141. Kapitel

Es war irgendwie seltsam, Tias Kindheitshaus zu sehen.

Agnes hatte noch nicht sehr viele „Kindheitshäuser" gesehen. Eigentlich war das einzige Haus, in dem sie gewesen war und in dem gleichzeitig glückliche Kinder aufgewachsen waren, das Haus der Weasleys gewesen.

Im Waisenhaus war es nie wirklich kinderfreundlich gewesen und Agnes wollte erst gar nicht mit den Häusern anfangen, in denen sie mit ihren Eltern gelebt hatte, die ebenfalls nicht wirklich so eingerichtet oder dekoriert gewesen waren, als würde auch noch ein Kind dort leben.

Bei Roger war es auch immer eher zugeknöpft gewesen und nur in seinem Zimmer konnte man sehen, dass überhaupt eine menschliche Person das Haus bewohnte, nachdem er seine Quidditch-Plakate und Flaggen überall im Raum verteilt hatte.

Aber im Haus der Fuegos waren überall Kinderzeichnungen verteilt und auf Fotos konnte man sehen, wie Tia langsam älter wurde. Man konnte sofort sehen, dass dieses Haus bewohnt worden war und dass ein Kind darin gelebt hatte und anhand der Zeichnungen und Fotos konnte man schon beinahe mitverfolgen, wie Tia erwachsen geworden war.

Und einen winzigen Moment lang war Agnes eifersüchtig. Was hatte sie getan, dass das Schicksal der Meinung war, dass sie so eine schreckliche Kindheit verdient hatte? So ein schreckliches Leben? Warum nahm das Leben immer nur von ihr, wenn sie dachte, es wäre endlich vorbei? Warum konnte sie nicht einmal einen winzigen Moment lang Ruhe vor all dem haben? Warum musste sie immer ein Auge offenhalten und damit rechnen, selbst im Schlaf erstochen zu werden?

Aber dann sah Agnes, dass es nur Bilder von Tia und ihrer Großmutter, Carla, waren. Niemals die Mutter und auch kein Vater.

Es waren immer nur Tia und ihre Großmutter gewesen und obwohl Tia trotzdem in einer liebenden Umgebung aufgewachsen war, so war auch ihr Leben nie perfekt gewesen.

Sie hatte auch keine Mutter und obwohl Tias Mutter sie niemals wirklich gequält hatte, so war die Entscheidung der Mutter, willentlich wegzubleiben vielleicht genauso schmervoll.

Und Tia hatte auch nie wirklich einen Vater gehabt, bis sie Remus gefunden hatte und Remus teilte sie sich nun mit Agnes. Aber Tia hatte sich niemals darüber beschwert und sie hatte nie darauf bestanden, dass sie mehr Anrecht auf Remus hätte und sie war Agnes gegenüber deswegen auch nie hasserfüllt gewesen. Stattdessen hatte Tia sie genauso in diese Familie aufgenommen, wie die anderen und Agnes verstand, dass Familie nicht Blut war und vielleicht war es gar nicht wichtig, was in ihrer Vergangenheit passiert war, denn nun kämpfte sie für eine Familie, die sie liebte und die sei auch liebten.

„Hey, ist alles okay?", fragte Tia sie plötzlich und Agnes bereute, dass sie den Moment lang ihre Emotionen nicht unter Kontrolle gehabt hatte.

„Klar", Agnes lächelte, aber es war ein ziemlich gequältes Lächeln.

Tia lächelte heiter, als hätte sie keine Sorgen der Welt. „Gut, ich will nämlich nicht, dass ihr euch hier unwohl fühlt", gestand sie, „Mein zu Hause ist auch euer zu Hause! Mi casa es tu casa, wie meine abuelita immer sagt."

Agnes lächelte sie liebevoll an und strich ihr über den Kopf. „Danke, Tia", sagte Agnes sanft, „Ich fühle mich hier wohl."



Es war gut, dass sie einen Ort gefunden hatten, an dem sie bleiben konnten, ohne sich um alles Sorgen machen zu müssen.

Im Haus der Fuegos hatten sie wenigstens ein wenig die Möglichkeit, durchzuatmen und sie mussten nicht andauernd um ihr Leben fürchten.

Nach Weihnachten wurde es noch kälter, aber sie spürten kaum etwas davon, denn bis auf eine Einkaufstour mit Sirius blieb Agnes im Haus und selbst diesen Ausflug bereuten im Anschluss alle Beteiligten und Konstantin hatte geschworen, Sirius und Agnes nie wieder alleine zu einem Supermarkt zu schicken, obwohl Agnes angemerkt hatte, dass Schlimmeres hätte passieren können (immerhin war niemand gestorben, aber Konstantin hatte gesagt, dass es genauso schlimm war, einer seiner Umhänge für ein Signalfeuer zu verbrennen und sie einigten sich darauf, dass Sirius nie wieder ein Auto fahren würde... das war besser so für alle...).

