104. Kapitel

Agnes hatte den Brief von Nigel sicher in ihrer Manteltasche verstaut und versicherte sich immer wieder, dass er noch da war. Sie hatte nicht vor, das Versprechen an den Jungen zu brechen und sie würde alles tun, um diesen Brief abzuschicken.

Sie würden Sirius in Myrtes Badezimmer im zweiten Stock treffen und auf dem Weg hinauf hätte Agnes Tia gerne erzählt, wie sie Neville getroffen hatte, aber sie passten lieber darauf auf, dass ihnen niemand entgegenkam.

Sie waren erst im ersten Stock, als sie es hörten.

Stimmen, Zaubersprüche, Explosionen, Chaos, Angst, Schritte, ein Schrei.

Agnes warf Tia einen besorgten Blick zu, als sie erkannten, dass der Schrei von Sirius gewesen ist.

„Du hast meinen Hintern verbrannt!", rief Sirius empört, „Diese Hosen sind so gut wie neu gewesen!"

„Man kann ihn keinen Moment aus den Augen lassen", fluchte Agnes und zückte ihren Zauberstab, bevor sie die restlichen Treppen nach oben rannte. Tia folgte ihr nach kurzem Zögern und als Agnes schon im Zweiten Stockwerk war, war Tia noch auf dem Weg nach oben, aber Agnes konnte nicht auf sie warten, sondern rannte weiter, ohne darauf zu achten, ob ihr jemand entgegenkam, denn das einzige, das sie im Moment hörte, war das Chaos. Sie folgte den Geräuschen von Kampf und Krieg und fand mit Leichtigkeit ihren Weg durch die dunklen Gänge.

Agnes bog um eine Ecke und wich gerade noch so einem Todesfluch aus, der in ihre Richtung gekommen war. Sie brauchte einen kurzen Moment, um dieses Chaos vor sich zu verstehen – und selbst nach diesem kurzen Moment war sie sich nicht sicher, was sie da vor sich sah.

Es waren Todesser im Schloss – irgendwie mussten sie erfahren haben, dass sie in Hogwarts eingedrungen waren oder sie hatten einfach auf gut Glück zu suchen begonnen und hatten tatsächlich auch einen Eindringling gefunden. Agnes hoffte, dass die Anwesenheit der Todesser nicht bedeutete, dass Liza und Konstantin tot waren – das wäre unpraktisch für ihre Seite gewesen.

Es waren fünf Todesser – Agnes erkannte Dolohow und Rookwood unter ihnen, die ihre Masken entweder nicht trugen oder diese verloren hatten, aber die anderen trugen noch ihre Masken. Es war ungünstig, dass Todesser ihre Anwesenheit bemerkt hatten, aber die Todesser waren nicht der erschreckendste Anblick.

Agnes hätte gegen eine ganze Armee von Todessern gekämpft, nur um nicht diesen schrecklichen Anblick vor sich zu erblicken und sie wusste in dem Moment, in dem sie es sah, dass sie dieses Bild nie wieder aus ihrem Kopf bekommen würde.

Sirius stand mit dem Rücken zu ihr und duellierte sich im Moment mit allen fünf Todessern gleichzeitig, aber es wäre Agnes lieber gewesen, wenn er nicht mit dem Rücken zu ihr gestanden hätte, denn das, was einmal der Hosenboden seiner Hose gewesen ist, war nun nur noch ein kümmerlicher, verkohlter Rest und zurück blieb ein Hintern, den Agnes lieber niemals gesehen hätte.

„O-kay", schnell hob sie ihren Blick und Sirius warf ihr über seine Schulter einen fragenden Blick zu, als er ihre Stimme hörte, „Das hätte ich nicht sehen müssen."

„Reiß dich zusammen, Agnes!", beschwerte Sirius sich, „Ich habe einen wundervollen Hintern."

„Mir würden eine Menge Wörter einfallen, die deinen Hintern und deine Persönlichkeit zugleich beschrieben hätten", widersprach Agnes, „aber keines davon wäre ein Kompliment."

„Ich habe dich auch schon einmal nackt gesehen und ich habe mich nicht – verdammt noch einmal, Rookwood, siehst du nicht, dass ich mich mit Agnes unterhalte? Stupor! –beschwert!", erinnerte Sirius sie, „Ich werde mich aber beschweren, wenn du nicht sofort dabei hilfst, mein Leben zu retten!"

Agnes zögerte nicht, hob ihren Zauberstab gegen die Decke und sprach entspannt: „Bombarda."

Die Decke explodierte und Agnes zog Sirius mit sich zurück zur Treppe. „Komm jetzt – sie sind sicher nicht lange abgelenkt!"

„Nicht lange abgelenkt?", wiederholte Sirius ungläubig, „Es würde mich wundern, wenn du sie nicht umgebracht hättest! Oh du meine Güte, ... du hast Hogwarts verletzt!"

„Wie bitte?", fragte Agnes irritiert, blieb aber nicht stehen, sondern zog Sirius einfach weiter mit sich.

