109. Kapitel

Natürlich war es nicht ganz so einfach, nach Amerika zu kommen, wie Sirius und Agnes gehofft hatten. Was hatten sie auch anderes erwartet? Immerhin war es ein komplett anderer Kontinent, sie besaßen beide keine Ausreiseformulare und sie waren mehr oder weniger gesuchte Leute im Vereinigten Königreich. Bestimmt versuchten viele Muggelgeborene derzeit auszuwandern, unter anderem nach Amerika, also waren die Sicherheitsvorkehrungen auf der Seite der Zauberergemeinschaft bestimmt strenger, als sie es sonst gewesen wären.

Es benötigte eine Menge Planung, Präzision und termingenaue Pünktlichkeit, um einen solchen hirnrissigen und wahnsinnigen Plan umzusetzen oder überhaupt erst aufzustellen.

Was für ein Unglück, dass Agnes und Sirius zusammen wohl eine so chaotische und irre Macht darstellten, dass jede Chance auf einen solchen perfekten Plan schon im Vorhinein als unmöglich abgestempelt werden musste.

Agnes und Sirius waren eben beide ein bisschen spontan und obwohl sie beide intelligent genug waren, um zu planen, war es für die beiden doch reizender, einfach zu sehen, wohin ihre kurzzeitigen Pläne führten in der Hoffnung, dass sie irgendwie nach Amerika kommen würden.

Natürlich war bei dieser Abmachung noch nicht wirklich geplant gewesen, dass sie beinahe sterben würden und dass sie dann in aller Eile aus der Gringottsbank fliehen mussten. Es ist auch nicht geplant gewesen, dass sie mehr oder weniger direkt zum Flughafen apparieren mussten. Es ist auch nicht geplant gewesen, dass Sirius eine Augenbraue verlor... obwohl... Sirius war sich ziemlich sicher, dass Agnes das sehr wohl geplant hatte.

Dabei hatte alles so schön geordnet angefangen.

Es war wohl einer der letzten halbwegs warmen Herbsttage, die Sonne schien kühl vom Himmel und Agnes und Sirius genossen entspannt einen Spaziergang durch die Winkelgasse.

Für jeden anderen schienen sie wahnsinnig geworden zu sein und Agnes war sich sicher, dass es irgendwo ein Handbuch für Flüchtlinge gab, in dem stand, dass man sich niemals so offen und ohne Verkleidung auf offener Straße zeigen sollte, aber Agnes und Sirius hatten es eilig und keine Lust, sich lange Verkleidungen auszudenken, also hatten sie ganz darauf verzichtet und es war seltsamer Weise eine ziemlich gute Idee gewesen, nachdem sowieso niemand auf der Straße ihnen einen zweiten Blick zuwarf und alle viel zu beschäftigt waren, um den ehemaligen gesuchten und eigentlich für tot erklärten Massenmörder und die vernarbte Kopie von Agnolia Tripe zu beachten.

Seite an Seite betraten Sirius und Agnes also die Gringottsbank, als wären sie genau dort, wo sie sein sollten und nachdem sie so entspannt und offen hineingingen und sich nicht anmerken ließen, was sie eigentlich vorhatten, wurden ihnen zwar misstrauische Blicke zugeworfen, aber niemand kam auf sie zu oder war bereit, sie festzunehmen, als sie nach vorne zum Schalter gingen, als wären sie wie jeder andere auch hier, um Geld abzuheben.

Das änderte sich aber schnell.

„Ladies und Gentlemen!", rief Sirius heiter und sofort lagen alle Blicke auf ihnen, „Das hier ist ein Überfall!"

Sirius grinste stolz auf sich, während die Anwesenden Kobolde und Zauberer und Hexen ihn nur verwirrt ansahen. Bestimmt fragten sie sich, welche Wahnsinnigen so einen Überfall ausübten – mitten am helllichten Tag in der meistbewachten und sichersten Bank im gesamten Vereinigten Königreich.

„Keine Sorge", lächelte Agnes in die Runde, „keiner wird verletzt, solange niemand einen Alarm auslöst. Ansonsten muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Sie sonst bemerken werden, wie sich Hexen und Zauberer während der Zeit der Hexenverfolgung gefühlt haben und die gesamte Bank wird ein riesiger Scheiterhaufen."

Die Wachzauberer waren zu dumm, um auf sie zu hören, aber Agnes bemerkte das Rascheln ihrer Umhänge und mit einem einzigen stummen Zauber schaltete sie einen der beiden aus, während Sirius den anderen übernahm und sofort herrschte wieder angespannte Stille. Jetzt hatten diese beiden seltsamen Räuber gezeigt, wozu sie in der Lage waren.

