126. Kapitel

Liebster Fred,

ich schreibe dir, kurz nachdem Sirius und ich an dem Ort waren, an dem Greyback mich damals angegriffen hat. Ich kann mich kaum an den Angriff selbst erinnern, aber ich kann mich wohl noch an den Klang seiner Schritte auf Kies erinnern.

Ich weiß auch noch, was danach passiert ist – Liza und ein paar andere Heiler haben sich im St. Mungos um mich gekümmert und dann sind einige Leute vom Orden vorbei gekommen. Ich weiß noch, dass ich ziemlich verwundert gewesen bin, immerhin kommt es nicht jeden Tag vor, dass Dumbledore, McGonagall, Kingsley, Remus und eine pinkhaarige Frau (ich meine natürlich Tonks) in deinem Zimmer stehen und dir erklären, dass es einen Club gibt, der gegen den Dunklen Lord kämpft. Ich glaube, Snape ist auch dabei gewesen und noch jemand, aber ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern.

Dumbledore hat mir damals das erste Mal die Frage gestellt, wie mein Leben weiter verlaufen sollte, aber ich habe erst einmal Roger danach gefragt.

Ich weiß, es erscheint dir vielleicht etwas seltsam, wenn ich dir das jetzt sage, aber ich glaube, Roger hat dich und George wirklich gemocht. Auf jeden Fall hat er zum Schluss hin nur noch so getan, als würde er euch hassen, aber eigentlich hat er euch bewundert (und wir wissen beide, dass er keine Gryffindors mag).

Er ist der erste gewesen, dem ich persönlich erzählt habe, dass ich ein Werwolf bin und er hat mich akzeptiert so, wie ich bin. Das erst hat mir die Kraft gegeben, weiter zu machen und obwohl er jetzt nicht mehr hier ist, ist es immer noch eine ziemlich große Ermutigung, wenn ich daran denke.

Ich vermisse ihn. Nicht so, wie ich dich vermisse. Wir haben uns, seit ich Hogwarts verlassen habe, nicht so oft gesehen, wie ich es gern gewollt hätte und jetzt ist er tot.

Es ist seltsam zu wissen, dass der beste Freund nicht mehr hier ist – mein bester Freund. Ich liebe dich, Fred, aber trotzdem vermisse ich Roger so sehr und wünsche mir, er wäre noch hier.

Aber nachdem Sirius aus dem Reich der Toten zurückgekehrt ist und er mir sogar einiges erzählen konnte, habe ich Hoffnung. Ich glaube, Roger ist jetzt im nächsten Leben und spielt den ganzen Tag Quidditch – nein... ich glaube, er trainiert dort im Jenseits ein Team bis in den Tod, so wie er unser Team immer trainiert hat, bis ich es ihm ausgeredet habe.

Ich hoffe, dir und deiner Familie geht es gut. Ich habe noch ein paar Orte, die ich besuchen muss, aber ich hoffe, dass ich auch irgendwann nach Hause kommen kann. Ich weiß zwar nicht, was ein zu Hause wirklich ist, aber ich hoffe, dass Molly mir das beibringen kann, so, wie sie mir beigebracht hat, was es bedeutet, eine Familie zu haben.

Aber gleichzeitig kann ich dich nicht sehen – ich würde dich nur in Gefahr bringen, immerhin bin ich eine gesuchte Verbrecherin. Du wirst wohl selbst auf dieser legendären Liste vom Ministerium kommen müssen, bis ich auch nur daran denke, zu dir zu kommen (aber das ist keine Einladung, Fred Weasley! Wage es ja nicht, jetzt sofort ein Verbrechen zu begehen!)

Richte doch bitte allen einen schönen Gruß aus,

ich liebe dich,

Agnes.



„Also...", sagte Agnes zu Sirius, als sie jetzt, mitten in der Nacht ihre letzten Sachen zusammenpackten, um weiter zu ziehen, „Ich habe noch einen Ort, den ich besuchen will."

„Ach, nur noch einen?", fragte Sirius sarkastisch, „Ist deine bisherige Lebensgeschichte etwa noch nicht schräg genug? Hast du nicht zufällig noch einen Turm, den du sprengen willst? Vielleicht ein altes Haus deiner Familie?"

