2. Braun, wie der Kaffee

„Ist das dein Ernst?", fragte er schwach und er musste sich räuspern, damit seine Stimme nicht brach. „Mein vollkommener", antwortete ich nicht ganz wahrheitsgemäß. Es stimmte schon, ich gab ihm diese Chance. Aber ich gab sie ihm nicht so, wie er sie wohl wollte. Manchmal war ich einfach zu gemein. „24 Stunden?", wiederholte er und jetzt war seine Stimme sogar etwas anzweifelnd. Vielleicht würde er, wenn ich Glück hatte, noch vorher einen Rückzieher machen.

„Genau." Ich versuchte mich an einem Lächeln, welches freundlich aussehen sollte. Diesen Sieg hatte ich so gut wie in der Tasche. Potter hatte nur zwei Möglichkeiten: aufgeben oder sich 24 Stunden lang zum Affen machen. Mir gefielen beide relativ gleich gut.

Einen Moment lang schien es so, als wüsste er nicht genau, was er antworten. Dann, zu meinem Entsetzen, breitete sich ein Grinsen auf seinen Lippen aus und er sprang auf. „Abgemacht. Ab jetzt, richtig?"

Zu überrascht von seinem plötzlichen Tatendrang nickte ich nur stumm und ließ zu, dass er mich am Handgelenk hochzog. „Dann los, die Zeit ist knapp. Auch wenn ich wohl auch nur 15 Stunden brauchen würde", fügte er grinsend hinzu und zwinkerte mir zu, während ich verstört dreinblickte, weil er mein Handgelenk einfach nicht loslassen wollte. Mit einer flinken Bewegung hatte er sich seinen Mantel übergeworfen, mir meine eigene Jacke gereicht und zog sich nun die Schuhe an. „Was hast du vor?", fragte ich nun ehrlich interessiert und James, ich meine, Potter, drehte sich mit einem schelmischen Glänzen in den Augen zu mir um.

„Na, ich muss dir doch etwas beweisen. Und nur im Haus hocken wird mir dabei nicht helfen!" Er hatte eindeutig zu viel überschüssige Energie übrig. So ungerne ich das auch zugab, er sollte mal mehr Quidditch spielen. Ich mochte das Spiel an sich zwar nicht, aber die Uniformen sahen ganz gut aus. Also, nur die Uniformen. Nicht etwa diejenigen, die sie trugen. Das wäre ja widerlich.

„Dann los", sagte Potter vergnügt und öffnete die Tür, wodurch mir wieder ein Schwall an kalter Luft entgegenschleuderte. „Aber es ist kalt!", protestierte ich, doch in dem Moment, in dem ich wieder in mein Haus gehen wollte um mich auf die Couch zu legen und vielleicht noch eine Runde zu schlafen, umhüllte mich ein warmer Wind. Potter steckte grinsend seinen Zauberstab wieder weg und ich zischte: „Sei froh, dass dich keiner der Nachbarn gesehen hat."

„Ich hab aufgepasst", meinte er mit einer wegwerfenden Handbewegung und steckte seine Hände nun in die Taschen seines Mantels, der ihm ungefähr bis zur Hälfte des Oberschenkels reichte. Er ließ ihn viel zu erwachsen wirken.

„Schön, was willst du machen?", fragte ich genervt und vergrub meine Hände ebenfalls in den Taschen meiner Jacke. „Vielleicht etwas trinken gehen. Einen Kaffee. Ich lad dich ein."

„Vergiss es, ich weiß, was du vorhast", erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Das hier ist kein Date, Potter." Er grinste unschuldig. „Das weiß ich sehr wohl. Aber irgendwie müssen wir ja anfangen, oder?", fragte er und blickte mich mit einem Hundeblick an. Ich schüttelte leicht den Kopf und funkelte ihn an. „Du hast schon wieder viel zu viel Spaß hierbei."

James – Potter – blickte mich zufrieden an und wollte schon losgehen, hielt dann aber inne. „Wo ist denn hier das nächste Café?" Ich stöhnte genervt auf. Das würden sehr lange 24 Stunden werden. Ich hätte ihm eine halbe geben sollen. Dann wäre dieser Tag nicht ganz im Eimer. „Hier lang", grummelte ich und ging voran, Potter genau neben mir.