„Ich denke, wir haben uns nicht klar genug ausgedrückt", seufzte Agnes und schüttelte enttäuscht den Kopf, „Ich habe doch gerade gesagt, dass euch nichts passiert – wir wollen nur etwas Geld abheben, wie jeder andere auch."

„Wir haben nur keine Lust auf lange Wartezeiten", versprach Sirius nickend, „Es ist in letzter Zeit immer so schrecklich hier – ständig wird man verfolgt und man kann nicht einmal in Ruhe ein paar Münzen für die Flucht zusammenholen."

„Deswegen bitte ich Sie, Mr Kobold, mir sofort ein paar Münzen zu geben – wir haben nicht Zeit, sie aus unseren eigenen Verließen zu holen", bat Agnes den Kobold am Schalter, der sie finster ansah.

„Das Geld wird Ihnen natürlich ersetzt", versprach Sirius, „Sie können es sofort aus meinem persönlichen Verließ holen, aber im Moment haben wir es etwas eilig."

„Ein bisschen sehr eilig", bestätigte Agnes, „Es würde mich nämlich wundern, wenn nicht schon irgendein Alarm ausgelöst worden wäre..."

„Also... her mit den Münzen", verlangte Sirius heiter und Agnes hielt erwartungsvoll ihren Rucksack auf, aber nichts passierte. Niemand rührte sich und niemand machte Anstalten, ihnen Geld zu geben.

Agnes seufzte. Sie hatte gehofft, dass das mit nicht so viel Gewalt vonstatten gehen würde, aber da hatte sie sich wohl wieder einmal geirrt.

In diesem Moment betrat jemand vollkommen entspannt die Bank und alle Blicke wandten sich denjenigen zu.

„Nein, ich denke nicht, dass Handpuppen von Todessern gut ankommen würden", sagte die eine Person gerade – die beiden Neuankömmlinge schienen zu sehr in die Unterhaltung vertieft, als dass sie bemerkt hätten, was gerade in der Bank los war.

„Aber denk doch einmal an all die Möglichkeiten!", schwärmte die andere Person begeistert, „Ich denke, sie würden sich sehr gut verkaufen."

„Ja, aber –", jetzt schienen sie doch bemerken, dass etwas nicht stimmte und sie blieben mitten im Raum stehen und sahen sich um.

Sirius sah die beiden unbeeindruckt an. „Wenn die Herren jetzt mit ihrem Gespräch fertig sind... hier wird gerade eine Bank ausgeraubt."

Agnes war erstarrt und starrte die beiden an. Sie hatte nicht erwartet, dass dieser Tag noch so eine Wendung nehmen würde, aber nun stand sie hier, neben Sirius, umgeben von Feinden und natürlich den bekannten Weasley-Zwillingen.

Sie erkannte Fred sofort und auch er starrte sie einen Moment lang an, während auch George überrascht zwischen Sirius und Agnes hin und her sah, als würde auch er nicht glauben, dass die beiden nicht nur lebten, sondern direkt vor ihnen standen.

Fred war der erste der beiden, die sich aus dieser Paralyse befreite. „Nun, das ist aber ärgerlich", seufzte er künstlich beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust, „Da wollten wir gerade unsere heutigen Einnahmen direkt zur sicheren und vertrauenswürdigen Bank bringen, da wird sie gerade ausgeraubt."

„Eine Schande", stimmte George seinem Zwilling nickend zu und seufzte ebenfalls dramatisch.

„Wie sollen wir darauf reagieren?", fragte Sirius die beiden empört, „Da will man ausnahmsweise einmal eine Bank ausrauben und dann wird man einfach nicht ernst genommen."

„Das könnte daran liegen, dass ihr beide keine Ahnung davon habt, wie man eine Bank ausraubt", bemerkte Fred schmunzelnd.

„Oh, und ihr beide könnt das besser?", fragte Agnes schnippisch, also würde sie nicht gerade eine erste Unterhaltung seit Monaten mit Fred führen, sondern als wäre sie einem Fremden gerade erst begegnet.

„Nun, natürlich haben wir keine Ahnung, wie man eine Bank ausraubt –", gestand George.

„– immerhin sind wir zivilisierte Mitglieder dieser zivilisierten und ehrlichen Gesellschaft", fügte Fred hinzu.

„Aber wir haben vielleicht ein bisschen mehr Ahnung, als ihr beide", schlug George vor, „Als erstes sollte man nämlich zeigen, dass man diese Angelegenheit ernst nimmt."