„Nein, ich befürchte, das ist dann das Ende unserer kleinen Reise", seufzte Agnes sarkastisch, „Schade, schade..."

„Was willst du danach machen?", fragte Sirius sie wieder ernster, aber Agnes sah ihn verwirrt an.

„Wir kehren natürlich zum Rudel zurück", lachte sie.

Sirius riss überrascht die Augen auf, bevor er zu grinsen begann. „Hast du gerade „das Rudel" gesagt?"

Agnes erkannte ihren Fehler sofort und das Lächeln verschwand. „Oh, nein", widersprach sie, „Nein, nein, nein, nein, nein! Wir sind kein Rudel!"

„Aber du hast uns so genannt!", jubelte Sirius triumphierend, „Also ist es jetzt fix! Wir sind ein Rudel!"

„Warum habe ich das gesagt?", fragte Agnes sich selbst leise und bereute ihre Worte, aber Sirius grinste breit und lachte Agnes nur aus.

„Ich habe gewusst, dass du dich irgendwann umstimmen lassen wirst", freute Sirius sich, „und wir brauchen immerhin einen Namen! James, Remus... Peter... und ich sind in Hogwarts „die Rumtreiber" gewesen – oder auch, wie ich uns zurzeit nenne – die traviesos!"

„Das klingt spanisch", bemerkte Agnes, „Hast du das von Tia?"

„Carla, ihre Großmutter hat uns so genannt", gestand Sirius schulternzuckend, „Ich habe es einfach übernommen."

„Ich bin mir sicher, Remus ist begeistert darüber", bemerkte Agnes sarkastisch.

„Er sagt, ich habe keine Ahnung von spanischer Grammatik, aber er hat selbst nur ein paar Monate lang Spanisch gelernt, also hat er kein Recht, sich zu beschweren", bestimmte Sirius, „Jedenfalls – Konstantin, Liza, Tia, du und ich – wir sind ein so gutes Team, wir brauchen einen Namen."

„Ich denke nur, Liza und Konstantin werden sich dann etwas ausgeschlossen fühlen", sagte Agnes, „Immerhin... ein Werwolf, ein Halbwerwolf und ein Köter – das passt noch, aber die beiden haben absolut keine Verbindung zu Rudel."

„Ja, ich glaube, das werde sie schon– hey! Ich bin kein Köter! Ich bin ein Hund."

„Das ist doch dasselbe." Agnes zuckte mit den Schultern.

„Ich werde dir jetzt nicht den Unterschied zwischen den beiden Wörtern erklären – zu deiner Information, „Köter" ist eine Beleidigung und wird meistens abwertend –"

„Wirst du mir jetzt doch einen Vortrag darüber halten?", fragte Agnes unbeeindruckt.

„Nein", Sirius atmete einmal tief durch, „Also... wieder zur Sache... wohin willst du als nächstes?"

Agnes hielt ihm nur ihre Hand hin und Sirius zögerte keinen Moment lang – er vertraute Agnes.

Sie disapparierten und tauchten wieder in einer Straße auf, die Sirius nur allzu bekannt war und er stockte, als er sich ungläubig umsah.

Agnes hatte nicht genau gewusst, wohin sie apparieren würde, aber sie hatte nicht erwartet, direkt vor einem Denkmal wieder aufzutauchen.

Sie war noch nie in Godric's Hollow gewesen und hatte das Dorf noch nie gesehen, also hatte sie es gar nicht wissen können. Es war, es hätte das Schicksal das so gewollt.

Sirius blickte zu der Statue auf und fiel auf die Knie.

Agnes kniete sich schnell neben ihn und legte einen Arm um seine Schultern, während Sirius einfach nur an der Statue hochstarrte.

Es war ein Denkmal, das kurz nach der ersten Vernichtung des Dunklen Lords aufgestellt worden war und es stellte einen Mann, seine Frau und ein Baby in ihrer Mitte dar.

Es waren James, Lily und Harry Potter – vereint als Familie aus Stein.

Agnes wusste nicht wirklich, wie James und Lily ausgesehen hatten, aber so, wie Sirius auf die beiden Gestalten starrte, vermutete sie, dass diese Statuen sie ziemlich gut getroffen hatten und tatsächlich hatte der Mann sehr große Ähnlichkeiten mit Harry.

