105. Kapitel
Es war so, als würde allein Entfernung zu ihrer Mutter Agnes wieder funktionsfähig machen und sofort schnappte sie aus ihrer Paralyse und reagierte instinktiv.
Sirius schaffte es, ihren Fall für einen Moment zu bremsen, aber sie waren noch immer ein paar Meter über dem Boden, als sie wieder fielen. Agnes rollte sich ab – instinktiv und ohne viel darüber nachzudenken und vielleicht war sie selbst ein bisschen überrascht darüber, dass sie das nach zwei Jahren noch immer konnte, aber in ihren Jahren als Quidditch-Spielerin hatte sie gelernt, wie man fiel und sie war ziemlich gut darin geworden.
Schnell war sie wieder auf den Beinen, aber jemand anderer hatte weniger Erfahrung mit Fallen.
Agnes hörte noch ein ekelerregendes Knacken und Tias Aufschrei. Spätestens da verstand Agnes, dass sie nicht mehr vollkommen erstarrt und ängstlich sein durfte, sondern Tia so schnell wie möglich sicher da rausbringen musste.
Tia fluchte laut auf Spanisch und sie hockte am Boden, die Augen fest zugekniffen und offensichtlich unter Schmerzen.
„Wir müssen weg von hier", Agnes rappelte sich auf und ging zu Tia, um zu sehen, ob sie wirklich schwer verletzt war oder noch gehen konnte, „Es wird nicht lange dauern, dann kommt Agnolia hierher – wir müssen weg."
„Tia, ist alles in Ordnung?", fragte Sirius sie besorgt und folgte Agnes' Beispiel, aber offenbar ging es Tia nicht gut.
„Sehe ich so aus, als wäre alles in Ordnung, idiota?", zischte Tia und da wusste Agnes, dass es ihr schrecklich gehen musste – Tia beleidigte niemand einfach so.
Sirius hockte sich neben Tia ins Gras und untersuchte die Ursache der Schmerzen, die schnell gefunden war und Agnes musste einen Moment lang wegschauen, als sie Tias Bein sah, das in einem Winkel abstand, in dem es vermutlich nicht abstehen sollte, wenn Tia nicht gerade alle ihre Gelenke und Knochen verloren hätte.
„Oh, bei Merlins Bart", keuchte auch Sirius erschrocken, als er das Bein sah, „Ich will dir ja jetzt keine Angst machen, Tia, aber dein Fuß ist ein bisschen... schief... er steht einfach in einer Richtung ab, in der ich noch nie einen Fuß hab abstehen sehen. Ich meine... wow... dieser Winkel... das ist einfach nur... ekelerregend... Tia, das musst du dir ansehen –"
„Sirius, du hilfst nicht weiter", zischte Agnes warnend und hoffte, dass Tia das nicht sah, aber in diesem Moment übergab Tia sich neben sich im Gras und Agnes hatte absolutes Verständnis dafür. Sie bemühte sich sogar, es nicht ekelhaft zu finden und hielt Tias Haare, damit sie nicht im Weg waren, während sie ihr sanft über den Rücken strich und hoffte, dass sie wenigstens psychische Hilfe geben konnte. Vermutlich versagte sie vollkommen darin, aber im Moment konnte Agnes nichts anderes tun.
Nachdem Tia erfolgreich ihren Magen geleert hatte, konnte Agnes ihr wieder ins Gesicht sehen und Tia sah schrecklich aus – bleich, schwitzend und voller Übergebenem war sie wohl alles andere als attraktiv, aber ihr ins Gesicht zu sehen, war immer noch besser, als dieses vollkommen schiefe und absolut ekelerregende Bein zu sehen.
„Tia, ich weiß, es tut weh, aber wir müssen weiter", erklärte Agnes ruhig, aber innerlich war sie aufgewühlt und panisch – es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis auch Agnolia und die anderen Todesser einen Weg nach unten gefunden hätten.
„Lasst mich zurück", keuchte Tia und ließ sich ziemlich dramatisch zurückfallen ins Gras und legte einen Arm über ihre Augen, „Ich komme schon zurecht – ich brauche nur einen Moment."
„Unsinn, Tia", widersprach Sirius scharf.
„Tia, es tut mir wirklich leid", seufzte Agnes und positionierte ihren Arm unter Tias Beine und allein von dieser Bewegung schrie Tia vor Schmerz auf, aber Agnes wusste, dass sie alle sterben würden, wenn sie sich im Moment darum kümmern würde, also musste Agnes es durchziehen, „das wird jetzt wirklich wehtun."
