137. Kapitel
Es war kalt.
Nachdem Agnes ein Werwolf war, war sie Kälte gegenüber etwas widerstandsfähiger, nachdem sich die Natur selbst bei Wesen wie Werwölfen etwas gedacht hatte. Werwölfe waren nicht dazu gedacht, weiterhin ein ruhiges Leben mit einem warmen Kamin und warmen Essen zu führen. Werwölfe waren dazu ausgerichtet, in der Natur überleben zu können, also waren ihre Mägen so angepasst, dass sie auch rohes Fleisch essen konnten, ohne an einer Lebensmittelvergiftung zu leiden; sie überstanden Kälte eher, als Menschen es taten und außerdem gewannen sie einige der Fähigkeiten eines Werwolfs auch in menschlicher Gestalt, sodass ihre Sinne ausgeprägter waren, sie aber auch etwas schneller und stärker waren, als ein normaler Mensch.
Aber nun, Ende Dezember wurde es selbst Agnes zu kalt.
Die Nächte waren eisig und schon lange hatte jeder von ihnen vergessen, wie es war, in einem warmen zu Hause zu schlafen, wie sie es bei den Dursleys getan hatten.
Sie hatten ihren Besuch dort kurz gehalten und sobald Agnes' Wunden halbwegs verheilt waren und sie alle wieder bereit waren, sich wieder in die Welt hinaus zu trauen, waren sie gegangen.
Die Zeit war vergangen – ohne Fortschritte.
Agnes fand es frustrierend, dass sie nun schon so lange keine wirklichen Aufträge mehr ausführten und das machte sich besonders zu Vollmonden bemerkbar, die jedes Mal schlimmer wurden und beim letzten Mal hatte Agnes auch keinen Wolfsbanntrank mehr gehabt – es waren nicht mehr genug Zutaten übrig gewesen und sie wollten auf keinen Fall riskieren, noch einmal in Hogwarts einzubrechen nach allem, was das letzte Mal passiert war.
Agnes hatte den Vollmond überstanden, aber sie hatte gelitten, nachdem sie sich selbst in einer abgelegenen Hütte eingesperrt hatte und Werwölfe nicht eingesperrt werden sollten.
Auf der anderen Seite wusste Agnes, dass sie vorsichtig sein mussten.
Sie suchten nach Harry, um ihn zu unterstützen, aber sollten sie einen Fehler machen, dann brachten sie nicht nur sich selbst, sondern auch Harry in Gefahr.
Sie mussten feinfühliger vorgehen, als sonst und nachdem jeder einzelne von ihnen offenbar einen Todeswunsch verspürte, war das nicht so einfach.
„Fr-Fr-Frohe Weih-Weihnachten", bibberte Tia, aber sie lächelte mutig.
Tia traf es besonders. Sirius verbrachte mittlerweile die meiste Zeit als Hund, nachdem er so ein natürliches Fell besaß, das ihn wärmen konnte und dann vergrub er sich noch gerne in einen Haufen Decken und in das Zelt, das sie in einem Muggelladen gekauft hatten und bei dem Liza es gelungen war, einen halbwegs funktionierenden Wärme-Zauber zu legen, damit es dort wenigstens keine Minusgrade hatte, aber sie konnten und wollten nicht die ganze Zeit in einem viel zu engen Zelt verbringen. Es war schon riskant, dass sie überhaupt ein Zelt hatten, aber ansonsten wären sie schon längst erfroren.
Konstantin und Agnes bestanden aber darauf, dass sie ihre Sachen immer zusammengepackt und griffbereit behielten, damit sie das Zelt einfach zurücklassen konnten und nicht lange zusammenpacken mussten, aber jene, die das Zelt fanden, sollten auch nicht wissen, wer darin geschlafen hatte.
Sie mussten vorsichtig sein, durften dabei aber auch nicht erfrieren.
„Es ist zu kalt", murmelte Liza leise. Liza war selbst in viele Decken gewickelt und auch sie war der Kälte gegenüber eher empfindlich, aber Tia machte Agnes langsam Sorgen. Sie fieberte leicht und hatte einen starken Schnupfen, sodass sie hustete – es war kein gesunder Husten. Was ihnen jetzt noch fehlte war, dass Tia schwer krank wurde und sie sie dann irgendwie auf die Beine bringen mussten.
Liza braute über dem Feuer, das sie angezündet hatten, obwohl Konstantin dagegen gewesen war, einen Aufpäppeltrank – nicht nur für Tia, sondern für alle, denn keiner von ihnen konnte sich leisten, krank zu werden.
„Oh, keine Sorge, Liza", zischte Agnes leise zurück – auch ihr war mittlerweile zu kalt, sie war auch nur etwas kälteresistenter, als andere und die Kälte drang einem in die Knochen, als wäre man schon begraben und von eisiger, harter Erde umgeben, „ich werde einmal die Sonne kontaktieren – weißt du, ob Eulen da hinauffliegen?"
Liza sah sie streng an, aber jeder von ihnen hatte schlechte Laune und war zickig. Es brauchte Leute wie Liza, die solche Kommentare einfach ignorierten, damit sie sich nicht gegenseitig umbrachten.