„James...", wisperte Sirius leise und kaum hörbar, „Lily..."

„Es ist Halloween", sagte Agnes ruhig und strich ihm über die Schulter, „Ich habe mir gedacht, du würdest gerne herkommen."

„Ich bin bis jetzt noch nicht hier gewesen", gestand Sirius, „Ich... das ist schrecklich."

„Wir können wieder gehen, wenn –", wollte Agnes sofort vorschlagen, aber Sirius schüttelte den Kopf und stand wieder auf.

„Nein... nein, das ist... in Ordnung...", er starrte weiterhin die Statue an, „Es... es sieht nur genauso aus, wie sie..."

Agnes ließ ihm Zeit und sie blickte ebenfalls zur Statue auf. Sie hatte viel vom Untergang des Dunklen Lord von ihrer Mutter gehört, aber immer nur von der Sicht einer Todesserin aus. In der Schule hatte sie dann erst erfahren, was passiert war.

„Ich glaube, James hätte es ziemlich lustig gefunden, dass man eine Statue von ihm aufgestellt hat", gab Sirius zu, ohne den Blick von dem Paar abzuwenden, „aber... nicht so... nicht deswegen... er ist mein bester Freund gewesen und jetzt ist er –"

Agnes sah ihn an und eine einzige Träne rann seine Wange hinab. Es war schon länger her, seit sie eine Dusche gehabt hatten und sie sahen wieder etwas ausgemergelt und dreckig aus. Nicht nur Agnes, sondern auch Sirius. Er erinnerte Agnes ein bisschen an die Bilder, die sie von Sirius in Askaban veröffentlicht hatten.

„Ich habe ihn nie kennengelernt", musste Agnes zugeben, „Aber... er sieht aus wie Harry..."

Sirius lachte auf und wischte sich über die Augen. „Oh ja! Du kannst dir nicht vorstellen, wie überrascht ich gewesen bin, als ich Harry das erste Mal gesehen habe! Ich habe gedacht, James wäre wieder –" Er verstummte und Agnes wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.

„Er ist mein erster Freund gewesen", gestand Sirius leise, „Remus und Peter sind erst später in der Gruppe dazu gekommen, aber James... mit James habe ich mich sofort verstanden. Nachdem ich beinahe zwölf Jahre lang bei meiner Familie nie erfahren habe, was Freundschaft bedeutet, hat James es mir schon in den ersten paar Minuten im Zug nach Hogwarts beigebracht. Er ist immer für mich da gewesen, selbst, wenn ich es nicht verdient habe... immer..."

Kurz war es still zwischen den beiden und Agnes ließ ihm die Zeit, bis plötzlich wieder Bewegung in ihn kam und er nahm Agnes' Hand und zog sie mit sich.

Einen panischen Moment lang dachte Agnes, er hätte eine Gefahr entdeckt, die ihr noch versteckt war, aber dann bemerkte sie, dass Sirius sie wie in Trance durch die ihr fremden Straßen führte und leise vor sich hinmurmelte – unverständlich und nur für Sirius selbst.

Er sah sich immer wieder um, als würde er etwas suchen und plötzlich entdeckte er es, blieb einen Moment lang stocksteif stehen, bevor er Agnes' Hand losließ und langsamer sich einem Haus näherte.

Es war ein Haus, das von wilden Ranken umgeben war und das Gras wuchs schon hüfthoch und ohne jemanden, der sich um das Gebäude kümmerte, nahm die Natur es sich langsam wieder zurück.

Das Haus selbst war zerstört – jedenfalls das oberste Stockwerk. Es schien weggesprengt worden zu sein, während das untere Stockwerk noch stand.

Agnes beeilte sich, Sirius zu folgen, der nun vor dem Tor, das zu dem Haus führte und er schien noch immer wie in Trance zu sein oder einfach nur in Erinnerungen gefangen.

„Ich bin als erstes hierher gekommen", erinnerte Sirius sich leise und Agnes hörte aus seiner Stimme heraus, dass er weinte, „Ich bin der erste gewesen, der hierher gekommen ist, um zu sehen, was passiert ist. Und ich... ich habe das Haus so vorgefunden und ich habe sofort gewusst, dass ich zu spät gekommen bin. Ich bin zu spät gewesen... ich habe James enttäuscht – meinen Bruder!"

