125. Kapitel

Es war eine der härtesten Stationen auf Agnes' Reise.

Sie mussten zwar keine Muggel austricksen, um nach Amerika zu kommen; sie mussten auch nicht den Präsidenten von MACUSA überzeugen, dass sie unschuldig waren; sie mussten keine Duelle ausführen und sie mussten absolut keine Gefahren bestehen.

Aber als Agnes und Sirius zusammen apparierten und Agnes sofort das Geräusch von Kies unter ihren Füßen hörte, zuckte sie sofort panisch zusammen.

Dieses Geräusch von Schritten auf Kies hatte sich in ihr eingebrannt und sofort erinnerte sie sich an jene Nacht – die Nacht, in der ihr Leben zerstört worden war.

Sie kamen nicht weit und schon nach ein paar Schritten musste Agnes einen Schweige-Zauber an ihren Schuhen anwenden, damit diese kein Geräusch auf dem Kies verursachen würden, einfach nur, weil sie dieses Geräusch nicht ertrug.

Sie fand die Stelle schnell und obwohl es über ein Jahr später keinerlei Anzeichen für einen Angriff mehr gab, so erkannte Agnes die Stelle sofort und so wohl auch Dorothy, denn sie klammerte sich mit ihren Krallen noch fester in Agnes' Schultern, als sonst und sträubte ihr Fell.

„Hier ist es", sagte Agnes mit seltsam hohler Stimme und sah sich um.

Es war einfach nur ein kleiner Weg mitten im Nirgendwo, aber trotzdem hatte dieser Ort eine besondere Bedeutung für sie. „Hier hat er mich gefunden..."

Sirius sah sich um, als würde auch er nach irgendwelchen Anzeichen suchen, aber er würde keine finden. Nicht einmal ein Geruch war zurück geblieben und Agnes' Blut war schon lange weggespült worden.

Agnes war müde und plötzlich hatte sie keine Lust mehr, zu stehen und setzte sich einfach mitten auf den Weg. Sie meinte, es wäre angebracht zu weinen, aber die Tränen wollten nicht kommen. Sie fühlte sich einfach nur leer.

Sirius ließ sich neben sie auf den Boden nieder und kurz war es still zwischen den beiden.

„Willst du darüber reden?", fragte Sirius sie ruhig und Agnes antwortete ihm nicht.

Schon beinahe erwartete Sirius, sie würde stumm bleiben, was auch in Ordnung gewesen wäre, aber dann sagte sie trotzdem leise: „Ich habe Dumbledore um Hilfe gebeten... nein... ich habe ihn angefleht, mich zu beschützen, aber er hat es nicht getan."

„Warum nicht?", fragte Sirius, obwohl er sich die Antwort schon beinahe denken konnte.

Agnes zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, weil ich nicht Harry bin..."

„Wow", bemerkte Sirius, „Das ist eine sehr allgemeine Aussage... mir wäre niemals aufgefallen, dass du nicht Harry bist!"

Agnes sah ihn unbeeindruckt an. „Vielleicht hat er in mir auch nur Agnolia gesehen... ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich gewusst habe, dass meine Eltern mich jagen würden. Als der Dunkle Lord zurückgekehrt ist, habe ich nur noch daran denken können, dass er alle Verräter ausschalten würde. Ich bin zwar nie ein Todesser gewesen, aber trotzdem... letztendlich hat Dumbledore sich geirrt und ich habe wie so oft Recht gehabt."

„In solchen Momenten wünscht man sich immer, Unrecht zu haben", seufzte Sirius, „Ich muss zugeben, als Liza zum Orden gekommen ist und uns gesagt hat, dass du – Agnes Tripe – von einem Werwolf angegriffen worden bist, da habe ich im ersten Moment gar nicht verstanden, warum das für alle so schrecklich gewesen ist. Für mich bist du die Tochter von Todessern gewesen und nichts weiter, aber alle anderen sind sofort zu dir geeilt. Ich habe es erst verstanden, als ich dich kennengelernt habe."

„Danke... denke ich", bemerkte Agnes, „Ich nehme das einmal als Kompliment."

Es wurde kurz wieder still zwischen den beiden.

„Ich kenne das", gestand Sirius schließlich, „Ich habe auch schon erlebt, dass Dumbledore nicht immer der gewesen ist, auf den man sich verlassen hat..."

„Er ist eigentlich ein ziemliches Arschloch gewesen", bestätigte Agnes und Sirius sah sie erschrocken an.