Agnes hob Tia auf und Tia schrie vor Schmerzen und am liebsten hätte Agnes sie irgendwie anders transportiert, aber das wäre zu langsam gewesen und sie mussten weg. Agnes wünschte sich, sie hätte Zeit, Tia ein Schmerzmittel zu geben oder irgendetwas anderes, um das Bein zu schienen, aber sie musste es durchziehen und währenddessen einfach die Schreie ausblenden.
Die Schreie wurden leiser, als sie zur Peitschenden Weide kamen, bis sie nur noch leise, jämmerliche Wimmern waren, aber das war schon beinahe schlimmer, als die Schreie.
Nur Tias schneller Herzschlag sagte Agnes, dass Tia in ihren Armen überhaupt noch am Leben war, obwohl sie die Augen geschlossen hielt und kaum noch Geräusche von sich gab, als sie wieder durch das Fenster der Heulenden Hütte kletterten und schließlich apparieren konnten.
In London war Tia kaum noch bei Bewusstsein und hing schlaff in Agnes' Armen.
Sirius hielt die Tür vom Haus des Widerstands auf und Agnes trug Tia in den Gang.
„Hilfe! Wir brauchen hier Hilfe!", schrie Sirius und seine Stimme zitterte leicht – er war seltsam leise geworden, nachdem Tia verletzt worden war.
Aus dem Wohnzimmer stürmte zu Agnes' Erleichterung Konstantin – Konstantin und Liza waren also nicht umgebracht worden, sondern waren zurück ins Haus gekommen, obwohl der Plan vollkommen über den Haufen geworfen worden ist. Bei Konstantin waren Angelina und Janet, aber Liza kam nicht, um sie zu begrüßen, Agnes würde sich aber später Sorgen darum machen – im Moment mussten sie Tia irgendwie stabilisieren.
„Bringt sie ins Wohnzimmer", bestimmte Angelina mit fester Stimme und Agnes gehorchte nur allzu gerne.
„Sie hat sich das Bein gebrochen", sagte Agnes ruhig – sie musste Ruhe bewahren. Sie konnte es sich nicht leisten, noch einmal noch peinlich panisch zu werden wie in Hogwarts, nur weil sie ihre Mutter gesehen hatte. Eine panische und irrationale Agnes war eine schlechte Agnes. Sie musste rational und entspannt bleiben, sonst machte sie nur Fehler und Fehler endeten in Tod.
Agnes sah dabei zu, wie Chambers und Grant Schlafsäcke zusammenholten, als hätten sie das schon einmal gemacht und kurz darauf erkannte Agnes, dass das tatsächlich der Fall war, denn dort im Wohnzimmer lag schon jemand verletzter.
Es war Liza, die mit geschlossenen Augen auf einem Haufen aus Schlafsäcken lag und seltsam bleich war. Sie atmete noch und Agnes hörte ihren Herzschlag, aber dieser war schwach.
Agnes legte Tia auf dem Haufen aus Schlafsäcken ab und bemühte sich, das Bein so zu platzieren, dass es nicht schmerzen würde, aber in dieser Phase war das wohl egal, denn Tia sah nicht so aus, als würde sie grundsätzlich noch viel bemerken.
Unter Agnes' besorgten Blick begann Janet, Tias Bein zu untersuchen, aber Agnes vertraute Janet und wusste, dass die junge Lernheilerin Tia wieder hinbekommen würde. Agnes hoffte nur, dass Tia von der Reise hierher nicht noch mehr Schäden davongetragen hatte – das würde Agnes sich niemals verzeihen.
„Was ist mit Liza passiert?", fragte Sirius leise.
„Agnolia Tripe ist passiert", zischte Konstantin voller Hass und allein bei dem Namen zuckte Agnes zusammen, aber sie schämte sich sofort für ihre Reaktion – wenn sie immer so reagierte, wenn sie den Namen ihrer Mutter hörte oder sie sah, dann konnte sie sofort aufhören, in diesem Krieg zu kämpfen, dann war sie nämlich nur eine Last für andere.
„Alles ist perfekt gewesen und diese dämlichen Todesser sind genauso hohl und dumpf gewesen, wie ich erwartet habe, aber dann hat sich diese Furie eingemischt."
„Ich bin mir ziemlich sicher, euch schon einmal gewarnt zu haben, Agnolia nicht zu unterschätzen", sagte Agnes ruhig.