„Warum hast du Hogwarts weh getan? Hättest du die Todesser nicht umbringen können, ohne Hogwarts zu verletzen?", fragte Sirius absolut aufgelöst und seine Stimme klang so, als wäre er kurz davor zu weinen.

Tia kam ihnen entgegen und sah sie fragend an, als Agnes und Sirius in die entgegengesetzte Richtung rannten, in der sie eigentlich hinwollten.

„Oh, hallo...", meinte Tia und legte den Kopf schief, „Warum rennen wir hierhin?"

„Planänderung", bemerkte Agnes schnell, packte das Mädchen am Arm und zerrte es ebenfalls einfach mit sich, wie auch Sirius, „Lauf, Tia – renn einfach nur."

„Wovor rennen wir weg?", fragte Tia unterm Rennen und klang dabei ein bisschen ängstlich.

„Vor Sirius' Hintern – renn einfach schneller, als er und fall nicht zurück", erklärte Agnes kurz.

„Ich hasse dich, Agnes", bemerkte Sirius keuchend.

Tia warf ihnen einen fragenden... oder verstörten Blick zu, aber Agnes hatte im Moment schlichtweg keine Zeit und keine Lust, um es zu erklären.

Agnes zog sie weiter die Treppen nach oben und sie blieben nicht stehen.

„Wohin rennen wir?", fragte Sirius.

„Nach oben", antwortete Agnes kurz und Sirius verdrehte genervt die Augen.

„Das habe ich schon bemerkt – ich bin schon lange nicht mehr so viele Treppen nach oben gerannt – ich glaube, ich bekomme Seitenstechen..."

„Wenn wir hier lebend rauskommen, dann zwinge ich dich dazu, sportlicher zu werden", bestimmte Agnes genervt, „Wir sind im Krieg – ein bisschen Ausdauer sollte da schon vorhanden sein."

„Es kann nicht jeder ein physisch verbesserter Werwolf sein!", beschwerte Sirius sich, „Außerdem habe ich eine perfekte Figur – ich brauche keine Ausdauer."

„Sag das erst einmal deinem Seitenstechen!"

„Ich kann mit meinem Seitenstechen nicht sprechen – es ist nur Seitenstechen!"

„Wenn du aufhören würdest, unterm Rennen zu reden, als hättest du kein Seitenstechen!"

„Ich rede doch nur, weil du mit mir redest!"

„Ich rede nur mit dir, weil du mit mir redest!"

„Dann hör auf zu reden!"

„Hör du zuerst auf!"

„Hört jetzt sofort beide auf!", verlangte Tia laut, „Konzentriert euch gefälligst aufs Entkommen! Ich kann niemanden hören – werden wir noch verfolgt?"

Agnes bremste kurz und lauschte einen Moment und sie hörte Schritte auf der Treppe – sie wurden nach oben verfolgt.

„Wartet einen Moment", sie richtete ihren Zauberstab auf die Treppe und plötzlich verwandelten sich alle Stiegen in glatte Rutschen und grinsend hörte Agnes, wie die Todesser, die sie verfolgt hatten, wieder nach unten Rutschten und es war schön, als sie hörte, wie sie gegen eine Wand krachten.

„Wir wecken noch das ganze Schloss auf", tadelte Sirius sie streng, „Hier sind Kinder, die einen langen, gesunden Schlaf brauchen!"

„Ich würde jetzt auch gerne schlafen, aber ich zu sehr damit beschäftigt, zu überleben", verteidigte sich Agnes, „Kommt weiter!"

Agnes schnappte sich Sirius' Hand und zog ihn weiter, aber Tia blieb noch einen Moment zurück und Agnes hörte, wie sie stehenblieb und drehte sich zu ihr um.

Tia starrte auf Sirius' Hintern, bevor sie verwirrt blinzelte und Sirius direkt ansah. „Sirius, du hast da ein kleines Loch in der Hose... und in deiner Unterhose..."

Danke, Tia", schnaubte Sirius sarkastisch, „Das habe ich noch gar nicht bemerkt!"

Tia lächelte zufrieden. „Gern geschehen!"

„Können wir uns jetzt lieber darauf konzentrieren, aus Hogwarts zu entkommen? Wir können später Sirius' Hintern besprechen!", rief Agnes frustriert und ohne auf die beiden zu warten, rannte sie weiter und Tia und Sirius folgten ihr zum Glück.

„Ich will dich ja nicht beleidigen, Sirius, aber ich würde es bevorzugen, wenn wir deinen Hintern nicht besprechen würden", gestand Tia unterm Rennen.

„Warum nicht?", fragte Sirius und er klang ernsthaft beleidigt, „Ich rede gerne über meinen Hintern!"

„Du wirst bald keinen Hintern mehr haben, wenn wir uns nicht beeilen!", unterbrach Agnes diese unnötige Unterhaltung streng, „Wenn ich heute sterbe, Black, dann schwöre ich dir, ich werde viel mehr tun, als nur deine Hose verbrennen!"