„Wieso", fing ich an. „hast du eigentlich bis kurz vor Weihnachten gewartet, um das zu tun? Wolltest du meine Ferien versauen?" Potter lächelte schwach und trotzdem konnte ich seine weißen Zähne dabei sehen. „Ich habe mich ehrlich gesagt einfach nicht getraut", erwiderte er leise.

„Ach? Der allmächtige James Potter hat sich nicht getraut mit der bösen Lily Evans zu reden?", fragte ich leicht giftig. „Scheint so. Ich bin nicht perfekt, weißt du."

Ich lachte hohl. „Das weiß ich allerdings. Anscheinend bin ich da aber die einzige, denn alle anderen auf Hogwarts halten dich ja für so toll und super." Potters Lächeln verblasste etwas. „Weil sie mich nicht wirklich kennen", meinte er leise. „Sie sehen mich ja nur als Quidditchstar und guten Schülern. Keiner von denen hat je mehr als einen Satz mit mir geredet."

Ich schnaubte unbeeindruckt. „Du machst dir aber nicht wirklich Mühe, den Leuten auch zu zeigen, dass sie sich irren."

„Das stimmt wohl." Er schwieg und blickte einfach nur nach vorne, sein Atem kristallisierte sich vor ihm als weiße Wolke und da er nichts sagte, tat ich es auch nicht. Nach einigen stummen Minuten entdeckte ich schließlich das Café, welches mitten in der belebten Innenstadt lag. Da Weihnachten vor der Tür stand, waren die Leute unterwegs und besorgten noch ihre letzten Geschenke oder deckten sich mit Glühwein und Schokolade ein. Schweigend betrat ich den warmen Laden, doch noch bevor ich überhaupt daran denken konnte, an den Tresen zu gehen, hatte sich Potter an mir vorbeigedrängt und war vorangegangen.

Die junge Frau, die die Kunden bediente, klimperte ordentlich mit den Wimpern, als sie ihn erblickte und schien sehr angetan von seinem Äußeren zu sein. Meinetwegen konnte sie sich ihn gerne schnappen und mit ihm nach Ostasien auswandern. Eine Minute später kam er mit einem recht genervten Gesichtsausdruck wieder und führte mich an einen Tisch. Etwas unsanft stellte er die beiden Tassen voll mit Kaffee auf den Tisch und begann dann sofort in sein Getränk zwei Beutel Zucker zu rühren.

„Möchtest du Kaffee zu deinem Zucker?", fragte ich spöttisch und er schenkte mir ein Grinsen. „Nein, danke, ich bin zufrieden", erwiderte er recht bissig.

„Was ist denn mit dir los?", fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.

Er seufzte leise und nahm dann einen Schluck Kaffee, dann zuckte er mit seinem Kopf in Richtung der Bedienung, die immer noch Blicke zu uns warf, dieses Mal eine Mischung aus Eifersucht, Schmachten und Wut. Ich verdrehte die Augen. „Ignorier solch dummen Hühner doch einfach", sagte ich und mischte etwas Sahne in meine Tasse, damit das heiße Getränk nicht ganz so bitter schmecken würde.

Die erste Zeit sagten wir nichts. Stumm tranken wir den Kaffee und als ich überlegte, mir noch eine weitere Tasse zu holen, ergriff Potter das Wort. „Ich habe gehört, du hast eine Schwester." Meine Augen verengten sich sofort zu Schlitzen. „Wer hat dir das erzählt?", fragte ich sofort mit beißender Stimme.

„Ähm – Ellie", gab er kleinlaut zu. „Ich wusste es", knirschte ich leise. Meiner besten Freundin konnte ich aber auch wirklich nicht vertrauen. „Ja, ich habe eine Schwester. Petunia. Ganz reizende Person", giftete ich ihn an, auch wenn es wohl eine Spur härter war, als gewollt. Immerhin konnte er ja nichts dafür, dass meine Schwester mich verabscheute – was mittlerweile auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Oh", gab Potter von sich. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und lehnte mich auf meinem Stuhl nach hinten. „Meine Schwester hasst mich", sagte ich, auch wenn ich nicht genau wusste, warum. „Sie hat mich gehasst, seit ich herausgefunden habe, dass ich – dass ich so bin wie du. Seit diesem Tag hat sie mich als Freak bezeichnet und hat nur dann mit mir geredet, wenn meine Eltern sie dazu genötigt haben, oder wenn sie mich verhöhnen wollte. Mittlerweile nutzt sie jede Gelegenheit aus, um mich zu blamieren oder mich vor ihren dämlichen Freundinnen fertig zu machen." Ich schnaubte. „Ich hasse sie."

