✒️~Schreie~🖋
🗓 Date: 31th December 2009 🗓
🕒 Time: 1:00 pm 🕒
Eigentlich war ich nie der Mensch, der sich nach einem Verlust länger als zwei bis drei Tage in seinem Zimmer verschanzte, aber dieses Mal hatte ich mich ein Jahr lang verschanzt.
Dass heute der Tag war, an dem Sugawara gestorben ist, machte es nicht gerade besser.
Seitdem Kōshi nicht mehr unter den Lebenden weilte, konnte ich weder meinen Geburtstag feiern, noch Silvester. Ich verband damit zu viele schreckliche Ereignisse.
Meine Familie hatte heute mehrmals versucht, mich aus meinem Zimmer zu holen, doch sie schafften es nicht. Ich wollte nicht.
Ich sah auf die Uhr, Ein Uhr Drei.
In genau 42 Minuten würde mein bester Freund seit einem Jahr tot sein.
Ich gab mir die ganze Zeit über die Schuld daran, dass er nicht mehr hier war. Dass er nicht mehr an meiner Seite war und mich anlächelte.
Ich wollte noch so viel mit ihm erleben, doch jetzt war es zu spät.
Vielleicht hätte ich etwas für ihn tun können, wie zum Beispiel den Krankenwagen rufen. Ich habe dies getan, aber viel zu spät. Hätte ich schneller reagiert, hätte sein Leben nicht so schnell geendet und ich könnte mit ihm noch all die Dinge tun, die ich mit ihm vorhatte.
Damals hatten wir besprochen, dass wir das Silvesterfeuerwerk bis spät in die Nacht beobachten würden und währenddessen unsere Lieblingschips zu uns nehmen würden. Es war zu spät dafür und ich war daran schuld.
Wieder glitt mein Blick zur Uhr. Es sind acht Minuten vergangen, seitdem ich das letzte mal auf das sekündlich tickende Gerät gesehen habe.
Wenn man auf etwas wartete verging die Zeit viel langsamer.
Ich könnte zu seinem Grab, Sugawara würde sich bestimmt drüber freuen.
Doch ich ging nicht. Zu viel Angst hatte ich, den Grabstein zu begutachten und seinen Namen samt Lebenslänge zu sehen. Zu sehen, dass er gerade mal vierzehn war, als er gestorben ist.
,,Wenn du mich so elendig in meinem Zimmer vergammeln sehen würdest, wärst du bestimmt nicht stolz auf mich oder?", fragte ich leise und fokussierte mich auf das Ticken der Uhr.
Warum fragte ich ihn das überhaupt? Er würde sowieso nicht antworten.
Mein Wecker klingelte, was mir signalisierte, dass es nur noch eine Viertelstunde war, bis es soweit war und ich schaltete ihn aus.
Ich erinnerte mich wieder an das, was genau vor einem Jahr war. Wie ich damals aus der Schule gegangen bin und draußen in der Kälte auf ihn gewartet habe, weil ich wusste, dass er etwas länger brauchen würde.
Der nächste Wecker klingelte. Es war Zwanzig vor Zwei.
Ich wusste noch genau, wie ich ihn mir wieder mal vorgestellt hatte. Wie er mich mit seinem liebenswerten Lächeln ansah, welches einen immer dazu zwang, mitzulächeln. Mittlerweile brachte ich nur noch ein verbittertes Lächeln hervor, bei welchem mir vermutlich die Sehnsucht ins Gesicht geschrieben war, an dem man sehen konnte, wie sehr er mir fehlte.
Eine Träne fand ihren weg aus meinem Auge.
🕒 Time: 1:45 pm 🕒
Mein dritter Wecker klingelte und somit wusste ich, dass es soweit war.
Mein bester Freund war nun seit genau einem Jahr tot.
Auf einmal vernahm ich ein lautes Schreien. Ein Schreien, an welches Ich mich an liebsten nie wieder erinnern wollte.
Kōshis lautes, von Schmerzen und Angst geprägtes Schreien, als er von dem Auto weggeschleudert wurde.
Mehr Tränen verließen meine Augen und ich war wie versteinert. Das Szenario von vor einem Jahr spielte sich in meinem inneren Auge ein weiteres Mal ab. Von dem Zeitpunkt an, an dem das Auto auf ihn traf, bis zu dem, an dem ich seine eiskalte Hand hielt.
Es war schrecklich, ein lautes Schluchzen verließ meine Kehle. Mein Körper wagte sich an verzweifelten Versuchen, genug Luft in meine Lungenflügel zu pumpen, doch es endete in einer schnellen Stoßatmung.
Kōshis Schreie waren so laut, dass ich das Gefühl hatte, meine Ohren würden platzen.
Immer und immer wieder spielte sich das Szenario ab und ich konnte nichts dagegen tun.
Ich presste meine Hände verzweifelt an meine Ohren, doch es brachte nichts. Die Schreie kamen nicht von außen, sie kamen aus meinem Inneren, gebildet von meinem tief sitzenden Trauma.
Ich wollte schreien, um den Schmerz in meinen Ohren auszugleichen, doch ich konnte nicht. Nichts, als ein Hauchen, gemischt mit einem Quietschen verließ meinen Mund.
Es war die Hölle auf Erden, ich nahm nichts anderes mehr wahr, als dieses grausame Schreien und dieses schlimme Szenario.
Doch dann, ganz plötzlich, verstummten die Schreie und auch das Szenario verblasste immer mehr, bis ich wieder mein Zimmer sah.
Wieder glitt mein Blick zur Uhr. Es war Zwei Uhr. Genau die Zeit, zu der damals der Krankenwagen angekommen war.
Noch immer geschockt strich ich mir mit den Fingerkuppen durch mein Gesicht. Es war nass. Nass aufgrund der Tränen und des Schweißes, welcher an meiner Stirn klebte.
Ich atmete tief durch und versuchte, das Ereignis von vorhin zu vergessen, doch es ging nicht.
Sein Tod würde mich wohl noch für den Rest meines Lebens begleiten.
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