„Du hast geflucht!", keuchte er, „Du hast Dumbledore beleidigt!"

„Wer soll mich dafür bestrafen? Ein Toter?", fragte Agnes gleichgültig, „Dumbledore hat mir niemals so geholfen, wie er anderen geholfen hat."

„Ich bin zwölf Jahre lang in Askaban gewesen – unschuldig", erinnerte Sirius sie, „Als ich erfahren habe, dass Dumbledore sich für Snivellus eingesetzt hat und dieser Schleimbeutel ohne Strafe davongekommen ist... ich bin noch nie so wütend gewesen. Ausgerechnet ein Todesser läuft frei herum, während ich..."

Sirius beendete seinen Satz nicht, sondern sah nur wütend auf seine Hände.

„Scheint in der Familie zu liegen", vermutete Agnes spöttisch und lachte trocken, aber das Lachen verstummte schnell, als sie bemerkte, dass Sirius nicht mit ihr lachte. Vorsichtig griff Agnes nach seiner Hand und er nahm sie an und Hand in Hand saßen sie mitten auf dem Weg, obwohl es jetzt Ende Oktober schon ziemlich kalt war. Agnes spürte die Kälte kaum, aber Sirius begann irgendwann zu zittern, schien aber noch nicht bereit zu sein, wieder weiter zu gehen – er sah noch in Gedanken versunken aus.

Also zog Agnes ihren Mantel aus und legte ihn vorsichtig um Sirius' Schultern und Sirius zuckte einen Moment lang zusammen, aber dann lächelte er leicht.

„Das hat Remus auch immer gemacht – in der Schule", erinnerte Sirius sich, „aber meistens ist es James gewesen, der sie gebraucht hat."

Agnes drückte aufmunternd seine Hand und er erwiderte die Geste.

„Ich habe wirklich gedacht, dass ich Askaban verdient habe", erzählte Sirius leise weiter, „Es ist meine Schuld, dass sie Peter als Geheimniswahrer gewählt haben. Es ist meine Schuld, dass sie tot sind." Seine Stimme brach und Agnes bemerkte, dass er weinte. Bisher war es Agnes gewesen, die Hilfe gebraucht hatte, aber nun war Sirius verletzlich.

„Sag so etwas nicht", tröstete Agnes ihn sanft und umarmte ihn, „Es ist nicht deine Schuld."

Sirius weinte in ihre Schulter und Agnes strich ihm über den Rücken, aber sie wusste, dass sie gegen dieses Gefühl nicht viel tun konnte. Immerhin hatte sie ähnliche Schuldgefühle.

„Ich habe gedacht, alle wären besser dran, wenn ich in Askaban bin", schluchzte Sirius, „Es ist so viel einfacher gewesen, eingesperrt zu sein, als mit diesen Folgen zu leben! James ist tot... mein bester Freund, mein Bruder... er ist einfach gestorben und es ist meine Schuld!"

„Ich bin froh, dass du da bist", gestand Agnes leise und auch in ihren Augen sammelten sich Tränen, „Ich bin froh, dass du mich begleitest. Ohne dich wäre ich niemals so weit gekommen."

„Keine Ursache, Baby-Moony", schniefte Sirius und wischte sich mit der Hand über die Augen, „Dank dir habe ich erfahren, was es bedeutet, alles für die Familie zu tun."

„Wir müssen zusammenhalten", bestätigte Agnes und ließ Sirius wieder los, hielt aber noch immer seine Hand, „Du bist die erste Familie, die ich leiden konnte, Sirius."

„Ich würde gerne dasselbe von dir sagen, aber ich habe Tonks vor dir kennengelernt", gestand Sirius und lachte verweint, „aber du bist auch ziemlich cool."

„Ziemlich cool?", wiederholte Agnes künstlich empört, „Ich bitte dich! Ich bin absolut cool!"

„Jetzt übertreibe lieber nicht, Agnes", tadelte Sirius sie spöttisch, „Mittelmäßig cool – das ist mein letztes Angebot."

„Regeln wir das lieber mit einem Starr-Wettbewerb", forderte Agnes ihn heraus.

„Nein, lieber nicht", lehnte Sirius sofort ab, „Du gewinnst immer."

„Das ist der Sinn der Sache!"

„Du ergibst keinen Sinn."

„Ich ergebe sehr viel Sinn! Du ergibst keinen Sinn!"

„Nimm das sofort zurück!"

Agnes kicherte und schüttelte belustigt den Kopf. „Du bist doof", sagte sie und Sirius sagte nichts mehr darauf.