„Nein, hast du nicht", beruhigte Agnes ihn ruhig und nahm wieder seine Hand – sie war eiskalt, „Niemand ist schuld daran – niemand, außer dem Dunklen Lord."

„Wir wissen beide, dass das nicht stimmt", bemerkte Sirius tonlos, „Ich habe James dazu geraten, Peter als Geheimniswahrer zu wählen... ich bin es gewesen, der ihn dazu gebracht hat, ihren Mörder direkt in ihr Haus einzuladen. Sie sind sicher gewesen – sie wären sicher gewesen, wenn ich einfach nur nicht auf diese dämliche Idee gekommen wäre und –"

„Du hast nicht gewusst, dass er ein Verräter ist", versuchte Agnes es weiter, „Woher denn auch? Er ist dein Freund gewesen!"

„Wir haben alle gewusst, dass es einen Verräter gibt, aber ich habe gedacht... ich habe Remus beschuldigt", gestand Sirius leise, aber Agnes erschrak nicht.

„Wenn du dir die Schuld dafür gibst, dann musst du James mindestens genauso viel Schuld geben", sagte sie streng, „Immerhin hätte er auch wissen können, dass Peter der Verräter ist – er ist nicht dazu gezwungen gewesen, auf dich zu hören."

„Sag das nicht!", zischte Sirius, aber Agnes ließ nicht locker.

„Warum nicht? Weil es die Wahrheit ist? Es herrscht Krieg, Sirius", sie drückte seine Hand und sah ihn eindringlich an, „Es herrschte Krieg... es sterben Leute und wenn man sich gegenseitig die Schuld dafür gibt, dann enden wir alle, so wie ich – vollkommen wahnsinnig. Also sieh einfach ein, dass Fehler passieren, aber du musst dir nicht die Schuld dafür geben!"

„Aber das macht alles einfacher", gestand Sirius leise, „Ich vermisse ihn doch nur so sehr..." Sirius schluchzte auf und Agnes zögerte nicht, ihn zu umarmen, so wie er sie immer umarmt hatte, wenn sie zusammengebrochen war oder es noch immer tat.

Sie ließ ihm Zeit, in der er einfach nur in ihre Schulter weinen konnte und all das endlich herauslassen konnte, das er vermutlich schon seit sechzehn Jahren mit sich herumschleppte. „In Askaban ist alles einfacher gewesen", gestand Sirius, ohne Agnes loszulassen, „In Askaban habe ich mir nicht wirklich Sorgen machen müssen, wie lange ich noch lebe – ich habe einfach... vor mich hinvegetiert. Und ich habe vergessen... ich habe nicht an James gedacht, nicht an Lily, nicht an Edgar, nicht an Marlene, nicht an Benjy... nicht an alle anderen, die gestorben sind... aber dann... dann habe ich wieder angefangen, an Peter zu denken, als ich herausgefunden habe, dass er noch lebt..."

„Willst du hineingehen?", fragte Agnes ihn ruhig und Sirius blickte wieder zum Haus, bevor er stumm nickte.

Er wollte das Tor öffnen, als plötzlich ein Schild vor ihnen aus der Erde aufstieg und Sirius sprang überrascht zurück, aber es war nur ein Schild.


An dieser Stelle verloren in der Nacht des 31. Oktober 1981 Lily und James Potter ihr Leben.

Ihr Sohn Harry ist bis heute der einzige Zauberer, der jemals den Todesfluch überlebt hat.

Dieses Haus, für Muggel unsichtbar, wurde in seinem zerstörten Zustand belassen zu Gedenken an die Potters und zur Erinnerung an die Gewalt, die ihre Familie zerriss.


Sirius schluchzte auf, aber Agnes war bei ihm und strich ihm über den Rücken.

Rund um diesen offiziellen Text waren Nachrichten verewigt worden – mit Tinte geschrieben, eingebrannt mit Zauber oder auf eine andere Art verewigt worden. Kleine Nachrichten, Initialen, Botschaften, die zum Teil auch Harry galten, der irgendwo da draußen war.

„Wir schreiben auch etwas hin", beschloss Agnes, „Für Harry, sollte er hier vorbeikommen!"