„Aber ich mag meinen Hintern doch so gerne!", rief Sirius empört, „Wie kannst du mir nur drohen, meinen Hintern zu verletzen? Zuerst verletzt du Hogwarts und jetzt auch noch meinen Hintern?"

„Das klingt so, als hätte dein Hintern Gefühle", bemerkte Tia fasziniert.

„Mein Hintern hat Gefühle", bestätigte Sirius, „und Agnes hat gerade die Gefühle meines Hinterns verletzt."

Tia keuchte erschrocken auf. „Oh nein... Agnes, du solltest dich entschuldigen."

„Ich werde mich nicht bei Sirius' Hintern entschuldigen!"

„Du verletzt meinen Hintern einfach immer weiter", seufzte Sirius enttäuscht und schüttelte den Kopf, „Wie kaltherzig bist du, dass du nicht einmal bemerkst, wenn du einen Hintern verletzt?"

„Sirius, ich werde dich –", begann Agnes zornig, aber in diesem Moment roch sie es und sie blieb stocksteif stehen.

Sirius und Tia rannten noch weiter, bis sie bemerkten, dass Agnes stehengeblieben war und verwirrt drehten sie sich zu ihr um.

„Agnes?", fragte Tia besorgt, „Hat dich das Gespräch über Sirius' Hintern traumatisiert?"

„Kein Gespräch über meinen Hintern könnte jemanden trauma– Agnes?", Sirius schien nun zu bemerken, dass wirklich etwas nicht mit Agnes stimmte und wurde sofort ernst, „Agnes... was ist los?"

„Sie ist hier", keuchte Agnes und plötzlich bekam sie keine Luft mehr, „Wir... wir müssen..."

Aber es war zu spät und um die Ecke kam ein weiterer Todesser, der sie nicht über die Treppen verfolgt hatte.

Als Agnes sie sah, verschwamm ihre Sicht vor ihren Augen. Sie hatte gedacht, sie würde sie umbringen, wenn sie sie das nächste Mal sah, aber jetzt, da sie tatsächlich vor ihr stand, konnte Agnes sich nicht mehr bewegen, nicht mehr denken, nicht mehr atmen.

Sirius fluchte und stellte sich schützend vor Agnes. „Agnolia Tripe."

„Sirius Black", begrüßte Agnolia ihn und sie lächelte süß, aber ihre Augen sagten, dass sie alles andere als freundlich sein würde, „Welch eine Freude, dich hier zu treffen und– oh! Tia! Wie schön, dass wir uns wiedersehen!"

Tia war ebenfalls seltsam bleich geworden und sie griff nach ihrem Zauberstab, aber ihre Hand zitterte so stark, dass sie ihn kaum halten konnte.

„Was für eine schöne Überraschung, euch hier zu treffen", lächelte Agnolia, „Agnes! Schätzchen, ich bin so froh, dich zu sehen." Das war eine Lüge und man hörte es ganz genau. Agnolia war alles andere als froh, Agnes zu sehen, aber Agnes konnte im Moment sowieso nicht denken. In ihren Gedanken war sie wieder zurück im Keller – in diesem schrecklichen, kleinen Kellerraum in Agnolias Haus.

„Agnes?", wisperte Sirius leise, ohne den Blick von Agnolia abzuwenden, „Agnes, bist du okay?"

Natürlich war Agnes nicht okay. Sie war alles andere als okay. Eigentlich war sie genau das Gegenteil von okay.

Agnolias Anblick allein hatte sie in Schockstarre versetzt und selbst, wenn sie sich irgendwie hätte bewegen können, hätte sie keinen klaren Gedanken fassen können, um einen Zauber gegen ihre Mutter zu sprechen.

„Tia", flüsterte Sirius leise, „Auf mein Zeichen springen wir."

„Was ist dein Zeichen?", fragte Tia ebenso leise, aber Panik schwang in ihrer Stimme mit.

Sirius sagte ihr nicht, auf was für ein Zeichen sie warteten, sondern hob nur seinen Zauberstab gegen Agnolia, die ihren ebenfalls erhob und bereit war, jeden Zauber abzuwehren, aber im letzten Moment richtete Sirius den Zauber nicht gegen die Hexe, sondern gegen ein Fenster und es zerbrach klirrend.

Sirius packte Agnes am Arm und zog sie und Tia mit sich zum zerbrochenen Fenster.

Avada Kadavra!", kreischte Agnolia, als sie realisierte, was sie planten, aber der Zauber verfehlte.

Sirius zog Agnes durch das Fenster, aber Agnes bemerkte nicht einmal, wie die Reste des Glasfensters in ihre Haut schnitten oder wie sie fielen.

Sie waren ziemlich weit oben, aber der Boden kam schnell näher. Agnes wäre einfach auf der Erde aufgeschlagen und hätte nicht einmal gewusst, wie sie gestorben war. In ihren Gedanken war es dunkel und sie fühlte sich, als würde sie bald umkippen. Ihre Gedanken waren so träge und alles hörte sich so an, als hätte sie Watte in den Ohren.

Wie von ganz weit weg hörte sie Sirius' Stimme: „Arresto Momentum!"

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