134. Kapitel
Sirius ging in die Hütte und kam kurz darauf mit ihren Sachen zurück. Er trug Agnes' Rucksack und ihren Mantel bei sich und sie warteten nicht lange, bis ein leises Plopp ertönte und Agnes konnte Konstantin und Tia riechen.
Es war seltsam, sie als Werwolf zu riechen, nachdem bei Konstantins Geruch sich sofort ihre Jagdinstinkte meldeten, während Tia zu sehr nach Werwolf roch, als dass sie eine bevorzugte Beute für Agnes hätte sein können. Jedenfalls hatte Agnes bei ihrem Geruch in ihrer Nähe nicht sofort das Bedürfnis, sie blutrünstig zu zerfleischen.
Agnes spürte die Blicke auf sich und das wunderte sie auch nicht.
Sie selbst kannte Werwölfe. Sie selbst hatte schon einmal einen Werwolf gesehen, obwohl der letzte Werwolf, an den sie sich erinnern konnte, Greyback gewesen war, der sie gebissen hatte. Bisher hatte sie, wenn sie Zugang zu Wolfsbanntrank gehabt hatte, niemals einen anderen Werwolf getroffen und deswegen sind ihre einzigen Erinnerungen an Werwölfe die aus Büchern oder Greyback, der sie umbringen wollte.
Sie wusste, wie schrecklich sie als Werwolf aussah. Sie hatte sich selbst noch nie verwandelt gesehen und es war auch kein Bedürfnis von ihr, das nachzuholen. Es war schon schlimm genug, dass sie mittlerweile ziemlich gut auf vier Beinen laufen konnte – das war am Anfang schwer gewesen.
„Agnes." Tia sprach ruhig mit ihr, als wäre sie ein wildes Tier und tatsächlich war Agnes so etwas wie ein wildes Tier, das sich nur an menschliche Nähe gewöhnt hatte. Letztendlich brauchte es aber nur einen Moment der verlorenen Selbstkontrolle, um jemanden umzubringen, das wusste Agnes. Das hatte sie sich selbst heute wieder bewiesen – sie konnte sich nicht daran erinnern, Nero umgebracht zu haben.
Tia trat unsicher einen Schritt auf sie zu, aber Agnes wich zurück. Alles schmerzte – ihr Körper schmerzte, aber trotzdem war sie gefährlich. Nicht nur sie selbst sah das so. Konstantin legte eine Hand auf Tias Schulter und hielt sie so davon ab, noch näher zu kommen.
„Agnes, können wir näher kommen?", fragte Sirius sie vorsichtig und hob seine Hände – er hatte keinen Zauberstab in der Hand. Er war unbewaffnet. Außerdem roch er noch ziemlich nach Hund.
Das schlimmste an einem Werwolfskörper war nicht die Unfähigkeit, effektiv auf zwei Beinen zu laufen. Es waren auch nicht die noch einmal verbesserten Sinne, die noch ausgeprägtere Kraft oder die spitzen Zähne und Krallen, die an Agnes' eigenem Körper Spuren hinterlassen hatten. Es war die Unfähigkeit, sich auszudrücken. Körpersprache und Sprache an sich funktionierte nicht mehr. Ein Monster wie ein Werwolf konnte keine Signale senden, um mit einem Menschen zu kommunizieren – Werwölfe waren nicht dazu da, mit ihrem Essen zu kommunizieren.
Agnes konnte also nicht antworten und sie konnte Sirius auch keinen unbeeindruckten Blick zuwerfen, immerhin sollte Sirius das wissen auch, wenn er selbst nie mit Remus mit Wolfsbanntrank unterwegs gewesen war.
Wenigstens gab es universelle Signale, die Menschen auch bei Tieren und Monstern verstehen konnten.
Konstantin trat vorsichtig einen Schritt vor – Agnes knurrte. Konstantin wich wieder zurück.
„Agnes, wir müssen hier weg", versuchte es Tia und sie klang wirklich besorgt, obwohl ein Monster, wie Agnes es war gerade erst dabei gewesen war, sie umzubringen. Agnes war wieder einmal überrascht davon, wie ignorant Tia gegenüber solchen Tatsachen sein konnte.
„Können wir überhaupt mit ihr apparieren, wenn sie in dieser Form ist?", fragte Konstantin sich und musterte Agnes nachdenklich.
„Remus und ich sind einmal mit James appariert, während er als Hirsch... und betrunken...– wisst ihr was, ist eigentlich gar nicht so wichtig", erinnerte sich Sirius und beendete die Geschichte nicht, „Auf jeden Fall sollte es keinen Unterschied machen, ob man mit einem riesigen Hirsch oder einem riesigen Werwolf disappariert."
„Agnes, wir haben dafür keine Zeit!", unterbrach Tia die Unterhaltung mit einem strengen Ton, den man selten bei dem Mädchen hören konnte und sie stemmte ihre Arme in die Hüften, „Agnes, du bringst uns gerade alle in Gefahr, weil du nicht apparieren willst – ist das wirklich dein Ziel?"