„Ist jetzt wirklich der Moment, um das zu sagen?", fragte Konstantin und der Ton in seiner Stimme gefiel Agnes überhaupt nicht, „Darauf hast du nur die ganze Zeit gewartet, oder? Du hast nur darauf gewartet, mir zu sagen, dass du es immer gewusst hast? Schön, ich gib es zu: Du hast Recht gehabt, okay? Bist du jetzt zufrieden?"
Konstantin wollte einen Streit mit ihr anfangen? Oh, Agnes hatte große Lust dazu, sich selbst zu beweisen, indem sie diesem goldlockigen Möchtegern-Auroren daran erinnerte, wer hier die mächtigere Hexe war und wer die Stärke eines Werwolfs besaß. Andererseits wusste Agnes, dass dieser Wunsch nach einer Prügelei ziemlich animalisch und kindisch war. Andererseits... warum sollte Agnes sich nicht einmal animalisch benehmen dürfen, immerhin war sie ein Werwolf und damit für die halbe Zauberergesellschaft so gut wie ein Tier.
Konstantin sah sie sogar provozierend an – er bettelte geradezu danach, geschlagen zu werden. Agnes würde ihm auch nur ein bisschen seinen perfekten Kiefer brechen.
„Oh, hat der kleine, unsterbliche Konnie einen ebenbürtigen Konkurrenten gefunden? Wie ist es, wenn man diesen einen Moment der Vergänglichkeit verspürt?", spottete Agnes stattdessen – dann würde sie Konstantin eben mit Worten schlagen, die konnten genauso wehtun, wenn nicht noch mehr.
Konstantin trat einen Schritt auf sie zu, aber Agnes fand das eher putzig, als wirklich furchterregend. Sie war Greyback gegenübergestanden – Konstantin war Dreck im Gegensatz zu Greyback.
Leider beschloss Sirius genau in diesem Moment, dass er ein verantwortungsvoller Erwachsener sein musste und stellte sich zwischen die beiden. „Hey, das ist nicht der Moment, um zu streiten", zischte er leise, vermutlich um die Verletzten nicht zu wecken, „Tia und Liza sind verletzt, aber wir leben noch, oder?"
„Liza ist wegen Tripe beinahe gestorben", widersprach Konstantin ihm unhöflich, „Für meinen Geschmack ist diese Mission ein bisschen zu knapp ausgegangen."
„Das nächste Mal erwischt es vielleicht dich", lächelte Agnes, ohne Konstantin aus den Augen zu lassen, „Jedenfalls wird es so sein, wenn du nicht bald von deinem Höhenflug herunterkommst und erkennst, dass vielleicht einige der Todesser doch ein bisschen gefährlich sein können. Ihr beide habt euch blind in diese Gefahr gestürzt und Liza hat den Preis dafür bezahlt."
„Wenn du nicht unbedingt den Wolfsbanntrank haben wolltest, wären wir nie in diese Situation gekommen", klagte Konstantin sie gereizt an.
„Es ist dein Plan gewesen, der uns da hinein gebracht hat", erinnerte Agnes ihn feixend, „Also, ich kann mich nicht daran erinnern, meine Mutter jemals unterschätzt zu haben – ich gehe sogar immer vom Schlimmsten aus, aber irgendwie scheinen das alle in meiner Umgebung immer zu ignorieren und letztendlich treffen immer genau die Ereignisse ein, die ich vorhergesagt habe. Das war der Fall, als ich ein kleines Kind gewesen bin und meine Mutter zum ersten Mal versucht hat, mich umzubringen – so war es, als Greyback mich angegriffen hat – so war es heute. Ich habe euch mehrmals gesagt, dass meine Mutter hinter mir her sein würde und ich hatte Recht, oder nicht? Das Leben hat eine seltsame Logik, wenn es um Vergeltung geht und sollte man die Prophezeiungen und Anzeichen einfach ignoriert, dann schlägt Schicksal doppelt so hart zurück."
„Okay, das reicht!", befahl Sirius ernst, „Hören wir auf, uns gegenseitig die Schuld zuzuschieben, das macht das Geschehene nicht ungeschehen."
„Natürlich bist du auf ihrer Seite", schnaubte Konstantin überraschen abfällig, „Sag mir Sirius, warum nimmst du immer Agnes' Seite ein?"