„Manchmal frage ich mich, was gewesen wäre, wenn alles anders gewesen wäre", begann Agnes leise wieder zu sprechen, „Hier hat Greyback mich angegriffen – ich frage mich, was passiert wäre, wenn das niemals passiert wäre. Dann wäre ich jetzt kein Werwolf, ich hätte meine Ausbildung in Hogwarts abgeschlossen und vermutlich hätte ich jetzt auch einen Job."

„Was wolltest du nach Hogwarts machen?", fragte Sirius sie, „Ich wollte immer mit James Auror werden, aber... letztendlich bin ich immer einer dieser arbeitslosen Loser geblieben... wir haben lieber unsere ganze Zeit in den Orden investiert und wollten danach erst mit dem Arbeiten beginnen, aber... tja... hat nicht so gut funktioniert..."

„Ich wollte eine Bäckerei öffnen", gestand Agnes ruhig und lächelte traurig, „Ich habe das nicht vielen Leuten erzählt... Es ist immer eher ein Traum gewesen, als eine wirkliche Vorstellung..."

„Das kann ich mir sehr gut vorstellen", grinste Sirius, „Agnes in Schürze, mit einem Kochlöffel in der Hand, wie sie Kekse an kleine Kinder verteilt und dabei die ganze Zeit ein rosiges Lächeln im Gesicht hat."

„Du hast eine komplett falsche Vorstellung von mir!", beschwerte Agnes sich beleidigt, „Ich bin nicht immer der blutrünstige, wahnsinnige Werwolf gewesen, weißt du! Ich bin auch einmal normal gewesen!"

„Du bist sicherlich niemals normal gewesen", widersprach Sirius ihr, „Ich kenne dich zwar noch nicht so lange, wie ich sollte, aber trotzdem weiß ich ganz sicher, dass du niemals normal gewesen sein kannst!"

„Ich weiß auch nicht...", seufzte Agnes, „Ich bin einfach nur eine weitere Schülerin gewesen... ich habe Quidditch gespielt, ich habe meinen besten Freund gehabt... Roger... er ist vor ein paar Monaten gestorben, wie du weißt... ich habe gebacken – eine Hauselfe in Hogwarts hat es mir beigebracht und ich habe immer alles verteilt oder verkauft, weil ich selbst nie etwas davon essen wollte. Ich habe oft nachsitzen müssen – ich glaube, wenn meine Mutter mich damals noch bei sich gehabt hätte, hätte ich niemals mein erstes Jahr überlebt..."

„Du und nachsitzen?", grinste Sirius, „Ich habe gedacht, das hätte erst mit Umbridge begonnen!"

„Ich habe keinen Respekt vor Autoritäten", erklärte Agnes, „Das hat jedenfalls Dumbledore gesagt, als Snape mich irgendwann einmal zu ihm geschleppt hat. Jedes Mal, wenn wir Zaubertränke gehabt haben, hat Snape etwas gefunden, um mich nachsitzen zu lassen so lange, bis wir die Liste eingeführt haben."

„Die Liste?", fragte Sirius nach und er grinste erwartungsvoll.

„Eine Strichliste", erklärte Agnes, „Jedes Mal, wenn Snape einen Grund gefunden hat, mich nachsitzen zu lassen, hat er einen Strich hinzugefügt. Ein Strich ist jeweils ein Punkt Abzug und eine Minute nachsitzen."

Sirius war kurz still. „Okay, wenn dieses System für Snape funktioniert hat, dann musst du einige Striche zusammenbekommen haben."

„Fünfhundertsiebenundneunzig", grinste Agnes, „Das ist mein Rekord aus meinem fünften Jahr, danach bin ich nicht mehr Zaubertränke gegangen."

„Fünfhundertsiebenundneunzig", hauchte Sirius ehrfürchtig, „Fünfhundertsiebenundneunzig verschiedene Anlässe, in denen du Snivellus auf die Nerven gegangen bist! Ich bin noch nie so stolz auf dich gewesen!"

„Danke", Agnes beugte ihr Kopf und lächelte zufrieden, „Es hat viel Übung gebraucht, aber schließlich habe ich es geschafft."

„Du kommst ganz nach Moony", Sirius wischte sich eine imaginäre Freudenträne aus dem Augenwinkel, „Warte nur, bis ich ihm das erzähle."

„Wahrscheinlich wird er in Tränen ausbrechen", vermutete Agnes, „aber ich weiß nicht, ob es Tränen der Freude oder der Verzweiflung sein werden..."

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