Sie stellten jeden Tag und auch in der Nacht immer eine Wache auf, sollte doch einmal ein Todesser auf die Idee kommen, in diesem Haus nachzusehen, obwohl Agnes diesen Todesser schon beinahe bemitleiden würde, immerhin war das Rudel nach einer so langen Zeit ohne Konflikte geradezu wild auf einen Kampf, obwohl Liza sie immer wieder daran erinnerte, dass das die letzten paar Mal nicht so gut funktioniert hatte und es nur eine Frage der Zeit war, bis eine der Verletzungen tödlich war.

In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar saßen sie zusammen. Agnes' Geburtstag war an allen vorübergegangen, besonders, weil Agnes es nicht erwähnt hatte, aber vielleicht wussten auch alle, dass sie nicht sonderlich gut darauf zu sprechen war, aber trotzdem hatte Dorothy ihr einen Brief von Fred mit einem Säckchen mit Keksen gebracht.

Es herrschte eine angespannte Stimmung, als sie zusammen vor dem Kamin im Wohnzimmer saßen und einfach stumm ins Feuer starrten und sie alle wussten, dass diese angespannte Stimmung von Konstantin kam, der eindeutig schlechte Laune hatte.

„Ich habe gehofft, diesen Krieg dieses Jahr noch beenden zu können", schnaubte Konstantin, „Stattdessen kommen wir nicht weiter – wir sitzen in einer Sackgasse fest."

Keiner antwortete ihm und die Stimmung wurde noch angespannter. Agnes hasste das und sie stand auf, um sich in der Küche noch etwas zum Trinken zu holen.

Sie füllte ein Glas mit Wasser, als sie ein leises Geräusch am Fenster hörte und als sie sich umsah, war dort eine Eule mit etwas in den Krallen, das wie eine Blume aussah.

Sofort beschleunigte sich Agnes' Atmung – es war eine Blume, so, wie ihre Mutter sie ihr schon einmal geschickt hatte.

Aber Agnes konnte die Eule auch nicht einfach mit der Blume draußen warten lassen. Das Schlimmste, das passieren konnte, war, dass die Eule die Blume einfach irgendwo fallenließ und ein Unschuldiger diese aufhob.

Also schnappte Agnes sich ein Geschirrtuch und atmete tief durch, bevor sie das Fenster öffnete und die Eule flog in den Raum.

„Agnes! Mach das Fenster zu, außer du willst im Haus erfrieren!", schrie Sirius, der wohl gehört hatte, wie sie es geöffnet hatte, aber Agnes hörte nicht auf ihn, sondern untersuchte die Eule und ihr Gepäck genauer.

Es war tatsächlich eine Blume in den Krallen der Eule, aber diese war nicht schwarz. Es war eine blutrote Rose und daran war eine Nachricht gebunden. Trotzdem vertraute Agnes dem nicht und sie benutzte das Geschirrtuch, um die Rose der Eule abzunehmen, die brav sitzenblieb und Agnes beobachtete.

Agnes achtete genau darauf, nichts zu berühren, als sie das Band löse, mit dem die Nachrichtenrolle angebunden war, das ebenfalls die Farbe der Blume hatte und ihr Herz schien einen Moment lang stehen zu bleiben, als sie das Siegel sah, mit dem die Nachricht verschlossen worden war. Es zeigte das Dunkle Mal und obwohl es genauso gut von einem Todesser stammen konnte, war Agnes sich sicher, dass es vom Dunklen Lord war.

Sie brach das Siegel auf und entrollte die Nachricht.

In ordentlicher, sauberer Schrift waren dort mit smaragdgrüner Tinte (wie auf Hogwarts-Briefen) nur wenige Worte geschrieben worden:


Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.


Keine Unterschrift, kein Anzeichen, von wem es war.

Aber trotzdem erinnerte Agnes sich noch an die Begegnung mit einer scheinbaren Halluzination, die schon länger zurücklag.

„Agnes!", schrie Sirius noch einmal, „Willst du uns auch noch umbringen?"

Agnes schnappte sich, ohne auf Sirius zu achten, Feder und Tinte, sowie einen Zettel und schrieb so ordentlich, wie sie konnte:


Gleichfalls.


Sie benutzte das Band noch einmal und band die Nachricht damit an die Eule, die wohl nur darauf gewartet hatte und sofort wieder in den Winter hinausflog und Agnes schloss hinter ihr schnell das Fenster, bevor sie ihren Zauberstab zückte und die Blume und die Nachricht verbrannte.

Ihre Gedanken rasten und sie wusste nicht, was wahr war und was nur eine Halluzination.

Vielleicht hätte sie einen der anderen fragen sollen, ob das gerade wirklich passiert war, aber sie hatte zu große Angst gehabt, dass der Dunkle Lord ihr tatsächlich einen Geburtstagsgruß gesendet hatte, denn das hätte bedeutet, dass sie ihm damals vor dem Waisenhaus tatsächlich begegnet war und das würde wiederrum bedeuten, dass nicht nur sie dem Tod näher gewesen war, als gedacht, sondern auch, dass sie die Chance gehabt hätte, ihn endgültig umzubringen und es nicht einmal versucht hatte...

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