„Ich hoffe, Harry kommt nicht hierher", gestand Sirius, „Jemand sollte bei ihm sein, wenn er das hier sieht..."

„Er ist ja nicht allein", erinnerte Agnes ihn und zückte ihren Zauberstab, „So, wie du auch nicht alleine bist. Also... was wollen wir schreiben?"

Sirius antwortete ihr nicht, sondern zückte nur seinen eigenen Zauberstab und mit einer erstaunlich ordentlichen Schrift schrieb er: Tatze und Baby-Moony waren hier.

Agnes sah ihn unbeeindruckt an. „All die Möglichkeiten, eine Nachricht zu schreiben und du schreibst das?"

„Wir stehen hier vor einem Denkmal für James", Sirius lachte sogar verweint, „Ich muss ihn doch in Ehren halten!"

„James ist sicher irgendwo im nächsten Leben und lacht sich gerade kaputt", schnaubte Agnes und meinte es eigentlich sarkastisch, aber auch Sirius begann zu grinsen.

„Und Lily steht daneben und kann nur noch den Kopf schütteln", fügte er hinzu, „aber insgeheim liebt sie ihn für genau so etwas."

„Es sind immer die Kleinigkeiten, die man zu lieben lernt", meinte Agnes leise, „Willst du hinein?"

„Vermutlich nicht", seufzte Sirius, drückte aber trotzdem das Tor auf und zu ihrer Überraschung ließ es sich tatsächlich öffnen und Hand in Hand traten sie auf das Grundstück der Potters und folgten einem Weg, der kaum noch ein Weg genannt werden konnte, nachdem schon so viele Pflanzen und Gräser ihn überwuchert hatten, dass er genauso aussah, wie der Garten.

Agnes bemerkte, dass die Haustür nur angelehnt war, aber trotzdem blieb Sirius noch einen Moment lang davor stehen.

Ich habe nicht erwartet, dass sie noch leben würden", erzählte Sirius tonlos und Agnes ließ ihn einfach reden, während er seine Erinnerungen wieder durchlebte, „Ich habe das Haus gesehen und ich habe gewusst, dass etwas schief gelaufen ist. Ich muss ehrlich sein – ich habe kaum an Lily und Harry gedacht. Mein erster Gedanke war nur: James. James ist da drin."

Sirius drückte die Tür auf und trat einen Schritt hinein, während Agnes ihm stumm folgte. Es war dunkel und leer, aber es schien kaum etwas verändert worden zu sein. Ein kurzer Gang führte direkt in ein angrenzendes Wohnzimmer mit einer Couch und durch eine Halbwand getrennt auch in eine kleine Küche. Es schien ein Zauber auf dem Haus zu liegen, sodass die Möbel nicht verrottet waren und auch kein Staub lag auf den Oberflächen. Es schien beinahe so, als wäre alles noch so, wie vor sechzehn Jahren, als James und Lily Potter zwar noch am Leben gewesen waren, aber auch der Dunkle Lord noch all die Macht besessen hatte. So, wie es im Moment in der Welt aussah, kam es Agnes beinahe so vor, als wäre das junge Paar umsonst gestorben – der Dunkle Lord hatte mindestens genauso viel Macht, wie beim ersten Mal.

Ich habe James Zauberstab auf dem Sofa gefunden", gab Sirius zu, „Lily hat ihren in der Küche gehabt... Sie sind ihm schutzlos gegenüber gestanden und haben nicht einmal disapparieren können. Sie haben gedacht, mit Dumbledores Schutzzauber wären sie sicher, aber... das waren sie nicht..."

Sirius ging weiter in den Raum hinein und starrte auf eine Stelle am Boden.

Ich habe James als erstes gefunden", eine Träne rann über Sirius' Wange, „Er ist... genau hier gewesen – einfach hier, mitten im Weg... Er hat wohl versucht, ihn aufzuhalten, aber ohne seinen Zauberstab ist selbst er... er ist ein Idiot gewesen... ein mutiger Idiot, aber trotzdem noch... ein Narr... Es ist... ziemlich lächerlich gewesen", Sirius lachte auf, aber das Lachen verwandelte sich in ein Schluchzen, „Er hat die Socken getragen, die ich ihm einmal gekauft habe... Halloween-Socken und absolut hässlich und ich habe sie ihm auch nur gekauft, weil sie so hässlich gewesen sind, aber... er hat trotzdem darauf bestanden, sie jedes Jahr zu tragen, selbst, als seine Füße zu groß geworden sind..."