„Das haben wir schon erledigt", verteidigte sich Sirius und deutete auf die bewusstlosen Wachzauberer.

„Das ist noch nicht genug", seufzte George und schüttelte enttäuscht den Kopf, „Am besten, man nimmt Geißel – dafür eignen sich Kinder normalerweise am besten, aber nachdem im Moment keine Kinder anwesend sind, müssen wir uns wohl mit meinem Bruder zufriedengeben... der ist mindestens genauso gut."

„Genau", bestätigte Fred nickend, bevor er wohl realisierte, was sein Zwilling gesagt hatte und ihn verwirrt ansah, „Wie bitte?"

„Fred hier meldet sich gerne freiwillig", bot George grinsend an und stieß Fred ermutigend nach vorne, „Komm schon, Freddie! Geh schon zu deinen Geißelnehmern."

Fred seufzte, schlurfte dann aber doch zu Sirius und Agnes mit erhobenen Händen, als würden sie ihn im Moment tatsächlich mit ihren Zauberstäben bedrohen.

Vor ihnen angekommen, sahen sie alle drei hilfesuchend zu George, als wäre er ihr Lehrmeister im professionellen Bank-Ausrauben.

„Okay", fuhr George zufrieden fort, „Jetzt müsst ihr die Geißel auch wirklich bedrohen..."

Agnes zögerte nicht und zeigte mit ihrem Zauberstab drohend auf Fred, bevor sie auch versuchte, einen Arm um seinen Hals zu legen, als würde sie sein Genick jederzeit brechen wollen, aber sie war zu klein.

„Entschuldigung, könntest du dich ein bisschen bücken... du bist zu groß", bat sie Fred übermäßig höflich und er ging tatsächlich ein bisschen in die Knie, sodass Agnes es doch gelang, einen Arm von hinten um seinen Hals zu legen, während sie mit der anderen Hand ihren Zauberstab nicht sonderlich grob an seinen Hals hielt.

„Du bist nur zu klein", neckte Fred sie grinsend.

„Nimm das doch einmal ernst", tadelte Agnes ihn streng, aber sie selbst konnte sich kaum ein Grinsend verheben.

„Ich habe gar nicht gewusst, dass du auf so etwas stehst", grinste Fred, „Sollte ich mir das für später merken?"

„Könnt ihr beide bitte aufhören zu flirten? Das irritiert mich", murmelte Sirius, bevor er sich lauter an George wandte, „Okay! Wie geht's weiter?"

George nickte zufrieden. „Jetzt habt ihr erfolgreich eine Geißel gefangen genommen... diese Geißel ist natürlich in Panik –"

„Oh nein...", sagte Fred mit wenig Panik in der Stimme, „Ich bin so panisch... Hilfe?"

„Bitte etwas mehr Elan, Bruderherz", bat George ihn streng.

„Hilfe...", wiederholte Fred mit nicht mehr Elan in der Stimme, als zuvor. George seufzte, schien sich aber nicht länger darüber beschweren zu wollen.

„Zufällig habt ihr eine Geißel erwischt, die gerade eine Menge Geld mit sich herumträgt", verriet George, als wäre er Narrator einer Geschichte, „Also wird die Geißel natürlich eigenständig versuchen, mit euch zu verhandeln."

Kurz war es still und alle sahen Fred erwartungsvoll an, der aber in Gedanken versunken schien und sich absolut wohl in Agnes doch ein bisschen aggressiven Griff zu fühlen schien. George räusperte sich und riss Fred aus seinen Gedanken.

„Was? Oh... stimmt...", Fred räusperte sich, „Bitte tötet mich nicht... ich habe Geld... nehmt es, aber tut mir nicht weh."

„Idiot", murmelte Agnes leise.

„Gib doch zu, du genießt das hier", vermutete Fred leise und schmunzelte.

„Wir können euer Geld nicht annehmen", wisperte Agnes leise und versuchte, so wenig wie möglich ihren Mund zu bewegen, „Wir rauben hier gerade selbst eine Bank aus – wir brauchen euer Geld nicht."

„Nehmt es einfach", flüsterte Fred ebenso leise zurück und er war auf einmal ernst, „Bitte, Agnes... mehr können wir im Moment auch nicht tun... nehmt es einfach an."

„Ihr bringt euch selbst in Gefahr", erinnerte Agnes ihn leise, „Ihr hättet uns niemals ansprechen sollen."