„In der Nacht wird es noch kälter werden", warnte Konstantin. Er war in zwei Decken gehüllt und trank seinen Tee dampfend heiß und ohne Milch. Allein das sagte schon viel über ihre derzeitige Situation aus.
„Was sollen wir dagegen tun?", fragte Agnes niemand spezifischen, aber ein egoistischer Teil von ihr dachte an den eisigen Winter in den Bergen bei Greybacks Rudel. Dort waren Leute neben ihr erfroren. Jene, die zu schwach gewesen waren, für Decken zu gewinnen, hatten die kältesten Nächte nicht überstanden. Die Starken, die Klugen und die Listigen hatten überlebt. Man musste sich nahe beieinander legen, einen sicheren Ort weiter hinten in der Höhle finden oder einfach – wie Agnes – Decken durch Kämpfe gewinnen. In den Bergen war es noch kälter gewesen, als jetzt, in diesem windgeschützten Wald. Keine Schneestürme, kein meterhoher Schnee und keine ständige Gefahr durch Mitbewohner.
Aber Agnes beschwerte sich nicht, sondern hörte einfach stumm die Beschwerden der anderen. Tia beschwerte sich nicht, aber man sah ihr an, dass sie stumm litt.
„Wir könnten ein größeres Feuer machen", schlug Liza vor.
„Oh, ein Signalfeuer?", fragte Konstantin sarkastisch nach, „Damit uns alle sehen? Das ist eine wunderbare Idee, Liza, warum sind wir nicht schon früher darauf gekommen? Wenn wir tot sind, dann ist uns auch nicht mehr kalt!"
„Wenn wir erfrieren, dann kann uns niemand mehr umbringen", erwiderte Liza scharf.
Agnes hörte den Geschwistern nicht mehr zu, sondern beobachtete Tia besorgt.
Sie hatte sich in ihre Decken verkrochen und starrte mit glasigen, wässrigen Augen ins Feuer. Sie blinzelte nicht, aber Agnes sah, dass sie noch atmete, wenn auch nur schwach.
Agnes ging zu ihr und kniete sich neben ihr in den Schnee, aber Tia schien sie gar nicht wahrzunehmen. Erst, als Agnes eine Hand auf ihr Knie legte, zuckte Tia zusammen und blinzelte, als hätte Agnes sie gerade aus dem Schlaf geweckt.
„Alles in Ordnung?", fragte Agnes besorgt und griff nach Tias Stirn. Sie war heiß – Fieber. Noch nicht allzu hoch, aber hoch genug, um Agnes Sorgen zu bereiten.
„Hm-hm", machte Tia und nickte schwach. Sie zitterte so sehr, dass man es kaum sah.
Agnes nahm ihre Decke – sie hatte nur eine, im Gegensatz zu den anderen, nachdem sie nicht mehr brauchte – und legte sie Tia auch noch über die Schultern und schaute darauf, dass alles von ihr bedeckt war.
Im Augenwinkel bemerkte Agnes Sirius, der als großer, schwarzer Hund sofort auffiel, aber neben ihr verwandelte er sich in einen Menschen, der sofort zu zittern begann, nachdem er ohne Decke und nur mit seinem Mantel dastand. „Wir könnten in ein Haus einbrechen", schlug er vor und auch Konstantin und Liza blickten in seine Richtung, „Im Winter sind viele Muggel nicht zu Hause. Als ich selbst auf der Fluch gewesen bin, habe ich sie immer zuerst ein paar Tage lang ausgekundschaftet, aber mit Agnes – du könntest riechen, wo vor kurzem erst noch jemand gewesen ist und wir können einfach disapparieren, sollte jemand nach Hause kommen. Notfalls könnten wir sie auch mit Stupor außer Gefecht setzen und ihre Erinnerungen ändern..."
„Das ist Einbruch und illegal", bemerkte Liza, aber sie argumentierte nur halbherzig.
„Wir erfrieren hier draußen noch", bestimmte Agnes, „Machen wir das."
„Lasst nichts zurück und sorgt dafür, dass keinerlei Spuren von uns zurückbleiben", befahl Konstantin sofort, „Wir wollen nicht, dass uns jemand verfolgt."
„Ich fülle den Aufpäppeltrank noch in Flaschen um – er ist sowieso in ein paar Minuten fertig", sagte Liza.
„Sirius, könntest du meine Sachen packen – ich kümmere mich um Tia", bat Agnes ihn und Sirius nickte ernst – jeder konnte sehen, dass es Tia nicht gutging.
Agnes kniete sich wieder neben Tia, die nun die Augen geschlossen hatte. Sie schlief ruhig und Agnes hörte an ihrem Herzschlag, dass sie nicht im Sterben lag – es schlug noch regelmäßig und kräftig, aber sie fieberte auch und es ging ihr nicht so gut, wie Agnes es gerne gehabt hätte.