Sirius schien selbst von Konstantin überrascht zu sein und Agnes musste zugeben, dass sie das nicht erwartet hatte. Immerhin waren Konstantin und Sirius doch irgendwie ein Paar, aber vielleicht war das weniger ernst, als sie gedacht hatte. „Du kannst wirklich ein Idiot sein, wenn du verloren hast", bemerkte Sirius erstaunlich kühl, „Hör lieber auf, deine Verbündeten zu beleidigen und ihnen Dinge vorzuwerfen, die sie nie begangen haben – früher, als du denkst, werden sie sich gegen dich wenden."
„Hätte das eine Drohung sein sollen?", fragte Konstantin und sah Sirius überheblich an – es war ein Blick, den Agnes ihm nur allzu gerne aus dem Gesicht geprügelt hätte, wäre Sirius nicht im Weg gewesen., „Beim nächsten Mal funktioniert es vielleicht besser, Darling."
Sirius seufzte und schüttelte den Kopf und Agnes wusste, dass Sirius im Moment vielleicht so tat, als würde es ihm gut gehen und als wäre ihm das alles egal, aber er eigentlich eine Umarmung brauchte, aber jetzt vor Konstantin konnte sie das nicht machen. „Ich verzeihe dir gerne viel, Konstantin, aber langsam reicht es mir. Sagt mir, wenn Tia wieder bei sich ist. Wenn ihr mich entschuldigt – ich muss mir eine andere Hose anziehen."
Sirius sollte sich wirklich eine Hose anziehen – Agnes behielt ihren Blick extra auf seinen Hinterkopf, um nicht das noch immer vorhandene Loch in seinen Hosen zu sehen.
Als Sirius aus dem Raum war, konnte Agnes es nicht lassen, Konstantin noch einen letzten, feixenden Blick zu geben, bevor sie ihrem Cousin folgte und sie brauchte nicht lange, um ihn zu finden.
Sirius war nicht weit gekommen – er hielt sich am Treppengeländer fest und hatte sein Gesicht in seiner Hand vergraben. Agnes wusste nicht, ob er weinte, aber sein ganzer Körper schien zu zittern.
„Sirius?", fragte sie sanft und Sirius nahm sein Gesicht aus seiner Hand, blickte aber nicht gleich zu ihr, sondern holte einmal tief Luft, bevor er sich umdrehte.
Er lächelte, aber es war ein gequältes Lächeln und seine Augen waren glasig und rot, als wäre er nur einen Schritt davon entfernt, zu weinen.
„Wie geht es dir, Agnes?", fragte er sie heiter, „Dieser Tag macht uns alle fertig, oder?"
Agnes lächelte nur traurig und kam zu ihm und ohne ein Wort zu sagen, umarmte Agnes ihn und Sirius umarmte sie zurück.
Leise schluchzte er in ihre Schulter und Agnes zögerte nicht, Sirius die Treppen nach oben zu führen und in ein Zimmer, von dem sie wusste, dass es keines der beiden Schlafzimmer war, die benutzt wurden und in denen nun auch die meisten Leute vom Widerstand, der im Haus geblieben war schliefen.
Agnes wusste, dass Sirius sicher nicht wollte, dass ihn jemand in diesem Zustand sah.
Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, brach Sirius vollkommen zusammen und seine Knie gaben nach, aber Agnes fing ihn auf und zusammen knieten sie auf dem Boden.
Der Raum war nicht aufgeräumt worden und die Möbel, die einst den Raum gefüllt hatten, waren nur Trümmer und staubige Reste. Es schien ein Tornado durch den Raum gewütet zu haben und er hatte absolut nichts heil zurückgelassen. Es war wie eine post-apokalyptische Szene, in der sich Agnes und Sirius allein wiederfanden und in der Sirius endlich zusammenbrach und alles herausließ, das sich schon länger aufgestaut hatte.
Agnes hielt Sirius nur fest und ließ ihn in ihre Schulter weinen, immerhin hatte er dasselbe schon bei ihr gemacht und er hatte kein gemeines oder spöttisches Wort dazu gesagt. Das war das mindeste, das sie Sirius schuldete.
„Okay... okay...", Sirius ließ Agnes plötzlich los und wischte sich stur über die Augen, „Okay, Sirius, das reicht jetzt."
„Wir wissen beide, dass man solche Gefühle nicht aufstauen lassen sollte", tadelte Agnes ihn sanft, „Wir sind allein – niemand kann dich sehen."
