ding näher kaum und langsam in das fahle Licht, das aus den Fenstern von Hogwarts schien tauchte, erkannte Agnes eine riesige, graublaue Kutsche. Sie war so groß wie ein stattliches Haus und wurde von einem Dutzend geflügelter Pferde, allesamt Palominos, jedoch so groß wie Elefanten durch die Luft gezogen. Sie neigte sich und mit einer ungeheuren Geschwindigkeit setzte sie zum Landeanflug an. Einige Schülerreihen wichen zurück, sodass auch die Sechstklässler Platz machen mussten und die perfekten Reihen wurden etwas aufgelöst.
Mit einem Krachen landete sie und die Pferdehufe trampelten alles vor ihnen nieder, was zum Glück keine Schüler waren.
Die Tür ging auf und ein Junge in blassblauen Umhang sprang heraus, bückte sich, machte sich einen Moment lang auf dem Kutschenboden zu schaffen, zog dann eine ausklappbare goldene Treppe heraus und sprang respektvoll einen Schritt zurück.
„Man könnte meinen, solche alltäglichen Dinge wie ausziehbare Treppen könnten verzaubert werden, damit es von allein funktioniert", meinte Roger mit einem amüsierten Grinsen.
„Dann gäbe es aber keine Untergebenen wie diesen Jungen da und dann könnte man nicht seine vollkommene Macht über uns dumme, ahnungslose Schüler zeigen", antwortete Agnes ebenso leise und Roger zog eine Grimasse, die so aussah, als würde er einen Lachanfall hinunterschlucken wollen.
Ein hochhackiger, schimmernd schwarzer Schuh tauchte aus der Kutsche auf, der so groß war, wie eine kleine Kinderrodel und aus der Kutsche trat die größte Frau, die Agnes in ihrem Leben gesehen hatte.
„Jetzt bin ich wohl keine herausstechende Bohnenstange mehr", neckte Fred sie, aber Agnes ignorierte ihn, sondern sah dabei zu, wie eine Frau so groß wie Hagrid herauskam.
Dumbledore begann zu klatschen und nach kurzer Zeit folgten die Schüler seinem Beispiel. Viele stellten sich auf die Zehenspitzen, sodass Agnes noch weniger sehen konnte, als sie es ohnehin schon tat, als sie plötzlich zwei große Hände um ihre Taille spürte und Fred hob sie etwas höher.
Sie kicherte und sah tatsächlich nun vollständig die wundervolle Kutsche und die riesige Frau, bevor McGonagall sie von hinten tadelte: „Mr Weasley, ich muss Sie bitten, Miss Tripe hinunterzulassen!"
Lachend stellte er sie wieder ab und Agnes bedankte sich mit einem Lächeln bei ihm.
Die Frau ging zu Dumbledore und streckte ihm ihre funkelnde Hand entgegen. Dumbledore musste sich etwas strecken, damit er einen Kuss auf ihre Hand platzieren konnte und er begrüßte sie höflich: „Meine liebe Madame Maxime. Willkommen in Hogwarts!"
„Dumbly-dorr", Madame Maxime hatte einen starken französischen Akzent und eine tiefe Stimme, „Isch 'offe, Sie befinden sisch wohl?"
„In exzellenter Verfassung, danke, Madame", sagte Dumbledore.
„Meine Schüler", meinte Madame Maxime und wies mit ihrer riesigen Hand lässig nach hinten auf die Kutsche.
Agnes sah nicht viel von der Kutsche und sah deswegen auch nicht die Schüler, die ausstiegen. Sie erhaschte nur ab und zu einen kleinen Blick auf ihre feinseidenen, blassblauen Seidenumhänge, die sie an die Banner in der großen Halle erinnerte, die sie noch diesen Nachmittag aufgehängt hatten und sie bestimmt nicht warmhielten.
„Ist Karkaroff schon angekommen?", fragte Madame Maxime.
„Er sollte jeden Moment eintreffen", überlegte Dumbledore, „Möchten Sie vielleicht hier warten und ihn begrüßen oder würden Sie lieber hineingehen und sich ein wenig aufwärmen?"
„Aufwärmen, würde isch sagen", sagte Madam Maxime, „aber die 'ferde –"
„Unser Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe wird sich mit Vergnügen um sie kümmern", beruhigte Dumbledore sie, „sobald er sich von einem kleinen Notfall lösen kann, der sich bei einem seiner – ähm – anderen Schützlinge eingestellt hat."
„Meine Rosse verlangen – ahm – eine 'arte 'and. Sie sind sehr stark...", erklärte Madame Maxime. Agnes konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber sie klang nicht wirklich überzeugt von Hagrid, den sie wahrscheinlich noch nicht gesehen hatte, denn der hatte mit Sicherheit eine „'arte 'and".