Potter betrachtete mich nachdenklich. „Das glaube ich nicht", meinte er dann.

„Du hast doch keine Ahnung", zischte ich ihn an. „Du hast ja keine Geschwister - "

„Nein, ich habe keine blutsverwandten Geschwister", gab er zu und unterbrach mich damit. „Aber ich weiß sehr wohl wie es ist, wenn man sich mit ihnen streiten und ihnen den Hals umdrehen will. Nur weil ich ein Einzelkind bin, heißt es nicht, dass ich unwissend bin, Evans." Ich starrte ihn einen Moment lang an, dann lächelte ich schwach. „Stimmt. Du hast ja deine drei Anhängsel." Potter blickte mich entrüstet an, doch bevor er etwas erwidern konnte, kam die Bedienung vom Tresen zu uns.

„Kann ich euch noch was bringen? Etwas Süßes vielleicht?", fragte sie und klimperte wieder mit den Wimpern. Ich verdrehte die Augen, als sie so offensichtlich mit ihm flirtete, dass es schon beinahe an Fremdschämen grenzte. Warum knöpfte sie sich nicht einfach die Bluse ganz auf, viel fehlen würde da eh nicht, dachte ich bitter und wandte den Blick ab. Potter jedoch erwiderte vollkommen gelassen: „Nein, danke, wir wollten eh gerade gehen, nicht wahr, Lily?"

Überrascht sah ich ihn an. Er hatte meinen Namen gesagt. Normalerweise würde ich ihn nun auf der Stelle verhexen. Stattdessen nickte ich stumm und er legte etwas Muggelgeld auf den Tisch, bevor er sich erhob und mir die Hand reichte. Argwöhnisch betrachtete ich sie einen Augenblick, dann verstand ich allerdings, was er vorhatte, und ergriff sie. Seine Finger fühlten sich ziemlich warm auf meiner Haut an und seine Hand war leicht schwielig, bestimmt vom vielen Quidditch.

„Auf Wiedersehen", sagte er galant und verließ mit mir im Schlepptau den Laden. Die Bedienung blickte uns blöd an. Erst als wir außer Sichtweite waren, ließ er meine Hand los und grinste mich an. „War das gut?", fragte er und ich verdrehte erneut die Augen. „Klar", gab ich zu. „Aber wieso hast du nicht einfach mit ihr geflirtet, sowie du es sonst immer mit den Mädchen machst?" Meine Stimme klang eine Spur zu vorwurfsvoll. Potters Augenbrauen hoben sich. „Wirklich?", erwiderte er knapp. „Denkst du wirklich, ich bin so einer?"

„Das denke ich nicht", antwortete ich. „Ich weiß es. Ich habe es oft genug gesehen." Nun war er an der Reihe, mich spöttisch anzugucken. „Und das ist dein Fehler, Evans" sagte er mit einer Spur Arroganz in der Stimme. „Du kennst mich nicht. Du kennst nur den Schul-James. Nicht den echten. Was weißt du denn schon über mich? Weißt du, was meine Eltern arbeiten? Weißt du, was ich gerne esse? Welches mein Lieblingsfach ist?"

Ich öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, da ich keine Antwort wusste, was bei mir äußerst selten war. „Das dachte ich mir", sprach er einfach weiter. „Ich verrate dir mal etwas über dich, Lily Evans. Dein Lieblingsfach ist Zaubertränke. Du isst gerne Schokoladenkuchen und schneidest dir immer einen Apfel, wenn du lernst. Deine Leibspeise ist Gebratene Entenkeule. Deine Lieblingsfarbe ist ein dunkles Violett. Du hast am 30. Januar Geburtstag. Könntest du auch nur eine dieser Dinge für mich nennen?", fragte er leise und blickte mich aus undurchdringbaren Augen an. Als ich nichts sagte, schnaubte er leise. „Du bist nicht ganz so allwissend wie du vielleicht dachtest, Lily."