„Ich weine doch nicht wegen irgend so einem Typen", versprach Sirius sich selbst, „Ich bin Sirius Black – ich bin besser, als das."
„Wir reden hier aber nicht von irgendeinem Typen", erinnerte Agnes ihn ruhig, „Wir sprechen hier von Konstantin Gregorovich – der Typ, für den du das Reich der Toten verlassen hast."
„Offensichtlich ist das ein Fehler gewesen", schnaubte Sirius, „Ich hätte wohl lieber dortbleiben sollen – bei James und Lily bin ich wenigstens willkommen gewesen. Vermutlich wäre das ihm auch lieber gewesen – jetzt habe ich ihm wohl seine tragische Hintergrundgeschichte versaut."
„Sag so etwas nicht", Agnes legte ihre Hände auf Sirius' Schultern und sah ihn streng an, „Wir brauchen dich hier auch – ich bin auf jeden Fall froh, dass du zurückgekommen bist. Wo wäre ich wohl, wenn du es nicht getan hättest?"
„Vermutlich ebenfalls dort", murmelte Sirius, als wäre es ihm peinlich und tatsächlich sprach er eine unangenehme Wahrheit aus, „Ich hätte auf dich gewartet und dich willkommen geheißen."
„Mir ist es so lieber", gestand Agnes.
„Obwohl du hier Schmerzen hast? Obwohl du hier noch immer verflucht bist und dich mit Idioten unter deinem Niveau herumschlagen musst?"
„Das hätte ich im nächsten genau machen müssen", lachte Agnes leise, „immerhin hast du gerade gesagt, du hättest auf mich gewartet."
Sirius lachte leise und schüttelte den Kopf. „Oh, Agnes... Wie sehr ich das alles hasse... ich weiß nicht, was mit ihm los ist."
„Kon ist nur gestresst", beruhigte Agnes ihn sanft, „Natürlich ist das keine Entschuldigung dafür, sich so zu benehmen, aber vermutlich hat in diesem Moment mehr die Angst um Liza gesprochen, als er selbst."
„Es ist ja nicht das erste Mal gewesen, das er ein bisschen... seltsam geworden ist", erzählte Sirius verbittert, „Er ist ein bisschen... distanziert, seit wir uns wieder getroffen haben."
„Kannst du es ihm übelnehmen? Du bist für ein ganzes Jahr tot gewesen", Agnes zuckte mit den Schultern, „Ich wäre überrascht, wenn Fred nicht so reagieren würde, sollten wir uns jemals wiedersehen."
„Oh, nein – Fred ist ein guter Kerl", widersprach Sirius ihr streng, „und Konstantin ist... Konstantin eben... ein bisschen eingebildet, ein bisschen zu sehr von sich selbst und seinen Plänen überzeugt, ein bisschen zu... oh, sprechen wir doch die Wahrheit aus – er ist verdammt noch einmal perfekt!"
„Da kann ich wohl nicht widersprechen", seufzte Agnes nickend, „Hast du schon einmal seine perfekten, goldenen Locken gesehen? Ich wünschte, meine Locken wären so schön, aber meistens sind sie einfach nur das pure Chaos!"
„Oh ja!", stimmte Sirius ihr eilig zu, „Und... und seine Augen – wie kann jemand so perfekt blaue Augen haben... außer Liza natürlich..."
„Sie sind so blau wie der Himmel", erinnerte sich Agnes, „und ich sage das nicht gerne, aber er hat wirklich eine gute Figur – muskulös und gleichzeitig so... elegant!"
„Oh, erinnere mich nicht daran", lachte Sirius und fächerte sich übertrieben mit seiner Hand Luft zu. Die beiden lachten leise und kurz wurde es still – es war eine angenehme Stille.
Dann seufzte Sirius in die Stille hinein. „Ich bin ehrlich gesagt überrascht gewesen, als er auf meine jämmerlichen Flirtversuche eingegangen ist... ich meine... Konstantin hätte wirklich jeden und jede haben können, aber..."
„– aber er hat dich gewählt", Agnes lächelte traurig, „Warum also benimmt er sich so seltsam?"
„Wenn ich das wüsste, dann könnte ich etwas dagegen tun", seufzte Sirius traurig und sah auf seine Hände, „Vielleicht brauchen wir einfach ein bisschen Abstand – in letzter Zeit ist so viel passiert und ich habe nicht wirklich das Gefühl, als wäre Kon gerne in meiner Gegenwart."