Man konnte kaum noch sagen, dass überhaupt jemand in diesem Wald gewesen war, als sie fertig waren. Einzelne Fußspuren waren noch im Schnee, aber es sah so aus, als wäre ein Spaziergänger mit seinem Hund vorbeigekommen und nicht einmal stehengeblieben.
Im nahegelegensten Dorf suchten sie nach einem passenden Haus, wobei Konstantin und Liza mit Tia außer Sichtweite von Muggel blieben, während Agnes und Sirius die Situation auskundschafteten und mit Ergebnissen zu ihren Begleitern zurückkehrten.
Ein Haus war frei, wie Agnes gerochen hatte und die Bewohner waren schon lange genug fort, dass nicht einmal Fußspuren im frisch gefallenen Schnee zu sehen waren.
Alohomora. Mehr brauchte es nicht, um einzubrechen und wieder einmal fragte Agnes sich, warum sich Hexen und Zauberer noch immer vor Muggel verstecken mussten, nachdem ein Zauber, den man im ersten Jahr lernte, sie in ein Haus bringen konnte.
Es war kühl im Haus, nachdem die Heizung ausgeschaltet war, aber wärmer, als es draußen gewesen war.
„Ich mach ein Feuer", bot Konstantin an und suchte nach dem Wohnzimmer und dem Ofen und sie fanden dieses auch.
Agnes trug Tia auf das Sofa dort und zog ihr die nassen Schuhe und, nachdem sie Sirius und Konstantin kurz hinausgeschickt hatte, auch die nasse Hose aus. Dann deckte sie ihre Schwester wieder zu und fühlte noch einmal ihre Stirn.
„Liza, sie fiebert immer mehr", warnte Agnes besorgt und Liza kam zu ihr, um Tia zu untersuchen.
Liza griff Tia an die Stirn, suchte nach einem Puls und legte dann ihr Ohr auf Tias Brust.
„Es ist kein hohes Fieber", entwarnte Liza, „aber wir werden sie in der Nacht beobachten müssen."
„Gut, dass ich nicht schlafe." Da war kein Sarkasmus in Agnes' Stimme. Liza lachte leicht, aber es war ein trauriges Lachen. Nicht wirklich ehrlich gemeint, sondern eher eine Erinnerung an Zeiten, die noch nicht so ernst gewesen waren, als solche Aussagen wirklich scherzhaft gemeint waren.
Lizas Lachen verstummte beinahe abrupt und sie sah Agnes nun mit einem besorgten Blick an.
„Wie geht es dir?", fragte Liza Agnes in einem Tonfall, der Agnes sagte, dass nun keine Zeit für Scherze war. Da hatte Liza aber nicht daran gedacht, dass Agnes mit Fred Weasley zusammen war und ihr ganzes Leben ein Witz war.
„Ausgezeichnet!", Agnes' Stimme triefte vor Sarkasmus, „Mir ist es noch nie besser gegangen!"
Liza sah sie streng an. „Isst du genug?"
„Nein."
„Warum nicht? Wir haben genug", tadelte Liza sie streng.
„Wenn ich genug essen würde, hätten wir nicht genug", erwiderte Agnes darauf, „Keine Sorge, ich bin es gewohnt, wenig zu essen."
„Warum schläfst du nicht?", fragte Liza sie weiter streng aus.
„Werwolf", erinnerte Agnes sie, „Soweit ich aus meinen Erfahrungen weiß, sind Schlafstörungen in diesem Paket an Werwolf-Specials dabei."
„Und wie geht es dir geistig?" Liza hob herausfordernd eine Augenbraue.
„Ich habe schon lange keine Halluzinationen mehr gehabt, wenn das irgendwie zählt", verteidigte sich Agnes, „Ansonsten bin ich noch genauso gestört, wie immer."
„Würdest du es uns sagen, wenn es dir nicht gutgehen würde?", fragte Liza besorgt.
„Natürlich nicht!", lachte Agnes.
Liza sah sie streng an, aber Agnes war ein hoffnungsloser Fall und Liza seufzte, bevor sie geschlagen den Kopf schüttelte.
„Wir sind ein Team", sagte sie ruhig zu Agnes, „Ein Team hilft sich gegenseitig. Es gibt nicht nur Tia und nicht nur Kon und auch nicht nur mich oder Sirius – es gibt auch Agnes. Und wenn du einmal etwas brauchst, dann werden wir genauso die Welt in Bewegung setzen, um das zu bekommen, wie wir es für Tia machen und für jeden anderen."
„Wir setzen die Welt schon in Bewegung, um mein Ziel zu erreichen", erinnerte Agnes sie, „Ich will nur Ruhe und Frieden. Ich will, dass dieser Krieg endet."
Liza und Agnes sahen sich herausfordernd an, bevor Liza sich wortlos abwandte und die Flaschen mit Aufpäppeltrank verteilte – sie alle brauchten sie.
Sie drückte auch einen Agnes in die Hand und sah sie streng an und nachdem Agnes sowieso keine andere Wahl hatte, nahm sie ihn auch, aber letztendlich vertrieb er nur kurz die Kälte, die schon tief in allen ihren Knochen saß.
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