Natürlich nicht.
„Das habe ich mir gedacht", bemerkte Tia, obwohl Agnes keine Antwort gegeben hatte, „Also... kommt jetzt her! Wir apparieren zusammen!"
Tia hielt Agnes ihre Hand hin und Agnes erkannte, dass Tia Recht hatte und sie kam vorsichtig näher. Tia roch sehr nach Werwolf und Agnes hatte nicht das Bedürfnis, einen Werwolf umzubringen, also fiel es ihr leichter, in Tias Nähe zu sein.
Es war ein seltsames Gefühl, als Tia ihre Hand vorsichtig auf ihre Schulter legte und ihre Finger durch ihr Fell fuhren. Dann hob Tia auch noch ihre andere Hand und hielt sich an Agnes fest, nachdem diese keine Hände hatte, um sich an Tia festhalten zu können. Tia nickte Sirius und Konstantin ermutigend zu, als Agnes das vertraute und zugleich fremde Gefühl spürte, in einen dünnen Schlauch gepresst zu werden. Sie war noch nie als Werwolf appariert und sie hoffte, sie würde es nie wieder tun müssen. Nachdem ihr Körper noch größer war, als sonst, wurde dieser wohl noch mehr komprimiert oder es hing mit ihrem Körperbau zusammen. So oder so – es fühlte sich noch unangenehmer an, als sonst.
Sie tauchten bei einem neuen Waldstück auf und es war keinerlei Zivilisation in der Nähe – eine Erleichterung. Es hatte Agnes gerade noch gefehlt, dass Leute sie sahen, während sie ein Werwolf war.
Das Problem war, dass absolut niemand und nichts in der Nähe war. Ein Weg führte ein Stück weiter, aber er hörte einfach im Nichts auf, als hätte man ursprünglich geplant, diese Straße fortzufahren, aber dieses Projekt dann doch abgebrochen. Agnes roch, dass Liza, Tia und Konstantin diesen Weg zuvor genommen hatten, aber von Liza war weit und breit nichts zu sehen.
Sirius und Konstantin tauchten nur kurz nach ihnen auf und Agnes bemerkte, dass Konstantin auf etwas vor ihnen sah, aber dort war nichts – sie schloss daraus, dass dort etwas war, das sie selbst nicht sehen konnte.
„Wirst du mich umbringen, wenn ich näher komme, Agnes?", fragte Konstantin sie misstrauisch, „Ich muss dir Informationen weiter geben, damit du das Grundstück betreten kannst."
Es schien ein Zauber zu sein, wie er auch auf dem Haus am Grimmauldplatz lag und Konstantin war wohl ein Geheimniswahrer.
Agnes sah ihn einfach nur an – sie hatte sich noch nicht entschieden, ob sie ihn umbringen wollte oder nicht, aber das hatte nichts damit zu tun, dass sie im Moment ein Werwolf war. Das lag einfach nur daran, dass er Konstantin war und sie eben Agnes.
Trotzdem nahm Konstantin das wohl als Zeichen, dass es sicher war, sich ihr zu nähern und vorsichtig und langsam kam er auf sie zu. Er lehnte sich weit vor, um nahe an ihrem Ohr zu sein, aber gleichzeitig jederzeit wegspringen zu können und dann wisperte er ganz leise: „Hier befindet sich das Haus von Hestia Jones."
Und als Agnes wieder aufsah, stand dort tatsächlich ein Haus mit einem eingezäunten Garten.
„Komm mit, Agnes", lockte Tia sie und obwohl sie sie nicht mehr berührte, winkte Tia ihr munter zu, als würde sie einfach mit Agnes sprechen und nicht mit einem Monster.
Agnes ließ Sirius, Konstantin und Tia als erstes den Garten betreten, bevor sie als letzte folgte und Tia ihr das Tor aufhielt, aber während Konstantin und Tia sofort zum Haus weitergingen, bog Agnes ab und legte sich einfach auf den Rasen.
Tia und Konstantin sahen zu ihr, aber keiner von ihnen schien zu erwarten, dass Agnes das Haus betrat.
„Ich warte hier mit dir", beschloss Sirius, „Es dauert nicht mehr lange, dann geht die Sonne auf."
Sirius verwandelte sich wieder in einen Hund und es war sofort angenehmer, in seiner Nähe zu sein, während Tia und Konstantin ins Haus gingen.
Und dann warteten sie.
Agnes untersuchte ihre Wunden und besonders jene an ihrem Bein sah übel aus, aber im Moment konnte sie sie nicht wirklich versorgen.
Agnes konnte auch nicht schlafen, also lag sie wach, bis die Sonne aufging und die Schmerzen zurückkehrten, aber sie waren nicht so schlimm wie die Schmerzen, die sie während der Verwandlung in einen Werwolf spürte.