Agnes sah Sirius nachdenklich an. „Dann trifft es sich wohl gut, dass ich über dein Angebot nachgedacht habe, oder?", fragte sie und legte den Kopf leicht schief.
„Welches Angebot?", fragte Sirius verwirrt, „Doch nicht etwa das, dass ich dir den Rücken kratze, wenn du meine Füße massierst?"
„Nein... wann hast du mir dieses Angebot gemacht?", fragte Agnes irritiert, bevor sie den Kopf schüttelte, um ihre Gedanken wieder zu ordnen, „Nein, das, dass ich meine die Pause... vielleicht brauche ich wirklich eine Pause, damit ich mich selbst wieder zusammen habe und nicht jedes Mal vor Angst beinahe zusammenbreche, wenn ich meine Mutter sehe. Wir sind heute beinahe wegen mir gestorben!"
„Nein, gib nicht dir die Schuld dafür", tadelte Sirius sie, „Wir haben heute alle ein bisschen seltsam reagiert, als wir Agnolia gesehen haben, oder nicht? Ich meine... ich habe auch einen Moment lang Panik bekommen und sie hat mir nicht all die Dinge angetan, die du schon hinter dir hast. Selbst ich weiß, wie gruselig Agnolia sein kann."
„Mein Gehirn hat vollkommen abgeschaltet", verfluchte Agnes sich selbst, „Absolute Leere – ich bin es nicht gewohnt, nichts zu denken. Wenn ich mich zusammengerissen hätte, dann hätten wir auch nicht flüchten müssen."
„Wir hätten so oder so flüchten müssen", widersprach Sirius ihr streng, „Nicht einmal Kon und Liza sind gegen sie angekommen."
„Konstantin ist nicht so gut, wie er denkt", schnaubte Agnes, „Ich bin auf jeden Fall besser, als er."
„Oh, jetzt übertreibst du aber", lachte Sirius und stieß Agnes sanft gegen die Schulter, „Sehen wir es doch so, wie es war – ein absolutes Chaos. Aber hey – wir haben überlebt."
„Es ist aber knapp gewesen", erinnerte Agnes ihn, „und ich bin absolut wehrlos gewesen – ich hasse das. Ich bin gerne vorbereitet und ich hasse es, zu verlieren. Wir beide müssen also einen Weg finden, damit ich wieder meine Mutter ansehen kann, ohne mir in die Hose zu machen."
„Du hast dir in die Hose gemacht?", fragte Sirius überrascht, „Ich meine... ich verstehe das... bei mir ist es auch knapp gewesen, bis ich mich daran erinnert habe, dass ich eigentlich fast keine Hosen mehr getragen habe... oder trage... aber du –"
„Nein, ich habe mir nicht in die Hosen gemacht", unterbrach Agnes ihn humorlos, „Was ist damit sagen will, ist, dass ich diese Pause vielleicht wirklich brauche. Ich bin eine Gefahr für mich und andere, solange ich nicht ganz und zu hundert Prozent ich selbst bin. Ich weiß zwar nicht genau, wie ich meine geistige Gesundheit wieder zusammenflicken soll, aber vielleicht brauche ich wirklich etwas Abstand von all dem."
„Du musst dich selbst gar nicht zusammenflicken – oder deine geistige Gesundheit, wie du es ausgedrückt hast", sagte Sirius sanft und nahm Agnes' Hand in die seine, „Da gibt es nichts, das man zusammenflicken müsste. Sie ist nicht kaputt – sie ist nur schutzlos und alles, was du tun musst, ist wieder Wände aufstellen, damit sie in Ruhe in dir weiterwachsen kann. Da draußen –", Sirius deutete zu einem Fenster, „– herrscht nämlich Winter und der kalte, beißende Wind tut alles, um dich einzufrieren. Ich kann dir nur helfen, ein Feuer zu machen, damit wir zusammen den Winter überleben."
Agnes lächelte leicht. „Das klingt sehr poetisch – aus welchem Buch hast du das?"
„Aus gar keinem!", verteidigte sich Sirius empört, „Das habe ich vor kurzem in meinem Horoskop gelesen!"
Wieder lachten die beiden und kurz war der Winter vergessen.
„Okay", sagte Agnes schließlich, „Ich bin bereit für ein warmes Feuer."
Sirius lächelte leicht. „Du wirst schon sehen – wir bringen dich schon wieder zu deinem alten Glanz zurück. Versprochen."
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