Sirius sah sich um, als wäre er zurück in der Vergangenheit, aber Agnes hielt seine Hand und gab ihm damit ein Stückchen Realität zurück.

Dann habe ich Harry gehört", erinnerte sich Sirius, „Zuerst habe ich gedacht, ich würde halluzinieren, aber dann habe ich trotzdem noch ein... Fünkchen Hoffnung gehabt, dass Lily und Harry noch lebten. Ich habe... über James steigen müssen, damit ich zur Treppe komme. Ich bin über die Leiche meines besten Freundes gestiegen, aber ich... ich habe nach Harry sehen müssen. Er hat doch geweint. Ich habe James nicht mehr helfen können, aber... Harry." Sirius schluchzte auf und er begann wieder zu weinen und Agnes umarmte ihn und strich ihm sanft über den Rücken.

„Shh...", machte sie beruhigend, als würde sie ein Kind trösten, „Alles ist gut. Niemand wirft dir das vor – Harry hat wirklich deine Hilfe gebraucht und James ist heldenhaft gestorben. Harry hätte auch noch immer in Gefahr sein können, immerhin ist der obere Stock zerstört gewesen."

„Aber ich bin über James' Leiche gestiegen", schluchzte Sirius, „Über die Leiche meines besten Freundes. Einfach so, als wäre ich selbst Vol–"

Agnes hielt ihm schnell den Mund zu und schüttelte den Kopf und Sirius erkannte seinen Fehler und riss erschrocken die Augen auf.

Agnes ließ ihn wieder sprechen. „'Tschuldigung", murmelte Sirius bedrückt, „Ich habe es... vergessen."

„Dafür bin ich hier", bemerkte Agnes, „Damit du so etwas nicht vergisst."

„Das ist ziemlich knapp gewesen", Sirius wischte sich wieder über die Augen. Dann ging er weiter in das Haus hinein und zu den Treppen.

Ich bin nach oben gerannt", erzählte er und als würde er die Erinnerung wieder erleben, begann er zu rennen und Agnes folgte ihm schnell. „Ich habe Harry gehört und dann habe ich gesehen, dass die Tür zu seinem Raum offen steht und ich bin hinein und da war... Lily..."

Sirius blieb wieder stehen, als er in den Raum sah, von dem Agnes vermutete, dass sich dort ein Schicksal erfüllt hatte und als sie an ihm vorbei sah, blickte sie tatsächlich in den zerstörten Raum eines Kindes. Die Wände hellblau gestrichen, ein Kinderbett, das noch immer an eine Wand angelehnt dastand, als würde ein winziger Harry noch immer dort drin schlafen und dazu noch Schränke und Kästen, die aber umgeworfen worden waren und nun wie auch viele Spielzeuge im Raum verteilt herumlagen.

Sirius starrte wieder auf den Boden. Dort musste Lily gewesen sein. Hier war also Harrys Mutter gestorben.

Sie lag direkt vor Harry", erinnerte sich Sirius tonlos, „Harry hat sie die ganze Zeit über im Blick gehabt – er hat bestimmt eine Stunde oder zwei seine tote Mutter ansehen müssen... Er hat geweint und geschrien, als hätte er genau gewusst, dass seine Eltern tot waren. Sein kleines Gesicht – verweint und bestimmt war er hungrig... am Kopf... eine Wunde, die später die Narbe werden würde..."