Er wandte sich um und ging die belebte Straße weiter. „Und weißt du was? Es ist mir egal, wie viel du über mich weißt. Weil ich diesen Tag dazu nutzen werde, dir zu zeigen, dass ich mehr als nur ein Rumtreiber bin. Das ich mehr bin, als der nervige Typ, den du ja so verabscheust und der dein Leben ja so schrecklich macht." Er wandte sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass ich ihm folgte – was ich widerwillig tat – dann redete er weiter.

„Ich bin nicht mehr der Junge von damals, der dich in den See gestoßen hat, weil er deine Aufmerksamkeit wollte. Ich bin reifer geworden, Evans. Vielleicht solltest du einfach mal die Augen aufmachen." Hatte James Potter mich da gerade ernsthaft belehrt? Mich? Lily Evans, Klassenbeste, Schulsprecherin und Vorsitzende des 'Ich-hasse-die-Rumtreiber-Clubs'? Wow.

„Ist das eigentlich dein Ernst? Du gibt's jetzt mir die Schuld dafür, dass du dich wie ein Idiot benommen hast? Was meinst du wohl, warum ich diese Meinung über dich habe? Wieso ich nichts über dich wissen wollte? Wieso ich bei Morgana noch eins nichts mit dir zu tun haben wollte?" Meine Stimme war lauter geworden, als ich es beabsichtigt hatte und einige der Passanten blickten uns bereits mit empörten Gesichtsausdrücken an. Ich atmete geräuschvoll aus und schnappte mir dann seinen Arm. „Komm mit."

Stumm ließ er sich mitziehen. Irgendwann kamen wir an einer ruhigeren Stelle an, an der nur einige wenige Geschäfte waren, die kaum besucht waren. Ein einsamer Christbaum stand verloren am Wegesrand und versuchte sich mit seinen funkelnden Lichtern gegen den grauen Tag hervorzuheben. „Also, jetzt hör mal zu, Potter", sagte ich und versuchte meine Stimme nicht mehr ganz so streitsuchend klingen zu lassen. „Du warst ein Idiot und das kannst du einfach nicht leugnen. Ich habe dich die letzten sechs Jahre lang einfach nur verabscheut, weil du einfach nur so unglaublich arrogant und nervig warst. Du hast dich gebessert, dieses Jahr, das gebe ich zu, aber du bist immer noch derselbe. Wenn du mir also nicht wirklich zeigen kannst, dass du es auch ernst meinst, dann kann ich dich nicht so sehen, wie du vielleicht wirklich bist, sondern werde dich immer als den unreifen, pubertierenden Idioten sehen, der du so lange warst. Verstanden?"

James Potter blickte mich einen Moment lang an und beinahe befürchtete ich, er hätte kein Wort von dem, was ich gesagt hatte, verstanden. Sicherlich, es wäre mir auch irgendwie egal, wenn er so bleiben würde, wie er war. Wir hatten nur noch dieses eine Jahr zusammen, dann würde ich ihn nie wiedersehen. Meiner Meinung nach könnte er sich auch unter einem Stein verkriechen, das wäre mir auch egal. Dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben. „Sicher. Ich muss dich immer noch nur davon überzeugen, dann gehst du mir mit aus." Seine Augen hinter der Brille leuchteten schelmisch auf. „Und ich glaube, ich habe gerade die richtige Möglichkeit gefunden. Komm mit."

Und ohne, dass ich die Möglichkeit dazu hatte, zu protestieren, griff er nach meiner Hand und zog mich mit sich. Als niemand mehr in der Nähe war, apparierte er. Es fühlte sich an, als würden wir durch einen engen Schlauch gezogen werden. Die Luft wurde knapp und meine Lungen pressten sich zusammen, während James' Hand an meiner wie durch magnetische Kraft festgehalten wurde. Auch wenn ich ihn mitten in einer Reise durch den Raum sicherlich nicht losgelassen hätte, wenn er mich doch führte – wohin auch immer.

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