Aber mit der Verwandlung in einen Menschen verschwanden ihre Wunden natürlich nicht einfach so – sie wurden eigentlich sogar eher schlimmer und Agnes holte zischend Luft, als sie spürte, wie schlimm eigentlich alles war.
Die Müdigkeit kehrte zurück und sie fühlte sich schwach, als sie in einem fremden Garten, nackt im Gras saß und durch die Verwandlung ihre Wunden wieder zu bluten begannen. Außerdem kehrte die Fähigkeit zurück, sich übergeben zu können und Agnes übergab sich einfach direkt neben sich ins Gras. Ihr Erbrochenes war blutig und man konnte auch Haare von dem Werwolf erkennen, aber Agnes wollte gar nicht so genau wissen, was sie gerade hervorgewürgt hatte.
„Shh...", machte Sirius, der nun wieder als Mensch zu ihr kam und ihr vorsichtig etwas über ihre Schultern legte – es war ihr eigener Mantel und der Geruch beruhigte sie.
„Ich habe schon wieder jemanden umgebracht, Sirius", brachte Agnes heraus und spuckte ins Gras, um den ekelhaften Geschmack von Erbrochenem und Blut loszuwerden, „Außerdem verblute ich gerade..."
Sirius half Agnes, aufzustehen, aber dann ging sie selbstständig humpelnd zu dem Haus.
Sirius hielt ihr die Tür auf und sobald sie das Gebäude betrat, kam ihr eine Ansammlung von Gerüchen entgegen. Natürlich einige, die sie schon kannte – jene von Konstantin, Liza und natürlich Tia, aber auch Hestia Jones konnte sie zuordnen, nachdem sie ihren Geruch schon einmal beim Grimmauldplatz gerochen hatte und wusste, dass das wohl ihr Haus war.
Aber da waren auch fremde Gerüche von Personen, die Agnes nicht kannte, aber sie konnte trotzdem allein anhand des Geruchs einige Tatsachen über jene Personen sagen.
„Warum stinkt es hier nach Muggel?", beschwerte sie sich und verzog unzufrieden das Gesicht. Es war nicht, dass Muggel außerordentlich anders rochen, als Hexen, Zauberer oder Werwölfe, aber Agnes mochte einfach keine Muggel, bis auf jene wenigen Ausnahmen, die sie ausstehen konnte, wie zum Beispiel Ivy.
Konstantin, Liza und Tia kamen in den Gang, aber auch Hestia, die Sirius neben Agnes ungläubig ansah und dann lächelnd zu ihm kam, um ihn kurz zu umarmen.
„Sirius", seufzte sie, „Du lebst wirklich."
„So schnell kann man mich nicht umbringen, Jones", scherzte Sirius, „Agnes lebt übrigens auch noch –"
„Noch!", bestätigte Agnes, „Aber mein Bein blutet den Teppich voll."
Tatsächlich spürte Agnes, wie ein Blutstropfen sich seinen Weg über ihr Bein über ihre nackten Füße auf den Boden bahnte – die Frage war nur, ob es ihr eigenes Blut war oder das von ihrem nun toten Gegner.
„Ah ja! Agnes!", rief Liza aus und eilte an ihre Seite, „Tia, hilf mir einmal, Agnes ins Bad zu bringen – Mrs Dursley, wo ist das Bad?"
Mrs Dursley... Agnes konnte sich nicht daran erinnern, eine Mrs Dursley zu kennen, aber aus einem Raum blickte eine Frau. Sie war sehr dürr mit einem langen Hals und ihre Haare in Lockenwickler gerollt und sie trug ein grässliches Nachthemd. Außerdem brauchte Agnes nur einen kurzen Moment, um sie als Muggel zu identifizieren.
„Oh, deswegen stinkt es nach Muggel", meinte sie abfällig und die Frau, die wohl „Mrs Dursley" hieß, sah sie empört an.
„Agnes, wir sind ihre Gäste", tadelte Tia sie streng, „Du solltest sie nicht beleidigen."
„Komm, Agnes", Liza schob sie schnell weiter, „Wir waschen dich – Tia, könntest du einige Kleider von Agnes holen? Das Bad ist... ah, da ist es ja!"
Liza zwang Agnes dazu, sich das Blut aus den Haaren zu waschen und dann reinigte sie auch noch ihre Wunde. Sie hatte eine Silber-Diptam-Mischung vorbereitet, die half, wenn man von einem Werwolf gebissen worden war. Das Gift im Speichel von Werwölfen verhinderte, dass die Wunden sich mit Zauber heilen ließen und mit dieser Mischung heilte alles wenigstens ein bisschen schneller, aber es brannte auch höllisch.
Liza verband ihr Bein dann noch und ließ Agnes sich wieder Kleider anziehen – sie hoffte, dass schon jemand Tee vorbereitet hatte, damit sie sich nach dieser ziemlich animalischen Nacht wieder zivilisiert fühlen konnte.
Nach dieser Nacht hatte sie sich eine schöne Tasse Tee und ein ordentliches Frühstück verdient.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top