Sirius ging zu dem Kinderbett und legte eine Hand darauf. „Ich bin an Lily vorbei und habe Harry in die Arme genommen. Er hat sofort aufgehört zu weinen, als hätte er genau gewusst, dass sein Pate hier war – ich war hier, um ihn zu beschützen. Und ich habe seine Decke aus seinem Bett genommen und ihn darin eingewickelt. Ich habe ihn in meine Jacke gewickelt, damit er Lily nicht mehr sehen konnte und ich habe ihm etwas vorgesungen. Er ist so ruhig geworden... alles ist für ihn in Ordnung gewesen, immerhin ist er nur ein Kleinkind gewesen und so etwas wie den Tod... das hat er noch nicht wirklich verstanden... also habe ich auch aufgehört zu weinen – ich habe das Gefühl gehabt, Harry sollte mich nicht weinen sehen... er sollte seine Eltern nicht so sehen. Er sollte beschützt werden. Hagrid ist später gekommen und hat gesagt, dass Dumbledore einen Platz für ihn hat und ich habe ihn einfach so weggeben. Ich habe den Kleinen in meinen Armen gehalten, während ich beschlossen habe, dass ich ihn im Stich lassen werden, nur um Peter umzubringen. Ich hätte für ihn da sein sollen... ich hätte bei ihm sein sollen. Selbst, wenn er nicht bei mir hätte leben können... ich wäre für ihn da gewesen, immerhin war ich sein Pate! Aber ich habe ihn in Stich gelassen."

„Es ist nicht deine Schuld", wiederholte Agnes leise.

„Ich wünschte nur, ich hätte mich damals anders entschieden", gestand Sirius schwach, „Ich wünschte nur, ich könnte die Zeit verändern und würde bei Harry bleiben. Ich hätte ihn niemals alleine lassen sollen!"

„Du kannst jetzt für Harry da sein", tröstete Agnes ihn, „Wir... wir suchen ihn und dann... dann musst du ihn nie wieder in Stich lassen!"

„Wirklich?", fragte Sirius ihn und Agnes nickte ernst.

Sirius sah sie an, als würde er sie das erste Mal sehen. „Du bist jünger, als James und Lily es gewesen sind", sagte er schließlich, „Aber... sie sind erst einundzwanzig gewesen, als er sie umgebracht hat... Damals haben wir gedacht, wir wären schon so erwachsen und so verantwortungsbewusst, aber jetzt... jetzt sehe ich, wenn ich zurückdenke, nur Kinder, die noch bereit für all das waren."

„Der Krieg hat nicht auf sie gewartet", murmelte Agnes leise, „und er wartet auch nicht auf uns, bis wir erwachsen sind... Wir müssen einfach mit dem Arbeiten, das wir haben..."

„Danke, dass du mit mir hergekommen bist", bedankte Sirius sich leise bei Agnes, „Alleine hätte ich das niemals getan..."

„Keine Ursache", winkte Agnes ab, „Du durchlebst mit mir schon so viel von meiner Vergangenheit, da ist es nur fair, dass wir auch einmal etwas von dir abarbeiten..."

„Wollen wir noch ihr Grab besuchen?", fragte Sirius sie, „Ich habe gehört, sie haben hier am Friedhof eines..."

„Klar doch", Agnes harkte sich in seinen Arm ein, „Und dann suchen wir uns irgendwo eine Flasche Feuerwhiskey."

„Das ist unfair", beschwerte Sirius sich, „Ich weiß doch, dass Werwölfe nicht so schnell betrunken werden!"

„Umso besser", bestimmte Agnes, „Einer von uns muss ja immer Hirn behalten!"

Sie gingen gemeinsam wieder die Treppen hinunter und traten wieder aus dem Haus, als Agnes noch eine Person in der Nähe roch und sofort blieb sie stehen.

„Was ist–", wollte Sirius sie fragen, als sein Blick selbst auf eine Person fiel, die vor dem Eingangstor stand.

Diese Person hatte sie noch nicht bemerkt, aber er schien sich auszukennen, denn er legte eine Hand auf das Tor und das Schild tauchte wie schon zuvor bei Agnes und Sirius auf.

Die Person las sich alles durch und Agnes konnte trotz der Dunkelheit sehen, dass er seine Stirn runzelte. Sie vermutete, dass er gerade die Nachricht gelesen hatte, die Sirius hinterlassen hatte.

Als hätte er sie jetzt auch bemerkt, blickte er auf und sah Sirius und Agnes dort am Eingang zum Haus stehen.

Agnes hätte ihn erkannt, selbst, wenn sie blind gewesen wäre, denn sie kannte seinen Geruch schon ziemlich gut und er war ihr vertraut.

Es war ein alter Freund, der in dieser Halloweennacht ebenfalls zu diesem Denkmal gekommen war.

Er sah sie direkt an und sie starrten zurück.

„Sirius!", hauchte Remus Lupin, „Agnes!"

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