„Ich habe dich auch vermisst, Agnes", gestand Fred leise, „Natürlich habe ich unser Wiedersehen anders geplant, aber das hier ist auch in Ordnung." Fred griff in seine Manteltasche und holte ein Säckchen mit klimpernden Münzen hervor, bevor er etwas lauter sagte: „Oh... bitte tötet mich nicht! Hier ist all das Geld, das ich mit mir trage! Nehmt es, aber lasst mich in Ruhe!"

„Hoffentlich treffen wir uns das nächste Mal unter anderen Umständen", hoffte Agnes leise, bevor sie Sirius zunickte, damit er Fred das Säckchen abnahm und es in seine eigene Manteltasche vergrub, „Ich komme wieder."

„Das hoffe ich doch", murmelte Fred, „Schlimm genug, dass ich weiß, dass du jetzt bald wieder fort sein wirst..."

„Ich kann nicht bleiben", gestand Agnes seufzend.

„Ich weiß", sagte Fred leise, „Deswegen versuche ich nicht einmal, dich zum Hierbleiben zu bewegen, obwohl ich im Moment nichts lieber tun würde, als das. Versprich mir nur, dass du auf dich aufpassen wirst..."

„Das kann ich nicht wirklich versprechen", meinte Agnes und lächelte ihn entschuldigend an, „Immerhin habe ich gerade versucht, eine Bank zu überfallen."

„Ihr seid wirklich schlecht darin", bestimmte Fred, „Bitte versucht das nie wieder."

„Versprochen", sagte Agnes, bevor sie Fred vor sich weg stieß mit genug Kraft, dass es so aussah, als hätte sie gewollt, dass er weit genug von ihr weg war, dass sie fliehen konnten, aber gleichzeitig schwach genug, dass sie wusste, dass er sich nicht verletzen würde.

„Okay, Ladies und Gentlemen", rief Sirius wieder laut, „Wir verschwinden jetzt von hier, danke für Ihre Kooperation!"

„Das ist ein wirklich angenehmer Banküberfall gewesen", stimmte Agnes ihm zu, „Vielleicht kommen wir das nächste Mal wieder hierher."

„Aber im Moment sollten wir lieber verschwinden, solange wir noch –", Sirius wurde unterbrochen, als schon wieder die Türen aufgerissen wurden und dieses Mal einige Auroren in die Bank stürmten mit erhobenen Zauberstäben und Agnes warf sich schnell auf den Boden, um nicht sofort von einem Todesfluch ausgeschaltet zu werden.

„Oh, sie wollen also doch, dass ich die Bank anzünde", bemerkte sie grinsend, als sie wieder aufstand.

„Halte dich nicht zurück", bat Sirius sie und hob seinen eigenen Zauberstab.

Das musste man Agnes nicht zweimal sagen und sie deutete Fred und George mit Blicken, dass sie in Deckung gehen sollten, bevor sie begann.

Sie schoss einen Feuerstrahl direkt an Sirius vorbei und dieser schrie erschrocken auf, als dieser so nahe an seinem Gesicht vorbeischoss, dass es seine Augenbrauen und seinen kurzen Drei-Tage-Bart wegbrannte, aber als er sah, dass Agnes damit schon eine kleine Gruppe Auroren ausgeschaltet hatte, konnte er sich nicht mehr beschweren.

Agnes beschwor weitere Flammen aus dem Nichts, aber sie griff nicht mehr direkt die Auroren an – die Gefahr war zu groß, dass sie Fred erwischte – sondern bildete nur flammend heiße Wände, die ihnen direkt den Weg zum Ausgang führten und entspannt konnten die beiden erfolgreichen Bankräuber hinausgehen.

„Wie sehen unsere weiteren Pläne aus?", fragte Sirius scheinbar vollkommen entspannt.

„Überleben", bemerkte Agnes nur und hob wieder ihren Zauberstab, als sie die Türen erreicht hatten, „Wenn da draußen noch jemand auf uns wartet, dann müssen wir schleunigst disapparieren."

„Du brauchst doch keine Ausrede, um meine Hand zu halten", neckte Sirius sie, aber nahm ihre Hand ohne einen weiteren Kommentar.

Mit dem Fuß stieß Agnes die Tür auf und tatsächlich warteten dort schon weitere Auroren, aber diese brauchten einen Moment, um die beiden als die Bankräuber zu erkennen – immerhin sahen sie nicht wirklich wie Räuber aus – aber als sie ihre Zauberstäbe schon hoben, um sie auszuschalten, disapparierte Agnes schon und sie waren verschwunden.

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