„Ich versichere Ihnen, dass Hagrid dieser Aufgabe vollkommen gewachsen ist", beruhigte Dumbledore sie lächelnd.
„Serr gutt", rief Maxime mit einer leichten Verbeugung, „würden Sie bitte diesem 'Agrid mitteilen, dass die 'ferde nur Single Malt Whiskey saufen?"
„Dafür wird selbstverständlich gesorgt, Madame", sagte Dumbledore ebenfalls mit einer Verbeugung.
„Hast du gehört? Nur Single Malt Whiskey! Ein ordentliches Butterbier brauchen die zarten Geschöpfe", scherzte Fred neben Agnes und sie lachte, denn die fliegenden Pferde waren nicht direkt das, was sie als zart beschreiben würde.
„Kommt", sagte Madame Maxime gebieterisch zu ihren Schülern, und das versammelte Hogwarts teilte sich, um ihr und ihrem Gefolge einen Weg die steinernen Treppen hinauf zu öffnen. Jetzt endlich konnte Agnes einen Blick auf die Schüler erhaschen. Sie waren alles ältere Teenager, bibbernd und frierend, wie Agnes schon vermutet hatte und sie tuschelten miteinander mit einem angstvollen Blick zum Schloss, das sie gerade betraten.
Einige Minuten war es beinahe komplett still bis auf ein paar Schülern, die leise miteinander tuschelten und einige sahen den Himmel ab in der Hoffnung, die Durmstrangs als erstes zu entdecken, als einige ein Geräusch hörten, das schon bald von allen vernommen wurde. Es war, als würde ein riesiger Staubsauger das Flussbett entlangrauschen und Lee Jordan aus Gryffindor rief: „Der See!", und deutete hinüber aufs dunkle Wasser, „Seht euch den See an!"
Auf der Wasseroberfläche bildeten sich tatsächlich Blasen und Wellen schlugen auf, als würde sich etwas unter Wasser regen.
Ein riesiger Strudel bildete sich und aus dem Strudel heraus erhob sich ein riesiges Schiff inmitten des Sees. Langsam und majestätisch tauchte es auf und man konnte es in seiner vollen Pracht bestaunen.
Ausnahmsweise sah Agnes sogar etwas von dem ganzen Schauspiel, was sie gut so fand, denn das Schiff war einzigartig und zu bewundernswert. Es hatte etwas Gerippehaftes an sich, als wäre es ein geborgenes Wrack, und die trüben, verschwommenen Lichter, die aus seinen Bullaugen schimmerten, sahen aus wie Geisteraugen.
Es glitt auf das Ufer zu und von Bord gingen Leute. Von der Ferne sahen sie breitschultrig und muskulös aus, aber als sie näherkamen und ins Licht traten, erkannte Agnes, dass sie einfach nur dicke Fellmäntel trugen.
Der Mann, der anscheinend ihr Schulleiter zu sein schien trug nicht wie seine Schüler einen zottigen, verfilzten Pelz, sondern der seine war seidig glänzend und edel.
„Dumbledore!", rief er mit Inbrunst, als er die Anhöhe erreicht hatte, „wie geht's Ihnen, altes Haus, wie geht's?"
„Glänzend, danke Professor Karkaroff", erwiderte Dumbledore – das alte Haus.
„Das gute alte Hogwarts", sagte Karkaroff und sah lächelnd hoch zum Schloss, „Wie schön, wieder hier zu sein, wie schön ... Viktor, komm rein in die Wärme ... Sie haben nichts dagegen, Dumbledore? Viktor hat einen leichten Schnupfen."
Karkaroff winkte einem Schüler. Als der Junge vorbeiging, erkannte Agnes ihn sofort. Es war Viktor Krum, der beste Sucher der Welt, aber leider war Agnes Irland-Fan, also reagierte sie eher unbegeistert, im Gegensatz zu allen anderen Mädchen in ihrer Nähe, die sich wohl am liebsten sofort auf ihn stürzen wollten.
Sie gingen direkt vor ihr vorbei und sie sah dabei zu, wie Roger ihm mit seinem Blick folgte, dass Agnes schon Sorge hatte, er würde seinen Hals verrenken.
„Du kannst ihn ja fragen, ob er mit dir ausgeht", schlug Agnes neckisch vor und Roger rollte nur mit den Augen.
„Halt doch die Klappe, Tripe, ich habe nur geschaut", verteidigte sich Roger, aber Agnes konnte darüber nur lachen.
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